Es fühlte sich wie ein neues Lebensgefühl an, als ich gestern nur in Jeansjacke vor die Haustür und in die Sonne trat. Nach Monaten der eisigen Kälte und Wind fühlte sich das endlich wie Frühling an. In meiner Euphorie kaufte ich mir einen Cappuccino und einen Kirschbrownie in der französischen Bäckerei unten in meinem Haus. Mit guter Musik auf den Ohren machte ich mich auf den Weg. Ich hatte kein Ziel, aber steuerte unbewusst das schönste Viertel Rigas an – das Jugendstilviertel. Ich hatte schon immer etwas für schöne Häuser übrig, aber Riga toppt einfach alles. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an der schönen Architektur. Und nicht nur einmal beschwerte sich jemand, weil ich unvermittelt stehen blieb, um das Wetter und die Stadt in mich aufzusaugen.
Kaum sind es 10 Grad hier, bemerkt man die Unentschlossenheit der Menschen. Manche laufen in Übergangsjacken herum wie ich. Manche gehen immer noch im Wintermantel und Mütze vor die Tür. Und ein paar ganz Mutige verzichten komplett auf eine Jacke und spazieren in T-Shirt durch die Straßen. Und irgendwie werfen sich alle gegenseitig skeptische Blicke zu.
An diesem Wochenende wurden es sogar 18 Grad in Riga. Das bedeutete für mich: so viel draußen sein wie möglich! Etwa 20 Minuten vom Zentrum Rigas entfernt befindet sich der Mežapark . Im Grunde ist es ein Stadtwald mit einem See, Zuckerwatteständen, einem Fahrradverleih und kleinen Kiosks. Die Oase inmitten des Stadttrubels. Für mich und die anderen hieß es: Fahrrad und Inliner ausleihen, Gesicht der Sonne zugewenden und losradeln/rollen. Wir mussten dabei wirklich aufpassen die unzähligen anderen Menschen nicht umzufahren. Ich glaube, ich war in meinem Leben noch nie so happy auf einem Drahtesel zu sitzen. Zuhause war ich seit ich 6 Jahre alt war jeden Tag zur Schule und zurück mit dem Fahrrad gefahren. Deshalb genoss ich es sehr nach all‘ den Monaten wieder Fahrrad zu fahren. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass mein ausgeliehenes Rad gleich auseinanderfällt.
Auch am nächsten Tag war es richtig schönes Wetter. Die 15 Grad hier in Riga fühlten sich an wie Sommer. Und ich fragte mich, ob ich durch den kalten Winter ein anderes Wärmeempfinden bekommen hatte… Mit meinen Mädels und Tüten voll mit Erdbeeren, Baguette und Käse machte ich mich auf den Weg zur Ostsee. Nach 45-minütiger Busfahrt fanden wir uns in einem tristen Viertel zwischen Wohnblocks wieder. Und das erste, was ich dachte: „hätte ich nur meinen dicken Pullover mitgenommen“. Ich hatte den Wind an der See unterschätzt. Mal wieder. Es wurde einer der schönsten Tage, die ich seit langem hier hatte. Das lag an dem Picknick, an den Menschen, an der Ostsee. Aber vor allem daran, dass ich nach Monaten der Kälte ein wenig Sonne in mein Herzen lassen konnte.