Alter in Antofagasta

Alter in Antofagasta

Das Spannendste an Antofagasta ist der Flughafen. Die zweitgrößte Stadt Chiles war eigentlich nur Zwischenstation für mich auf dem Weg in das Atacama-Dorf San Pedro, die bessere Alternative zu dem Kaff Calama, aber zwei Attraktionen hatte sie dann doch zu bieten: zum ersten Mal war ich an der Pazifikküste (die aber vom Humblodt-Strom weit unter Badetemperatur abgekühlt wird). Und natürlich ihre reiche Geschichte im Salpeterkrieg.

Weiterlesen

Strategische Tipps für Catan-Spieler

Die Stadt und Region um Antofagasta gehörte ursprünglich zu Bolivien, die Region weiter nördlich um Arica ursprünglich zu Perú. Das war für Chile auch lange Zeit kein Problem, bis man dann reiche Kupfer- und Salpetervorkommen im trockenen Wüstenboden entdeckte. Die wollten die Chilenen natürlich liebend gerne haben, weswegen sie einen Krieg gegen ihre beiden Nachbarstaaten begannen. Am Ende gewann Chile, und Bolivien sieht sich seither mit der Tatsache konfrontiert, neben Paraguay der einzige Binnenstaat Lateinamerikas ohne Zugang zum Meer zu sein. Das ist für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ziemlich blöd, weswegen die bolivianische Regierung unter Evo Morales den Hafen von Antofagasta bis heute offiziell für sich reklamiert, ohne Aussicht, dies jemals durchsetzen zu können. Aber um die Situation zu vergleichen: ich habe mal mit einer alten Grundschulfreundin eine Runde Catan gespielt. Bei diesem Spiel geht es ja auch um nichts anderes, als aus dem Nichts (also aus ein paar Pappkärtchen) ein wirtschaftlich erfolgreiches Land aufzubauen, und zwar möglichst schneller als der Gegenspieler. Der Trick dazu ist ebenfalls ein geographisch-wirtschaftspolitisches Schlagwort: Diversifizierung, also möglichst viele verschiedene Rohstoffe in möglichst großer Menge zu produzieren. Die Würfel fielen jedoch ungünstig, und meine Mitspielerin sah sich anfangs fast ausschließlich von Getreidefeldern umgeben. Ich dagegen hatte fast alles, was das Herz begehrt, und damit die klare Pole Position für den Sieg. Einzig allein eben dieses Getreide fehlte mir zu meinem Glück, um ein schönes Häuschen bauen zu können. Davon hatte meine Gegnerin aber im Überfluss, und sie bot mir großzügig an, gegen ein Stück Holz zu tauschen. Aber nicht ohne Hintergrundgedanken: mithilfe dieses Holzes würde es ihr möglich werden, ebenfalls Siedlung zu errichten, und zwar an einem strategisch wichtigen Punkt: an einem 2:1-Getreidetauschhafen, der es ihr erlauben würde, ihren Getreideüberschuss nach Belieben in verwertbare Rohstoffe umzutauschen. Jede Runde bot sie mir den Tausch an, und jede Runde widerstand ich erneut der Versuchung. Das Spiel war blockiert, aber ich hatte immer noch die besseren Karten. Nach einigen Runden ohne Getreide für mich gab ich entnervt auf – und tauschte. Mit verheerenden Folgen. Das Risiko war mir zwar bewusst gewesen, aber in dessen Ausmaß hatte ich mich dann doch verschätzt: meine Gegnerin baute ihren Getreidehafen und gewann haushoch. Ich bereue meinen Tausch noch heute. Alles nur wegen einem Zugang zum „Meer“.

Da sieht man also, wie wichtig Häfen sind, und in der Tat war es der Handel und die Verschiffung der reichen Rohstoffvorkommen, die Antofagasta reich machen. Der alte Frachthafen mit seinem historischen Terminal zeugt noch heute von dieser Bedeutung.

Alter in Antofagasta

Das ganze geschah unter enormer wirtschaftlicher Beteiligung von Briten und britischen Einwanderern. Sie importierten Maschinen und schweres Gerät und bauten eine Eisenbahnstrecke in die Atacama hinein, die man heute noch in einem kleinen Museum besichtigen kann. Außerdem gestalteten sie das historische Stadtviertel und den alten, stillgelegten Bahnhof. Vor diesem befindet sich heute ein Parkplatz, und auf diesem ein Parkwärterhäuschen. Ich lief also unbekümmert auf den Parkplatz zu in den Bahnhof hinein, um meine Fotos zu machen, da hielt mich eine Parkplatzwärterin an. Was ich denn hier wolle. Ein paar Fotos machen, mehr nicht, sagte ich. Das gehe nicht. Da müsse sie erst mal den Chef fragen. Der Chef sagte dann aber, das sei kein Problem, ich müsse mich nur in Begleitung seiner Mitarbeiter begeben. Das kam mir sehr seltsam vor, denn schließlich sah ich von außen einen Haufen Leute frei im Bahnhofsgebäude herumlaufen und Fotos machen. Warum brauche dann ausgerechnet ich eine persönliche Betreuung? Ich beschloss, nicht lange zu diskutieren, bevor man es sich anders überlegen würde, und schleppte also die arme Frau zehn Minuten durch den Bahnhof. Beim Hinausgehen fragte sie mich dann auf einmal, ob ich denn alleine hier sei. Ja, antwortete ich wahrheitsgemäß. Wirklich? Wo seien denn meine Eltern? Wieso Eltern?, fragte ich. Ich bin volljährig, alt genug, um alleine herumzulaufen. Ja, wie alt bist du denn? 19, sagte ich. Oh. Und sie dachte, ich wäre erst 16.
Das geschah mir nun allerdings nicht zum ersten Mal. Ich werde von den meisten Menschen hier im Alter drastisch unterschätzt, um bis zu drei Jahre. Ich kann mir aber nicht erklären, woran das liegen soll. Die gute Frau hatte aber aufgrund ihrer Fehleinschätzung wohl Angst, ich wäre kein friedlicher Tourist, sondern ein vagabundierender Jugendlicher, der, einmal außer Augen gelassen, den gesamten Bahnhof kurz und klein schlagen würde. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie sie zu dieser Fehleinschätzung gekommen sein mag. Vielleicht gehört das ja zu den Erfahrungen, die man im Ausland machen muss.

2 Kommentare

  1. Norbert · 10. April 2016

    Nicht nur Dir beim Catan spielen wurde die Lehre erteilt, wie wichtig Hafenzugänge sind. Auch Deutschland musste diese bittere Erfahrung nach dem 2. Weltkrieg machen. Das Beispiel Swinemünde….. heute Świnoujście…..

    Am 5. Mai 1945 wurde Swinemünde von der sowjetischen Armee besetzt. Nach den Festlegungen der Potsdamer Konferenz vom August 1945 sollte die deutsche Ostgrenze auf der Linie von Oder und Neiße verlaufen. Im Punkt IX. b wurde festgelegt, dass die Gebiete ab unweit westlich von Swinemünde dem polnischen Verwaltungsgebiet zuzuschlagen sind. Die eigenmächtige Änderung Stalins und die Duldung der anderen Mächte betraf nicht Swinemünde, sondern nur Stettin. Am 6. Oktober des gleichen Jahres übergaben die sowjetischen Behörden die Stadt an Polen, eine polnische Verwaltung wurde eingesetzt und bald darauf die Stadt in Świnoujście umbenannt.

    Zu dieser Zeit lebten in Swinemünde und auf Wollin noch etwa 30.000 Deutsche. Es begann die Zuwanderung von Polen und Ukrainern aus Gebieten östlich der Curzon-Linie, die an ihren Heimatorten von der jeweils zuständigen Sowjetkommandantur im Allgemeinen vor die Wahl gestellt worden waren, entweder eine neue Staatsangehörigkeit anzunehmen oder auswandern zu müssen. Die Deutschen in Swinemünde wurden ab 1945 von der polnischen Verwaltung vertrieben. Im Winter 1945/46 kam es zu zahlreichen Übergriffen und Vergewaltigungen sowie Ermordung deutscher Einwohner durch polnische Sicherheitskräfte.

    War das gerecht??????

Zur Werkzeugleiste springen