Eigentlich bin ich ein Mensch mit Plan. Aber heute habe ich mich mal wieder so richtig sehenden Auges in die Scheiße geritten. Denn als ich am Donnerstag das Wetter für das Wochenende checkte und sah, dass der Samstag sonnig und warm werden würde, habe ich in einer Kurzschlussreaktion entschieden: Ich fahre nach Ozalj. Also Busticket nach Karlovac, Zugticket nach Ozalj und beides natürlich hin und zurück. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen schlief ich ein.
Allerdings nur, um am nächsten Morgen mit einem gehörigen Schreck wieder aufzuwachen: Samstagabend habe ich doch ein seit langem geplantes Geburtstags-Online-Krimidinner mit den Kommilitonen! Mist. Schnell also Laptop aufgeklappt und gegoogelt: Züge, Busse – nichts. Nista. Nächster Versuch: blabla car, Uber. Wieder nix. Dann also Taxi… Autsch, das würde den Preis für den Tagesausflug direkt einmal verdoppeln. Aber wer stur sein will muss leiden.
Immerhin: Wenigstens das Wetter sollte ja gut werden. Und beim Frühaufstehen in Rijeka scheint tatsächlich die Sonne. Nur als wir gen Karlovac abdampfen wird es immer bewölkter und sogar neblig. Na klasse.
In Karlovac angekommen versuche ich mich daher mit einer Schokolade trösten. Doch leider gibt mir die Kellnerin zu wenig Wechselgeld und leider, leider bemerke ich es zu spät. Super Tag. Die Stunde bis mein Zug fährt, will ich mir das Stadtmuseum anschauen. Und typisch deutsch stehe ich schon davor, als die zwei Angestellten erst ankommen. Der Kassenlaptop braucht ewig bis das allseits bekannte düdödödü von Windows erklingt, aber die Kassiererin ist nett (und aus Rijeka was ja beinahe gleichbedeutend ist). Im Museum sind alle Texte nur auf Kroatisch, was allerdings nicht ganz so schlimm ist, da ich sowieso nur wenig Zeit habe.
Schon eine halbe Stunde später mache ich mich auf eiligen Sohlen auf den Weg zum Bahnhof. Ein Örtchen, das mir durchaus gefällt, ist der Bahnhof selbst (wenngleich in Betrieb) doch ein Lost Place: Brachliegende Gleise, leere Hallen und Flure. Auch die kleine Lok, die schließlich einfährt, hat ihre besten Zeiten bereits hinter sich. Im Schritttempo tuckern wir los. Trotz der gemächlichen Geschwindigkeit haben wir Karlovac bald hinter uns gelassen und kleine Bauernhöfe prägen das Bild. Auch die Bahnhöfe sind nur noch kleine Häuschen. Am dritten von ihnen steige ich aus: Ozalj.
Erste Lagesondierung: Kein Taxi weit und breit – was nicht gerade verwunderlich ist, bei dem Provinzbahnhof. Also weiter in die Stadt. Ein Konsum und zwei Cafes später habe ich das „Stadt“zentrum durchquert. Und eine Kurve später taucht der Grund meines Hierseins auf: Das Schloss. Wunderschön liegt es auf dem Felsen am Fluss. Doch noch bevor ich mich über die lange Zugbrücke wage, folge ich einem schmalen, matschigen Trampelpfad hinunter zu den Bahngleisen. Denn durch einen kleinen Tunnel unterhalb der Burg fährt die Eisenbahn. Als ich schließlich wieder oben bin, ist das triste Grau des Himmels aufgerissen und mit dem Sonnenschein kehrt auch meine gute Laune zurück. Ein älterer Herr post spaßeshalber für mich auf der Brücke. Ein paar Tagesausflügler sind unterwegs.
Nach kurzen Abwägen besuche ich nach den Befestigungsanlagen auch das Museum. Und dabei fällt mir mal wieder auf, wie schlecht die deutschen Übersetzungen doch sind. Aber immerhin nicht so schlecht wie mein Kroatisch. Denn als ich Schloss verlasse, rufe ich beim Taxiunternehmen an – und bin gottfroh, dass die Dame am Telefon gut Englisch spricht. Auch so haben wir ausreichend Verständingungsprobleme: Zuerst möchte sie mir wohl nicht glauben, dass ich aus Ozalj anrufe. Kein Wunder, normalerweise schicken sie keine Taxis aus Karlovac so weit raus. Ob ich denn keinen habe, der mich fahren kann? „Ich kenne hier niemand“, antworte ich etwas kläglich und die Frau hat Erbarmen: Sie frage gleich mal ihren Chef – und der sagt „ja“. Kroaten – ich liebe sie!
Meine restlichen zwei Stunden kann ich also ganz entspannt genießen (auch wenn ich mich frage, wie teuer der Spaß wohl werden wird). Neben dem Schloss hat Ozalj noch eine zweite Attraktion in petto: Das zweitälteste Wasserkraftwerk Kroatiens. Für den perfekten Blick darauf laufe ich hinunter zum Stadtfreibad – einer kleinen Lagune unterhalb des Wasserfalls. Und dort setze ich mich auf die Wiese und kaue genüsslich an meinem Käseburek und dem wirklich enormen Schokobrötchen (von dem Arne mir vorgeschwärmt hat) – beides für unschlagbare neun Kuna (ca. ein Euro) in der Ortsbäckerei erstanden. Die Sicht auf das alte Kraftwerk, den Wasserfall und die Burg im Hintergrund ist so schön, dass mir das ganze Chaos ganz egal wird. Zum Abschluss überquere ich die Brücke und erfreue mich dabei an dem Regenbogen stromabwärts genauso wie an der Idylle stromaufwärts.
Am gegenüberliegendem Ufer finde ich noch einen kleinen Hafen, dann ist es schon wieder Zeit aufzubrechen. Schließlich habe ich der netten Dame am Telefon hoch und heilig versprochen: 15 Uhr stehe ich vor dem Konsum. Ein bisschen surreal ist es dann natürlich schon, ganz selbstverständlich aus dem Supermarkt direkt ins Taxi einzusteigen. Zwei neue Verkehrsmittel an einem einzigen Tag, denke ich während das Taxometer vor meinen Augen langsam aber stetig nach oben klettert – Respekt! Und am Ende wird es auch nicht ganz so teuer wie befürchtet. Zehnmal so viel wie das Zugticket – das tut zwar ein wenig weh, aber der Ausflug nach Ozalj ist es mir mehr als wert.
Mit einem eleganten U-Turn fahren wir in den Karlovac’schen Busbahnhof ein und unter den Blicken der dort Wartenden steige ich aus. Was für ein Auftritt. Der Rest des Tages verläuft dann weitaus weniger spektakulär (sofern ein Krimidinner eben unspektakulär sein kann). Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Es war schließlich auch genug Drama fürs Erste.