Hallo Ihr Lieben,
nach zwei Monaten Funkstille melde ich mich mal wieder. Ich versuche, mich kurz zu fassen, was mir sicher nicht glücken wird 😉 (Disclaimer: Alle guten Fotos sind mal wieder von Clara. Alle schlechten von mir!)
Mittlerweile bin ich seit über drei Monaten im Senegal, schon seit 7 Wochen bin ich nicht mehr in Dakar. 2/3 meines Freiwilligendienst sind einfach schon vorbei. Die Zeit ist wie im Flug vergangen, aber gleichzeitig kommt sie mir sehr lang vor. Es ist so surreal (@Selena)!
Der Alltag in Dakar veränderte sich in den letzten Wochen dort nicht mehr allzu sehr. Das Alleinewohnen habe ich durch den weitestgehend geteilten Alltag, einige Unternehmungen und Besuche erstaunlich wenig mitbekommen. Wahrscheinlich hat sich nur mein Verzehr von Vache qui rit ohne die positiven Einflüsse noch weiter gesteigert.
Den bereits erwähnten Stoffmarkt HLM habe ich hingegen sehr gut kennengelernt. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden und Francs ich dort gelassen habe! „Meine“ Schneiderin Fatou schreibt mir immer noch sehr regelmäßig auf WhatsApp…
Der Französischkurs ging unspektakulär weiter und zu Ende, leider ohne Auswirkungen auf meine Frankophonie.
Am Goethe-Institut wiederum habe ich einen ziemlichen Aufschwung erlebt: Unsere Zwitscherstunde (Konversationskurs) ist beliebt geworden und geblieben. Mein Lieblingsmoment war der Ausruf „Donnerwetter!“ eines Schülers: In der vorangehenden Woche hatten wir als Thema Wetter gehabt und anscheinend war wirklich etwas hängen geblieben. Außerdem fein war die Deutsch-Pinnwand, die mir ein schönes Kreativ-Ventil gab (d.h. Freude am Ausschneiden).
Vor allem aber kam meine Chefin aus Deutschland wieder und damit ging es richtig los: In Vorbereitung auf den Radioworkshop Ende November hatten wir alle Hände voll zu tun. Dazu später mehr.
Hannah (eine Wiener Studentin, mit der wir uns schnell angefreundet haben) hat einen Herzensort zum Entspannen in den Alltag gebracht: Das Hotel Casamara liegt nicht weit von meiner alten Wohnung und hat uns viele schöne Momente am Pool beschert.
Ein aufregendes Erlebnis war meine erste Reise innerhalb des Senegals: Clara und ich sind an einem Wochenende in den Norden gefahren, um dort Franzi in Saint-Louis zu besuchen. Saint-Louis ist im Vergleich zu Dakar ein entspanntes Dorf: Vor allem die kleine Insel, die das Herzstück der Stadt bildet, ist sehr schön. Wir sind durch die ruhigen Gassen spaziert, waren gut Essen und haben im Fotografiemuseum fantastische Werke bestaunt.
Am letzten Wochenende in Dakar habe ich einen neuen Lieblingsort entdeckt: Die Îles de la Madeleine. Die zwei Inseln sind ein winziger Nationalpark, die größere von beiden kann man geführt besichtigen. Die Natur ist umwerfend (Baobabs, Vögel, Buchten!) und es ist solch eine wohltuende Auszeit vom Großstadtlärm. Man kann atmen!
Im Nachhinein bereue ich es ein wenig, nicht auf mehr Kulturveranstaltungen gewesen zu sein. Denn die, die ich besucht habe, waren toll: Ein Filmfestival mit vorangehender Livemusik auf Gorée und eine Show der École des Sables (nachhaltige Tanzschule) an meinem letzten Abend.
Anfang November ging es dann für mich nach Kaolack. Was ich davor schon immer wieder gehört hatte, stellte sich leider als richtig heraus: La chaleur! Les moustiques! Tatsächlich ist die Hitze tagsüber kaum auszuhalten – beziehungsweise nur drinnen unter einem Ventilator oder im Schatten mit einer kalten Cola.
Ich wohne in einer Gastfamilie, die ich sehr lieb gewonnen habe. Die drei älteren Kinder gehen in Dakar zur Uni, aber meine drei „Brüder“ sind zu Hause: Ahmed (11), Saliou (6) und Mamadou (5). Die beiden Jüngeren sprechen fast kein Französisch, aber ich kommuniziere mit herausgestreckten Zungen und durch-die-Luft-Wirbeln. Ahmed klopft ab und zu mit einem „cartes?“ was bedeutet, dass es Zeit für Ligretto ist. Mit Madame Mbaye kann ich mich gut unterhalten, auch über Themen wie Polygamie. Wo ich beim nächsten Thema bin: Monsieur Mbaye ist nur drei Tage die Woche da, den Rest der Zeit ist er bei seiner anderen Frau. Diese Co-Épouse wurde mir auch schon vorgestellt. Es ist sehr interessant, so eine Familiendynamik hautnah mitzuerleben, da es doch sehr weit weg von meiner Lebensrealität ist.
Außerdem arbeiten noch zwei junge Frauen für die Familie (Fatou und Gas). Letztere spricht ausschließlich Wolof, aber ich verstehe mich (im Rahmen der sprachlichen Möglichkeiten) mit beiden gut.
Mittags essen wir alle zusammen, oft mit weiteren Familienmitgliedern/Freunden/dem Taxifahrer. Mittlerweile habe ich mich total daran gewöhnt, aus einer großen Schüssel und auf dem Boden sitzend zu essen. Jeden Tag Senegalesisch – das bedeutet jeden Tag Fisch oder Fleisch. Das ist zwar anstrengend, aber ich bin trotzdem dankbar für die Gelegenheit, wirklich Essen von hier zu essen. Und ich muss sagen, dass mein Lieblingsessen Yassa Poulet (Zwiebeln, Zwiebeln, Zwiebeln) mit dem von Fatou zubereiteten Thiebou Dienne echt Konkurrenz bekommen hat. Gut, dass ich beide Gerichte wöchentlich esse.
In der Schule wurde ich mit offenen Armen empfangen. Die vier DeutschlehrerInnen sind alle superlieb. Vor allem Djibi hat sich schon vor meinem Kommen rührend um mich gekümmert und tut dies weiterhin.
Das Lycée Valdiodio Ndiaye ist gigantisch: Fast 4000 SchülerInnen gehen hier Montag bis Samstag zur Schule. Es gibt 600 Deutschlernende. Ich hospitiere im Deutschunterricht, beantworte landeskundliche Fragen, übe die Aussprache mit Klassen und leite manchmal Kontrollierphasen. Ein großer Teil meines Aufgabenbereichs rollt aber gerade erst an: Die Vorbereitung der FIT-Prüfungen (A1 und A1 Prüfungen, die im Frühjahr vom Goethe-Institut durchgeführt werden), ein Konversationskurs und der Deutsch-Club konnten alle der Logistik wegen noch nicht anfangen oder haben es gerade erst getan. Aber wir haben cool Pläne (z.B. ein Senegalesisch-Deutsche Woche) und ich bin optimistisch!
Ansonsten gibt es in Kaolack so Sachen wie Parks, Vereine, oder Cafés nicht. Da ich natürlich (auch aus Dakar) etwas anderes gewöhnt bin, musste ich mich damit erstmal anfreunden. Aber das gehört ja auch dazu. Und es hat dazu geführt, dass ich ab und zu ins Fitnessstudio gehe… Ansonsten verbringe ich ab und zu sehr entspannte Tage in einem schicken Hotel, dessen Besitzer Djibi glücklicherweise kennt. Der Pool liegt direkt am riesigen Fluss Saloum, hinter dem die Salzberge heraufragen.
Ein essentieller Teil meines Alltags ist Cheikh – „mein“ Djakarta-Fahrer. Er holt mich auf seinem Motorrad immer und überall ab und fährt mich durch die Gegend. Diese Djakartas sind in Dakar verboten, aber in Kaolack prägen sie echt das Stadtbild.
Ende November war ich schon wieder für zwei Wochen an der Küste.
Nach einem netten Dakar-Wochenende mit den aus Togo und Ghana angereisten Freiwilligen ging es für uns nach Toubab Dialaw, einem wunderschönen Strandort südlich von Dakar. Dort hatten wir unser fünftägiges Zwischenseminar mit einerseits interessantem Input, andererseits Skinny-Dipping, einer wilden Tanzparty und köstlichem vegetarischen (!!!) Essen. Es war eine wunderschöne Zeit mit guten Freunden, die mir die nötige Entspannung für die Folgetagen brachte.
Am Freitag ging es für Franzi, Clara und mich nämlich direkt nach Gorée. Dort fand der lang-geplante und vorfreudig-erwartete Workshop „Laboradio“ statt. Für 10 Tagen kamen 32 senegalesische und deutsche SchülerInnen zusammen, um eine bilinguale Radiosendung zu produzieren.
Die Woche war unheimlich anstrengend, meist waren wir Praktis 15 Stunden pro Tag beschäftigt mit Essensorganisation, Jugendliche-motivieren (ui!), Programmgestaltung, Instagram-Bespielung und generellem Rumgerenne. Teilweise war Franzis schönes Wort „Verantwortungsdiffusion“ leider angebracht. Aber gerade deshalb war es eine wirklich lehrreiche und interessante Zeit, die auch großen Spaß gemacht hat. Die Radiosendung, die dabei entstanden ist, ist auch wirklich toll geworden.
Am Ende haben wir mit allen einen Ausflug an den Lac Rose und in das Fischerdorf Kayar gemacht. https://www.goethe.de/ins/sn/de/kul/mag/21452942.html
Die verbleibenden Wochenenden sind auch wie nichts vergangen: Clara und Franzi sind nach Kaolack gekommen und wir haben von hier aus einen Kurztrip nach Gambia unternommen. Das Konzept von Sept-Place-Wagen ist zwar schon recht wild (insgesamt acht Passagiere in einem kleinen Auto), aber bis jetzt war es immer ein verlässliches Reisemittel.
In Gambias Hauptstadt Banjul haben wir ein paar schöne Stunden verbracht und – selbstverständlich – Stoffe gekauft. Sonntags haben wir uns durch den riesigen („überdachten“) Markt in Kaolack geschlagen, in dem zum nur ein Bruchteil der Läden geöffnet hatte.
Letztes Wochenende bin ich dann zwei Einladungen gefolgt: Mit der lieben Deutschlehrerin Mbery habe ich Yassa gekocht – ein Prozess, der drei Stunden und Unmengen von Zwiebeln verbraucht. Mal sehen, wie ich das Rezept irgendwann in Deutschland hinbekomme!
Außerdem war ich bei oben erwähntem Cheikh, um mit ihm Attaya zu machen. Dieses Teebrauen und vor allem das Herstellen von viel Schaum ist hier definitiv ein Kunst (deren Beherrschung ich mich nicht rühmen kann!).
Und jetzt? Morgen früh fahre ich nach Mbour, um bei Djibis Mutter den Tag zu verbringen. Abends geht es dann an den Aéroport Blaise Diagne und von da über Lissabon nach Frankfurt. Ich freu mich irre auf zu Hause (vor allem, weil meine Weihnachtsstimmung bis jetzt vor allem aus meinem selbstgekauftem Schokoadventskalender bestand, aus dem ich die Schokolade löffeln muss – siehe Hitze).
Aber ich freu mich auch wirklich darauf, danach für die letzten Wochen wiederzukommen.
Falls Du es bis hierhin geschafft hast, sag ich jetzt aber erstmal danke! Geduld zahlt sich aus, in diesem Fall mit einer imaginären Umarmung.
Frohe Feiertage und liebe Grüße
Eure Nora