Heimat.Hafen.Rijeka

Tag 170 – Delphin

Timon & Delphi

„Was gibt es denn in Bjelovar?“, diese Frage wurde mir von allen Kroat*innen gestellt, wenn ich ihnen erzählte, wohin es mich vor Ostern hinverschlägt. Bisher lautete meine Antwort dann einfach: „Arne, ein anderer Kulturweitfreiwilliger, wohnt dort“. Doch jetzt, nach einem Tag der „ultimativen Bjelovar-Experience“ (so zumindest Arnes Versprechen), könnte ich da noch Einiges hinzufügen:

Denn nachdem ich Arne heute Morgen an der Schule abgeliefert hatte, stromer ich ein wenig ziellos durch die Straßen der Altstadt und komme dabei an dem ein oder anderen Kunstwerk vorbei – viele der Häuser zieren bunte, moderne Bilder und überall auf dem Zentralplatz stehen bemalte Ostereier. Wie Arne berichtet, habe ich Glück, denn die letzten Wochen wurde der Park einmal komplett umgebaggert. Und auch jetzt flattern noch ein paar bedrohlich aussehende Absperrbänder mit Totenkopf an der ein oder anderen Stelle. Auf einer Bank mit Blick auf die hübsch angelegten Blumenbeete und die farbenfrohen Gebäude lässt es sich in der Sonne allerdings jetzt schon prächtig aushalten.

Während Arne also fleißig seiner Arbeit nachgeht, gehe ich zum hoch-aufragenden Silo. Die Silos, so weiß ich von Arne, sind auf dem Land ein Statussymbol: Nur große Städte wie Bjelovar haben eines. Wobei letzteres nicht ganz korrekt ist, wie ich herausfinde, denn Bjelovar hat sogar zwei Silos! Oha, das muss aber eine wichtige Metropole sein 😉

Auf dem Rückweg zur Schule stolpere ich außerdem über einen kleinen Second-Hand-Laden. Doch ich muss mich zusammenreißen, schließlich ist mein Gepäck für die Heimreise schon gut ausgereizt und auch für die anstehende Osterfahrt wird es sicher eng im Auto (so zu fünft…). Außerdem wartet Arne schon auf mich, denn natürlich möchte ich auch in seiner Schule vorbeischauen. Im Lehrerzimmer treffe ich die zwei Deutschlehrerinnen und mit einer von ihnen geht es direkt in den Unterricht. Die Abiturient*innen besprechen gerade den Film „Die Wolke“ – das harte Fazit der Schüler*innen: Nicht sehenswert. Im zweiten Teil der Stunde wenden wir uns also einem leichteren Thema zu: Ostern. Oder wie ich es nennen würde: Atheisten erzählen von christlichen Traditionen…

Nach der Stunde bleibt noch Zeit für ein nettes Schwätzchen im Deutsch-Raum (so ein exklusives Büro haben wir in Rijeka nicht) und kaum haben wir uns versehen, wird Arne beurlaubt und wir sind auf dem Weg zur besten Eisdiele der Stadt.

Im strahlenden Sonnenschein schmilzt uns das Eis unter den Fingern weg. Und doch landet genug der großzügigen Portionen in unseren Bäuchen. Gut daher, dass für den Nachmittag eine Fahrradtour geplant ist. Noch ein Zwischenstopp in Arnes Lieblings-Second-Hand-Laden (ich geb’s auf) und ein kurzes Mittagsschläfchen, dann schwingen wir uns auf die Drahtesel.

Mein blaues Fahrrad quietscht (ich nenne es Delphin), Arnes Rad (alias Timon) schnurrt und voller Tatendrang flitzen wir durch die Straßen Richtung Stadtrand. Zuerst geht es ganz wunderbar geradeaus. Doch dann kommt das Unerwartete: Hügel! Tja, da denkt man Slawonien sei eine endlose, flache Piste und Pustekuchen. Mit etwas Keuchen und ein paar Hupen erreichen wir aber trotzdem – wenngleich nicht das ambitionierte Ziel – so doch zumindest einen schönen Ausblick. Versüßt wird der uns von einem Kaffee unter Kirschblüten.

Anschließend geht es zu Fuß weiter, wir tauchen in den Wald ein. Unter den Bäumen blühen die Veilchen (und noch ein paar andere, weiße Blumen, deren Namen ich schon wieder vergessen habe) und einmal sehen wir zwei Rehe davonspringen. Mal folgen wir dem gekennzeichneten Weg, dann verlieren wir ihn. Doch am Ende kommen wir wieder bei unseren Fahrrädern raus, die geduldig auf uns warten.

Einen kleinen Hügel geht es noch hoch, dann kommt die Abfahrt. So ganz traue ich dem Geräusch meiner Bremsen nicht, doch tatsächlich kommen wir nicht nur heil unten an, sondern auch in Bjelovar (auch wenn Arne auf den letzten Metern fast noch von einer Autofahrerin mitgenommen wird).

In Bjelovar stoppen wir ein letztes Mal beim Eierautomat (super Teil!), um uns für die anstehenden Ostervorbereitungen einzudecken. Und dann ist es Zeit für eine Dusche, ein leckeres Abendessen und – zumindest im Fall von Frühaufsteher Arne – das Bett.

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