Dobro došli || Willkommen

Robert Poljan begrüßt mich schüchtern und wir kommen gleich gut miteinander aus. Er ist wirklich sehr nett und wir kommen sofort ins Gespräch. Er ist von mittleren Alter, trägt das Haar hinten zu einem Dutt zusammengebunden und dazu noch einen dicken Winteranorak. Robert signalisiert mir ihm zu folgen und wir laden das Gepäck in sein Auto.

Obwohl, wie ich feststelle, Bjelovar sehr einfach zugänglich ist, bevorzugen die meisten Bewohner es mit dem Auto zu fahren. Wir düsen die Straße entlang und biegen um eine Ecke und schon sind wir da: Ljudevita Gaja 10. Das wird mein neues Zuhause für die nächsten Monate sein. Robert bedeutet mir zu warten und ruft meine Vermieterin an. Sonja kommt sofort mit Badeschlappen aus dem Haus und öffnet uns die Tür. Wir gehen einen Treppenabsatz nach oben und dann nach Links und schon sind wir da.
Meine Wohnung besteht aus einem großen Raum plus Badezimmer. Der Raum ist in zwei Bereiche aufgeteilt. Hinten stehen zwei Betten mit Schreibtisch und einem Fenster, das auf einen Baustoffhof schaut, der am angrenzenden Grundstück ist. Vorne im Raum stehen rechts ein paar Schränke einschließlich altem Röhrenfernseher. Links habe ich noch eine kleine Küchenzeile mit Herd, Kühlschrank und co. In der Mitte von meinem Kämmerle steht noch ein Esstisch. Alles ist ein bisschen spartanisch, aber ich bin super happy, dass ich die Wohnung mein Heim nennen kann.
Was folgen sind nur ein paar Kleinigkeiten. Sonja zeigt mir wie ich dies und das zu bedienen habe, liest den Strom ab und gibt mir einen Zettel mit ein paar Wörtern drauf und einen USB-Stick, der laut Robert Internet in meine Wohnung bringen soll. Dann verschwindet sie auch schon wieder und Robert verabschiedet sich ebenfalls.

Nun bin ich alleine in meiner ersten Wohnung. Wow was für ein Gefühl.

Was macht man da wohl als erstes? Weil mir nichts besseres einfällt, packe ich erstmal aus, gefeiert werden, kann ich später auch noch. Doch, soweit komme ich gar nicht, denn als ich an dem Punkt ankomme, wo ich alles ausgepackt und verstaut habe und eine Nachricht an meine Familie schicken will, schließlich sollten sie ja beruhigt schlafen können, merke ich, dass die Wörter, die Sonja mir auf den Zettel geschrieben hat völlig nutzlos sind.  Ins Wlan komme ich nämlich nicht, auch der Wlan-Booster hilft mir nicht gerade weiter. Ehrlich gesagt tut er eher gar nichts.  Er stellt sich eher als Wlan-Looser heraus, denn ,als ich ihn an meinen Laptop anschließe, verringert sich mal Locker die Zahl der erhältlichen Wlanhotspots um die Hälfte. Das Einzige, was der „Booster“ kann, ist bunt zu blinken. Na prima.
Ich überlege einen Moment, ob ich Robert vielleicht schreiben sollte und ihn fragen sollte, ob er mir eventuell helfen kann. Blöd bloß, dass mein Handy nicht einmal Empfang hat.  Kroatien liegt innerhalb des EU-Roaming Bereichs, weshalb man hier zu Inlandstarifen telefonieren und surfen darf. Allerdings deckt mein Vertrag diese Region von Kroatien nicht ab. Sprich keine SMS, keine WhatsApp nichts.

Als Mensch der Postmoderne kommt man da leicht schon mal in Schwierigkeiten. Drum ist es wichtig, bei einer solchen existentiellen Krise kreativ zu werden. Schließlich hat Robert sich mit mir am Abend verabredet, um mir die Stadt zu zeigen. Es muss unbedingt eine Lösung her. Was würde MacGyver in der Situation tun?

Ich konsultiere also meine kleine gelbe Bibel nach den notwendigen Wörtern und erinnere mich an einen doch ganz nützlichen Ausdruck, den ich mir von den paar Brocken Kroatisch gemerkt habe: “Nema (Es gibt nicht)”. Dann noch schnell das Wort anfügen, was man wohl überall kennt: Internet. Und voila: Nema Internet. (Angaben ohne grammatikalischer Gewähr)
Mit diesen Worten bewaffnet mache ich mich auf zu meinen Vermietern, die ziemlich genau mir gegenüber wohnen. Ich überquere den kleinen Innenhof und trete in das Treppenhaus gegenüber von meiner Wohnung ein.

Als ich klopfe und Sonja mir die Tür aufmacht, stelle ich fest, dass ich doch mehr Vorbereitung hätte machen sollen. Sie redet beherzt auf Kroatisch auf mich ein und versucht mir irgendetwas zu erklären. Zum Glück merkt sie recht schnell, dass ich offensichtlich nicht mit meinem Kroatisch hinterherkomme und sie bedeutet mir in die Wohnung einzutreten. Ihre Wohnung ist das komplette Gegenteil zu meinem Kämmerchen: groß, hell modern und äußerst stilistisch eingerichtet. Der Treppe nach zu urteilen gibt es noch ein Stockwerk über uns, links von mir befindet sich ein geräumiges Wohnzimmer und rechts ein gigantischer Esstisch aus Massivholz. Kurzum, die Wohnung ist alles das, was meine Wohnung nicht ist. Aber naja, man kommt ja nicht nach Kroatien, um sich zu beklagen.
Also zurück zum Thema: Sonja ruft im Wohnzimmer ihren Mann und wir setzen uns an den Esstisch.  Glücklicherweise spricht Željko, Sonjas Mann sehr gutes Englisch. Bei einem Glas Wasser und getrockneten Feigen ist das Schlamassel schnell gelöst. Ich erkläre ihm, dass das Internet bei mir nicht funktioniert und frage ihn, ob sie mir vielleicht nicht helfen können. Nach kurzer Recherche ist das Internet-Problem auch schon gelöst, als Sonja diesmal mit dem richtigen Passwort zurückkehrt. Wir unterhalten uns noch ein bisschen weiter. Natürlich ist meine Gastfamilie genau so neugierig darauf, woher ich komme und wer ich bin, wie ich auf sie. Weil es allerdings Mittagszeit ist, möchte ich die beiden nicht so lange stören und verabschiede mich alsbald wieder, bevor ich, diesmal mit funktionierenden Wlan-Passwort in mein kleines Heim zurückkehre.

06.12.2020
Bjelovar

Dieser Artikel hat 1 Kommentar

  1. Ich finde blinken schon eine absolut zu würdigende Leistung… zum Beispiel hätte ich gerne diese coolen blinkenden Schuhe. Trauma meiner Kindheit. Aber Spaß beiseite – seit wann gibts in Bjelovar funktionierendes Internet? 😝

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