„Nada de esto, nade de esto fue un error“
Im Mai hatte ich das unbeschreiblich große Glück einen Schüleraustausch nach Paraguay mitbegleiten zu dürfen. Eine fantastische Woche. Den folgenden Artikel hatte ich für das „Argentinischen Tageblatt“ (Ausgabe 05-06-10) geschrieben, Argentiniens Tagsezeitung Nr.1.
Bilder gibt es ganz unten.
Plattdeutsch im “Herzen Südamerikas”
Das Ergebnis des einwöchigen Schüleraustausches zwischen Schülern der Deutschen Schule Hurlingham und des Colegio Neuhof der Mennonitenkolonie Menno im paraguayischen Chaco:
34 singende Jugendliche rezitieren zusammen das „Paraguaylied“, selbst gedichtet auf die Melodie eines bekannten Hits des argentinischen Sängers „Coti“. Das Lied fasst die größten Momente und Erlebnisse des Austausches zusammen. Und da reihte sich ein Höhepunkt an den anderen.
Während der Besuch der Schüler aus Paraguay im vergangenen Oktober in Buenos Aires den ersten Teil des gemeinsamen Projektes darstellte, ging der Austausch mit dem Gegenbesuch der Argentinier in die zweite Phase.
Das Abenteuer begann am 8. Mai am Flughafen Jorge Newbery in Buenos Aires. Nach eineinhalb Stunden Flug und der Ankunft in der Mennonitenherberge von Asunción, erwartete die Delegation aus Hurlingham eine exklusive Stadtführung, die von zwei engagierten Schülern des Colegio Nacional de Asunción und einer freiwilligen Helferin aus Deutschland organisiert wurde.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt wurden bestaunt und ein erster Eindruck des argentinischen Nachbarlandes konnte gewonnen werden.
Nach sieben Stunden unendlich erscheinender Busfahrt am Folgetag auf der Ruta Trans-Chaco konnten die müden Reisenden endlich in die Arme ihrer bereits wartenden Gastschwestern und –brüder geschlossen werden.
Die Kolonie Menno im Chaco Paraguayo ist die größte Kolonie der evangelischen Glaubensgemeinschaft der Mennoniten in ganz Südamerika. Sie zählt knapp 10 000 Einwohner, von denen 3500 in der Stadt Loma Plata wohnen. Die restlichen Koloniebewohner leben in den umliegenden Dörfern, die Namen wie „Friedensfeld“ oder „Neuhof“ tragen.
Die deutschen Namen im „Herzen Südamerikas“ mögen zunächst verwundern.
Doch die Mennoniten, die im Jahr 1927 größtenteils über Kanada in den Chaco kamen, haben ihre Wurzeln in Holland und Norddeutschland und bewahren die aus Europa mitgebrachte Mundart Plattdeutsch bis zum heutigen Tag.
Und so kommt es, dass die Kommunikation in der Kolonie Menno im Großen und Ganzen auf platt- und hochdeutsch abläuft.
Auf die Besucher aus Argentinien kamen also einige Herausforderungen zu: eine fremde Sprache, ein fremdes Land, eine fremde Kultur.
Während die das Landleben gewöhnten Paraguayer bei ihrem Besuch der Millionenstadt Buenos Aires im Oktober nicht schlecht über Züge und die Menschenmassen staunten, mussten die jungen Argentinier sich genauso erst einmal in ihrer neuen Umgebung einfinden. Die schnurgeraden Straßen bis zum Horizont, die endlosen Weideflächen, die breiten Flaschenbäume und die Tatsache, dass das Haus des Nachbarn nur mit dem Auto zu erreichen ist, waren für viele gewöhnungsbedürftig.
Am ersten Tag trafen sich alle Teilnehmer des Austausches im Colegio Neuhof um den Unterricht dort kennenzulernen. Glücklicherweise blieb auch genug Zeit, um die Früchte der schuleigenen Obstbäume zu kosten und die von den Paraguayern gebackenen Zuckerspezialitäten zu genießen.
Den Folgetag verbrachten die Reisenden in ihren Gastfamilien. Tätigkeiten wie Kühe melken, Motorrad fahren, Yakare jagen und Taubenschießen sind solche, die man in Buenos Aires nur schwer ausüben kann.äuse
Der Mittwoch stand ganz im Zeichen der Erkundung des kulturellen und wirtschaftlichen Zentrums Loma Platas. Beeindruckend waren die Besichtigungen des Schlachtbetriebs FrigoChorti und der Molkerei Trebol, die ihre Produkte bis über die Grenzen Paraguays hinaus verteilen. Beim Besuch des Colegio Loma Plata gab es eine Überraschung. Die Gruppe wurde vom ortsansässigen Radiosender ZP-30 über die Erfahrungen des Austausches befragt. Das Interview wurde später im Abendjournal des Senders ausgestrahlt.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde die ASCIM vorgestellt, eine Kooperation zwischen den Indigenen und Mennoniten für soziale Dienstleistungen,. Die Schule, die Bäckerei und das Krankenhaus der indigenen Bevölkerung der Kolonie wurden anschließend besichtigt.
Danach hieß es nochmals Kräfte sammeln, bevor es am Donnerstag zum gemeinsamen Campingausflug in das benachbarte Naturschutzgebiet „Campo María“ ging. Das Reservat ist hauptsächlich für seinen Artenreichtum an Vögeln bekannt, darüber hinaus können des Öfteren Ameisenbären und Wildschweine beobachtet werden.
Während die Zelte aufgestellt wurden, bereitete ein Teil der Gruppe bereits einen schmackhaften und typisch paraguayischen Guiso zu.
Gut gestärkt konnte somit die umliegende Natur erkundet werden. Der Aussichtsturm des Lagerplatzes lieferte eine ausgezeichnete Sicht über das Gelände. Und wer nicht seinem Entdeckerdrang folgen wollte, der vertrieb sich die Zeit mit Fußball spielen oder dem Singen am Lagerfeuer.
Ein fantastischer Sonnenuntergang über der Salzlagune stimmte prächtig auf die Nacht ein in der eine weitere kulinarische Neuheit auf die Argentinier zukam.
Beim sogenannten „Stockbrot“ handelt es sich um Hefeteig, der über einem dicken Stab oder Ast über dem Feuer gegart wird und später mit einer Hackfleischsauce gefüllt wird.
Die Stunden vergingen, die Gesänge verklangen und das Feuer brannte hernieder. Doch die Gespräche im flackernden Licht, bei Mate und Tereré werden wohl noch so manchem in guter Erinnerung geblieben sein.
Mit dem Freitag brach der letzte Aufenthaltstag an. Das Lager wurde wieder abgebrochen und den Schülerinnen und Schülern blieben noch ein paar Stunden in ihren Gastfamilien um ihre Kräfte zu regenerieren oder eine letzte Runde mit dem Motorrad über das Gelände zu holpern.
In einem von der Kolonie Menno organisiertem Asado fand das Pilotprojekt zwischen dem Colegio Neuhof und der Hurlingham Schule seinen schmackhaften Schlusspunkt.
Gemeinsam besann man sich nochmals auf das zusammen erlebte bis es schließlich Zeit war von Gasteltern und –geschwistern Abschied zu nehmen.
Angesichts des unermüdlichen Einsatzes der Paraguayer und der Begeisterung über das von ihnen auf die Beine gestellte, ist es sicher, dass dies zwar der erste aber sicher nicht der letzte Besuch der Hurlingham Schule im Chaco war.
Und so manchem konnte die letzte Zeile des „Paraguayliedes“ einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen:
„Nada de esto, nada de esto fue un error.”