Das Abenteuer beginnt! Meine Erfahrungen auf dem Vorbereitungsseminar und bei der Ausreise nach Bolivien.

Ich will ganz ehrlich sein. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, schon viel früher und ausführlicher nicht nur von meinen Erlebnissen und Erfahrungen in den ersten Woche in Bolivien, sondern auch von meinem Vorbereitungsseminar am Werbellinsee zu berichten. Im assoziativen Schreiben wollte ich mich üben und das Lesen meines Blogs so spannender machen. Am Ende ist es nun aber doch anders gekommen, denn die letzten vier Wochen waren vor allem eins: Absolut vollgepackt mit Neuem. Sich einige ruhige Stunden zu nehmen, um einen Blogeintrag zu schreiben, bleibt hier selbstverständlich schnell auf der Strecke. Ich will es nun jedoch endgültig versuchen und nun erstmals auf diesem Blog von einigen meiner Erfahrungen der letzten Wochen berichten.

Eine kleine Ankündigung schon vorweg: Yuqi, eine meiner Mitfreiwilligen aus La Paz, und ich werden bald unsere erste Podcastfolge veröffentlichen und hier an dieser Stelle in einem anderen Format über unsere Zeit in Bolivien berichten und reflektieren. Mehr hierzu folgt in Kürze (und dieses Mal wirklich!!).

Ich denke, ich kann jenen Moment, an dem Bolivien für mich vom Plan, vom Traum zur Realität wurde, relativ genau benennen: Während ich an jenem Freitagabend vor nun knapp drei Wochen am Berliner Hauptbahnhof stehe und auf meinen ICE nach München warte, wird es mir endgültig klar: Du fliegst jetzt nach Bolivien. Immer schien mir dieser Moment sehr weit entfernt, am Ende ließ es das zehntätige Vorbereitungsseminar noch so wirken, als würde er nie kommen. Doch nun gab es nichts mehr dergleichen. Next stop: Bolivia.

Die Jugendherberge am Werbellinsee (Der Eigenname „Seezeit-Resort“ weckt meiner Meinung nach Assoziationen, die mit der Realität wenig zu tun haben) befindet sich mitten in Brandenburg. Voller Energie, Vorfreude und Motivation, aber bestimmt auch mit ebenso vielen Fragen und einer gewissen Nervosität waren wir, die knapp 150 Freiwilligen der März-Ausreise 2023 von Kulturweit, zehn Tage zuvor an diesem Ort angekommen.

Das Seminar am Werbellinsee, das waren zehn sehr intensive Tage, die vom ersten bis letzten Atemzug mit Programm und Networking gefüllt waren. In etwa die Hälfte der Zeit verbrachten wir dabei in unseren Homezones. Meine bestand aus den Freiwilligen, die nun nach Costa Rica, Mexiko und natürlich Bolivien ausgereist sind. Ich muss sagen, dass dieser Aspekt des Seminars mir am besten gefallen hat. In unserer tollen Gruppe fühlte ich mich während des Seminars wirklich sehr gut aufgehoben und wohl.

Natürlich wurden wir während des Seminars erneut über alle möglichen organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen unseres Freiwilligendiensts informiert. Hinzu kamen beispielsweise Sprechstunden mit unserer Versicherung sowie dem Kulturweit-Team. Der Schwerpunkt des Seminars lag jedoch auf Themen wie (Wahrnehmung von) Kultur,(Post-)Kolonialismus, globalen Machtdifferenzen, Diskriminierung, fairem Berichten, der eigenen Rolle als Freiwilliger oder beispielsweise auch Konfliktmanagement. Zumindest war dies der Anspruch des Seminars an sich selbst, den es, so zumindest meine Meinung, nur teilweise erfüllen konnte. Gerade hinsichtlich meiner Rolle als Freiwilliger im Gastland und Themengebieten wie dem fairen Berichten sind meinerseits bis zum Ende des Seminars Fragen offen geblieben, auf die ich keine hinreichende Antwort gefunden habe. Darüber hinaus fand in unserer Homezone kaum regionenspezifische Vorbereitung statt, beispielsweise hätte ich mich auf dem Seminar gerne noch deutlich intensiver mit der Geschichte des Kolonialismus in Lateinamerika auseinandergesetzt.

Inhaltlich waren für mich die Workshops und Reflexionsräume am wertvollsten, bei denen ich selbst aus einem zumeist breit gefächerten Angebot an Themen wählen konnte. So besuchte ich exemplarisch einen Reflexionsraum zu meinem eigenen Weißsein, ein für mich leider gänzlich neues Thema. Ebenfalls sehr bereichernd waren für mich die Workshops über globale Megatrends und Verschwörungstheorien.

An einem Tag galt es in den Homezones, innerhalb weniger Stunden ein eigenes Projekt durchzuführen. Hierbei haben Ida, Yuqi und ich uns zusammengetan und einen kurzen Podcast über Simon Bolívar produziert. Obwohl die Zeit sehr knapp bemessen war (15 Minuten vor Abgabefrist war das Schnittprogramm heruntergeladen…) kann sich das Ergebnis meines Erachtens dennoch sehen lassen. Den Podcast könnt ihr hier nachhören. 

Die Aufbruchsstimmung unter uns 150 Freiwilligen habe ich in dieser Form noch nie erlebt. Jede*r reißt in ein anderes Land, in eine andere Einsatzstelle, und hatte während der Vorbereitung gänzlich verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. Obwohl man sich vermutlich in Zukunft nicht mehr (und erst Recht nicht während des Freiwilligendienstes) begegnen wird, war es unglaublich bereichernd, sich mit all den Menschen auszutauschen, die nun beispielsweise nach Vietnam, in die Mongolei, nach Ägypten, nach Rumänien, in den Senegal oder nach Brasilien ausgereist sind.

Die zehn Tage am Werbellinsee sind meiner Wahrnehmung nach blitzschnell verflogen. Auf fast unheimliche Art und Weise blendete ich über zehn Tage fast alles aus, was sich außerhalb dieses Mikrokosmos‘ abspielte. Fast schien es mir, als sei ich schon ein Stück weit während dieser zehn Tage ausgereist. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge machten wir uns am Ende des Seminars auf den Heimweg. Einerseits war man nun endgültig in erwartungsvoller Vorfreude hinsichtlich der unmittelbar bevorstehenden Ausreise, andererseits musste man sich viel zu früh von so vielen großartigen Menschen verabschieden, die man doch gerade erst kennengelernt hatte.

Mit einem großen Schatz an neuen Erfahrungen, Erkenntnissen und neuen Kontakten machte ich mich nun auf den Rückweg nach München. Doch nicht nur dies, auch den sich über zehn Tage erheblich angestauten Schlafmangel und ein deutliches Krankheitsgefühl nahm ich mit nach Hause.

Spätabends in München angekommen, blieb mir nun noch ein Tag in meiner Heimatstadt. An diesem galt es, sehr schnell zu waschen und umzupacken, sodass ich rechtzeitig bereit für die große Reise war. Am Nachmittag verabschiedete ich mich von einer letzten Freundin, Nike, wobei wir noch einmal einen Spaziergang durch unser Stadtviertel unternahmen und ich mich von einigen prägenden Orten (beispielsweise meiner ehemaligen Schule) verabschiedete (ja, ich lege es schon auch darauf an, derlei Momente pathetisch aufzuladen…). Spätestens jetzt empfand ich ein krasses Gefühlschaos, die Situation war für mich mehr als surreal. Noch nie hatte ich länger als drei Wochen im Ausland verbracht, nun auf einmal sollte ich für ein Jahr in einem mir völlig unbekannten Land auf einem mir unbekannten Kontinent leben. Und so floss an diesem Tag endgültig auch die ein oder andere Träne. Nach einem letzten Abendessen mit meiner Familie ging ich früh schlafen (der Schlafmangel der letzten Tage machte es möglich), denn am nächsten Tag klingelte um 4 Uhr morgens der Wecker.

Ich rechne es meiner Familie sehr hoch an, dass sie es sich antaten, mich zu dieser Unzeit an den Flughafen zu begleiten. Fast etwas peinlich ist mir, dass ich an jenem morgen exzeptionell lang am Check-In warten musste, und für den eigentlichen Abschied nur noch wenige, eher hektische Minuten blieben. Aber so war es nunmal. Zeit für ein letztes Selfie blieb aber dennoch. Für mich war dieser Moment bei weitem am emotionalsten und schwierigsten, beim Schreiben dieser Zeilen habe ich wieder Tränen in den Augen. Aber es half alles nichts, ein Flugzeug nach Paris wartete auf mich. Passenderweise war ich noch nie so knapp bei einem Flug, noch während ich bei der Sicherheitskontrolle war, ertönte der Boardingcall. Schnell war auch ich im Flugzeug und noch schneller war ich auch schon am Flughafen Charles-de-Gaulle in Paris. Nachdem ich hier fast fünf Stunden verbracht hatte (wovon ich zwei Stunden in Schlangen der Ausreise wartete, merci, Paris Aéroport…) trat ich meinen längsten Flug an, der mich in 12 Stunden nach Panama-City führte.

Ich bin fast nie krank. Jedenfalls würde ich das von mir selbst behaupten. Doch irgendwie hat mein Körper ein Talent dafür, mich in den Situationen, in denen es darauf ankommt, dann doch im Stich zu lassen. Besonders bei Langstreckenflügen scheint dies der Fall zu sein, bei vier von fünf, die ich bis jetzt in meinem Leben absolviert habe, war ich mehr oder weniger krank. Selbstverständlich war dem nun auch bei meiner Anreise nach Bolivien so. Besonders auf dem Flug nach Panama-Stadt merkte ich nun wieder ein deutliches Krankheitsgefühl, was es mir (in Kombination mit vermutlich ungesunden Mengen an Melatonintabletten) ermöglichte, eine für mich rekordverdächtige Zeit des Flugs mit Schlafen zu verbringen. Ich hatte im Vorfeld große Sorge über die mit dieser 30-stündigen Reise einhergehende Belastung, doch am Ende war es dann doch weniger schlimm als gedacht. Spätestens ab Panama-City sorgte die Müdigkeit dafür, dass ich eigentlich gar nicht mehr so viel aktiv mitbekam.
Nun war der Moment gekommen: Ich bestieg ein Flugzeug nach Bolivien, nach Santa Cruz. Nach dem immerhin rund fünfstündigen Flug nach Santa Cruz de la Sierra setzte unser Flugzeug gegen vier Uhr morgens Ortszeit zur Landung in Bolivien an. Nun galt es seine letzten Kraftreserven zusammenzunehmen und sich in die Schlange zur Migración, der Einreise, einzureihen. Nach über 1,5 Stunden des Wartens war schließlich ich an der Reihe.

Tatsächlich verbrachte ich auch deutlich mehr als fünf Minuten am Einreiseschalter, da es aufgrund meines mehr als drei Monate alten Visums zu Konfusion kam und man mich zuerst zum erneuten Bezahlen des Visums aufforderte. Nachdem dies mit einem weiteren Beamten geklärt war, musste ich dem Grenzschützer noch einige Dokumente vorlegen, exemplarisch meine Verträge und meine Airbnb-Bestätigung. Ganz unschuldig am Ablauf meiner Einreise bin ich jedoch auch nicht, da ich in diesen Minuten realisierte, das bolivianische Adresssystem nicht richtig durchschaut zu haben (mittlerweile weiß ich, dass es irgendwie auch kein System gibt bzw. mehrere Systeme parallel zueinander existieren). Somit konnte ich, was wirklich ungünstig und für mich sehr untypisch ist, die Frage, wo ich denn nun wohnen würde, nur unzureichend beantworten, was den Beamten sichtlich störte. Vermutlich muss ich in diesem Moment jedoch einen sehr hilflosen Eindruck gemacht haben, weswegen der Beamte schließlich doch den Einreisestempel in meinen Reisepass haute.

Da war ich nun, in diesem Bolivien. Also fast. Zumindest war ich in der kleinen Ankunftshalle des Flughafens in Santa Cruz. Sofort besorgte ich mir erste Bolivianos (die bolivianische Währung) sowie eine Sim-Karte. Zufällig traf ich einen Mitfreiwilligen sowie später noch zwei andere Freiwillige meiner Organisation, die aus Madrid kamen und nach La Paz weiterreisten.

Nun galt es lediglich noch, einen letzten Flug hinter sich zu bringen. Wobei dies eigentlich der falsche Ausdruck ist, denn für mich war der Flug mit der staatlichen Fluggesellschaft Boliviens, der BoA (Boliviana de Aviación) und deren museumsreifem Flugzeug, ein ganz eigenes Erlebnis. Daneben konnte ich vom Himmel aus die atemberaubende bolivianische Landschaft beobachten. Nach etwas mehr als einer halben Stunde begab sich das Flugzeug bereits in seinen Landeanflug nach Cochabamba, wobei es sehr dicht an den hohen, diese Stadt umgebenden Bergen vorbeiflog.

Und nachdem wir über Cochabamba eingeschwebt waren, landete ich in meiner Heimat für das nächste Jahr…

Die Fortsetzung dieses Blogeintrags über meine ersten Wochen in Cochabamba veröffentliche ich sehr bald!