Ich bin und war immer von meiner Freiheit besessen, wahrscheinlich habe ich dieses Bedürfnis mit der Entscheidung nach Aserbaidschan zu ziehen etwas überkompensiert. Übrigens ein absurder Ort um ausgerechnet Freiheit zu suchen, aber dazu an anderer Stelle mehr.
Hier habe ich in den letzten neun Monaten dann eine (für mich) erstaunliche Erkenntnis gewonnen: radikale Freiheit und Ungebundenheit kommen oft zusammen mit Einsamkeit und Schwierigkeiten; niemandem verpflichtet zu sein, bedeutet auch weniger enge soziale Kontakte zu haben, denn in Beziehungen jeder Art muss man Zeit und Emotionen investieren. Auch freie Entscheidungen in einer riesigen, chaotischen und fremden Großstadt zu treffen, klingt erstmal leichter als es ist. Sich ohne Sprache und mit kaum Kontakten zurechtzufinden ist am Anfang ziemlich schwierig.
In meinen ersten Monaten in Aserbaidschan musste ich das lernen: meine neue radikale Freiheit habe ich mit zahllosen Fehlgriffen, Missverständnissen und einer ganzen Menge an Frustration und Zweifeln bezahlt. Dazu kam, dass ich bevor ich hierhergekommen bin, so gut wie nichts über das Land wusste. Eine aserbaidschanische Freundin meinte dazu neulich:„In ein fremdes Land zu ziehen ist wie zu heiraten ohne seinen Partner zu kennen oder zu lieben.“ Sie hatte Recht: Aserbaidschan macht es einem nicht immer leicht es zu lieben, gerade wenn man mit 18 aus der bayerischen Provinz hierherkommt. Die Liebe zu und das Leben in Baku muss man sich erarbeiten, es benötigt viel soziale Energie und echte Neugier dieses Land zu verstehen, sich zurechtzufinden war am Anfang wirklich schwer.
Und trotz allem bin ich glücklich mit meiner Entscheidung, ich glaube es ist wichtig seine Komfortzone zu verlassen und sozusagen das Fremde zu heiraten, auf der anderen Seite warten großartige Menschen und wahnsinnig viele Erlebnisse. Aserbaidschan war unglaublich gut zu mir. Baku und ich führen inzwischen eine gute Ehe.
Baku, Juni 2023