Hétköznap

Es ist noch früh und ich habe Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Ein grauer Oktobermorgen, es regnet, ich habe verschlafen und nur noch den späteren Bus erwischt; letztendlich in der Schule angekommen, ist nichts zu tun.

Das ist allerdings gerade sehr entspannt, und im Allgemeinen bilden sich in der Schule mittlerweile meine Aufgaben heraus: Ich arbeite mit einzelnen Schülern (z.B. helfe ich bei der Prüfungsvorbereitung), unterstütze aber auch die Lehrer im Unterricht, was mir großen Spaß macht, auch wenn ich feststellen musste, dass manche meiner Unterrichtsideen nicht realisierbar sind, weil die Schüler etwa zu schüchtern sind. Für den Unterricht bereite ich natürlich vor, ich suche Vokabeln raus zu Alligatoahs Lied „Lass liegen“ für die zwölfte Klasse (DSD-Prüfungsthema Umwelt) oder Ideen für Spiele in der neunten. Zum Alltag  gehört jedoch auch das anstrengende Korrigieren von Hausaufgaben, ich ertappe mich immer wieder dabei, einfachste grammatikalische Fragen nachzuschlagen, weil ich mir plötzlich nicht mehr hundertprozentig sicher bin, ob ich Recht habe oder nicht doch der Schüler.

Durch meine Arbeit hier kann ich meine ehemaligen Lehrer nun zugegeben besser verstehen:

Was mache ich mit einer Klasse, die geschlossen ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, wenn ich den folgenden Unterricht mit einer Gruppenarbeit, auf den Aufgaben basierend, gestalten wollte?

Wie korrigiere ich einen Text auf einem eng beschriebenen Blatt ohne Rand?

Warum sind die Schüler nur so unmotiviert, obwohl ich mir ein wirklich, ja wirklich, tolles Programm für die Stunde überlegt habe? Na los, wer macht mit? Lasst mich nicht so hängen. Das macht doch richtig Spaß!

Alles in allem fühle ich mich aber wohl, besonders in den Klassen – eine neunte, in der ich bereits mehrfach war, ist mir mittlerweile richtig ans Herz gewachsen.  Ich kann inzwischen auch tatsächlich alle Namen…

Wie der heutige Tag verlaufen wird lässt sich absehen; meine Arbeitstage spielen sich mittlerweile nach einem mehr oder weniger gleichen Muster ab.  Nach vier Wochen hier in Ungarn ist Alltag eingekehrt.

Auf dem Schulweg
Auf dem Schulweg

Ich stehe zwischen halb und viertel vor sieben auf, also um sieben, mache mich fertig, packe meine Tasche, schlinge schnell ein Müsli runter, das Geschirr landet in der Spüle, ich kämpfe mit dem Riegel an der Haustür, vier Stockwerke nach unten und in den Keller, das Fahrrad hochgeholt und schnell zur Schule gefahren, die Klänge meines MP3-Players im Ohr. In der Schule angekommen, verheddere ich mich dann gewöhnlich in meinen Kopfhörern, schließlich sitze ich, mit Glück um viertel vor acht, an meinem Schreibtisch.

Das Lehrerzimmer, im Vordergrund mein Schreibtisch
Das Lehrerzimmer, im Vordergrund mein Schreibtisch
Mein Fahrrad
Mein Fahrrad

Jedenfalls wäre es so, wenn nicht gerade letztes Wochenende mein Fahrrad kaputtgegangen wäre. Aber laufen ist zur Abwechslung auch ganz entspannt, zumindest nachmittags und wenn ich es nicht eilig habe – für morgens weiß ich inzwischen immerhin die Busfahrzeiten und die Linie.

Essen aus der Kantine - ein ungarisches Gericht, Schupfnudeln mit Mehl und Marmelade
Essen aus der Kantine – ein ungarisches Gericht, Schupfnudeln mit Mehl und Marmelade

Anschließend verbringe ich an den meisten Tagen erst einige Zeit im Deutschlehrerzimmer – es gibt tatsächlich ein eigenes, durchaus gemütliches Lehrerzimmer für den deutschen Zweig. Dort korrigiere ich Texte, bereite etwas vor oder beschäftige mich auch mal anderweitig, zum Beispiel mit diesem Blog. Im Laufe des Tages treffe ich einzelne Schüler, gehe in Stunden oder helfe spontan dort, wo es notwendig ist. Zwischen elf und eins holen dann ein oder zwei von uns, oft ich mit wechselnder Begleitung, das Mittagessen, das am Anfang der Woche in der Kantine der benachbarten Grundschule bestellt wird.

Der Nachmittag schließlich vergeht meist schnell. Ich arbeite noch etwas, trage Termine in meinen Kalender ein, lerne einige ungarische Vokabeln oder ich schnacke einfach eine Weile, zum Beispiel mit der Praktikantin oder der Bibliothekarin. Die Schule verlasse ich zwischen drei und vier, manchmal setze ich mich noch in ein Café oder gehe in ein, zwei Läden, ich treffe mich auch schon mal mit Dóra in der Stadt, zum Shoppen oder Eis essen. Meist jedoch zieht es mich nach Hause:

Ich räume auf oder koche, lese etwas oder schaue einen Film, schreibe Nachrichten, telefoniere oder skype, quatsche mit Dóra oder mache einfach nichts. Die Abende gehen so immer schnell vorbei, ohne dass ich recht weiß, wie und womit. Und oft gehe ich zu spät ins Bett, denn müde bin ich zwar morgens, manchmal auch mittags oder nachmittags, nie aber abends…

Und morgen beginnt auch endlich mein Sprachkurs – ich bin gespannt. Megszeretnék tanulni magyarul!

Szeretettel!

Silja

Über Perfektionismus und Motivationsschwierigkeiten

Wie soll der erste Satz aussehen? Ich formuliere ihn um, lösche ihn, beginne neu, ein paar Zeilen folgen; ich sitze an meinem Schreibtisch, neben mir eine Tasse Tee, auf meinem Bett, eingekuschelt in meine Decke, in der Küche, darauf wartend, dass das Wasser kocht. Der Text gefällt mir nicht, ich starre auf den Bildschirm, wie von selbst baut sich Youtube auf, ich klicke mich von Poetry Slams über Aufnahmen von Improvisationstheater zu Musikvideos, Müdigkeit überkommt mich und es ist ja auch schon spät…

So oder ähnlich erging es mir die letzten Tage und ergeht es mir auch jetzt bei dem Versuch, einen weiteren Blogeintrag zu verfassen. Dabei gibt es wieder so viel zu erzählen – von Ausflügen und Alltag, wunderschöner Natur und interessanter Kultur, letzter Sommersonne und erstem Herbstgrau, ruhigen Abenden, hektischen Morgenden, interessanten Gesprächen, leckerem Essen, dem Gefühl, abends in ein Zuhause zurückzukehren, aber auch von Schwierigkeiten, dem Wunsch, die Sprache sprechen zu können, und Zahnschmerzen.


Bis ich den nächsten Blogeintrag fertig habe, hier erstmal ein wenig ungarische Musik:

Die Sprache klingt gesungen noch schöner, und auch der Text ist wirklich gut.

Ha Én Rósza volnék

Ha én rózsa volnék, nemcsak egyszer nyílnék,
Minden évben négyszer virágba borulnék,
Nyílnék a fiúnak, nyílnék én a lánynak,
Az igaz szerelemnek és az elmúlásnak.
Ha én kapu volnék, mindig nyitva állnék,
Akárhonnan jönne, bárkit beengednék,
Nem kérdezném tőle, hát téged ki küldött,
Akkor lennék boldog, ha mindenki eljött.
Ha én ablak volnék, akkora nagy lennék,
Hogy az egész világ láthatóvá váljék,
Megértő szemekkel átnéznének rajtam,
Akkor lennék boldog, ha mindent megmutattam.
Ha én utca volnék, mindig tiszta lennék,
Minden áldott este fényben megfürödnék,
És ha engem egyszer lánckerék taposna,
Alattam a föld is sírva beomolna.
Ha én zászló volnék, sohasem lobognék,
Mindenféle szélnek haragosa volnék,
Akkor lennék boldog, ha kifeszítenének,
S nem lennék játéka mindenféle szélnek

Wäre ich eine Rose

Wäre ich eine Rose, blühte ich nicht nur einmal,
in jedem Jahr würde ich viermal Blüten tragen,
ich blühte für den Jungen, ich blühte für das Mädchen,
für die wahre Liebe und für das Vergehen.
Wäre ich ein Tor, stünde ich immer offen,
Woher sie auch kämen, ich würde allen Einlass gewähren,
ich würde niemanden fragen, wer hat Dich denn geschickt,
ich wäre erst dann glücklich, wenn alle angekommen wären.
Wäre ich ein Fenster, wäre ich so außerordentlich groß,
dass die ganze Welt sichtbar werden würde,
mit verstehenden Augen würden alle durch mich hindurchsehen,
ich wäre erst dann glücklich, wenn ich alles zeigen konnte.
Wäre ich eine Straße, wäre ich immer rein,
jeden gesegneten Abend würde ich im Licht baden,
und wenn mich eines Tages Kettenräder zerträten,
würde unter mir auch der Boden weinend zusammenbrechen.
Wäre ich eine Flagge, würde ich niemals wehen,
Allen möglichen Winden würde ich zornig entgegentreten,
ich wäre erst dann glücklich, wenn man mich aufspannte
und ich nicht mehr das Spielzeug für alle möglichen Winde wäre.
(Anm.: gemeint sind polit. Extreme)

Die Übersetzung stamt von der Seite lyricstranslate.com, von dem Nutzer mghajos, Kommentar des Autors:
Dieses wunderschöne Lied ist ursprünglich vom Album Jelbeszéd, das 1973 veröffentlicht und durch die Regierung verboten wurde.
Die Platten wurden eingestampft und erst im Jahr 1983 erneut herausgegeben. Der Text von Bródy János ist im Ungarischen wunderschön, ihn zu übersetzen (mir) nur ansatzweise möglich.
Leider passt er in jede Zeit – so auch heute.
Márton

Sziasztok!