Ohne den Tiefpunkt, ist der Höhepunkt kein Höhepunkt.
Seit zwei Monaten bin ich jetzt schon hier und habe mich wacker geschlagen, finde ich. Habe die Zeit genossen, all die neuen Eindrücke auf mich rieseln lassen. Habe mich an mein Leben hier gewöhnt und mein Zuhause gar nicht mal so stark vermisst.
Aber dann, auf einmal, kam das Heimweh.
Hat sich schon seit Wochen angeschlichen, hielt sich im Hintergrund, im Schatten, im toten Winkel versteckt und trat jetzt plötzlich heraus. Wurde sichtbar, spürbar und unsagbar unangenehm – aber gleichzeitig absehbar. Denn es wird nicht immer leicht sein, das war klar.
Denn jetzt kam es. Das Heimweh
Und jetzt kam sie. Die Angst. Die Angst, allein zu sein, keine Freunde zu finden, keinen Anschluss zu finden. Die Angst, hier nichts und niemanden zu haben. Niemanden, mit dem ich wochenends etwas unternehmen kann. Niemanden, mit dem ich die schönen Momente, die sich jetzt so unwichtig und weit weg anfühlen, teilen kann.
Die Angst, hier ein Jahr umsonst zu vergammeln. Die Angst, dass mir die Arbeit hier überhaupt nichts bringt. Unwichtig für mich ist und ich nichts lerne. Dass ich gerade einfach nicht das Richtige tue. Soll ich das ganze Jahr wirklich durchziehen? Ist es das Wert? Werde ich meine Entscheidung bereuen? Wäre ich jetzt gerade in Deutschland nicht glücklicher? Hätte meine Freunde, meine Familie, alles Bekannte, was ich gerade so vermisse? Kaltes Wetter?
Die Angst, dass ich wiederkomme und nichts, aber auch gar nichts gelernt habe, mich nicht verändert und weiterentwickelt habe, denn das ist doch das, was von mir erwartet wird. Was so einen Auslandsaufenthalt ausmacht, oder? Neue Leute kennenlernen, sich selbst finden und sich positiv verändert. Was ist, wenn ich wiederkomme und einfach so bin, wie ich bin und immer war?
Diese Angst, die Bedenken, alle Zweifel, die sich in meinem Kopf abspielten, zogen mich immer weiter runter. Ich war wie in einem Strudel gefangen und mir fiel es schwer, die positiven Seiten an diesem Land und seinen Leuten zu sehen.
Aber dann tauchte ich plötzlich auf. Konnte mich wieder an die Oberfläche zurückkämpfen. Ich sah die Welt endlich wieder positiv, nahm die Dinge, die in meinem Alltag geschehen wieder ganz anders auf, viel bewusster, aufmerksamer und entspannter. Ich warte zwei Stunden in der Schule, um dann zu erfahren, dass der Unterricht ausfällt – so ist das hier eben. Der Bus ist viel zu voll und lässt mich im Fahren herausspringen – so ist das hier eben. Auf der Straße werde ich mal freundlich, mal weniger freundlich angestarrt – so ist das hier eben. Der Mann in der Garküche will und will mich einfach nicht verstehen – so ist das hier eben. In der Schule bekommen wir Deutschen alle Infos immer erst als Letzte – so ist das hier eben. Die Hitze und der Smog sind unerträglich – so ist das hier eben.
Und genau mit diesen Dingen muss ich lernen umzugehen und auf diese Erfahrungen freue ich mich. Mir ist klar, dass auch wieder Tiefpunkte auf mich zukommen und ich von meinen Ängsten und Sorgen wieder nach unten gezogen werde. Aber das ist normal und etwas, an das ich mich gewöhnen muss. Hauptsache ich mache mir klar, dass ich immer wieder an die Oberfläche zurückkommen werde. Und genau das werde ich mir immer und immer wieder vor Augen führen werde. Ich denke, dass es gerade die Tiefpunkte sind, die mich stärker machen und mir vor Augen führen, dass es immer wieder besser wird. Und wo wären wir denn, wenn wirklich immer wirklich alles wirklich toll wäre.
Ohne die Tiefpunkte würden wir die Höhepunkte doch gar nicht zu schätzen wissen. Ohne sie wären die Höhepunkte überhaupt keine Höhepunkte, sondern ganz normale Tage und eigentlich schöne Dinge, die letztendlich im Trott des Alltags untergehen und nichts Besonderes mehr sind. Wichtig ist, dass am Ende, nach den ganzen Aufs und Abs, das Auf steht!
So, genug des Ganzen. Mir geht es im Moment tatsächlich super gut und ich fühle mich sehr wohl. Ich genieße meine Zeit hier. Die Zeit, in der ich etwas zu tun hab und aber auch die Zeit, in der nichts ansteht. Ich plane meine nächste Zeit, meine Reisen und den Unterricht in der Schule, den ich zusammen mit zwei Vietnamesinnen gestalte. Mir war es nach meinem ersten richtigen Tief nur einfach mal ein Anliegen darüber zu berichten und nicht immer nur die schönen Seiten so eines Auslandsjahres zu beschreiben. Denn zu so einem Jahr gehören nun mal nicht nur Höhepunkte, sondern auch Tiefpunkte, die das Jahr jedoch nicht überschatten und dominieren sollten.
Halte durch liebe Carlotta! Auch wenn in der Heimat alles leichter und bequemer erscheint, ist es letztlich doch nur langweiliger Alltag! Genieße Deine Zeit mit den Höhen und auch Tiefen, erlebe Abenteuer und gehe an Deine Grenzen. Wenn Du wieder zurück bist, wirst Du Dich später gern daran erinnern und davon profitieren. Liebe Grüße!
Danke für die ehrlichen Worte. Ich könnte das nicht. Nicht,weil ich nie dIe Gelegenheit hatte, sondern weil ich mich nicht getraut hätte. RESPEKT.
Sehr schöner, ehrlicher Blogeintrag! Du sprichst mir aus der Seele. Bis nächte Woche! 😉