Obwohl ich erst seit einer Woche, genau genommen seit Sonntag den 12.09.21 um 16:07 Uhr (der Zug war tatsächlich pünktlich) in Brno bin, ist schon unglaublich viel passiert und ich habe jede Menge Eindrücke gesammelt, die ich hier mal ein bisschen sortieren möchte…
Die Stadt
Zunächst einmal die Fakten: Brno, oder zu Deutsch Brünn, liegt im Süden Tschechiens, genauer gesagt in Südmähren und ist mit rund 380 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Tschechiens.
Das Brno eine schöne Stadt sein soll, hatte ich bereits in zahlreichen Reiseführern, Berichten und Dokumentationen gelesen und gesehen, aber die Realität hat meine Vorstellungen dann doch nochmal übertroffen. Wenn man erstmal im Stadtzentrum ist, versteckt sich hinter jeder Ecke ein neues schönes Gebäude oder eine Kunstinstallation, die natürlich auch alle fotografiert werden wollen und ich bin froh, mein Handy vor meiner Abreise nochmal gründlich ausgemistet zu haben.
Bei unserer Tour durch die Stadt sind Lucie (Freiwillige in Breclav), ihre Mitbewohnerin Alina und ich zu dem Schluss gekommen, dass es eine Regel geben muss, die besagt, dass keine Gebäude nebeneinander die gleiche Farbe haben dürfen, anders konnten wir uns nicht erklären, warum selbst die Hochhäuser bunt angemalt sind (übrigens eine sehr effektive Technik, um diese zumindest äußerlich aufzuwerten).
Natürlich gibt es auch weniger schöne Gegenden, aber zu einer richtigen Großstadt gehört das vermutlich dazu. Aber daran, genauso wie an rauchende Straßenschilder, Straßenbahnen, die plötzlich um die Ecke geschossen kommen und die Tatsache, dass man sein Vorrecht an Zebrastreifen aktiv einfordern muss, werde ich mich vermutlich im Laufe der nächsten Monate gewöhnen.
Im Zentrum wird wohl noch immer mit Gas geheizt, die überschüssige Wärme wird durch Rohre abgeleitet, die gerne auch mal als Straßenschild dienen und sich durchaus zum Hände wärmen eignen, auch wenn die Effizienz dieser Heiztechnik natürlich fraglich ist.
Der Legende nach war der Künstler, der die Türme gestaltete mit der Bezahlung unzufrieden, sodass er den mittleren Turm „ausversehen“ schief baute. Die Auftraggeber hätten sich damals vermutlich nicht träumen lassen, dass diese Asymmetrie mal zu einer Touristenattraktion wird.
Trotz der Größe der Stadt gibt es selbst in Zentrumsnähe immer wieder unvermutet ruhige Ecken und Grünflächen, was einen manchmal fast vergessen lässt, dass man sich eigentlich in einer Großstadt befindet.
Die Schule
Oder sollte ich besser sagen, die SchuleN? Schließlich helfe ich neben meiner regulären Schule, dem Gymnazium Krenova spontan auch noch an einem weiteren Gymnasium hier in Brno aus, dessen Namen ich zumindest nach einer Woche noch nicht einmal ansatzweise aussprechen, geschweige denn schreiben kann. Die faszinierendste Tatsache gleich vorweg: an beiden Schulen werden im Schulgebäude Hausschuhe getragen. Habe ich vor meiner Abreise noch gescherzt, dass ich aufgrund der Lage meiner Wohnung im Grunde in Hausschuhen zur Schule gehen könnte – am besten noch in Birkenstock mit Socken um dem Klischee zu entsprechen – stellt sich jetzt heraus, damit würde ich hier überhaupt nicht auffallen. Abgesehen davon unterscheiden sich beide Schulen vor allem darin von deutschen Schulen, dass es keine Lehrerzimmer, sondern einzelne Kabinette gibt, in denen immer 3-5 Lehrer:innen sitzen. Meine Büronachbarn habe ich allerdings noch nicht kennengelernt. Außerdem beginnt das Gymnasium hier wahlweise nach der 5., 7. und 9. Klasse.
Die Wohnung
Einen kürzeren Schulweg als ich hat vermutlich niemand, denn ich wohne direkt in der Schule. Das war nicht nur ein unglaublicher Luxus, als es um die Wohnungssuche ging, sondern ist auch für mich als Morgenmuffel überaus praktisch. Die Tatsache, dass ich im 5. Stock wohne und um zum Hauptgebäude zu gelangen erst nach unten und dann wieder 3 Stockwerke nach oben laufen muss, lässt mich allerdings trotzdem wach werden.
Außerdem bekomme ich hier oben auch wenig von dem Verkehrslärm mit und die 4 Schlüssel, die es bis zu meiner Wohnung braucht, geben einem doch ein sicheres Gefühl, wenn es irgendwo in der Schule mal wieder knarzt oder auf der Straße knallt.
Die einzigen Nachteile, die ich bisher feststellen konnte, sind das fehlende Bügeleisen (noch bin ich tatsächlich motiviert, meine Klamotten zu bügeln), was sich aber relativ leicht beheben lässt und die zu hohen Dachfenster. Scheinbar soll die Aussicht ganz schön sein. In diesen Genuss komme ich allerdings nur, wenn ich auf einen Stuhl steige.
Die Sprache
In zwei Worten – verdammt schwer. Zumindest ist das mein erster Eindruck, wenn ich mir die fehlenden Vokale in den Wörtern, die Aussprache und die angeblich sehr komplizierte Grammatik anschaue. Noch bin ich allerdings motiviert und freue mich schon auf den Sprachkurs, in der Hoffnung, mich irgendwann nicht mehr mit Google Übersetzer verständigen zu müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass ich hier bin, um Schüler:innen Deutsch beizubringen und ein ganzes Jahr bleiben werde, scheint es auch nur fair, dass ich mich mit der Sprache auseinandersetze.
Die Stimmung
Die Stimmung schwankt zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Himmelhochjauchzend, wenn ich nach einem langen Tag voller spannender Gespräche mit Kolleg:innen und Schüler:innen todmüde ins Bett falle, und zu Tode betrübt, wenn mich die permanente Reizüberflutung, unter der ich seit 7 Tagen leide oder besser gesagt, leiden darf, zu überwältigen droht. Wenn die Wohnung leer ist, man aber ein so großes Mitteilungsbedürfnis hat, dass es sich per Telefon fast nicht stillen lässt. Ob ich es bereut habe, den Freiwilligendienst angetreten zu sein? – Keine Sekunde. Ein Spruch, den ich auf dem T-Shirt eines Jungen, der mir gegenüber in der Straßenbahn saß, gelesen habe, trifft den Nagel auf den Kopf: „Fear is temporary, regret is forever.“ Was mir jetzt noch wie eine riesige Herausforderung erscheint, wird mit der Zeit Alltag werden und das Wissen, dass ich hier und in Deutschland von lauter tollen Menschen umgeben bin, die mich unterstützen, wird mich noch durch den ein oder anderen schlechten Tag bringen.
Aber natürlich freue ich mich vor allem auf all die Erfahrungen und Erlebnisse, die ich in den nächsten Monaten sammeln werde.
In diesem Sinne,
Na shledanou!
P.S.: Der Beitrag kommt leider etwas verspätet, da ich über das Schulinternet keinen Zugriff auf den Blog hatte. Jetzt musste ich das leider leider von einem Café aus machen…
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