Schon über die Hälfte


Ich muss mich leider wiederholen: die Zeit rennt!

Seit dem letzten Eintrag ist viel passiert. Wir waren in Togo, wo mein Französisch ordentlich auf die Probe gestellt wurde. Kleiner, aber wichtiger Exkurs:
Togo, damals auch von Deutschen als Togoland bezeichnet, war von 1884 bis 1916 eine deutsche Kolonie. Das damalige Gebiet umfasste die heutige Republik Togo und den östlichsten Teil des heutigen Ghanas. Tatsächlich ist uns das auch in Keta aufgefallen. Das ist östlich von Ada und dort ist eine noch größere Lagune als  Songor. Irgendwas fühlt sich dort anders, komisch an. Vielleicht mag das für manche von aussen Spiri klingen, aber es sind Kleinigkeiten die schnell zum Schluss führen, dass dort ein kolonialer Einfluss stattfand. Dächer, Häuser und natürlich Forts. So ganz ist es aber gar nicht auf etwas zurückzu führen, es ist viel mehr ein Gesamteindruck. Hier ist ein ganz interessanter Artikel zu Deutschen Spuren in Togo:

https://www.deutschlandfunk.de/deutsche-spuren-in-togo-100.htm

Zum Zwischenseminar haben wir uns dann mit allen Freiwilligen aus Ghana in Busua getroffen. Das ist im Westen an einem buchstäblichen Traumstrand. Wir haben neben dem täglichen online Seminar die Gegend erkundet, z.B. Cape Three Points (der südlichste Punkt Ghanas) und einen Fort. Ausserdem sind wir gesurft, geschwommen und haben nicht zu letzt in den Hängematten entspannt.

Cape 3 Points

Mähhh

Busua

Fort

Fort

Leider endete die Reise damit, dass Marie und ich uns neue Handys kaufen mussten, weil unsere Handys parallel kaputt gegangen sind… Deshalb nicht erschrecken wenn ich keine grosse Foto Qualität mehr bieten kann 😅.
Wir sind aber nicht nur wieder viel gereist, sondern haben vor allem viel in Ada erlebt.
Dazu zählt, dass wir mittlerweile eine Art Freundeskreis aufgebaut haben und uns dadurch auch viel mehr Zuhause in Ada Foah fühlen. Ich zähle mal auf, was wir in Ada erlebt haben:

-Namensgebungszeremonie
Vom Neugeborenen des Ehepaars (Grace und Eric), was uns Dangme beibringt.
-Mehrere Kirchenbesuche
-Beerdigung
Das war eine sehr grosse Beerdigung, von einem bekannten Priester. Erste Schwierigkeit: Ziehen wir Schwarz-Rot oder weiss-Schwarz an? Es gibt nämlich immer ein Farbmotto. Angeblich, je nachdem ob die Person zu früh gestorben ist oder ein angemessenes, hohes Alter erreicht hat. Aber hier wiedersprachen sich auch unsere mündlichen Quellen 😉. Wir entschieden uns für schwarz, wie Bright auch, unser Freund mit dem wir zur Beerdigung gingen. Am Ende stellte sich heraus, jeder hatte unterschiedliche Farben an. Auf dem Bild haben viele die Beerdigungs t-shirts an. Dort ist meistens ein Spruch und ein Bild vom Verstorbenen drauf. Nach vielen Reden, während wir uns vor allem für die Leckerein auf den Köpfen der umher laufenden Frauen interessiert haben, ging es weiter zur eigentlichen Beerdigung und der kreuzförmige Sarg (Särge spiegeln oft die gestorbenen Person in ihrem Beruf oder Schaffen wieder) wurde in eine kleine Höhle geschoben. Diese war von außen über und über bedeckt mit silber bemalten Muscheln und auf ihr eine Büste, zu ehren des Priesters.

Kunstvolles Grab

kunstvoll gestaltetes Grab

-Beobachten des abendlichen Kartenspielens
So gut wie jeden Abend spielen Männer in einer Art Ring Karten. Dabei spielt immer Dorf gegen Dorf. Drei von jedem Dorf im eins gegen eins. Drumherum stehen Männer und Frauen, schauen zu und fiebern mit. Wir können es mittlerweile auch halbwegs spielen. 🙂

-NKYINKYIM Museum

Vergangene FREIHEITSBEWEGUNGEN von BIPoC

Vergangene FREIHEITSBEWEGUNGEN von BIPoC

Ein extrem wertvolles Museum was ein Muss ist, wenn man hier in Ada ist. Es befasst sich zum einen mit ghanaischer Tradition und Geschichte, aber vor allem gibt es auch ein Denkmal für alle Verstorbenen durch den Kolonialismus und die Sklaverei, die dadurch auch nicht in ihrem Heimatland begraben werden konnten. In Ghana ist es traditionell stark verankert, dass jede*r aus Ghana auch wieder im Tod nach Ghana und somit zu seinen Ahnen zurückkehrt. Hier wird deutlich wie das Christentum, welches durch den Kolonialismus nach Ghana gebracht wurde, den Menschen, die an Naturreligionen glauben, durch Missionieren aufgedrängt wurde. Mittlerweile hat das zu einer koexistierenden Mischung beider Glaubensrichtungen geführt.
Mit dieser Kunstinstallation von Kwame Akoto-Bamf, gibt es auch für Afroamerikaner*innen einen Ort zum Trauern und um den eigenen Vorfahren zu gedenken. Der Ort ist nämlich nicht nur symbolisch ein Friedhof, sondern auch künstlerisch an einem angelehnt.

Friedhof Ersatz/Gedenkstätte

Köpfe aus Zement ragen aus dem Boden

-Besuch beim Salzunternehmen Electrochem
Das alt bekannte Problem: im Biosphärenreservat Songor gibt es Salz und ein Grossteil des Gebiets, inklusive der Kernzone (schützenswertester Teil) wurde vom Staat an Electrochem verkauft. Wir haben mal ganz diskret krittische Fragen gestellt. Geantwortet wurde uns mit Ausreden. „Natürlich sorgen wir uns um die Umwelt“, aber einen Umweltvereinbarkeits Vertrag gibt trotzdem nicht. Und „Natürlich sorgen wir uns um unsere lokalen Arbeiter“, aber trotzdem sind sie nur als Saisonarbeiter angestellt, werden dementsprechen wenig bezahlt und sind nicht abgesichert.

– Banku kochen mit Bright
Aufwendig aber sehr lecker. Für manche aufgrund des fermentierten Mais und Maniokmehls, aus dem der weisse Klos besteht gewöhnungsbedürftig. Mittlerweile aber ein Lieblingsessen von mir.

Banku mit Palmwein

Banku mit Palmwein

-Gob3 kochen mit Abigail
Gob3 (eigentlich ist die drei umgekehrt, aber so schreibt man Twi ohne Twi Tastatur), unser erstes ghanaisches Essen und gleichzeitig unser erstes Lieblingsessen.

Gob3

Auf der Arbeit gab es auch neues zu erleben:
-Auftritt beim lokalen Radiosender
-Green Ghana day
Nationaler Pflanztag. Die Forestry Comissions im Land verteilen kostenlos Setzlinge und veranstalten gemeinsam z.B. mit Schulen Pflanzaktionen. Zu den Setzlingen gehören: Kokospalme, Mango, Mahagoni, Cassia und einige mehr.

Green Ghana day

-Ausfündig machen von illegalen Sandgewinnern
Auf einmal wurde uns die militärische Prägung der Forestry Comission noch einmal bewusst. Unsere Kollegen haben alle ein Militär Training gemacht und dementsprechende Titel erlangt. Das wussten wir, aber wir haben Sie noch nie in ihrer vollen Millitär Kleidung gesehen. Selbst Waffen hatten wir mit, um den Männer, die illegal Sand gewinnen Angst ein zujagen. Marie und ich sollten jede eine Waffe tragen, die mir vom Fuss bis zur Hüfte reichte. Das war uns mehr als unangenehm, als Weisse so zu patroullieren. Das Bild war sicherlich auch komisch: unsere Kollegen in voller Montur und wir mit zwei viel zu grossen Waffen in unseren Tops und kurzen Hosen, haha.

Amelie mit Waffe

Amélie ist jetzt gefährlich

Dann haben wir aber auch eine Reise nach Cape Coast gemacht!

Cape Coast Hafen, am Abend

Dort haben wir natürlich eine Führung im Cape Coast Castle gemacht, das ist eines von ca. 40 Forts, an der ehemaligen Goldküste. Dort wurden für 3 Monate die Ghanaer*innen zusammen (mehrere hunderte, Frauen und Männer getrennt) in einem kleinen Kerker eingesperrt. Es wüteten Krankheiten, jegliche Art von Auflehnung wurde mit Folter bestraft, Einsamkeit (in Ghana gibt es über 80 Sprachen, Kommunikation untereinander war also auch schwierig) Frauen wurden von den Soldaten vergewaltigt, geschwängert, ihrer Kinder beraubt. Wenn das Schiff kam um die Menschen im Sinne des Transatlantischen Sklavenhandels nach Amerika zu bringen, mussten die Menschen durch die „door of no return“ oder „Tür ohne Wiederkehr“. Dort sahen sich Famillien, Freunde, Bekannte ein letztes mal. Viele begingen Selbstmord.
Eine Schande das wir darüber nie etwas in der Schule gelernt haben. Es ist Europas dunkle Vergangenheit die zu dem Wohlstand geführt hat den wir heute genießen.

Ausserdem haben wir einen Tagesausflug nach Elmina gemacht und uns auch dort einer Führung im Castle angeschlossen.

Elmina Castle

Spontan wurde uns dann, nach dem wir wohl etwas planlos umherguckten, die älteste Kirche GANZ WESTAFRIKAS gezeigt und wir durften sogar auf den Kirchturm klettern (ja, KLETTERN).
Zwischendurch ging es für eine Nacht in ein Baumhaus im Regenwald bzw. Kakum Nationalpark, wo wir eine Abend und eine Morgenwanderung gemacht haben. Ausserdem haben wir den berühmten Conopywalkway, ein Baumkronenpfad über 7 Hängebrücken gemeistert. Das war nichts anderes, als Balsam für die Seele. Nichts. Nur Stille. Naja und die Geräusche des Regenwaldes natürlich 😉

Canopy walkway

Ausserdem haben wir mittlerweile unsere gofundme Kampagne gelauncht.
Kurz zusammengefasst möchten wir der Community Arzenia einen Container kaufen, um Ihnen eine Plastiklagerung zu ermöglichen, ausserhalb der dortigen Lagune. Genauere Infos und zum Spenden, geht’s hier lang:
https://gofund.me/99df9204
Wir haben uns unglaublich gefreut über alle bislang eingegangenen Spenden und danken allen Spender*innen! Wir hoffen sehr, dass wir unser anspruchsvolles Ziel erreichen können und sind dankbar für jeden Euro.
Ich werde euch natürlich auch auf diesem Kanal auf dem Laufenden halten.

Ganz liebe Grüße, grüßt mir Berlin!
-Amelie <3

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