Archiv für den Monat: Februar 2019

Wie die Zeit vergeht

Hallo Ihr Lieben,

ich sitze wie schon so oft mit einer kalten Cola am Pool meines Lieblingshotels, lasse den Blick über den Fluss und die Salinen schweifen und genieße den Fakt, dass es erst kühle 30 Grad sind. Naja, die übrigen 10 Grad kommen im Laufe des Tages schon noch dazu.
Es ist mein letzter Sonntag im Land der Gastfreundschaft. In drei Tagen fliege ich

Wie bin ich denn hier gelandet?
Ich weiß noch genau, wie ich am 14. September das erste Mal durch Dakars Straßen gelaufen bin, reizüberflutet bis zum geht-nicht-mehr war und die nächsten Monate vor mir lagen wie eine riesige unbemalte Leinwand. Auf dieser Leinwand sind buchstäblich Staub, Schweiß und Tränen gelandet, aber auch unzählige Erlebnisse und Erinnerungen.

Die letzten zwei Monate seit meinem letzten Blogeintrag (…) waren nochmal ordentlich gefülllt. Weil Listen so schön einfach sind, hier eine Liste (danke wie immer für die Fotos, Clärchen):

 

Dakarbesuch

Meine liebe Freundin Hannah aus Wien hatte einen Landeskundeworkshop im Goethe-Institut organisiert, bei dem ich den Musikteil übernahm. Neben Mozart und Nena, erscholl auch schweizerisches Alphornblasen durch den Saal.
Den Rest des langen Wochenendes verbrachten wir vor allem mit essen, außerdem war ich endlich im Musée de la Femme (sehr gut!) und wir entdeckten einen neuen kleinen Strand. Von da spazierten wir über das Cap Manuel, den südlichsten Punkt der Stadt. Aus Versehen landeten wir im Militärgebiet, aber das war auch kein Problem und die spektakuläre Natur berechtigte sowieso jedes Abenteuer.

Plage Anse Bernard

Hübsches Militärgebiet

Landeskundeworkshop im Goethe

Musée de la Femme

„Comment est-ce que tu étais habillée?“

 

Toubacouta

Für einen Kurztrip bin ich nach Toubacouta gefahren. Dieser Ort liegt im Sine-Saloum-Delta. Vom Steg meines Hotels sind die Flussarme und Mangroven nicht nur wunderschön anzusehen, sondern geben auch Ruhe und eine fantastisch saubere Luft. Eine Kollegin Djibis, die in Toubacouta Deutschlehrerin ist, lud mich mehrmals zum Essen ein (Teranga!) und organisierte eine Bootsfahrt, die echt fantastisch war. Ansonsten sind Cocktails in der Hängematte ja nie eine schlechte Idee.

Mangroven

Baobabs auf der Muschelinsel

Désert de Loumpoul

Nach 11 Stunden und 6 Fahrzeugen (Moto – Bus – Taxi – Septplace – Taxi – Geländewagen) war ich endlich mit Clara und Franzi an dem wohl touristischsten Ort bis jetzt angekommen: In einem ziemlich luxuriösen Wüstencamp in Loumpoul. Wüste ist sehr untypisch im Senegal, aber aus irgendeinem Grund gibt es in der Nähe von Saint-Louis ein paar Hektar davon.
Genauso wie die ganzen französischen RentnerInnen fanden wir die weite Sandlandschaft auch wirklich beeindruckend. Den Nachmittag verbrachten wir mit Rumrennen und –rollen im Sand, abends gab es nach leckerem Essen im Gemeinschaftszelt dann Musik und Tanz am Lagerfeuer. In unseren mauretanischen (?) Zelten wurde es nachts sehr kalt, aber wir waren gut mit Decken ausgestattet und am nächsten Tag fit für unsere geleitete Wüstenwanderung. Sehr, sehr cool!
Danach kamen Franzi und ich noch zwei Tage in Johannas WG unter, in denen Erstere endlich mal auf den HLM-Stoffmarkt kam. Für das neueröffnete Musée de la Civilisation Noire hatten wir leider viel zu wenig Zeit, in dieses fantastische Museum muss ich unbedingt nochmal zurück.

(Nicht so) unendliche Wüste

Toubabis unterwegs <3

Brücke über die VDN in Dakar mit dem Monument im Hintergund

Musée de la Civilisation Noire

Popenguine

Nach beendeten FIT-Prüfungen (von den SchülerInnen, nicht von mir. Aber die Vorbereitung und Durchführung und die emotionale Investition zählen auch) ging es für mich wieder ans Meer. Im kleinen, aber sehr (!) feinen Strandort Popenguine mieteten meine Freundinnen und ich für vier Tage ein sehr nettes Airbnb. Nur eine kleine Treppe vom Wasser entfernt und mit einem Whirlpool (ohne Whirl, aber Pool trifft es auch nicht) auf der Terrasse, war unsere Zeit dort überaus tiefenentspannt: Baden, sonnen, lesen, spielen, kochen und Filme – was will man mehr?

Bandia

Nicht weit von Popenguine entfernt, verbrachten wir noch eine Nacht irgendwo im nirgendwo: und zwar unter Baobabs in einem Öko-Haus. Alles außer den Schlafzimmern war an der frischen Luft. Von dort ging es am Morgen 20 Minuten an der Route Nationale entlang zur Reserve de Bandia. Dieser Tierpark ist auch ein Touristenmagnet, aber auf nicht allzu unsympathische Weise. In dem riesigen Reservat leben nur „vegetarische“ Tiere, die größtenteils einheimisch sind und dort geschützt werden. Aus nächster Nähe war das echt ein einmaliges Erlebnis. Total super!

Vorgarten

 

Am Wochenende danach war ich gleich auf zwei Hochzeiten eingeladen. Eine davon war ein Teil der mehrtägigen Familienfeier im Heimatdorf, die andere bei uns im Viertel (Kasnack übrigens), bei der nur Frauen anwesend waren. Beides waren schöne Feste und für mich eine ganz neue Erfahrung.

Danach war noch recht viel zu tun. Aus irgendeinem Grund war ich plötzlich motiviert, doch noch Französischunterricht zu nehmen und war mit 14 Stunden in den letzten 10 Tagen tatsächlich recht produktiv.
In Anlehnung an das Laboradio-Projekt Ende November versuchte ich mich in einem kleinen Radioworkshop. Letzte Woche war dann unsere Senegalesisch-Deutsche Woche. Einige meiner Pläne waren zwar ein bisschen größenwahnsinnig, aber es war dennoch ein voller Erfolg mit Spielrunden, einer großen Sprach-Olympiade, einer Filmvorführung und Tanzkurs (von mir Walzer, Discofox und Chacha, von den SchülerInnen mal wieder der Versuch, mir die traditionellen senegalesischen Tänze beizubringen. Ich scheitere kläglich, aber alle sehr nett).
Das Highlight war gestern der traditionelle sehr große Kulturtag. Im frisch geputzten und dekorierten Saal (das ist sehr wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich irgendwo Deutschlandflaggen aufhänge) ging es hoch her mit Reden, Gesang, Tanz, Theater, Gedichten und einer äußerst gelungenen Lehrerparodie. Größtenteils waren die Beiträge auf Wolof, aber ich war trotzdem gut unterhalten. Die Mitglieder und –helferInnen des Deutschclubs blieben bis zum Abend in der Schule. Wir verbrachten die Zeit bis zum Essen mit Reise nach Jerusalem und senegalesischen Klatschspielen.

Zuhause.

Und jetzt heißt es Abschied nehmen. Es gab immer so viel, was mich an Kaolack gestört und genervt hat. Werde ich den Geruch von brennendem Plastik vermissen? Wahrscheinlich nicht, genau so wenig wie die unerträgliche Nachmittagshitze, die verschmutzte Luft und vor allem die Moskitos. Abgesehen davon gibt es aber doch so viel, was mich jetzt schon melancholisch stimmt. Nicht nur die schönen Orte, die ich bereist habe, sondern auch der Alltag.
Muezzinrufe fünf Mal am Tag. Das Stampfen des Mörsers aus der Küche. Das Mähen der Schafe. Auf dem Nachhauseweg durch das Viertel ungefähr zwanzig Leute zu begrüßen und mich mit allen, die ich etwas besser kenne, kurz zu unterhalten: die Nachbarn, die Erdnussverkäuferin meines Vetrauens, die Boutique-Besitzer, der liebe Obstverkäufer Alpha, der mir immer eine Mandarine zusätzlich in die Tasche wirft. Mein Djakarta-Fahrer Cheikh, der es trotz des Lärms auf der Fahrt immer Gespräche anfängt. Wenn er mal nicht da ist, die ganzen anderen Motos, die man so schnell zu sich rufen kann. Die unzähligen Ziegen, die einem auf den Sandstraßen begegnen. Thiebou Dienne, Yassa Dienne oder Guinar und all die Gerichte, deren Namen ich immer noch nicht kenne. Der Bouye-Bissap-Cocktail (Saftmischung von Baobabfrucht und Hibiskus), den mir Djibi auf dem Nachhauseweg spendiert. Die Sonnenuntergänge von der Terrasse. Die Gastfreundschaft. Der Schneider meiner Familie und dessen Hausbesuche. Kochen bei Mbery und ihre unglaublich niedichen Kinder. Der kalte Tamarindensaft aus dem Lehrerzimmer. Das Sofa im Deutschraum. Unzählige Handschläge auf dem Weg durch die Schule. Apropos Schule: Meine so lieben Kollegen, die sich offen und herzlich um alles kümmern. Das „Tschuuuuss“ der SchülerInnen, die größtenteils total motiviert sind und mich sehr amüsant finden (was ich einfach positiv werte).
Und vor allem meine Familie, die wirklich meine Familie geworden ist. Meine kleinen Brüderchen auch wenn sie sich – wie jeden Abend – über die Ligrettokarten streiten. Wenn ich irgendwann zu Besuch bin, verstehen hoffentlich alle die Regeln.

Dass ich zurückkommen werde, steht fest. Schließlich gibt es noch große Teile in diesem wundervollen Land, die ich noch nicht besucht habe. Außerdem möchte ich die lieben Menschen, die ich ins Herz geschlossen habe, natürlich wiedersehen.
Jetzt ist es aber auch Zeit, zu gehen. Die anstrengenden Teile sind mir langsam genug. Und es stimmt wirklich, dass man die Heimat aus der Ferne schätzen lernt. Ich freue mich sehr auf meinen Alltag zurück in Frankfurt, die Herzensmenschen und mal wieder Tage ohne Fleisch oder Fisch, Sonnencreme und Mückenspray.

Hiermit beende ich auch diesen Roman. Danke für euer fleißiges Lesen meiner paar Artikel. Wir sehen uns sehr bald!

Ganz liebe Grüße
Nora