Einkaufssucht oder Glück im Unglück

Supermärkte sind mein Hobby. Das habe ich neu für mich entdeckt. Einkaufen gehen ist wirklich eine tolle Beschäftigung, vor allem wenn man versucht die polnischen Begriffsbezeichnungen zu entziffern. Also ich erkenne schon eine Gurke, wenn ich sie sehe, aber manchmal hängen die Preisschilder ja nicht ganz da, wo sie es eigentlich sollten. Es war also kein Wunder, dass ich heute Nachmittag zum 2. Mal zu Lidl gegangen bin. Morgens den Einkauf und nachmittags das Wasser. 6 Flaschen schleppen sich ja nicht so leicht. Ich ging also wie gewohnt zu den Selbstzahlerkassen, die ich auch immer auf polnisch reden lasse, damit ja keiner merkt, dass ich eigentlich nicht von hier bin. Mittlerweile kenne ich mich mit diesen Geräten auch super aus, denn was Kartenzahlung angeht, ist man in Polen sehr viel fortschrittlicher. Als es dann aber um die Kartenzahlung ging, hatte ich ein fettes Problem. Meine Karte war nicht in meinem Portemonnaie. Verzweifelt habe ich meine ganze Tasche durchsucht und nirgendwo die Karte. Vermutlich hab ich das nicht sehr unauffällig gemacht, denn der Security kam sofort zu mir und fragte nach meiner Karte. Denke ich zumindest, denn diese Konversation fand nur auf Polnisch statt. Aber mit viel Gestik haben wir uns verstanden und als er seine Kollegin nach hinten schickte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hab meine Karte heute morgen im Kartenlesegerät stecken gelassen… Und tatsächlich, kurze Zeit später kam die Verkäuferin mit meiner Karte zurück. Ich konnte also doch bezahlen und hatte meine Kreditkarte wieder. Ohne wüsste ich auch gar nicht weiter. Dass ich doppelt und dreifach zum Supermarkt renne, hat mich also echt gerettet. Und ich habe gelernt meine Karte nur noch gegen das Gerät zu halten. Nie wieder würde ich sie vergessen und so eine Panik freiwillig durchstehen.

Meine ersten Monate

Ich kann es kaum fassen, aber es sind doch tatsächlich schon fast 2 Monate vergangen. 2 Monate die ich hier nun lebe und dieses Gefühl ist wirklich verrückt. Es hat sich so viel verändert und doch ist alles irgendwie so gleich.

Die hejs mit meiner Mitbewohnerin sind mittlerweile auf 7 gestiegen. Beim 10. sollte ich mir wahrscheinlich was zum Anstoßen besorgen. Aber trotzdem liebe ich meine Wohnung und obwohl meine Matratze nur aus Schaumstoff besteht und ich mir ständig verkneifen muss, die Spitzen abzureißen, fühle ich mich wie Zuhause. Wozu die betrunkenen Männer, die ab und zu vor meiner Eingangstür rumlungern, mit ihren netten Grüßen natürlich ebenfalls einen großen Beitrag leisten.

Je stiller aber mein WG-Leben, desto aufregender der Schulalltag. Meine Aufgaben sind super vielfältig und meine Ideen werden immer angenommen. Ich erschrecke mich zwar jedes Mal, wenn die Schüler mich im Gang grüßen und auch noch tatsächlich meinen Namen kennen, aber ansonsten läuft das Lehrerin sein ganz gut. Obwohl mir mittlerweile alle Sprachenlehrer leidtun, die 20x den gleichen Text über „Mein bester Freund“ lesen müssen. Und über deutsches Essen möchte ich am liebsten nie wieder was erzählen müssen. Dafür wird jeden Tag meine Schrift gelobt, was mich doch etwas verwundert, da ich selbst immer der Meinung war, sie sei eher durchschnittlich. Aber wenn alle nur Schreibschrift schreiben und man plötzlich in sorgfältiger Druckschrift an die Tafel schreibt, fangen die 4.Klässler auch gerne an zu strahlen.

Auch die netten Leute, mit denen ich beispielsweise die Cafés der Stadt durchteste sind super. Mein Sprachkurs ist super offen und auch die Erasmusstudenten haben immer viel zu erzählen. Neben ein paar Ausnahmen habe ich aber leider noch keine nette Polin oder einen Polen gefunden, der sich opfert mir zu helfen mein Polnisch zu verbessern. Aber verständlich, man möchte sich ja auch unterhalten können und das klappt bisher halt am besten auf Englisch.

Die größten Highlights waren dann aber doch mit Leuten von Zuhause oder kulturweit verbunden. Warschau, Budapest und Lublin mit meinen Großeltern haben mir nochmal gezeigt, was für tolle Menschen ich bereits in meinem Leben habe. Ich bin mir sicher, dass ich hier noch weitere tolle Menschen kennenlernen werde, aber ich weiß auch, dass ich immer ein Zuhause habe, in das ich unbeschwert zurückkehren kann. Wo Menschen auf mich warten.

Und während ich hier sitze so um 16 Uhr mit schwarzem Himmel, freue ich mich auf die kalte Winter- und Weihnachtszeit und hoffe, dass mich hier im Osten Polens ein wenig Schnee erwartet.

Warschau oder doch Berlin?

Ich verlasse den Bahnhof und fühle mich ein wenig als würde ich nach Hause kommen. Viele Menschen, große Häuser und das typische Gewimmel einer Großstadt. Endlich (ok es waren nur knapp 2 Stunden Zugfahrt) bin ich in der Hauptstadt Polens und gleich sehe ich auch die anderen wieder. Eine Einladung zur Nacht der Deutschen Einheit in der Botschaft hat uns in die Stadt geführt und es war tatsächlich auch so fancy wie es sich anhört. Zwischen den ganzen Anzugträgern haben wir uns zwar erstmal mehr als fehl am Platz gefühlt, aber nach ein paar Bier waren sogar die auf der Tanzfläche zu finden. Wer hätte gedacht, dass es in der Botschaft so abgehen kann?
Das war natürlich aber nicht alles für uns, denn wenn wir schonmal da sind, dann gehört auch Kultur und Sightseeing dazu. Die nächsten 5 Tage wohnen wir zusammen in einem Airbnb und haben genug Zeit in die historische Stadt einzutauchen. Wie vorbildliche Touristen haben wir natürlich die Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Altstadt, Neustadt, Kulturpalast…Und trotz eigener Küche haben wir auch gefühlt alle Restaurants von innen gesehen, weil kochen irgendwie nicht so auf dem Plan stand. Eine Entscheidung, die ich nicht bereue, denn die Food-Halle hier macht sogar Berlin Konkurrenz. Und auch wenn ich Lublin überraschenderweise echt ganz cool finde, gibt es nichts schöneres, als sich in einer Unterführung zu verlaufen während Feuerkünstler ihre Seile schwingen. Weil das in einer großen Stadt gerne mal passiert und sich Chaos immer ein bisschen wie Zuhause anfühlt.
Für mich war neben dem schönen Wiedersehen mit den Leuten und den netten Barbesuchen vor allem die Weichsel ein Highlight. Wenn ich eine Sache hätte mitnehmen können, wäre es definitiv der Fluss gewesen. Und kleiner Tipp für die Abenteurer unter euch: Ein Gottesdienstbesuch während des Abendmahls ist eine ganz interessante Erfahrung, wenn man die Sprache nicht beherrscht.

Ein Hoch auf die Lehrkräfte

Inoffizielle Feiertage werden hier großgeschrieben und vor allem groß ausgekostet. So auch der „teachers day“ der offiziell am 14.10 stattfindet. Dieses Jahr ein Samstag, also wurde er mal schnell spontan auf den Freitag vor verschoben. Und was wird gemacht? Neben großen Mengen an Essen im Lehrerzimmer, von Sushi bis Muffins, bringen die Schüler den Lehrern Blumen, Geschenke und nette Worte der Dankbarkeit mit. Den die hier eher gering verdienenden Lehrer für ihre tolle Arbeit auch mehr als verdient haben. Meine Schule hatte sogar eine Fotobox und als der Satz viel, ich solle mir bitte ganz viel vom Essen nehmen, da ich ja jetzt auch eine richtige Lehrerin hier sei, musste ich mir ein wenig die Tränen verkneifen.

Ein Tag für die Jungs!

Ja so hab ich auch geguckt. Am 30.09. war in Polen der Jungentag. Das klingt jetzt für die meisten wahrscheinlich etwas ungewohnt, vor allem wenn man in Berlin gefühlt gar keine Feiertage genießen darf. ABER das ist hier auch kein gesetzlicher Feiertag sondern ein inoffizieller. Und davon hat Polen so einige. Einer davon ist der Jungentag (keine Sorge für die Mädchen gibt es auch einen). Aber was heißt das jetzt? Schulfrei schonmal nicht, denn er ist ja innoffiziell. Unterricht kann jedoch gerne mal ausfallen, jedenfalls war das an meiner Schule der Fall. Stattdessen macht die ganze Klasse einen Ausflug und unternimmt das, was den Jungen Spaß macht. Dieser Ausflug wird dann von den Mädchen der Klasse geplant, organisiert und bezahlt. Wahlweise gibt es statt eines Ausfluges auch manchmal einfach Geschenke. Meistens seien diese sehr viel cooler als die, die es dann zum Mädchentag gibt. Aber das lass ich jetzt einfach mal im Raum stehen. Das Konzept hinter dem Tag mag etwas problematisch sein, aber die Grundidee sich öfter mal ein wenig Wertschätzung zu zeigen, wäre doch etwas, was man auch an unseren Schulen machen könnte…

Der öffentliche Nahverkehr und ich

Ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr zu bekommen… Eigentlich easy oder?

Nicht wenn man eins für 150 Tage haben möchte. Jedenfalls hier. Ab und zu steht ein Automat (mit Englisch als Option yeah) an der Bushaltestelle, an dem man sich ein Ticket für eine Strecke kaufen kann. 24h Ticket ist das Maximum. Möchte man eins für länger, muss man sich eine App herunterladen, was ich natürlich gemacht habe. Einziges Problem: Meine Telefonnummer ist zu lang, um ein Konto anzulegen. Die Nummer war ZU LANG. Das so etwas möglich ist, hätte ich niemals gedacht. Also was jetzt? Leute fragen. Hilfe suchen, ist immer eine gute Option. Ich wurde also in ein Einkaufszentrum geschickt, um bei einem Kiosk ein Ticket zu holen. Da bin ich natürlich hin, auch wenn es nicht danach aussah, als ob die mir dort eins verkaufen. Nachdem ich also 10 Minuten vor dem Laden rumgeschlichen bin, habe ich mich endlich getraut, den Laden zu betreten und meine Vermutung bestätigte sich. Man kann mir nicht helfen, aber ich wurde an einen anderen Ort geschickt…den habe ich auf Polnisch aber leider nicht verstanden und naja, nachfragen war mir zu unangenehm, also war ich genauso schlau wie vorher. Also was jetzt? Genau neue Hilfe suchen. Und wer kann den Touristen immer helfen? Die Touristeninformation. Also mal wieder mit Google Maps durch die Stadt (ausnahmsweise mal ohne Umwege). Dort hat man mich dann zur offiziellen Stelle der ZTM geschickt. Irgendwo in einer Nebenstraße. Doch da hab ich auch nicht sofort ein Ticket bekommen. Um ein Ticket zu kaufen, muss man sich erst eine Karte erstellen. Und dafür brauche ich ein Foto…damit hab ich nicht gerechnet. Also ab zum Fotografen nebenan. Sagen wir mal so, ich war nicht vorbereitet zum Fotografen zu gehen…und hab jetzt 7 weitere Beweisfotos davon. Immerhin haben sie die Kopfverletzung wegbearbeitet. Mit dem Foto ausgerüstet und dem ausgefüllten Umfragebogen konnte ich also eine Karte holen und danach endlich mein Ticket kaufen. Jetzt 150 Tage lang nicht stressen. Dank der tatsächlichen Kontrolle im Bus weiß ich jetzt wenigstens auch das alles geklappt hat. Also falls irgendjemand mal ein Ticket in Lublin kaufen muss, hoffe ich für dich, dass du das hier liest und direkt zur Hauptstelle gehst und am besten  mit einem schönen Foto von dir selbst, damit du dich nicht jedes Mal erschrecken musst, wenn du dein Portemonnaie öffnest.

Back to school

Endlich das Abitur in der Tasche und erst mal keine Schule mehr! Oder auch nicht…

Nach den Sommerferien wieder zur Schule zu gehen, war ein echt seltsames Gefühl und doch auch ziemlich lustig. Schließlich bin ich dieses Mal keine  Schülerin, sondern stehe auf der anderen Seite des Tisches. Aber Lehrerin bin ich auch nicht, was man für Schüler*innen, die gerade mal ein Jahr jünger als man selbst sind, auch gar nicht sein möchte. Es ist also ein kleiner Spagat zwischen Deutsch beibringen und Freunde finden. Und letzteres ist ziemlich schwer, wenn man die Landessprache nicht spricht. Nächster Schritt ist also ein guter Polnisch Kurs. Dann traue ich mich vielleicht auch mal auf den Markt oder in ein Restaurant. Ich könnte natürlich einfach Englisch reden, aber wenn ich was mache, dann richtig und richtig heißt für mich auf Polnisch.

Meine Wohnung ist super schön und die tolle Aussicht auf einen großen Kreisverkehr und ein Lidl lassen mich doch manchmal fast denken, ich wäre noch in Berlin. Wozu meine Mitbewohnerin jedoch eher weniger beiträgt. Neben 3 Heys haben wir noch nicht geredet und ich bezweifle, dass sich das ändern wird. Lustiges WG-Leben gibt es also nicht. Aber Streit oder Ähnliches auch nicht, also kann ich mich nicht beschweren.

Dafür ist die Stadt umso schöner. Um einiges kleiner als Berlin, was jetzt keine Überraschung ist, aber trotzdem immer was los. „There is always something to do or see but not in an overwhelming way.“ Das hat ein nettes Mädchen zu mir gesagt, als sie mir die Stadt zeigte und ich verstehe, was sie meint. Der Sommer hält sich auch noch ein wenig, sodass Spaziergänge mit Eis durch den Park auch noch möglich waren. Trotzdem freue ich mich auf den Herbst und die schönen Kulturangebote, die es hier gibt. Ich wohne hier, aber trotzdem fühlt es sich eher danach an, ein Langzeittourist zu sein. Und Tourisachen zu machen, steht ganz oben auf der To-do-Liste. Dicht gefolgt von einem neuen Hobby zu finden. Irgendwelche Vorschläge?