Ich sitze im Zug Richtung Berlin. Dort wird die nächsten zehn Tage das Vorbereitungsseminar für alle kulturweit-Freiwilligen stattfinden. In meinem riesigen Koffer habe ich – neben viel zu vielen Klamotten – einen Haufen Vorfreude auf das, was wir lernen werden und ganz besonders auf die Menschen, die ich kennenlernen werde. Die drei Mädchen, die mit mir gemeinsam in den Senegal reisen werden, habe ich schon kennen gelernt, wenn auch nur digital. Jedoch habe ich besonders mit einer von ihnen, Nora, schon so viel geschrieben und zehnminütige Sprachnachrichten ausgetauscht, dass es mir so vorkommt, als würden wir uns schon ewig kennen.
Im Zugfenster neben mir fliegt Mitteldeutschland mit zerfallenen Fabrikgebäuden und Wohngebieten mit Fertigwohnhäusern vorbei. Ich kann es kaum erwarten, in zwei Wochen im Senegal aus dem Fenster zu sehen und mitten in einer Welt zu sein, die vermutlich kaum etwas mit dieser zu tun hat. Auf welche westlichen Strukturen werde ich treffen? Wie viel ursprüngliches Afrika steckt in der Millionenmetropole Dakar? Und wie wird es werden, plötzlich alleine zu leben? Während andere aus meiner Stufe, Freunde, neben denen ich jahrelang in der Schule gesessen habe, nun in andere deutsche Städte zum Studieren ziehen werden, ziehe auch ich aus – aber nach Afrika.
Das ist nur ein Bruchteil der Fragen, die ich mir stelle. Jedoch sind es auch die Fragen, über die ich in den nächsten zehn Tagen gerne mit den anderen Freiwilligen sprechen möchte. Gestern Abend haben wir den Seminarplan erhalten (kulturweit ist so gruselig gut organisiert) und wir werden anscheinend viel Zeit haben, um uns in Kleingruppen, den so genannten „Homezones“ auszutauschen, aber auch Momente zur eigenen Reflexion haben und mit den Verantwortlichen von kulturweit sprechen können. Über solche Vorbereitungsseminare habe ich bereits die verschiedensten Geschichten gehört. Während eine Freundin auf ihrer dreitägigen „Vorbereitungswoche“ philosophische Gespräche zu Themen wie „Was ist Kultur?“ führte, hatte eine andere Freundin einen Praxis-Workshop, wie man in Afrika mit den Händen isst. Was nun am Werbellinsee geschehen wird gleicht also vermutlich einer Wundertüte.
Meine Fahrt mit dem ICE 1724 Richtung Müritz scheint mir eine lachhaft passende Metapher für meine gesamte Reise in den Senegal zu sein. Alles ist unglaublich strukturiert und organisiert (siehe Zugnummer), aber das Ziel des Ganzen ist einem gänzlich unbekannt, auch wenn man sich ihm langsam nähert. Dieses Vorbereitungsseminar ist die erste Etappe meines Abenteuers Afrika – und ich freue mich unglaublich darauf!
Super geschrieben! Ich freue mich schon total auf die Berichte aus dem Senegal! Habe auch schon was gelernt (wusste davor nicht, was ein Baob ist).