Ein Lebenszeichen

 

Ich weiß, ich weiß, die letzten Wochen war es ruhig hier. Hier deshalb mal ein Lebenszeichen. Vermutlich ist es übertrieben zu sagen, dass ich einen Kulturschock erlitten habe, die letzten Wochen habe ich einfach durchgehangen. Zu nichts Lust, genervt, zu Hause wäre es jetzt viiiiiiel besser.

Ich gebe es zu: ich vermisse Deutschland. Irgendwie bin ich zwar die einzige von den Freiwilligen (den Eindruck hab ich jedenfalls), der es so geht, das macht es auch nicht besser. Dabei habe ich gar nicht direkt Heimweh. Ich vermisse es einfach, verstanden zu werden; die Leute auf der Straße nach dem Weg fragen zu können; oder einfach nur Bus zu fahren, ohne permanent angestarrt zu werden.   Ich vermisse es zu wissen, wo ich was kaufen kann. Gestern habe ich tatsächlich meine Mitbewohnerin gefragt, wo sie ihren Blumenkohl gekauft hat, weil ich hier noch keinen gesehen habe (dankenswerterweise hat sie mir dann welchen abgegeben.) Die anderen großen Dinge, die ich vermisse, sind Sport und meine besten Freunde.

Jammern auf hohem Niveau, keine Frage. Mir wird dadurch natürlich auch bewusst, wie gut ich es habe. Ich frage mich, inwiefern es gerechtfertigt ist, dass ich mich über die kleinen Verrücktheiten hier aufrege, wenn es anderen Menschen so viel schlechter geht als mir.

Auch habe ich mich die letzten Wochen sehr über meine Mitbewohner aufgeregt. Danke an alle, die mir geduldig ein offenes Ohr geliehen haben. Ich weiß es zu schätzen! Jetzt sind wir in der Wohnung jedenfalls zu dritt und haben geklärt, dass Gemüsereste vielleicht nicht unbedingt ins Waschbecken gehören. Ich glaube aber, dass es jetzt wieder bergauf geht. Mit meiner Laune und mit der Ordnung in der Wohnung (ja, da besteht ein Zusammenhang. Glaubt mir, hätte ich auch nie gedacht).

Unterwegs

Genug rum gequengelt, natürlich habe ich ein paar schöne Erlebnisse gehabt. Einen Ausflug nach Davit Gareji, da müssen jetzt die Fotos für sich sprechen. Einerseits gibt es sicher von irgendwem einen Blogeintrag dazu, andererseits fand ich es jetzt auch nicht so extrem spannend wie die anderen.

Das Höhlenkloster

Ein Kloster irgendwo im nirgendwo, sehr idyllisch und interessant sicherlich, insgesamt hat es nicht ganz meinen Erwartungen entsprochen, was aber auch daran liegen könnte, dass ich erkältet war, viele Touristen anwesend und uns dicker Nebel die Aussicht versperrte. Ich freue mich aber schon auf den nächsten Ausflug dorthin, bei schönem Wetter und wenn wir die ganze Anlage entdecken können. Immerhin habe ich gesehen, dass ein guter Wanderer nicht auf gutes Schuhwerk angewiesen ist. Einige ältere georgische Frauen sind locker mit ihren Stöckelschuhen einen (steilen) Berg hochgeklettert, den ich schon mit Wanderschuhen als mittlere Anstrengung empfand. Ich staunte jedenfalls nicht schlecht.

Davit Gareji (Aussicht von unserem Picknickplatz)

Gestreifte Berge… nur in Georgien

Es gab einen weiteren Ausflug nach Mtzcheta, wieder schön, tatsächlich hat das Städtchen noch mehr Burgruinen und Kloster zu bieten, als ich kannte. Nächtliche Ausflüge mit den Flatmates, die kamen in letzter Zeit auch zu kurz. Witzig, wie klein die Stadt ist, man trifft immer irgendwen (oder wird erkannt, von Leuten, die man selbst nicht kennt).

Beberi-Ruine in Mtzcheta

Blick auf Mtzcheta

Insgesamt finde ich es schön, wie viel Freiheit ich hier habe. Ich habe einfach Zeit (gut, auch keine Hobbys im Moment, weil ich keine Lust aufs Fitnessstudio habe und noch keine Alternative gefunden habe), kann irgendwo hinfahren oder es sein lassen. Niemand schreibt mir irgendetwas vor. Ich kann essen, wann und was ich will. Viel zu oft Schokolade ?.

Die Schule ist in Ordnung, ich hab lange gebraucht, um zu merken, was mir fehlt, denn die Lehrer sind alle ziemlich nett. Ich bekomme aber kein Feedback. Ich wäre ja auch über Kritik dankbar, wenn sie konstruktiv ist. Aber jetzt hab ich das Problem erkannt und das ist ja nun wirklich keins, was sich nicht lösen lässt.

Der Deutschclub der Schule existiert jetzt wieder, und ist sogar sehr erfolgreich. So erfolgreich, dass ich drei Mal so viele Interessenten wie Plätze habe. Die Kinder waren echt traurig, als ich ihnen erzählt habe, dass die Plätze nächste Woche ausgelost werden. Finde ich auch nicht toll, ich freue mich auch absolut nicht drauf, ist aber letztendlich die beste Lösung.

Die nächsten Projekte in der Schule müssen jetzt aber auch geplant werden, deshalb ist jetzt Schluss. Ich vermisse euch alle, aber freue mich sehr, dass so viele regelmäßig nachschauen, ob es einen neuen Eintrag gibt ? (ja Papa, ich kann das sehen). Der nächste Beitrag wird dann auch wieder etwas strukturierter… Es gibt noch so viele kleine Geschichten zu erzählen. Bis dahin, ნახვამდის!

 

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2 Antworten zu Ein Lebenszeichen

  1. Peter sagt:

    Hallo Julia (Jule darf ich nicht schreiben, das ist nur dem inneren Zirkel erlaubt), wieder ist Dir ein toller Bericht gelungen. Ja, es ist nicht so einfach, in einem ganz anderem Kulturkreis zu leben, und dann noch allein. Aber das, was Du bisher erreicht hast, ist ganz toll. Dafür bewundere ich Dich. Etwas Kraft schöpfen kannst Du auch aus den vielen Erlebnissen in Deinem zeitweiligen Zuhause, hier kann man darauf schon ein wenig neidisch werden. In allen traurigen Situationen hilft immer Schokolade, das wussten schon die Indianer. Viel Freude an Deinen neuen Vorhaben. Alles Gute, bleib gesund, tschüss, Peter.

  2. 1 ELTERNTEIL sagt:

    Meine liebe Jule,
    Kopf hoch. Ich denke, es ist völlig normal zu dieser Jahreszeit mit den kleinen Stimmungskillern zu kämpfen. Die Tage sind auf einmal dem Sparzwang zum Opfer gefallen, das Tageslichtbudget wird in den nächsten Wochen weiter zusammengeschrumpft.
    Auch hier gibt’s ein paar Schnipsel: Beim Winterradwechsel stellt man mal wieder den Betrug fest: von wegen Leichtmetallräder – Schwermetall ist der bessere Ausdruck (nach der Kur ist vor der Kur…) . Dann die Abweichungen der Wetterprognosen: nach welcher Zeitzone werden die Vorhersagen berechnet? Langsam wird es wieder Bahnwetter, Du weißt schon – die Bahn.
    Ja und beim Einkaufen verirrt sich dann die ELTERNSCHOKOLADE +2 Gratis in den Einkaufswagen und taucht erst an der Kasse wieder auf. Glücklicherweise trifft man dann noch liebe Inselbekannte und bleibt versehentlich in der Pizzeria hängen. Julchen, warum so viel Prosa aus PM? Weil alles beim Alten geblieben und völlig normal ist. Also weitermachen und Georgien geniessen, Du musst Dir den täglichen Info- Jum nicht antun – cool running hat mit Jamaika nichts zu tun, das sind nur Balkonstatisten. Sorry jetzt schreibe ich schon wieder in grau.
    Sei lieb gegrüßt von Deinem ständigen Geniesser der ELTERNSCHOKOLADE in PM.

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