Soweit mich die Füße tragen

Soweit mich die Füße tragen

Mein zweiter Tag in Zagreb beginnt ein bisschen besser als der vorherige. Im Vergleich habe ich viel besser geschlafen und bin nun bereit mich noch einmal völlig Zagreb hinzugeben.

Nachdem ich mich fertig gemacht habe und zum Frühstücken bereit bin, mache ich mich auf dem Weg in die Stadt. Ein richtiges Ziel habe ich mir für den Morgen nicht wirklich vorgenommen, schließlich habe ich die meisten Sehenswürdigkeiten bereits gestern besucht. Meine Liste ist deshalb sehr gut abgearbeitet. Aus diesem Grund entschließe ich mich für heute mich dorthin zu begeben, wo meine Füße mich hintragen und wo mein innerer Wandergeist mich hinlenkt.

Herr Wandergeist hat sich als erstes Ziel die Oberstadt gesetzt, an diesem sonnigen Morgen muss die Aussicht von dort einfach wunderbar sein. Deshalb durchquere ich den Trg Bana, der in der frischen Morgenluft noch ganz verlassen daliegt, und will über den Markt zur Oberstadt laufen. Aufgrund der frühen Stunde bauen die Händler erst jetzt ihre Stände auf.

Anders als gestern kann ich mir nun einen besseren Überblick über den Platz machen. Dabei fällt mir an der hinteren Ecke des Marktes ein kleiner Abgang auf, den ich aus Neugier einmal folge. Die Treppe führt mich hinunter in eine gigantische Halle, die sich direkt unter dem Marktplatz befindet. Hier im Halbdunkeln bieten Fleischereien, Bäckereien oder Molkereien ihre Erzeugnisse zum Verkauf an. Froh bin ich da wirklich, dass ich bereits gefrühstückt habe. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich nicht von den Ständen losgekommen. Die Fülle der regionalen Spezialitäten ist einfach überwältigend.

Nachdem ich mich endlich aus der Markthalle lösen konnte, kann ich meinen Weg, den Berg hinauf, fortsetzen und gelange recht schnell zur Gronji Grad. Zagreb ist nicht so groß, als dass die Laufwege unfassbar lang wären. Oben angekommen, kann ich die volle Schönheit der Stadt bei Sonnenaufgang endlich einmal selber vollständig genießen. Die warme Frühlingssonne wärmt die frische Morgenluft nur ein wenig an. Ein leichter Dunst hängt über Zagreb, der ihr erst einen gewissen Schimmer verleiht.
Mich schwer aus dem Staunen lösend, mache ich mich weiter. Ein Ort, an dem ich gestern war, hat besonders meine Neugier geweckt: der Tuškanac-Park. Deshalb kehre ich auch heute wieder an diesen Ort zurück, gelockt vom Vogelgezwischter und Sonnenschein. Tatsächlich finde ich mich recht schnell im Park wieder umgeben von der Natur, dem Geklopfe der Spechte, den aus dem Winterschlaf erwachten Eichhörnchen und den Amseln, die durch das Unterholz hopsen. Viele Menschen sind nicht gerade unterwegs, nur hier und da entdecke ich Menschen mit Hunden oder Jogger, die durch den Park laufen. Ansonsten habe ich die Natur eher für mich. Lediglich ein kleiner Bach gesellt sich zu mir und begleitet mich stromaufwärts ein Stückchen mit.
Oben an der Spitze des Tals angekommen, habe ich einen super Blick auf die Stadt und die letzten Reste des Winters, die in der Form von einer Skipiste in der Frühlingssonne dahinschmelzen. Doch nicht nur der Schnee schmilzt bei diesem Ausblick dahin, sondern auch ich.

Doch, wie jede Freude, wärt auch diese nur kurz und ich mache mich alsbald wieder auf den Abstieg, diesmal durch das Villenviertel, damit ich rechtzeitig mein Zimmer räumen kann und den Bahnhof noch pünktlich erreiche.
Am Bahnhof angelangt, nehme ich den Maribor-Zug in die Richtung der slowenischen Grenze, um nach Samobor zu gelangen. Der Zug spuckt mich ungefähr 10 km von Samobor aus, an einer Station, die Podsused Stajalište heißt. Viel sagen tut das mir nicht, aber die Touristenmetropole habe ich ja auch nicht erwartet.

Stattdessen setze ich meinen Weg in Richtung Westen fort und überquere die Sava, die mit einem kräftigen Rauschen unter mir dahinfließt. Sie ist fast wie ein kleines Meer, eingesperrt von den Flussufern. Viel Zeit zum Verweilen bleibt mir jedoch nicht, da der Weg nach Samobor noch ein ganzes Stücken ist (Mit Gepäck kommt es einem ganz schnell doppelt so lange vor.) Die einzige Motivation für mich sind die Berge, die mir aus der Ferne bereits zuwinken und die Aussicht auf Samoborska Kremšnita, die ich hoffentlich in Samobor probieren kann.

Als ich schließlich in Samobor ankomme, bin ich schon einiger Maßen geschafft und dass, bevor wir überhaupt loswandern. Ich habe mich nämlich mit Dr. Ulrich Dronske und anderen Deutschlehrern zum Wandern verabredet. Dass ich jetzt schon so fertig bin, bevor ich überhaupt kosgewandert bin, ist schon ein bisschen amüsant. Um nicht komplett vom Fleisch zu fallen, mache ich eine kurze Pause an der Granac, dem Fluss, der durch Samobor führt, und ruhe mich etwas aus. Das hilft wirklich sehr meine Lebensgeister wieder zu erwecken und ich stelle zufrieden fest, dass es meinen Wandergeist noch nicht getötet hat.

Aus diesem Grund fühle ich mich nun bereit die Wanderung anzutreten und mache mich los zu Ulrichs Haus. Dort angekommen bin ich, wenngleich pünktlich, der Letzte, der ankommt, so viel zur deutschen Überpünktlichkeit. Neben Ulrich ist auch noch Birgit da, Deutschlehrerin aus Varaždin, deren Bekanntschaft ich schon einmal bei den DSD-Prüfungen in Bjelovar machen konnte; Florian, Deutschlehrer aus Zagreb und bekennender Bayer und Hanah, Umweltaktivistin, Samoborerin und Einradfahrerin. Für alle, die es schon immer einmal wissen wollten, man kann Einrad mit bis zu 5 Bieren intus fahren, laut Hanah. Ich auf der anderen Seite kann nicht einmal nüchtern Einrad fahren. Da bleibe ich lieber bei meinem Zweirad, doppelt hält besser.

Nachdem wir uns alle versammelt haben, begeben wir uns auf unsere kleine Wanderung und durchqueren die Altstadt von Samobor. Sie ist sehr gut erhalten und erinnert mich sehr stark an die österreichischen Bergstädte. Wohl fühle ich mich hier auf Anhieb.

Schnell verlassen wir die flachen Wege der Stadt und kraxeln den Berg hinauf, ein Glück habe ich in den letzten Tagen eine Menge Übung bekommen. Ansonsten wäre ich jetzt wahrscheinlich komplett aus der Puste. Freiwilliger und Sparfuchs zu sein, sind wohl die besten Mittel, um zu guter Fitness zu gelangen. Der Wanderweg führt uns über Krokuswiesen, Primelfelder und an Bärlauch vorbei, den mir Birgit zeigt.

Das große Highlight der Wanderung ist der Aussichtsturm, von dem aus man von den Alpen bis hin nach Zagreb sehen kann. Sogar die kroatisch-slowenische Grenze lässt sich in der Ferne ausmachen. Bei diesem schönen sonnigen Wetter ist die Sicht umso besser.

Auf unserem Abstieg laufen wir noch an der Burg vorbei, die etwas unscheinbar über der Stadt thront und kommen schließlich ein wenig geschafft in der Stadt an. Unser Glück, dass wir dort uns eine kleine Stärkung in Form von Samoborska Kremšnita beschaffen. Nachdem wir die lange Wartezeit überstanden haben, sind wir am Zug und kaufen die Kremšnitas auf. Neben weil es nicht genügend mehr gibt, plädiert Ulrich für eine Alternative, die übersetzt Eiswind bedeutet und mit Früchten gebacken wird.

Bei Ulrich Zuhause angekommen verzehren wir unsere süßen Preise und plaudern noch ein wenig, bevor ich mich zum Hostel aufmache. Schön war der heutige Tag alle Mal, doch die Wanderung und die Samoborska Kremšnita waren noch das Sahnehäubchen oben drauf.

28.02.2021

Zagreb

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