Es war einmal…

… ein König, der sagte zu seinem Diener: „Bring mir das süßeste Essen auf der Welt!“. Der Diener machte sich auf den Weg, kaufte auf dem Markt eine Zunge, röstete sie und brachte sie dem König. Dem schmeckte die Zunge sehr, dann sagte er zu seinem Diener: „Nun bring mir das schärfste Essen, das es gibt!“. Der Diener machte sich also wieder auf den Weg, kaufte noch eine Zunge, richtete sie wieder vorzüglich an und gab sie wieder dem König. Nach dem dieser die Zunge gegessen hatte, fragte er den Diener, warum er ihm Zunge als süßestes und gleichzeitig schärfstes Essen gebracht habe. Daraufhin antwortete der Diener:

„Auf der Welt ist die Zunge das Süßeste und zugleich das Schärfste, was es gibt.“

Diese georgische Geschichte haben wir heute im Sprachkurs übersetzt; bzw. größtenteils unsere Lehrerin, da wir ja noch nicht wirklich georgisch können, aber das nur am Rande. Jedenfalls fand ich sie ziemlich passend, um zu erklären, warum ich lange nichts mehr geschrieben habe. Das georgische Wort ენა (ena) bedeutet nämlich nicht nur Zunge, sondern auch Sprache. Zusammengefasst habe ich mir in den letzten Wochen sehr viele Gedanken gemacht, ob und was ich hier in Zukunft berichten werde. Einerseits passiert zwar immer irgendwas, das man aufschreiben könnte, aber ja, ich gebe zu, oft habe ich keine Zeit bin ich zu faul, um etwas zu bloggen…

Andererseits habe ich sehr viel darüber nachgedacht, inwiefern ich objektiv etwas über Georgien berichten kann. Nachdem ich einmal eine Broschüre zum Thema Freiwilligen-Blogs gelesen habe, bin ich in der Hinsicht nämlich ziemlich unsicher geworden. Deshalb liest man hier, glaube ich, auch selten bis nie etwas Negatives über mein Gastland. Weil, ich bin ja nur die Freiwillige, ich habe zugegebenermaßen keinen Überblick über das große Ganze. Ich lese hier keine Nachrichten, die Georgien betreffen, da es etwas schwierig ist, sie in englischer Sprache zu bekommen (nicht unmöglich). Und es hat ja auch immer irgendeinen Grund, warum die Dinge im Gastland so sind, wie sie sind. Ich bemühe mich also, nicht vorschnell zu urteilen und euch hier kein falsches Bild zu vermitteln.

Trotzdem… immer nur von den schönen Seiten des Freiwilligendienstes zu berichten, von den Reisen, von den witzigen Begebenheiten in der Schule ist irgendwie auch komisch. Es ist halt nur ein Teil der Realität. Der Großteil, aber trotzdem nicht alles. Mal sehen, wie ich das in Zukunft lösen kann. Für Vorschläge bin ich offen ?

Nun kommt hier noch ein einigermaßen ausgewogener Bericht über die Ereignisse der letzten Wochen:

Vor einer gefühlten Ewigkeit habe ich mich meiner liebsten Mitfreiwilligen auf den Weg nach Borjomi gemacht, wo wir auf einen anderen Freiwilligen und seinen Besuch trafen. Dann besorgte ich mir noch schnell eine Schneehose und am nächsten Tag waren wir Ski fahren! Eines der schönsten Erlebnisse bisher. Angesichts der Tatsache, dass ich seit zwei Jahren nicht mehr wirklich gefahren bin, ging es auch erstaunlich leicht. Leider war der Tag viel zu kurz (und teuer…), aber es hat sich wirklich gelohnt! Wir wollen versuchen, das demnächst zu wiederholen, falls noch genug Schnee liegt. Und wenn wir wieder Geld bekommen haben. Sonst gehen wir halt einfach wieder in dem wunderschönen Wald wandern, in dem wohl auch ganzjährig Wölfe, Luchse und Braunbären leben. Getroffen haben wir aber noch keinen.

Im Übrigen habe ich jetzt auch eine Steuernummer. In Georgien. Das kam so: Ich erwartete sehnlichst ein Paket aus Deutschland, und als ich die Nachricht bekam, dass es angekommen ist, machte ich mich sofort auf den Weg zum Postbüro. Kurz vor Ladenschluss musste ich eine geschlagene Dreiviertelstunde warten, bis meine Nummer endlich aufgerufen wurde (man muss immer Nummern ziehen, egal ob in der Post, wo es ja auch sinnvoll ist, oder im Handyladen, wo man die einzige Kundin ist. Naja.) Fröhlich erklärte ich der Beamtin, dass ich jetzt gerne mein Paket hätte. Zeigte die Sendungsnummer und meinen Pass. Nun, unglücklicherweise war es zu wertvoll. Um ungefähr einen Euro. Deshalb sollte ich 90 (!) Lari Steuern zahlen, was aber nur mit einer Steuernummer geht. Die bekommt man beim Revenue Service, ließ ich mir sagen. Also Adresse aufgeschrieben, ziemlich enttäuscht raus aus der Post. Blick auf die Uhr: 16:50 Uhr. Die Post schließt um 17 Uhr, das Paket konnte ich also vergessen. Dann habe ich geschaut, wo dieser Steuerservice ist. 3,5km entfernt, schließt um 18 Uhr. Zwischen uns lag nur eine der meist befahrenen Straßen in Tbilisi. In der Rush Hour. Bus fahren fiel damit aus, also machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Natürlich schaffte ich es zu dem Gebäude, und diese Steuernummer zu bekommen, war erstaunlich einfach. Zunächst war ich ein wenig eingeschüchtert, da mir einige von den anderen Freiwilligen erzählt hatten, dass sie ihre Ansprechpersonen mitgenommen haben und es trotzdem kompliziert war. Vielleicht hatte ich ja nur Glück, aber die Sachbearbeiterin war nett und konnte fließend Englisch. Als ich ihr dann noch meinen Namen auf Georgisch aufschreiben konnte, lief alles sehr schnell und einfach. Ein paar Tage später hatte ich dann mein Paket in den Händen.

Einige Wochen später habe ich noch den Ort Gori besucht, wo Iosseb Dschugaschwili aka Stalin geboren wurde. Dort besuchte ich das Stalin-Museum und die alte Burg von Gori. Vom Besuch war ich eher mäßig begeistert, das Museum hat mir gar nicht zugesagt, da es nicht wirklich kritisch war und die Geschichte ziemlich einseitig beleuchtet wurde. Die Burg hingegen war ganz schön.

Dann hatte ich noch Besuch, eigentlich wollten wir in ein berühmtes Marionetten-Theater gehen, man muss den Spaß aber Wochen im Voraus buchen, und das wussten wir nicht. So sind wir dann nach Kojori gefahren, in ein kleines Dorf ca. 10 km von Tiflis entfernt, wo eine alte Ruine steht. Ich war dort schon öfter, es ist einer meiner Lieblingsplätze geworden. Die Ruine war verschneit, das machte den Aufstieg etwas kompliziert (von wegen deutsche Sicherheitsstandards und so. Nix da.), aber die Aussicht lohnte sich umso mehr.

Am nächsten Tag ging es in eine Trampolinhalle. Die war zwar eigentlich für Kinder, aber egal… Lange hatte ich nicht mehr so viel Spaß!

Tja, sonst ist im Moment nicht viel los. Alltag eben, wenn auch auf Georgisch.  Das Leben unterscheidet sich zwar in mancher Hinsicht von dem in Deutschland, aber es ist nicht so krass, wie man denkt. Dafür lernt man halt, mit allen Situationen klarzukommen. Z.B. immer Wasser vorrätig zu haben, denn es kann ja immer mal ein Wasserausfall kommen. Oder der Boiler kaputtgehen. Und am nächsten Tag der Wasserhahn (wurde beides schnell repariert ?). Mittlerweile rege ich mich nicht auch nicht mich darüber auf, dass mir jemand mein Nutella klaut. Hat sowieso keinen Zweck, und angeblich mag ja auch keiner meiner Mitbewohner Süßes. Hmm, na klar doch. Mein Umzug ist aber schon geplant, und in der neuen WG muss ich mir diesbezüglich wohl eher keine Sorgen machen.

Nun ist schon der vierte Tag, an dem ich an diesem Text schreibe. Daher kommt er jetzt zum Ende. Schreibt mir doch gerne mal, ob ihr etwas Bestimmtes zu Georgien oder zu der Arbeit wissen wollt ? Allzu viele Reiseberichte kommen in nächster Zeit wahrscheinlich nicht, mangels Zeit (zum Reisen).

Bis dahin

 

Jule

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3 Antworten zu Es war einmal…

  1. Onkelchen sagt:

    Julchen, die Kunst liegt darin so zu schreiben, dass man ‚zwischen den Zeilen‘ lesen kann.
    Ich bin mir sicher, dass Du das hinbekommst 😉

  2. Sympathisant für Erwachsenenschokolade sagt:

    Mein liebes Julchen, es hat mal wieder Spass gemacht in Deinen Berichten zu stöbern. Bis auf kleine Ausnahmen hält hier der strahlend graue Himmel die Alltagsstimmung in Schach. Es ist schon spannend zu lesen, wie die Bürokratien in den einzelnen Ländern das Leben beeinflussen. Mal braucht man eine Steuernummer, um ein Paket abzuholen und woanders wird über Digitalisierung gesprochen (meist ohne zu wissen, worum es dabei geht). Nette Geschichte von letzter Woche: Hotelzimmer in Dresden bestellt, alles ganz schick/ voller Komfort, direkt neben der Frauenkirche. Einen Tiefgaragenplatz gab es auch gegen Vorbestellung nicht – nur einen Fahrservice, der das Auto irgendwo eingeschlossen hat und nach 20min Vorbestellung zurückgebracht hat. Ich war zum Thema Digitalisierung in DD… . Geniesse die analoge Freiheit!
    Dein Vater

  3. Peter sagt:

    Hallo Julia, herzlichen Glückwunsch zu Deinem wieder ganz tollen Bericht. Du hast wieder so viel erlebt, so dass man ein paarmal lesen muss (ich jedenfalls). Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ein ganzes Jahr nicht ausreicht, um das Land „kennen zu lernen“. Und Du hast ja in der Zeit, in der Du dort bist, schon sehr viel gesehen und erlebt. Deine Fotos sind wie immer ganz toll. Die Begegnung mit Bären oder Wölfen würde ich noch verschieben. Vielleicht gibt es eine Dokumentation „Die mit den Bären spricht“, oder so ähnlich . Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute, Stehvermögen in kritischen Fällen (Post) und ab und zu Zeit für neue Berichte. Tschüss, Peter.

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