Ferrocarril San Martín – Ein Stück Realität
Ja, mein Zug zur Arbeit ist wirklich alles andere als langweilig. Wenn nicht gerade ein Lastwagen auf der Fahrbahn steht oder der Zug eine Flutwelle vor sich her schiebt, dann gibt es immer noch ein paar Dinge, die die Reise ganz bestimmt zum Abenteuer machen.
1. Viele Menschen
2. Verkäufer
Im Zug lässt sich so ziemlich alles kaufen. Orangensaft, Sicherheitsschlösser, DVDs, USB-Sticks, Psychologiebücher, Kopfhörer, Pflaster, Taschen, Lampen und Taschenlampen.
Das wahrlich interessante und unterhaltende sind dabei die Werbesprüche der Verkäufer. Ich kenn sie alle. Ich kann sie alle.
Monoton und konitinuierlich wird da verkündet, dass die Qualität der Produkte die gleiche wie die aus dem Laden sei. Bloß eben 30 Peso billiger. Falls dann bloß die Farbe nicht gefällt, gibt es bestimmt „verschiedene Modelle zur Auswahl“. Zögern sollte man besser nicht. Denn die attraktiven Angebote gibt es bestimmt nur am heutigen Tag. Bald wird alles vergriffen sein. Kein Grund für Verwunderung, wenn am nächsten Tag der selbe Verkäufer mit den gleichen Produkten vorbeikommt. Denn: „una vez más“ (nocheinmal, nur auf Grunde des unglaublichen Talents des Verkäufers, der erneut ein „Hammer-Angebot“ macht) kann man das beste Schnäppchen in der Stadt machen.
Bizarr sind vor allem die Stimmen der Verkäufer. Verzerrt und verdreht. Entweder weil sie kaputt sind vom vielen Rumschreien, oder um Aufmerksamkeit zu erregen.
Meist sind die Verkäufer arme Schlucker. Generell sieht man bei einer Fahrt im San Martín ein Stück argentinsicher Lebensrealität. Viel Armut, bettelnde Kinder und Schmutz. Am Rande der Bahnlinie die Behausungen der Ärmsten der Armen. Auf der Fahrt zur Schule komme ich oft ins Grübeln. Jeden Tag die gleichen Verkäufer, die von morgens bis abends versuchen ihre Produkte an den Mann zu bringen, um wenigsten ein paar Peso zum Leben zur Verfügung zu haben. Dann wirken die Werbesprüche der Verkäufer gar nicht mehr so lustig.