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Tage in Tbilissi – Reise ins Nachbarland

Hallo zusammen! 😊

Macht euch auf einen kleine Serie aus Blogeinträgen gefasst, die die nächsten Tage kommen wird. Es steht nämlich das erste von zwei digitalen Zwischenseminaren an und dafür sind wir Armenien-Freiwillige rüber nach Tbilissi (oder auch Tiflis) gefahren. Und da will ich euch natürlich dabei mitnehmen, was wir dort so alles erlebt haben.

Angefangen hat alles am Freitag, wo es für mich Rucksack packen und auf nach Yerewan hieß, damit wir am nächsten Tag pünktlich um sieben Uhr am Shuttlepunkt sein konnten. Im Morgengrauen ging es dann also erst durch das noch schlafende Yerewan und dann am Sevansee vorbei nach Norden.

Auf unserer Fahrt waren wir dabei laut Google Maps sogar kurz im offiziellen Staatsgebiet von Aserbeidschan. Das hat man aber nicht gemerkt, da so nun mal der Verlauf der Straße war und die eigentliche Grenze, die geschlossen ist, einige Kilometer weiter nördlich liegt. Trotzdem war es ein komisches Gefühl, dem Nachbarland so nah und doch so fern zu sein. Weiter mit dem Ungewohnten ging es dann an der armenisch-georgischen Grenze: Diese war zweigeteilt. Wir mussten erst im armenischen Teil ausreisen und dann im georgischen Teil nach Georgien einreisen. Zwei neue Stempel im Reisepass und einige Wartezeit später waren wir dann drüben.

Wir kamen um 12:30 Uhr am Endpunkt unserer Shuttelreise und dem Startpunkt unserer Woche in Tbilissi an. Auf den ersten Blick war der Unterschied zu Yerewan nicht allzu groß (auf den zweiten schon, aber dazu später mehr 🤫). Nachdem wir uns mit einem Shaurma  gestärkt hatten, haben wir uns SIM-Karten besorgt. Was mir früher Sorgen bereitet hätte, fällt mir mittlerweile super leicht. Wir wissen, worauf wir achten sollten, und haben auch im SIM-Karte-Wechseln Erfahrung. Es hat sich bei mir eine neue Art der Gelassenheit eingestellt, was alles Ungewohnte betrifft. Ich denke, dass das vor allem daran liegt, dass ich hier schon durch so viele neue und teilweise auch schwierige Situationen musste. Dadurch habe ich immer wieder die (schöne und wertvolle) Erfahrung gemacht, dass es immer eine Lösung gibt. Das gibt mir ganz neues Selbstvertrauen und ich wachse daran.

Auch für die Metro wollten wir uns über die beste Option für die sieben Tage informieren, aber sind an der Sprachbarriere gescheitert. Während die wenigen Armenisch-Kenntnisse von Samuel, Mia und mir gänzlich nutzlos waren, kamen auch Nila und Lilly mit Russisch nicht sehr weit. Abgesehen von der Frau hinterm Schalter sprechen die Menschen hier in Tbilissi ansonsten aber häufiger und besser Englisch als wir es aus Armenien gewohnt sind. Naja, wir haben es dann trotzdem geschafft und uns Metro-Karten für eine Woche besorgt. Für sieben Tage mit zwanzig Fahrten pro Tag zahlen wir 20 Lira, also knapp sieben Euro, pro Person und es gilt nicht nur für die Metro (U-Bahn), sondern auch für die Busse.

Also ging es mit der Metro zu unserem Apartment und wir wurden positiv überrascht: Im 11. Stock eines relativ neuen Hochhauses fanden wir ein Appartment vor, was tatsächlich den Bildern von Airbnb entsprach und mit drei Schlafzimmern, einem großen Wohnzimmer und einer eben so großen Küche genug Platz für uns fünf bietet. Besonders für das Zwischenseminar ist es uns wichtig gewesen, genug Platz und Rückzugsmöglichkeiten zu haben, da wir von Dienstag bis Freitag von 12-19 Uhr armenisch/georgischer Zeit für das Seminar vor unseren Laptops sitzen werden. Doch erstmal ging es raus, Tbilissi erkunden.

Unser Ausblick.

Unser Wohnzimmer.

Wir. 😁

Abends haben wir uns dann nämlich mit den anderen kulturweit-Freiwilligen getroffen, die zurzeit hier in Tbilissi sind. Mit zehn Personen waren wir eine ganz schön große Gruppe und konnten richtig gut Georgisch essen. Das bedeutet, dass einmal das Menü rauf und runter bestellt wird und man sich dann das Essen mit allen zusammen teilt. Einiges von dem Essen kannten wir schon aus Armenien (wo das Essen dann natürlich „typisch armenisch“ ist), aber ein paar Dinge waren doch neu. Die Leiterin des YIC aus Gyumri hatte mir schon im Vorfeld erklärt, dass Georgier, Armenier und teilweise auch Türken sich beim Thema „Essen“ häufig darum streiten, wo es ursprünglich herstammt.

Uns war das ganz egal, denn geschmeckt hat es so oder so. Auch das Restaurant war wirklich gemütlich und die Stimmung am Tisch hätte nicht besser sein können. Es gab viel zu erzählen und Wein zu trinken. Wir haben unsere bisherigen Erfahrungen ausgetauscht und konnten feststellen, dass die Einsatzstellen und nicht das Land den größten Unterschied ausmachen. Im Wesentlichen haben wir jedoch alle ganz ähnliche Dinge erlebt und konnten viele unserer eigenen Erlebnisse in den Erfahrungen der Anderen wiedererkennen.

Zum Thema „Essen“ (natürlich mit Fokus auf „armenischem“ Essen) kommt irgendwann auch noch ein Beitrag. Nur leider vergesse ich einerseits oft, Fotos zu machen, und kann mir andererseits die Namen nur schlecht merken. Außerdem essen wir häufig auch nicht landestypisch, sondern es gibt Allerwelts-Essen wie Pizza oder Burger mit Pommes. 😂

Trotzdem werde ich mich bemühen, genug Material für so einen Beitrag zu sammeln, versprochen!

Aber jetzt erstmal zurück zu Samstagabend: Nach dem Essen war nämlich noch nicht Feierabend, sondern wir sind weiter in eine Bar gezogen. Das war sehr konträr zu dem, was wir aus Armenien gewohnt waren, da der Club sehr liberal und LGBTQ-freundlich war. Ich will nicht sagen, dass es in Armenien nicht auch solche Orte gibt, aber ich habe sie so dort noch nicht gesehen. Generell ist Georgien oder zumindest Tbilissi sehr viel diverser als Armenien. Ich gehe hier vollkommen in der Masse unter und falle nicht als „Europäerin“ auf. In Gyumri kann ich davon nur träumen und auch in Yerewan ist es im Vergleich schwieriger. Generell sind uns Armenien-Freiwilligen massive Unterschiede zwischen Tbilissi und Yerewan aufgefallen, auf die ich aber erst im nächsten Beitrag ausführlich eingehen möchte.

In der Bar haben wir dann Cocktails getrunken und getanzt. Außerdem haben wir die Mitbewohnerin von Sophie (einer Georgien-Freiwilligen, liebe Grüße 😊) kennengelernt, die gerade mit Erasmus hier ist. Sie hat uns erzählt, dass es hier super viele Erasmus-Studenten gibt und dass allein an ihrer Uni knapp dreißig sind. Ganz so viele kulturweit-Georgien-Freiwillige gibt es nicht, aber mit sieben in Tbilissi und drei weiteren im Land sind sie doppelt so viele wie wir in Armenien.

Nach der Bar ging es weiter in einen Club und schließlich ins Bett. Der lange Tag machte sich bemerkbar und so schliefen wir am nächsten Tag richtig aus.

Damit war auch der erste Tag geschafft und bevor das hier wieder ein endlos langer Beitrag wird, schließe ich mit ein paar weiteren Eindrücken. Im zweiten Teil erzählen ich euch dann von den weiteren Tagen und der Free-Walking-Tour, die wir gemacht haben.

Bis bald! 🙂

Letztes Wochenende – Von Wandern, Live-Musik und Beten

Hallo zusammen! 😊

Es gibt so vieles, was ich hier schon gelernt habe und noch lernen werde. Dabei habe ich für mich festgestellt, wie schwer es eigentlich ist, zu wissen, was einem gut tut und was man gerade braucht. Auf sich selbst zu hören ist manchmal ziemlich schwer, vor allem wenn die Menschen um einen herum ganz andere Bedürfnisse haben. Deswegen verbuche ich letztes Wochenende als vollen Erfolg:

Letzten Freitag bin ich mittags nach einem Besuch im „Youth Initiative Centre Gyumri“ (YCI) ins Wochenende gestartet. Kurz noch nach Hause und dann ging es zum Shuttle nach Yerewan.  Doch selbstverständlich konnten mich meine armenischen Nachbarn von der anderen Straßenseite nicht einfach so gehen lassen: Als ich die Tür hinter mir ins Schloss habe fallen lasse, haben mir die Herren von gegenüber schon herzlich zugewunken und mich gegrüßt. Nachdem ich ihre Blicke kurz nach dem Einzug eher als misstrauisch interpretiert habe, ist davon nun nichts mehr zu spüren. Ich freue mich mittlerweile sie zu sehen und bekomme immer ein Lächeln und ein „barevzez“ („Hallo, Sie!“) zurück. Mit guter Laune ging es also ganz entspannt nach Yerewan. Auf der Fahrt konnte ich ab ungefähr der Hälfte der Strecke den Ararat bewundern. Das ist der heilige Berg der Armenier, der aber sehr zu ihrem Missfallen heute zur Türkei gehört. Inzwischen kann ich richtig nachvollziehen, warum das hier so ein großes Thema ist. Der Berg hat nämlich wirklich etwas Magisches an sich und ist schon von weit weg gut zu sehen.

Ich war schon etwas früher nach Yerewan gefahren, als die Yerewan-Mädels Zeit hatten, und so konnte ich noch ein bisschen bummeln. Erst ging´s mit der Metro für 100 Dram zum Republic Square und dann zu den Kaskaden. Hier waren wir schon bei der Free-Walking-Tour gewesen, doch waren wir nicht nach oben gegangen. Die anderen Freiwilligen hatten das später schon erledigt und so war es der ideale Zeitpunkt für mich, dieses Erlebnis nachzuholen. All die Stufen nach oben zu laufen (Wikipedia sagt, dass es 572 Stufen sind), war wirklich anstrengend und ich habe mir geschworen, wieder mehr Sport zu machen (wobei es sich als relativ schwierig gestaltet, eine gute Möglichkeit in Gyumri zu finden). Doch ich wurde belohnt: Die Aussicht über Yerewan war echt beeindruckend und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Sonnenuntergang hat dem Ausblick die perfekte goldene Farbe verliehen.

Zu den Kaskaden lässt sich noch sagen, dass sie als Verbindung des Siegesparks (Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im 2. Weltkrieg) und der Innenstadt dienen. Oben befindet sich außerdem ein Denkmal zum 40. Jahrestag der Sowjetunion. Insgesamt umfassen die Kaskaden fünf Hangterrassen und sind ohne das Denkmal 302 m hoch. Zu Sowjetzeiten errichtet wurden sie bei dessen Zerfall nie vollendet, da das Geld fehlte.

Trotzdem hat sich der Besuch wirklich gelohnt und ist definitiv empfehlenswert. Für alle die nicht gerne Treppen laufen: Im Inneren gibt es laut meinen Mitfreiwilligen auch eine Rolltreppe. 😁

Anschließend habe ich Lilly und Nila von ihrem Sprachkurs abgeholt und wir haben für Lilly eine Winterjacke geshoppt. Danach ging es zur „Ararat Taverne“, wo wir Mia, ihre Mutter und deren Lebensgefährten getroffen haben, die gerade aus Deutschland zu Besuch sind. Die „Ararat Taverne“ ist ein armenisches Restaurant mit Live-Musik, das bei Armerinnen und Armeniern besonders für Familientreffen und Geburtstagsfeiern beliebt ist. Wir hatten den Platz an der Sonne erwischt und saßen direkt bei den Musikern. Die traditionell-armenischen Instrumente in Aktion zu erleben und authentische armenische Volksmusik zu hören, waren definitiv eine Erfahrung. Das Essen war lecker und die Stimmung so ausgelassen, dass immer wieder Menschen anfingen, zu tanzen. Das Highlight war dabei, als ein Kellner sich eine Platte voller Essen schnappte und samt Platte um den Tisch tanzte.

Anschließend ging es noch in die Lieblings-Bar der Yerewan-Mädels, die „Shame-Bar“. Auch hier gab es wieder Live-Musik: Zuerst spielte ein Musiker Gitarre und anschließend setzte sich noch ein älterer Herr ans Klavier. Beim UNO-Spielen genossen wir die Musik und Cocktails und ließen den Tag entspannt ausklingen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung ließ uns der Taxifahrer dann auch noch laut unsere Musik spielen und zu „Zeit, dass sich was dreht“ ging die Fahrt wie im Flug vorüber.

Am Samstag stand für mich Dilijan auf dem Programm. Die anderen Freiwilligen waren schon letztes Wochenende da gewesen, was für mich aber zu anstrengend geworden wäre. Ich habe eben schon angesprochen, dass ich hier schon einige Dinge lernen musste und das Haushalten mit den eigenen Kräften und Kapazitäten steht da ganz oben. Ich habe mich leider schon häufiger ausklinken müssen, weil es mir aktuell einfach nicht möglich ist, jedes Wochenende die Fahrt nach Yerewan auf mich zu nehmen. Es ist gerade einfach einer sehr anstrengende und aufregende, wenn auch schöne Zeit. Vieles ist immer noch neu und muss sich erst noch einpendeln. Da ist es umso wichtiger, auf mich selbst zu hören und das zu machen, was mir gerade gut tut. Auch wenn das bedeutet, mehr alleine zu machen und nicht bei Aktivitäten der Anderen dabei zu sein.

Außerdem kam dieses Wochenende dazu, dass Mia Besuch hatte, Samuel krank war und Lilly und Nila von der Arbeit aus zu tun hatten. Wer hier jetzt meine Mitbewohnerin Dana vermisst, dem muss ich leider mitteilen, dass sie bereits Anfang Dezember nach einem Monat hier in Armenien zurück nach Deutschland geflogen ist. Auslöser hierfür waren gesundheitliche Gründe. Das bedeutet, dass ich jetzt alleine hier in Gyumri bin und auch alleine wohne. Wie das so ist und was das für mich bedeutet, werde ich in einem späteren Eintrag noch ausführlicher beantworten.

Aber zurück zu meinem Ausflug: Ich hatte nach der Ruhe des letzten Wochenende die Energie, einen größeren Ausflug zu machen, und da Dilijan (oder auch Dilischan) im Herbst besonders schön sein soll, habe ich mich für dieses Ausflugsziel entschieden. Außerdem wohnt eine armenische Freundin von mir dort. Also ging es morgens mit dem Shuttle Richtung Norden. Vorbei am Sevansee habe ich endlich mal wieder Wald gesehen. Und der strahlte vor lauter bunter Herbstfarben nur so. In Dilijan angekommen wollte ich erstmal etwas wandern und wie es eben in Armenien so ist, war es ein Abenteuer. Die größte Herausforderung wartete gleich am Anfang: Den Startpunkt zu finden. Als ich der Meinung war, ungefähr dort zu sein, ging es an die nächste Challenge: Den Weg finden. Der „Wanderweg“ war nämlich viel mehr ein Pfad, nachdem ich auch zwischendurch immer wieder suchen musste.

Das waren übrigens die Markierungen, die leider nur in sehr unregelmäßigen Abständen aufgetaucht sind. 🙂

Alles in allem war es aber wirklich herrlich, mal wieder im Wald und ohne irgendwelche anderen Menschen zu sein. Die Stille und Natur haben meine Batterien wieder aufgeladen und entspannt (und von der vielen Steigung ein wenig außer Atmen) habe ich mich dann zurück in der Stadt in ein kleines Café gesetzt. Aufgewärmt und gestärkt ging es dann noch Dilijan erkunden und in ein Museum, bevor ich mich mit meiner Freundin getroffen habe.

Meine Freundin lud mich ein, mit ihr zu einem Treffen ihrer evangelischen Kirche zu kommen. Da ich neugierig war und Zeit hatte, kam ich mit. Dort wurde ich gleich ganz in typisch armenischer Manier mit Essen überhäuft und herzlich willkommen geheißen. Es waren tatsächlich auch zwei andere Deutsche da und eine bunte Zusammenkunft unterschiedlichster Menschen. Gemeinsam wurde gesungen und auf Russisch und Armenisch gebetet, wobei meine Freundin für mich auf Englisch übersetzte. Anschließend wurde in kleinen Gruppen für Personen gebetet, die es wollten. Hierbei bat mich einer der Deutschen zum Übersetzen hinzu. So bildeten wir eine Übersetzerkette, bei der ich seine Worte von Deutsch auf Englisch und meine Freundin für die Frau von Englisch auf Armenisch übersetzte. Insgesamt eine sehr ungewohnte, aber auch schöne Erfahrung, die mir wieder in Gedächtnis gerufen hat, wie sehr Glaube die Menschen verbinden und zusammenbringen kann.

Anschließend war es auch schon wieder Zeit für den Heimweg und so ging es erst mit dem Shuttle nach Yerewan, dann mit dem Bus zum anderen Shuttlepunkt und mit dem zweiten Shuttle nach Gyumri (es gibt leider keine Direktverbindung nach Gyumri). Dort lernte ich einen Mann aus Ghana kennen, der gerade in Gyumri Medizin studiert und anschließend Kinderarzt werden möchte. Wir unterhielten uns die Fahrt über miteinander und dem Taxifahrer, bis wir schließlich mitten in der Nacht Gyumri erreichten.

Am Sonntag hieß es schließlich ausschlafen, bis Mia und ihr Besuch in Gyumri ankamen. Als mittlerweile quasi „Einheimische“ zeigte ich ihnen die Stadt und wurde von ihnen im Gegenzug auf einen Kakao und einen Monchik im „Ponchik Monchik“ eingeladen.

Was mir danach noch passiert ist und was das mit meinen Kochkünsten zu tun hat, spare ich mir für meinen nächsten Eintrag zum „Alleine-Leben“ auf. Also seid gespannt! 😂

Bis bald! 😊

Aufregende erste zwei Tage – Von Türen, Stromausfällen und Keksen

Hallo zusammen! 🙂

Seid ihr schon mal mit richtig viel Gepäck unterwegs gewesen? Mit so viel Gepäck, dass es eigentlich zu schwer für euch war? Falls nicht, dann lasst euch von mir sagen, dass das überhaupt keinen Spaß macht und ihr nach wenigen Metern jeden einzelnen Muskel eures Körper spüren werdet. Ihr werdet euch nichts sehnlicher wünschen, als endlich anzukommen.

So ging es auch Dana und mir, als wir den (ebenfalls wieder sehr hübschen) Bahnhof von Gyumri erreichten. Wir hätten uns zwar ein Taxi rufen können, doch nach dem langen Sitzen erschien es mir als die bessere Idee, die relativ „kurzen“ 15 Minuten zu unserer Wohnung zu laufen. Ich mag Spaziergänge sehr und hatte unsere Kraftreserven, die Qualität der Gehsteige ebenso wie die Qualität der Rollen meiner Koffer deutlich überschätzt. Und so kamen wir nach 25 Minuten anstatt nach 15 Minuten völlig verschwitzt und ausgepowert bei unsere kleinen, aber sehr zentral gelegenen Wohnung an. Dort wurden wir nicht vom Vermieter selbst, sondern von dessen Eltern empfangen. Da die beiden kein Deutsch oder Englisch sprachen und weder Dana noch ich Armenisch konnten (noch nicht!), erfolgte die Roomtour mit jeder Menge wilder Zeichen und immer wieder Gelächter, wenn etwas nicht gleich verständlich war.

Unsere Wohnung.

Nachdem wir uns soweit eingerichtet hatten, rief mich der Vater noch einmal zu sich, um mir zu zeigen, dass er noch eine Schublade im Bad reparieren würde und der Strom aus war. Ich interpretierte das so, dass er den Strom eigenständig abgeschaltet hatte. Als wir (nachdem er bereits gegangen war) immer noch keinen Strom hatten, kontaktierte ich unseren Vermieter und fragte nach. Dieser klärte mich daraufhin auf: Ich hatte seinen Vater zu Unrecht verdächtigt und es handelte sich um einen regionalen Stromausfall, was immer mal wieder vorkäme und maximal zwei Stunden andauern würde. Tatsächlich war der Strom kurze Zeit später wieder da und beim nächsten Stromausfall hatte man sich direkt dran gewöhnt. Als wir abends mit den anderen Armenien-Freiwilligen Erfahrungen austauschten, wurde klar, dass es dieses Problem nicht nur in Gyumri gibt: Auch die drei Mädels aus Yerewan hatten schon einen Stromausfall hinter sich, auf den während unseres Telefonats prompt der zweite folgte. Lediglich Samuel in Sardarapat war verschont geblieben.

Aber zurück zu unserem Vermieter: Eigentlich ist unsere Wohnung eine Ferienwohnung auf Airbnb, die wir aber netterweise zu einem humanen Preis für sechs Monate mieten dürfen. Unser Vermieter war hierbei von Beginn an sehr hilfsbereit und zuvorkommenden. Auch dann noch, als ich ihn an unserem ersten Tag zum gefühlt fünften Mal schrieb und um Hilfe bat. Dieses Mal gab es ein Problem mit der Haustür. Wie sich herausstellte war es meine eigene Unwissenheit und nicht die Schuld der Tür, aber von vorne: Als ich versucht habe, die Tür abzuschließen, ist mir das grundsätzlich zwar gelungen, aber ich konnte den Schlüssel nicht mehr aus dem Schloss ziehen. Wenn die Tür offen war, ging es problemlos, aber sobald abgeschlossen war, wollte der Schlüssel auch mit aller Gewalt nicht aus dem Schloss. Kaum hatte ich die Nachricht an unseren Vermieter abgeschickt, bekam ich ein YouTube-Tutorial zum Abschließen von dieser Art von Tür zurück. Zu meinem maßlosen Entsetzen war das Video so hilfreich, dass der Vater nicht nochmal zur Demonstration kommen musste und es klappte. Zur Feier meines Erfolgs schickte mir der Vermieter noch eine lange Liste mit hilfreichen Tipps für Gyumri, die mich in meiner Zeit hier bestimmt noch öfters begleiten werden.

Komplett erschöpft fiel ich nach knapp 28 Stunden auf den Beinen abends ins Bett, nur um am nächsten Morgen schon wieder um 7:30 Uhr aufstehen zu müssen. Ich hatte mit meiner Ansprechpartnerin Hasmik vereinbart, dass ich zum Schnuppern schon einen Tag an der Schule vorbeischauen würde. Sie holte mich mit dem Taxi ab und auf der 20-minütigen Fahrt zur Schule, die ein bisschen außerhalb liegt, bestätigte sich mein erster Eindruck von Gyumri: Die Stadt ist deutlich grüner als Yerewan und kleiner. Es gibt viele schöne Gebäude, aber auch einige Ruinen. Der Verkehr ist stellenweise das pure Chaos, aber man gewöhnt sich schnell daran (wenn ich wieder nach Deutschland komme, werde ich nicht mehr vernünftig Autofahren können). Es waren so viele Eindrücke, dass ich wohl noch etwas brauchen werde, um mich zurechtfinden zu können. Die Schule selbst ist von innen sehr bunt und es gibt viele Pflanzen. Von vielen Lehrkräften und auch einigen Kindern wurde ich mit einem Lächeln oder einem freundlichen Zunicken begrüßt, sodass ich mich schnell wohlgefühlt habe. Das lag auch an der zweiten Deutschlehrerin, die auch Hasmik heißt, und mich sehr warmherzig in Empfang genommen hat. Vom Unterricht und meiner Arbeit werde ich an anderer Stelle erzählen, da ein Tag noch nicht sehr aussagekräftig ist und ich hier lieber noch Anderes berichten möchte. Zu erwähnen sind beispielsweise noch die Kekse und die Busfahrt zurück:

In den Pausen haben mir die beiden Deutschlehrerinnen nämlich jede Menge armenischer Kekse, Süßigkeiten und ein Stück Banane angeboten, was ich dankend angenommen habe. Besonders gut geschmeckt haben mir hierbei Kekse, die fast wie Prinzenrolle nur mit weicherem Keks und weißer Creme waren. Ich habe im Supermarkt bei uns um die Ecke schon nach ihnen Ausschau gehalten, konnte sie leider aber noch nicht entdecken. Ich werde die Suche dennoch weiter fortsetzen oder bei nächster Gelegenheit nachfragen!

Ein weiteres Tageshighlight war die Rückfahrt in einer Marschrutka, einer Art regionalem Linienbus, den ich ab Montag täglich zur Schule und zurück nehmen werde. Völlig überfüllt und mit waghalsigem Fahrstil ging es quer durch Gyumri, sodass ich schon nach wenigen Minuten keinerlei Orientierung mehr hatte. Trotz eines Schreckmoments, als ein Blitz in unmittelbarer Nähe einschlug, erreichte ich meine Haltestelle und stieg sogar richtig aus, was alles andere als selbstverständlich ist, da ich während der Fahrt ungefähr fünfmal dachte, dass wir schon da wäre. Kaum ausgestiegen, wollte ich zu einem Geldautomaten und lief erstmal in die falsche Richtung. Ich fürchte, bis ich mich in Gyumri zurecht finde, wird es wohl noch eine Weile dauern. Am Geldautomaten fand dann die für mich schönste Begegnung des Tages statt: Ich stand nur wenige Minuten dort, schon kamen drei Jungs im Alter von 12-15 Jahren auf mich zu und der Älteste bat mir auf Deutsch Hilfe an. Während sie mir dabei halfen, den Automaten zu knacken, unterhielten wir uns wirklich nett über alles Mögliche. Für einen Lacher sorgte die Entschuldigung eines Jungen für das „schlechte Wetter“, das normalerweise deutlich wärmer und weniger regnerisch sei, woraufhin ich nur erwiderte, dass ich aus Norddeutschland käme und es sich fast wie Zuhause anfühle.

Das war auch einer der Momente an denen ich für mich festlegte, dass „armenische Gastfreundschaft“ als Beschreibung für die Armeniern im Umgang mit „Ausländern“ nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht ganz passend ist. Selbstverständlich bin ich zu Gast in diesem Land, doch ist die Hilfsbereitschaft von so vielen Menschen, die ich hier bisher getroffen habe, so viel universeller: Tags zuvor war eine Frau auf der Straße gestürzt und sofort waren ihr mindestens fünfzehn Personen zur Hilfe geeilt. Diese Hilfsbereitschaft hat mich in der kurzen Zeit, in der ich erst hier bin, schon oft überrascht und ich bin sehr dankbar für all die Hilfe, die ich bereits erhalten habe. Das geht für mich über bloße „Gastfreundschaft“ hinaus. Ohne diese Menschen wäre ich in diesem fremden Land mit fremder Sprache schon das ein oder andere Mal verzweifelt.

Dennoch beginne ich langsam, mich einzufinden und alleine zurechtzukommen. Ich habe es sogar eigenständig geschafft, uns Essen zu bestellen, ohne dafür unseren Vermieter fragen zu müssen! Es besteht also noch Hoffnung auf ein selbstständiges Leben hier. Ob und wie schnell das jedoch in Erfüllung geht, wird erst die Zeit zeigen und mit diesen weisen Worten beende ich den heutigen Eintrag. Sobald wieder etwas Spannendes oder Berichtenswertes passiert, wird es hier selbstverständlich weiter gehen. In diesem Sinne:

Bis bald! 😊

 

Prolog meines Auslandsjahres in Gyumri (Armenien)

Hallo zusammen! 😊

Woran denkt ihr, wenn ihr „Armenien“ hört? Vielleicht herrscht erstmal ziemliche Leere im Kopf. Zumindest war es bei mir so. Lediglich die armenische Flagge blitzte vor meinem inneren Auge auf, als ich das Platzangebot von kulturweit für Armenien erhielt. „Armenien“, dachte ich. „Nicht mehr Europa, aber auch nicht allzu weit weg.“ Was genau mich erwarten würde, wusste ich jedoch nicht. Dennoch habe ich nicht gezögert und wage jetzt den Sprung ins „Ungewisse“. Selbstverständlich habe ich mir den Wikipedia-Artikel über Armenien durchgelesen, einen Reiseführer gekauft und einzelne Erfahrungsberichte verschlungen, doch so richtig vorbereitet fühle ich mich auf mein Jahr hier nicht. Ein ganzes Land kann man schließlich nicht aus der Entfernung kennenlernen.

Wenigstens der Wetterbericht für Gyumri, die zweitgrößte Stadt Armeniens mit ca. 100000 Einwohnern und mein baldiges Zuhause, hat mir beim Packen gute Dienste geleistet. Bis zu dem Moment als ich realisiert habe, dass man Kleidung von -20 Grad Celsius bis +30 Grad Celsius unmöglich in einen Koffer + Handgepäck packen kann. Ich reise jetzt mit zwei Koffern und einem großen Rucksack, doch aussortieren musste ich dennoch ordentlich. Besser habe ich mich erst gefühlt, als ich erfahren habe, dass es nahezu allen Mitfreiwilligen genauso ging; unabhängig davon, in welche Weltregion es geht. Packen ist einfach eine Kunst für sich.

Genauso ist es Reisen: Die Bahnfahrt nach Berlin lief überraschenderweise problemlos und so waren wir überpünktlich drei Stunden vor Abflug am Flughafen. „Wir“ sind übrigens meine Mitbewohnerin Dana und die drei Freiwilligen in Yerewan Nila, Lilly und Mia. Der sechste Armenien-Freiwillige Samuel war schon den Tag zuvor geflogen. Nun standen wir also in Berlin am Flughafen und mussten feststellen, dass wir so pünktlich waren, dass wir noch eine geschlagene Stunde darauf warten mussten, dass der Check-In öffnete. Diese Stunde wurde u.A. dafür genutzt, um sich wiederholt Sorgen darüber zu machen, ob unser Gepäck die Gewichtsvorgaben einhalten oder ob es Probleme geben würde. Es gab keine Probleme; weder beim Check-In noch beim Sicherheitscheck. Ebenso problemlos verlief auch unser erster Flug von Berlin nach Warschau, der so schnell vorbei war, dass ich, die eigentlich nur kurz die Augen zu machen wollte, gefühlt nichts vom Flug mitbekommen habe. In Warschau angekommen rätselten wir, ob wir unser Gepäck abholen müssten oder ob es ohne unsere Mithilfe umgeladen werden würde. Nichts zu tun, stellte sich als richtig heraus. Wir hatten uns gerade etwas zum Abendessen geholt, als uns folgende Nachricht erreichte: Unser zweiter Flug von Warschau nach Yerewan hatte anderthalb Stunden Verspätung. Grundsätzlich nicht das Problem, aber Dana und ich mussten an dem Tag noch weiter nach Gyumri reisen und da der Zug nur dreimal am Tag fährt, wollten wir unbedingt den ersten um acht Uhr bekommen. Bei einer halben Stunde Fahrt vom Flughafen zum Bahnhof, Ticket lösen, Gepäckabholung und dem Kauf einer SIM-Karte klang Landung um sechs Uhr doch etwas sportlich. Spoiler: Wir haben es geschafft. Das wäre allerdings ohne zwei super liebe und hilfsbereite Armenier nicht möglich gewesen.

Zuerst half uns die Vermieterin von Lilly, Nila und Mia und besorgte uns ein Taxi. Sie war eigentlich nur gekommen, um die drei abzuholen, aber nahm sich sofort auch unserer an. Im Taxi ging es dann einmal quer durch Yerewan, das gerade malerisch in das Licht des Sonnenaufgangs getaucht wurde. Unter anderen Umständen hätte ich das bestimmt mehr genießen können, aber nach 21 Stunden auf den Beinen und Zeitdruck im Nacken waren Müdigkeit und Anstrengung einfach stärker. Kaum waren wir am Bahnhof abgesetzt worden (der im Vergleich zu den meisten deutschen Bahnhöfen, die ich kenne, übrigens sehr imposant und schön aussah), wollte ich uns über die Seite, die mir die Vermieterin empfohlen hatte, online Tickets buchen. Nach ungefähr fünf Minuten war ich komplett verzweifelt. Das hatte anscheinend ein in der Nähe wartender Taxifahrer gesehen und sprach uns auf Englisch an. Nachdem wir ihm unsere Situation erklärt hatten, nahm er uns jeweils einen Koffer ab und führt uns ins Bahnhofsgebäude zu einem Schalter. Dort erklärte er der dahinter sitzenden Frau, was wir brauchten. Anschließend gab er uns seine Handynummer mit, falls wir weitere Hilfe oder in Yerewan jemals einen Taxifahrer bräuchten. So bekamen wir doch noch unseren Zug und konnten auf der dreistündigen Fahrt etwas die Augen zu machen. Jedoch erst, nachdem wir uns ausgiebig mit einem armenischen Ehepaar aus den USA über Gyumri und Armenien unterhalten hatten. Besonders zwei Aspekte sind mir dabei im Gedächtnis geblieben, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Zum einen erzählte die Frau, dass sie in Gyumri aufgewachsen sei, ihre Heimatstadt heute aber nicht wiedererkennen würde. Grund hierfür sei das schwere Erdbeben, das Gyumri am 07.12.1988 erschüttert und in weiten Teilen beschädigt hat. Das Stadtbild wurde nachhaltig verändert und die Wiederaufbauarbeiten dauern bis heute (über dreißig Jahre später) immer noch an. Die Frau erklärte, dass von ihrer Schule und ihre Wohngegend damals nicht viel übrig geblieben sei. Lediglich das Stadtzentrum habe weitestgehend überlebt. Dennoch versprach sie uns, dass wir Gyumri lieben würden, da die Menschen mit ihrer ansteckenden Herzlichkeit die Gleichen geblieben seien.

Außerdem gab sie uns noch einen Tipp mit auf den Weg: Dass wir unbedingt Aprikosen essen müssten. Diese würden nirgendwo besser schmecken als hier und seien so etwas wie die Nationalfrucht. Es hätte schließlich einen bestimmten Grund, warum die unterste Farbe der armenischen Flagge kein gewöhnliches Orange, sondern ein strahlendes Apricot sei. Das habe ich zum Anlass genommen, um die Bedeutung der Farben der armenischen Flagge zu recherchieren. Hier meine Ergebnisse: Das Rot steht für das Blut, dass im Kampf um die armenische Unabhängigkeit geflossen ist und geopfert wurde. Das Blau symbolisiert den blauen Himmel Armeniens und das Orange bedeutet den Segen, der durch die harte Arbeit der armenischen Bevölkerung beschert wird. Je nachdem, wo man guckt, kann es auch nur für die harte Arbeit stehen. Ich habe zwar nichts über Apricot gefunden, aber finde es trotzdem eine schöne Anekdote, zumal Aprikosen neben Granatäpfeln tatsächlich die Nationalfrüchte Armeniens sind.

So, da dieser Eintrag schon sehr lang ist und ich generell häufig dazu tendiere, zu viel zu schreiben, schließe ich an dieser Stelle. Nächstes Mal soll es dann damit weitergehen, wie die Ankunft in Gyumri verlief und warum ich die Phrase „armenische Gastfreundschaft“ nicht ganz passend finde.

Bis bald! 😊

Die armenische Flagge.

Der Beginn meiner Reise: Der Berliner Flughafen.

Meine Mitreisenden: Mia, Lilly, Dana und Nila.