Stand der Dinge

07.11.2019

7.53 Uhr: Auch wenn ich heute davon geträumt habe, auf einer Insel gegen Überflutung und Sturmwellen antreten zu müssen, war das wie und wo wunderbar. Seit Tagen schlafen wir nun schon im *Swag*, einem Überschlafsack oder auch Mini-Einpersonenzelt, und das mitten in der Natur, bei Wind und Wetter, soll heißen Kälte. Letzte Nacht konnten wir das ausnahmsweise unter einem Dach, neben einem alten eisernen Holzofen, doch diese Nacht, noch besser, direkt neben einer Feuerschale mitten im Wald. Es ist schon etwas besonderes am Morgen bei den Resten eines Feuers aufzuwachen und Vögel (und Fliegen) um sich herum schwirren zu hören. Und dazu konnten wir heute richtig lange ausschlafen! Ich liege immer noch im Swag und es ist schon 5.11 Uhr! Die Tage davor sind wir meist noch vor 5 Uhr aus den Schlafsackfedern, wobei wir in der Regel gegen 4 Uhr mit dem Tageslicht von allein wach wurden. Das ist inzwischen in Blut und Muskeln übergegangen: Aufwachen, Aufstehen, Swag zusammenrollen, Zähneputzen und Frühstück und losfahren – am besten Punkt 6 Uhr. Fast schon wie Maschinen. Die letzten zwei Tage sind wir sofort in der Früh Berge hoch gekraxelt, um dieses traumhaft weite Land und das Wasser das es umgibt zu bewundern. Man schafft so viel, wenn der Tag um 5 Uhr startet!

Jetzt ist es nur noch eine Nacht bevor wir in Perth ankommen und es fühlt sich merkwürdig an. Unser kleines Zehnerteam, bzw. elf mit Guide Janner, ist zusammen gerückt. Bei so viel Nähe bleibt einem auch kaum etwas anderes übrig. Und der Bus, ist uns als fahrendes Wohnzimmer, mit Kleiderschrank und Küchenkammer ans Herz gewachsen. Als wir den Nullarbor überquerten, ein kilometerlange Gegend ohne Bäume und Menschensiedlungen und damit ohne Läden und Wasservorräte, saßen wir fast den ganzen Tag im Bus um Kilometer zu schrubben. Belohnt wurden wir einen Tag später mit dem Cape Le Grand Nationalpark und seinen weißen Stränden und blauen Wassern. Einen Tag lang blieben wir im Park und wanderten Berge hoch und runter, über Stock und über Stein, durch Busch und am Strand. Trotz des Busfahrens schaffen wir es auch fast jeden Tag 10-20 km zu Fuß zurück zu legen, dank der vielen Stopps und kleinen Spaziergänge.

So konnten wir gestern Elefantenrücken (Bild auf Nachfrage) bewundern, mussten aufpassen, dass unsere geliebten Foto-Telefone nicht in die stürmische See fallen und hatten die Möglichkeit zwischen Baumkronen die Energie der dritthöchsten Bäume der Welt zu spüren. Und ganz nebenbei sehen wir Kangaroos, Dromedare, bunte und schwarz-weiße Vögel, Kaninchen, Emus und erfreuen uns eher weniger als mehr an unseren ständigen Begleitern, den Fliegen. Koalas gibt es in diesen Teilen des Landes nicht, dafür müsste ich wieder nach New South Wales. Von den Hunderten von Eukalyptus Bäumen die in Australien wachsen mögen diese nur ca. 12 und dann hat jeder einzelne Koalas auch noch seine drei bis vier Favoriten – ganz schön wählerisch, nicht? 

Mich der Bus Tour anzuschließen war ein Volltreffer. Ich glaube kaum, dass ich sonst so viel in so kurzer Zeit, mit so viel Wissenszuwachs, mit solch bunter Gesellschaft und vergleichsweise günstig hätte sehen können. Manchmal denke ich mir: okey – schön hier, aber das gibt auch woanders auf der Welt – und doch ist es traumhaft, diese Unberührtheit zu erleben und sie als Zuhause anzusehen. Natürlich halten wir auch immer wieder und mehrmals am Tag in kleinen Orten und Städten. So sahen wir den größten allein stehenden Lolli – ein festgehaltener Weltrekord, tranken Kaffee bzw. ChaiLatte im ältesten Café von Western Australia und spazieren immer und immer wieder durch die lokalen Supermärkte. In den Ruinen einer von Sandwehen geplagten Telegraphenstationen suchten wir unsere Namen. Wir schauten nicht nur hoch zu bemalten Silos, sondern auch runter in geheimnisvolle Schluchten und Löcher in der Erde. Nach dem Surfen auf Wellen rutschten wir ebenfalls Sanddünen herunter und erfuhren, dass die 12 Hasen die im frühen 19. Jahrhundert im Osten Australiens ausgesetzt wurden, sich unverhältnismäßig schnell vermehrten, es innerhalb von 40 Jahren bis in den Westen des Landes schafften, dort das ganze Gras auffraßen und somit die Sandstürme aus lösten, die ganze Städte verwehten – siehe Telegraphenstation. Dank Janner lernen wir viel über Bäume und sprachen auch über die Aboriginal People und Kerry, mit 75 Jahren unser Gruppen Ältester, erläuterte mir auf Nachfrage seine Sicht auf den Australia Day. Der Tag, an dem ein Teil der australischen Bevölkerung die Besiedlung des Landes feiert und die anderen daran erinnern, dass ihre Kultur überrannt wurde. Morgen steht eine Grotten Tour mit Aboriginal Guide an, auf die ich schon sehr gespannt bin.

Wenn ich in den Spiegel schaue, bin ich etwas gezeichnet von den letzten Tagen. Ein Sonnenbrand im Gesicht – wahrscheinlich entstanden durch das sitzen an der Sonnenseite des Buses – verpixelte Haut, Schrammen und Schrämmchen vom Wander, Rutschen und Auffangen. Und so viel Farbe, wie ich sie wahrscheinlich vorher noch nie hatte.

Es fällt mir schwer, alles erlebte der letzten Tage zusammen zu fassen. Fotos auf unseren Handys helfen, die Bilder in unserer Seele bewusst hervorzuholen, aber die Eindrücke und die guten Momente aus Gesprächen bleiben sicher auch so. Und wenn es nicht die Natur ist, dann die Stunden im Bus, singend, lesend, lachend, erzählend und diskutierend. Leben halt. 

Heute sieht der Tag anders aus. Wir sind tatsächlich erst um 7 Uhr los und während einige noch Vogel fotografieren, machen wir jungen Mädels uns “schick”. Seit Monaten habe ich das erste mal Mascara an den Wimpern und sie fühlen sich in der Folge eher wie Fremdkörper an. Heute sind wir in dem Gebiet am Margaret River unterwegs, soll heißen Schokolade, Käse, Wein und Whisky testen. Also voll mein Ding – es wird sicher lustig!

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