Meine ersten vier Wochen in Dakar sind beinahe um (WAAAS? Ich bin doch grad erst angekommen!) und mein Blog ist leider jetzt schon verwaist. Nach meinem übermotivierten Anfang hatte ich die letzten Tage weder die Zeit noch die Inspiration, etwas zu schreiben. Ab Montag beginnt nun meine Arbeit in der Maison d’Education Mariama Bâ auf der Insel Gorée – und meine Arbeit am Goethe-Institut ist somit weitgehend beendet oder wird in der nächsten Zeit zumindest sehr in den Hintergrund rücken. Das möchte ich gerne zum Anlass nehmen, mich einmal mit der Arbeit dieser Institution auseinander zu setzen. Das ist mir auch explizit wichtig, seitdem ich erfahren habe, dass der Freiwilligendienst kulturweit aus Entwicklungsgeldern des Auswärtigen Amtes finanziert wird. Ich finde das wirklich erwähnenswert und eigentlich auch nicht tragbar. Deshalb ist es mir umso wichtiger zu beleuchten, was das Goethe-Netzwerk eigentlich genau tut.
Die Goethe-Initiative nahm ihren Anfang 1951 in München und begann ihre Arbeit als Sprachinstitut für ausländische Deutschlehrer in Deutschland. 1968 kam der zweite große Aufgabenschwerpunkt, die Kulturarbeit, hinzu. Heute gibt es 159 Goethe-Institute in 98 Ländern und der Schwerpunkt hat sich von der reinen Vermittlung deutscher Sprache und Kultur auf eine kulturelle Zusammenarbeit und die Vermittlung eines modernen Deutschlandbildes verlagert. Soweit die Theorie. Als kulturweit-Freiwillige habe ich nun die große Chance, mir die ganze Chose mal aus der Nähe anzuschauen. Ich sitze hier im Büro des Institutsleiters (der gerade in Elternzeit ist), habe Zugang zum Goethe-Intranet und bekomme einen Einblick von vielem, was das „Goethe“ im Moment zu treibt. Als angehende Journalistin (Yay!) habe ich nun ein bisschen recherchiert und meine Kolleginnen befragt, was sie denn den lieben langen Tag so treiben.
Die erste Säule ist laut Goethe-Motto die Vermittlung der deutschen Sprache. Gesprochen habe ich darüber mit Nina Melnikowa, die hier zuständig für die Sprachkursorganisation ist. Ehrlichgesagt habe ich sie in ihrer Mittagspause überfallen und mit einem Zettel voller Fragen bombadiert, aber sie hat mir dennoch sehr nett die Kerndaten zu den Sprachkursen geliefert. Das Goethe-Institut Senegal bietet drei Mal pro Jahr neu beginnende Sprachkurse für ungefähr 100 – 130 SchülerInnen in jeweils ca. 10 Kursen pro Trimester an. Theoretisch gibt es Kurse jeden Niveaus von A1 bis C1 (Sprachniveaus des europäischen Referenzrahmens), jedoch kommen B2- oder C1-Kurse nur selten zustande. Die Frage die ich mir unwillkürlich stelle ist: Warum im Himmel lernt irgendjemand freiwillig Deutsch? Nina sagt dazu, dass es gar nicht so wenig Deutschlernende seien – die Hauptmotivation ist häufig ein Studium in Deutschland anzufangen, das der DAAD (Deutscher akademischer Austauschdienst) mit Stipendien fördert. Ein Großteil der Deutschlernenden braucht ein Sprachzertifikat für den Ehegattennachzug (habe gerade gegoogelt, dazu benötigt man die absoluten Grundkenntnisse, also A1-Niveau). Auch eine Motivation, Deutsch zu lernen, ist der Wunsch, nachher als Deutschlehrer arbeiten zu können oder bei deutschen Firmen und Stiftungen im Senegal arbeiten zu können. Das sind laut Nina aber eher wenige. In Westafrika gibt es zwar auch andere Stellen, um die deutsche Sprache zu lernen, wie z.B. im Schulunterricht, an der Uni oder in kleinen Privatschulen, dennoch kommen ans Goethe-Institut Senegal nicht nur SenegalesInnen, sondern auch Leute aus Gambia, Guinea(-Bissau), Capo Verde, Mauretanien und Nigeria. Unterstützend zum Sprachkurs gibt es hier eine kleine Bibliothek mit deutschen Büchern, Zeitschriften und Filmen und es wird auch landeskundlicher Unterricht angeboten.
Die zweite große Säule ist die Kulturarbeit. Während meiner drei Wochen hier, habe ich die Planung und/oder Durchführung folgender Projekte mitbekommen: ein Diskussionsabend zum Thema „Fake News“ mit Journalisten einer senegalesischen Nachrichtenagentur, eine Lesung eines senegalesischen Schriftstellers, der ein Buch über einen senegalesischen Musiker geschrieben hat, ein Symposium über einen deutschen Forscher, der in den 70er Jahren viel im Senegal geforscht hat, ein Expertenworkshop deutscher Tonmeister für angehende senegalesische AufführungstechnikerInnen und ein Theaterprojekt senegalesischer junger Menschen, die für eine Tour durch die Schulen des Senegals proben. Ihr merkt schon – das Goethe-Institut legt großen Wert darauf, nicht nur deutsche Kulturvermittlung machen zu wollen
Mein Problem mit dem Goethe-Institut ist nicht dessen Arbeit – sie versuchen sowohl in Theorie als auch in Praxis Alles richtig zu machen und jegliche neokolonialistische Anwandlungen zu verhindern. Mir geht es um den krassen Gegensatz, wenn wir zu Fuß von unserem Haus bis zum Goethe gelaufen sind, vorbei an Straßenhändlern, Frauen, die Waren auf dem Kopf tragen und Ziegenherden, die über die Straße gescheucht werden. Und dann tritt man in ein topmodernes Bürogebäude mit mehreren Sicherheitsmenschen am Eingang, fährt mit dem Aufzug in den fünften Stock und schaltet als erstes die Klimaanlage im Chefbüro mit Vollverglasung ein, mit Blick über Dakar. Die Mitarbeiterinnen hier (ja, es sind tatsächlich alles Frauen) sind zwar super lieb und lustig, aber grenzen sich meiner Meinung nach auch ab vom Leben der „normalen“ Menschen, indem sie sich aus den europäischsten und damit teuersten Restaurants Dakars mittags etwas bestellen und bringen lassen und das dann unter der schützenden Klimaanlage essen. Das Goethe-Institut ist, wie die deutsche Botschaft, quasi deutscher Boden – und steht damit in einem krassen Gegensatz zu dem Senegal, den ich bisher so gesehen habe.
Also, sind die Existenz der Goethe-Institute und besonders meine Anwesenheit hier nun gerechtfertigt? Das ist eine sehr interessante Frage, über die man vermutlich eine ganze wissenschaftliche Abhandlung schreiben könnte. Ich bin tatsächlich auch sehr motiviert, mich damit zu beschäftigen! Für den Moment kann ich jedoch nur beschreiben, was ich sehe und wie ich es wahrnehme – und das zeigt mir, dass die Rolle des Goethe-Instituts trotz großer Bemühungen kritisch betrachtet werden muss. Ich kann hier natürlich nichts Weltpolitisches bewegen, aber das ist auch gar nicht mein Anspruch. Jedoch kann ich etwas lernen; und dazu ist kulturweit schließlich auch gedacht.