Eine Wanderung

Am Sonntag klingelte mein Wecker schon um sechs Uhr. Beinahe hätte ich mich noch einmal umgedreht, dachte ich doch, das Handy spinnt. Denn es war noch stockdunkel. Seit ich in Georgien bin, war ich noch nie vor acht Uhr wach. Ich habe mich dann doch durchgerungen, denn unser langersehnter Ausflug nach Stepandsminda stand an!

Also um sieben Uhr die Wohnung verlassen; die Straßen so leer, wie ich sie noch nie gesehen habe. Nachts eingeschlossen. In Didube, dem zentralen Bus/Marshrutka-Bahnhof angekommen, hieß es erst einmal warten. Selbst schuld, waren wir doch 15 Minuten zu früh.

Eine halbe Stunde später machten wir uns in einer erstaunlich bequemen Marshrutka (georgischer Minibus) auf den Weg. Allein für die Fahrt hat sich das frühe Aufstehen schon gelohnt: Ich wusste ja schon, dass die Landschaft wunderschön ist, aber es hat mir trotzdem den Atem geraubt. Berge, zunächst noch in allen Rot- und Brauntönen mit vereinzelten grünen Bäumen, dann schneebedeckte Gipfel. Da stieg nicht nur bei mir die Vorfreude auf den Skiurlaub, zumal uns unser Weg durch ein berühmtes Skigebiet führte.

Eine kleine Anekdote dazu: In Gudauri, jenem Skiort, hielt unser Gefährt, um einem Fahrgast aussteigen zu lassen. Da wir uns im Kaukasus befinden, wies die Straße natürlich eine Steigung auf. Als der Fahrer weiterwollte, hatte es sich unsere Marshrutka wohl anders überlegt: sie stotterte, wollte es sich auch nicht anders überlegen. Nun gut. Dann lösten sich aber auch die Bremsen. Mehrmals. Es war nicht das einzige Mal an diesem Tag, dass ich leichte Zweifel daran hegte, den nächsten auch noch zu erleben…

In Stepandsminda angekommen, suchten wir uns den Weg durch das Dorf, denn unser Ziel war Gergetis Sameba, eine Kirche in 2170 Meter Höhe. Der Ort selbst liegt auf 1700 Metern. Der Weg war nicht ganz das, was ich erwartet hatte, ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich zwischendurch keine Lust mehr hatte und am liebsten umgedreht wäre. Ein paar Stichwörter: Steil, unbefestigt, Felsen, meine Kondition ist wohl auch in Deutschland geblieben… Aber es hat sich gelohnt! Einerseits war ich sehr stolz, als ich oben angekommen war, andererseits hatten wir auch sehr viel Spaß, als sich unsere Wandertruppe in zwei Teile gespalten hatte. Auch wenn wir Nachzügler alle zehn Meter eine Pause einlegten, haben wir uns mit Geschichten und Liedern die gute Laune erhalten.

Dann die Aussicht! Die Bilder sprechen für sich:

Die kleine Kirche ist unser Ziel

Unser Weg. Pfad. Wie man es auch nennen mag.

Gergetis Sameba im Hintergrund

Blick auf den Kasbeg

Der Berg im Hintergrund ist der Kasbeg. Der griechischen Mythologie zufolge wurde Prometheus an diesen Berg gekettet, weil er den Göttern das Feuer stahl. Nach dem Mythos riss ihm ein Adler täglich die immer nachwachsende Leber aus dem Leib.

Der Abstieg war bequemer, gefühlt waren es nur zehn Minuten. Zurück in Stepandsminda wurden wir von unserem Fahrer erwartet, und es ging zurück nach Tbilisi. Die Rücktour habe ich mehr oder weniger verschlafen, da die Wanderung genauso anstrengend wie wunderschön für mich war. In der Hauptstadt stärkten wir uns noch mit den georgischen Nationalspeisen Khinkali und Chatschapuri (eine Art Maultaschen und Käsebrot).

Nach Stepandsminda fahre ich auf jeden Fall noch einmal, da der Ort und die Region noch sehr viel mehr zu bieten hat. Ich schätze mich glücklich, dass ich noch so viel Zeit habe, um dieses wunderschöne Land zu erkunden!

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2 Antworten zu Eine Wanderung

  1. дед из карлсхорста sagt:

    Ich verfolge mit Interesse deine Veröffentlichungen, finde sie interessant und in einem netten Stil geschrieben. Geniesse die Zeit in Georgien, lass die vielen neuen Eindrücke auf dich wirken. Es ist doch ein schöner Beginn des neuen Lebensabschnittes. Was machen die georgischen Sprachkenntnisse?

  2. Peter sagt:

    Hallo Julia, danke für den ganz tollen Bericht über Euren Ausflug. Ich staune, dass Du die Kraft für den Aufstieg hattest. Die Bilder sind fantastisch, man kann kaum davon loskommen. Alles Gute weiterhin, tschüss, Peter

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