Archiv der Kategorie: Armenien

Weihnachtsmomente – Von „A“ wie „Adventskalender“ bis „W“ wie „Weihnachtsbazar“

Hallo zusammen! 😊

Heute geht es wie gewohnt weiter. Und das weihnachtlich! Letzten Sonntag war nämlich der erste Advent und passend dazu gibt es in diesem Beitrag jede Menge Weihnachtsvorfreude. Also macht euch bereit für „Alltagsmomente“ in der Sonderedition „Weihnachten“:

„A“ wie „Adventskalender“

Den Anfang macht ein ganz besonderes Paket, was mich aus Deutschland erreicht hat. Ich war gerade aus Georgien zurück, als meine Lieblingseltern mich mit der Nachricht überrascht haben, dass ich mal wieder bei meinem zuständigen Postamt vorbeischauen müsse. In Armenien ist es nämlich meistens so, dass die Post nicht zu einem nach Hause, sondern an die nächstgelegene Poststation gesendet wird. Um genau zu sein, habe ich in meiner bisherigen Zeit hier ganze zwei Briefkästen gesehen und besitze selbst auch keinen. Also ging es auf zum Postamt, wo mich die Mitarbeitenden mittlerweile kennen. Ich war bereits hier gewesen, um ein anderes Paket mit Wintersachen abzuholen. Im Postamt erfolgte dann die Ernüchterung: Auch wenn es eigentlich bereits vor gut einer Woche angekommen sein sollte, konnten die Mitarbeitenden kein Paket aus Deutschland an meine Adresse finden (ich bin mir ziemlich sicher, dass es in diesem Postamt das einzige deutsche Paket war, aber naja). Enttäuscht verließ ich zunächst die Poststation, nur um dann zwei Stunden später wieder auf der Matte zu stehen. Ich bestand nochmal energischer darauf, dass das Paket angekommen sein müsste. Wundersamerweise war es dann auch wirklich da und glücklich marschierte ich mit meinem Schatz nach Hause. Ich war super gespannt, was drin war, und im Beisein meiner Eltern über Face-Time öffnete ich meine Überraschung: Darin war ganz viel Weihnachtsdeko und ein selbstgemachter Adventskalender.

Ich habe mich so super doll darüber gefreut! Damit ist das Weihnachtsgefühl in meine Wohnung eingezogen und mit ihm ein Stück von Zuhause. Es ist das erste Jahr, in dem ich Weihnachten nicht Zuhause bin und nicht mit meiner Familie und meinen Freunden feiern kann. Das wird ein sehr seltsames Gefühl sein, aber ich bin schon mit meinen Eltern zum Telefonieren und gemeinsamem Geschenke-Auspacken verabredet (ich habe nämlich auch schon ein kleines Päckchen auf seinen Weg nach Deutschland geschickt 🥰).

„P“ wie „Plätzchen-Backen“

Um für den internationalen Weihnachtsbazar (siehe „W“ wie „Weihnachtsbazar“) Plätzchen zu backen, waren wir am Samstagnachmittag  von einer deutschen Familie zu sich nach Hause eingeladen worden. Die Mutter singt zusammen mit Nila und Lilly in einem Chor und dort ist auch die Idee entstanden. Also ging es mit dem Taxi los Richtung Plätzchenwerkstatt. Die Familie wohnt in einer Gated Community, dessen Tor wir allerdings ohne Probleme passieren konnten. Das Wohnviertel war eine eigene Welt, ganz im amerikanischen Stil. Mit dem „armenischen Leben“, wie ich es in Gyumri kennengelernt habe, hat das nicht mehr viel zu tun. Hier wohnen viele Familien aus den USA, bzw. aus aller Welt. In der Community gibt es einen eigenen Kindergarten sowie eine eigene Schule und die meisten Eltern haben höhere Positionen inne, kommen aus dem Ausland und verdienen gut. Die Familie, bei der wir zu Besuch waren, lebt seit Januar hier in Armenien und der Vater arbeitet beim der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit).

Wir wurden herzlich begrüßt und lernten sofort die beiden kleinen Töchter der Familie kennen. Kurz nach unserer Ankunft kamen ein paar Freunde von ihnen vorbei, um uns später dann tatkräftig beim Backen zu unterstützen. Es war sehr süß, mit den Kleinen die Plätzchen auszustechen und ihre Freude dabei zu teilen, auch wenn ich froh bin, dass ich nicht an einer Grundschule oder in einem Kindergarten arbeite. Auch die Dekoration und das Verpacken der Kekse in kleinen Tüten durfte zum Abschluss natürlich auch nicht fehlen. Insgesamt sind es knapp 40 Tütchen geworden und wir waren den ganzen Abend beschäftigt. Zum Abschluss haben wir noch mit etwas Sekt auf unser Geburtstagskind Lilly angestoßen und uns nett unterhalten.

Für mich war es ein super schöner Nachmittag und das Plätzchenbacken hat mich richtig in Weihnachtsstimmung gebracht. Ein Highlight war, als wir gemeinsam „In der Weihnachtsbäckerei“ gesungen haben. In Gyumri möchte ich auch unbedingt nochmal Plätzchen machen und dank meines ersten Adventskalendertürchens habe ich jetzt neben dem Keksrezept von Zuhause auch Plätzchenformen. Also ist alles startklar und ich brauche nur loszulegen!

„S“ wie „Schnee“

Es hat geschneit! Und wie: Die Tage zuvor war es bereits stürmisch gewesen und die Temperaturen ordentlich abgefallen. Der Blick in die dunklen Wolken, die über den schon schneebedeckten Gipfeln hingen, hat bereits verraten, dass es die nächsten Tage Schnee geben würde. Umso schöner war es dann, als eines Abends endlich weiße Flocken vom Himmel fielen. Und nicht mehr aufhörten. Es hat die ganze Nacht geschneit und so lang am nächsten Morgen ordentlich Schnee:

Gyumri hatte sich über Nacht in ein Winter Wonderland verwandelt und es war super schön, den Schnee unter meinen Schuhen knirschen zu hören. Dick eingemummelt ging es zur Arbeit und im Sonnenaufgang hat der Schnee nur so geglitzert. Leider sind die Temperaturen den Tag über so sehr angestiegen, dass es auf dem Nachhauseweg nur noch durch Schneematsch ging. Der dann am nächsten Morgen zu Eis gefroren war, sodass ich tags darauf wie ein Pinguin zur Schule gewatschelt bin. Aber naja, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Schnee kommt.

Die Temperaturen sind nämlich nach wie vor eisig und ich bin sowohl für meine Mütze als auch für meine Fußbodenheizung mehr als dankbar.

„W“ wie „Weihnachtsbazar“

Bei unserem Treffen mit den deutschen Botschaftsmitarbeitenden anlässlich des Volkstrauertages hatte uns die Frau des Konsuls gefragt, ob wir kulturweit-Freiweilligen nicht Lust hätten, beim IWAY Charity-Weihnachtsbazar am Stand der deutschen Botschaft mitzuhelfen. Selbstverständlich haben wir sofort „Ja“ gesagt. Und so ging es am ersten Adventssonntag mit dem Bus zum Marriott-Hotel in Yerewan, wo wir dann auch gleich eingebunden wurde. Es gab einen „steuerfreien“ Bereich, in dem insgesamt zwölf Botschaften ihre Stände nebeneinander aufgebaut hatten. Das an den Botschaftsständen erwirtschaftete Geld wurde den Veranstalterinnen der IWAY (International Women´s Association of Yerevan) gespendet. Am deutschen Stand wurden dabei 403,000 AMD eingenommen, was nach Abzug der Ausgaben eine Spende von ungefähr 500 Euro ergab. Überall hat es geduftet und es gab eine beeindruckende Vielfalt an Essen und anderen traditionellen Produkten wie beispielsweise ukrainisch-bestickte Hemden, griechische Tücher oder japanisches Origami.

Am deutschen Stand gab es selbstverständlich heißen Glühwein und Punsch sowie alles Mögliche an Deko und klassischen Weihnachtssüßigkeiten: Schokoweihnachtsmänner, Plätzchen (dazu später mehr), Lebkuchen, Christstollen, Spekulatius und so weiter. Der zweite Teil des Bazars war der „kommerzielle Teil“,  wo Geschäfte und Unternehmen einen Stand mieten und gegen eine Steuer ihre Waren anbieten konnten. Auch das war sehr faszinierend und es gab viel zu sehen.

Wir Armenien-Freiwillige haben im Schichtbetrieb gearbeitet, sodass ich in meiner freien Zeit zusammen mit Samuel umher geschlendert bin. Es gab viele Stände, die (armenischen) Schmuck angeboten haben und es gab viel von der bekannten „armenischen Handwerkskunst“ zu sehen. Auch einige Essensstände waren vertreten und zwischendurch gab es auf einer kleinen Bühne Auftritte von Musikgruppen. Für mich war aber fast die interessanteste Erfahrung, als ich Samuel bei einer seiner „Raucherpausen“ nach draußen begleitet habe:

Wir haben uns dabei nämlich unterhalten und plötzlich sprach uns eine Armenierin auf Deutsch an, ob wir aus Deutschland kämen. Sie habe drei Jahre in Österreich gelebt und wollte wissen, was wir hier in Armenien machen würden. Kurz darauf gesellte sich noch ein Mann zu uns, der ebenfalls für ein paar Monate in Österreich studiert habe. Es war wirklich witzig, wie viele Menschen auf diesem Bazar Deutsch sprechen konnten oder zumindest ein bisschen was verstanden haben. Gleich zu Beginn meiner ersten Schicht bin ich einem Armenier, der ukrainischer Honorarkonsul ??? ist, begegnet und wir haben uns auf einem wilden Mix aus Deutsch und Armenisch unterhalten. Sein Deutsch und mein Armenisch waren dabei auf einem ungefähr gleich schlechten Niveau, aber irgendwie hat es dann doch funktioniert.

Die Internationalität des Bazars hat ihn für mich so besonders gemacht und es war nett, die Botschaftsmitarbeitenden und auch die Botschafterin (zumindest kurz) wiederzusehen. Wirklich beeindruckend war auch die Vielfalt und die Unterschiede zu sehen, wie Weihnachten in anderen Ländern gefeiert wird und was in ihnen zu Weihnachten dazugehört. Eine weitere wertvolle Erfahrung, die die Weihnachtszeit mit dem ersten Advent gut eingeleitet hat.

Ich hoffe, dass ihr beim Lesen meines Blogs vielleicht auch ein paar Weihnachtsgefühle bekommen habt, und wünsche euch allen von Herzen eine schöne Adventszeit.

Bis bald! 🙂

Außer der Reihe – Anmerkung und Politisches

Hallo zusammen! 🙂

Bevor morgen wieder ein richtiger Beitrag kommt, möchte ich heute mal etwas ernster werden und eine kleine Anmerkung zu einem anderen Beitrag machen. Genauer gesagt geht es um „Tage in Tbilissi – Eine Stadt zum Verlieben“:

Hier habe ich davon erzählt, dass der Guide unserer Freewalking-Tour gesagt hat, dass die aktuelle und letztens wiedergewählte Regierungspartei trotz Annäherungen zu Russland am EU-Beitritt festhalten wolle. Hier ein bisschen Kontext: Das Wahlergebnis der als pro-russisch eingestuften Partei „Georgischer Traum“ wird nicht nur in Georgien, sondern auch von internationalen Beobachtern angezweifelt und es besteht der Verdacht der Wahlmanipulation aufgrund verschiedener Unregelmäßigkeiten. Nun plant die Regierungspartei die EU-Beitrittsgespräche bis 2028 auf Eis zu legen. Das ist zwar kein direkter Wiederspruch zu der Einschätzung unseres Guides, aber dennoch so deutlich entgegen seiner Erwartung und damit auch dem, was ich geschrieben habe, dass ich es gerne klarstellen möchte. Diese Entscheidung sowie die Ungereimtheiten bezüglich das Wahl haben in den letzten Tagen zu Demonstrationen mit teilweise gewaltsamen Ausschreitungen in Georgien und besonders in Tbilissi geführt. EU-Befürworter befürchten eine noch stärkere Einflussnahme Russlands, die im schlimmsten Fall zur Besetzung des ganzen Landes (22% sind bereits besetzt) führen könne. Der EU-Beitritt ist zwar in der georgischen Verfassung festgeschrieben, jedoch sehen viele Menschen in den derzeitigen Ereignissen einen Schritt „zurück“ und näher zu Russland sowie eine Bedrohung der EU-Beitrittspläne.

Der Korrektheit halber werde ich den Beitrag von mir zu diesem Thema überarbeiten. Da die meisten von euch die Beiträge nur einmal lesen, wollte ich das nicht still und heimlich tun, sondern hier ankündigen. Im betreffenden Beitrag steht nichts Falsches, da ich lediglich die Einschätzung unseres Guides wiedergegeben und dies auch ausreichend als seine persönliche Meinung gekennzeichnet habe. Dennoch halte ich es für wichtig, den Inhalt den aktuellen Geschehnissen anzupassen. Es ist mir hier nicht möglich, aktuelle politische und gesellschaftliche Themen in einem angemessenen Maß zu behandeln und auf dem neuesten Stand zu halten. Dennoch sehe ich es als meine Verantwortung an, falsche oder unzureichende Behauptungen zu korrigieren, bzw. mit einem Hinweis zu versehen.

In diesem Kontext möchte ich auch noch zwei, drei Worte zum Thema „Single Storys“ äußern: Ich bemühe mich immer darum, alle Meinungen oder Erfahrungen, die ich hier mache, als persönliche Erlebnisse zu kennzeichnen. Natürlich ist es unmöglich, Armenien und die Menschen hier in ihrer Vielfalt zu repräsentieren, aber ich gebe mir Mühe, nicht zu einseitig zu berichten. Am Ende bleibt mir jedoch nur meine eigene Perspektive und meine eigene „Brille“. Ich nehme euch während meiner Zeit hier mit und es geht um meine persönlichen Eindrücke. Trotzdem bleibt mir nichts Anderes übrig, als mich zwischendurch auch immer mal wieder zu allgemeinen und größeren Themen (wie der politischen Lage in Georgien) zu äußern. Deshalb auch hier nochmal der Hinweis: Informiert euch gerne nochmal selbst über die hier angesprochenen Themen und bildet euch eine eigene Meinung.

Wo wird schon über Politik sprechen, möchte ich nun doch auch kurz über die deutsche Politik und darüber sprechen, was die vorgezogenen Neuwahlen für mich bedeuten:

Tja, was soll ich sagen? Das war kein guter Tag, an dem die Ergebnisse der US-Wahl eintrudelten und später am Abend dann das Ampel-Aus verkündet wurde. Unabhängig davon, wie ich das Ende der Ampel-Koalition bewerte, bedeutet der nun angesetzte „Fahr-Plan“ mit vorgezogenen Neuwahlen Ende Februar für mich, dass ich an meiner ersten Bundestagswahl per Briefwahl teilnehmen muss. Ich weiß noch, dass ich vor meiner Abreise extra nachgeguckt hatte, ob in dem Zeitraum irgendwelche Wahlen stattfinden. Naja, Politik beruht eben auf dynamischen Entwicklungen. 😂

Kurz nach dem Verkünden des Ampel-Aus waren wir, wie bereits erzählt, mit einigen Botschaftsmitarbeitenden bei der Botschafterin zum Essen eingeladen. Nachdem sie uns alle Fragen zum weiteren Verfahren für uns beatwortet hatten, habe ich mich gleich am nächsten Tag an meine Gemeinde gewandt und einen Antrag auf Briefwahl gestellt. Sobald die Listen stehen, werden meine Unterlagen an die Botschaft in Yerewan geschickt (das habe ich auf Rat des Konsuls so beantragt). Auch Samuel hatte bei seiner Gemeinde in Bayern nachgefragt und ihm wurde gesagt, dass er das eigentlich gleich vergessen könne. Dadurch, dass die Wahlen vorgezogen werden, kann es nämlich sein, dass die Listen erst zwei Wochen vor dem Wahltermin fertig sind. Wer sich mit den Lieferzeiten nach Armenien auskennt, die für Pakete bei zwei bis vier Wochen liegen, kann sich denken, dass das mit Hin- und Rückweg sehr eng wird. Für mich ist der Gedanke sehr frustrierend, dass meine Stimme womöglich nicht rechtzeitig im Wahlbüro ankommt (bzw. nicht mal die Wahlunterlagen in Yerewan), aber noch habe ich Hoffnung. Ansonsten nutzt ihr ja hoffentlich alle eure Möglichkeit zur politischen Partizipation und wählt eine der demokratischen Parteien. 😉

Hier in Armenien habe ich nochmal sehr deutlich gemerkt, wie politisch ich wirklich bin. Im Frühjahr werde ich mich von hier aus auf einen Studienplatz für „Internationale Beziehungen“ in Dresden oder Erfurt bewerben und bin fest davon überzeugt, dass dieser interdisziplinäre Studiengang mit den Teilbereichen „Politikwissenschaften“, „Rechtswissenschaften“ und „Wirtschaftswissenschaften“ auch nach meinen Erfahrungen hier genau das richtige ist (keine Sorge, ich werde aber keine Politikerin). Ich habe es hier erlebt, dass es eher unüblich ist, über Politik zu sprechen, und viele meiner Schülerinnen und Schüler interessieren sich nicht sonderlich dafür. Einer der Armenier, die wir auf dem Weihnachtsbazar getroffen haben (der Beitrag dazu kommt morgen 😊), hat unser Engagement hier auch dahingehend gelobt, als dass wir unsere demokratischen Überzeugungen und den Glauben in die Europäische Union hierher tragen. In Armenien habe ich bisher nur ein Yerewan ganz vereinzelte EU-Flaggen gesehen, während sie in Tbilissi jede zweite Hauswand schmücken. Ich finde es sehr bereichernd, hier eine ganz neue Perspektive auf die EU und auch Russland erleben zu dürfen. Es zeigt mir sehr deutlich, dass wir uns in Deutschalnd oftmals gar nicht unserer Privilegien bewusst sein, die einerseits mit der EU-Mitgliedschaft und andererseits mit unserer trotz allem starken Demokratie zusammenhängen.

Damit soll es genug der ernsten Worte gewesen sein, aber es war mir wie gesagt wichtig, sowohl die Anmerkung zu Georgien loszuwerden als auch ein paar Worte zur politischen Situation in Armenien zu verlieren. Morgen wird es dann wieder bildreicher und ein bisschen Adventsstimmung geben.

Bis bald! 🙂

P.S.: Eine große Bereicherung war für mich der Alpen-Kaukasus-Kurier, eine deutschsprachige Studierendenzeitung in Armenien. Hierdurch habe ich nochmal ganz andere Einblicke in ein  paar Perspektive von Studierenden hier erhalten können. Ich weiß leider nicht, ob die Zeitschrift auch in Deutschland erhältlich ist, aber falls sie euch doch in die Hände fallen sollte, halte ich sie auf jeden Fall für lesenswert.

Alltagsmomente – Von „L“ wie „Last Christmas“ bis „S“ wie „Shuttlefahrten“

Hallo zusammen! 🙂

Es gibt mal wieder eine Runde Alltagsmomente. Ich sammle immer fleißig und wenn es dann genug sind, fasse ich sie hier für euch zusammen. Ursprünglich hatte ich hier auch die Erlebnisse vom Volkstrauertag integriert, aber dann wäre dieser Beitrag viel zu lang geworden. Also sind es zwei Beiträge geworden und in diesem gibt es einige Momente aus der Schule. In diesem Sinne: Viel Spaß!

„L“ wie „Last Christmas“

Würde ich euch raten lassen, wann und unter welchen Umständen ich das Lied dieses Jahr das erste Mal gehört habe, würdet ihr niemals darauf kommen. Es war nämlich im Unterricht. Genauer gesagt, während eines Tests. 😂 Ich habe ja schon mal erzählt, dass hier nach jeder Lektion, sogenannte „thematische Arbeiten“ geschrieben werden und letztens stand in einer sechsten Klasse mal wieder eine an. Mit Tests in Deutschland ist das allerdings nicht zu vergleichen, da viel geschummelt und zusammengearbeitet wird. Die Lautstärke ist nur um Weniges leiser als im normalen Unterricht und auch bei der Benotung werden gerne mal beide Augen zugedrückt. Trotz teils schlechter Leistungen steht nie etwas Schlechteres als eine 6 oder 7 von 10 da, was bei uns einer 3 entspräche. Das liegt daran, dass die Lehrkräfte sonst mit den Eltern und dann auch der Schulleitung Probleme bekommen würden. Aber naja, das ist ein anderes Thema. Also zurück zu „Last Christmas“: Ich war gerade dabei, die Tests einer anderen Klasse zu korrigieren, als der Schüler direkt vor mir plötzlich anfing, „Last Christmas“ zu singen. Das kam so aus dem Nichts, dass ich loslachen musste. Es war das erste Mal, dass ich den Weihnachtsklassiker dieses Jahr gehört habe, und es war besonders in einer solchen Situation so unerwartet, dass mir das auf jeden Fall noch lange im Gedächtnis bleiben wird,

„L“ wie „Leibesübungen“

Das war mal wieder einer von diesen Momenten im Unterricht, in denen ich überfragt war. Als es um die Stadt Bochum ging, wollte einer meiner Oberstufenschüler wissen, wofür die Abkürzung „VfL“ des VfL Bochums stünde. Ich bin bis „Verein für“ gekommen, doch das „L“ habe ich nicht gewusst. Also wurde kurzerhand gegoogelt: Das „L“ steht für „Leibesübungen“. Das war definitiv nicht die erwartete Antwort und hat für einen Lacher gesorgt. Anschließend musste ich erklären, warum man nicht einfach „Sport“ sagt. Meine Schüler waren mit dem Wort insgesamt eher unzufrieden und das kann ich tatsächlich nachvollziehen. Ich konnte sie allerdings damit beruhigen, dass sie es sich nicht merken müssten, da es im allgemeinen Sprachgebrauch nicht vorkäme. Oder wann habt ihr das letzte Mal davon erzählt, wie ihr Leibesübungen gemacht habt?

„V“ wie „Vornamen“

In einer meiner fünften Klassen stand der Abschlusstest für die Lektion an (das ist nicht die thematische Arbeit, sondern nur eine Art Lektionsabschluss im Buch), den wir aber gemeinsam im Unterricht gemacht haben. Gleich die erste Aufgabe war hierbei, fünf deutsche Vornamen aufzuschreiben. Da ich am Anfang versäumt hatte, mich vernünftig vorzustellen, dachte ich, dass das eine gute Gelegenheit sei, zumindest meinen Namen nachzuholen. Also schrieb ich ihn an die Tafel und erklärte mit meinen neu erworbenen Armenischkenntnissen, dass ich so heiße. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, aber beim Vergleichen der Antworten, nannten fast alle Schülerinnen und Schüler neben den Namen aus der Lektion stolz meinen Namen. Und wenn einer ihn nicht nannte, fügten die anderen gleich ein energisches „Und Ilka!“ hinzu. Ich habe mich wirklich über ihre Begeisterung gefreut und bin gespannt, ob sie sich meinen Namen merken können. In einer anderen fünften Klasse hatte ich mich schon bei früherer Gelegenheit vorgestellt und ein Schüler aus dieser Klasse grüßt mich nun immer mit meinem Namen. Es ist wirklich schön, mit welcher Freude mich die Schülerinnen und Schüler hier immer noch empfangen. Laut den beiden Deutschlehrerinnen bin ich während meiner Woche in Tbilissi schmerzlich vermisst worden. Und das nicht nur von den Kindern und Jugendlichen: Auch einige Lehrkräfte und Mitarbeitende haben wohl nach mir gefragt. Darunter auch der Militärlehrer, der mich jeden Morgen auf Deutsch begrüßt.

„S“ wie „Schachspieler“

„Die Schachspieler kommen!“ zählt wohl zu den seltsamsten Erklärungen, die ich jemals bekommen habe. Es war die fünfte Schulstunde und plötzlich war auf dem Flur jede Menge Lärm zu hören. Dann ging die Tür auf, eine Lehrerin streckte ihren Kopf in den Klassenraum und sagte etwas auf Armenisch. Daraufhin brach Jubel aus und die Kinder sprangen von ihren Plätzen auf. Ich sah meine Ansprechpartnerin fragend an und sie sagte nur mit einem Schulterzucken: „Die Schachspieler kommen.“ Als würde das alles erklären. Tat es nicht. Ich war immer noch genauso verwirrt wie vorher und ging einfach mit den Schülerinnen und Schülern mit. Auf dem Weg wohin auch immer überlegte ich mir, dass vielleicht irgendein bekannter Schachspieler zu Besuch sei und die Kinder ihm Fragen stellen dürften. Da Schach hier eine Art Nationalsport ist, habe ich es nicht weiter hinterfragt. Das „wo auch immer“ stellte sich als Eingangshalle heraus, wo schon diverse andere Schülerinnen und Schüler aus allen Jahrgängen sowie Lehrkräfte standen. Sie standen Spalier, sodass sich ein Gang bildete. Und dann kamen sie: Die Schachspieler. Entgegen meiner Vermutung waren es aber keine „Profis“, sondern Schüler unserer Schule, die an einem Wettkampf teilgenommen hatten und nun siegreich zurückkehrten. Also eher die „Profis der Zukunft“. Alle klatschten und jubelten, als sie die Schule betraten, und ich fand das einen wirklich schönen Moment. Es zeigt eindrücklich das Gemeinschaftsgefühl an dieser Schule und schätzt die tolle Leistung der Schachspieler wert.

„S“ wie „Shuttlefahrten“

Eigentlich hätten Shuttlefahrten an sich hier keinen eigenen Moment verdient, weil sie für mich schon zum unspektakulären Alltag gehören, aber mittlerweile zeichnet sich ein Muster ab: Jedes Mal, wenn ich die letzten Male mit dem Shuttle von Gyumri nach Yerewan oder umgekehrt gefahren bin, habe ich danach einen neuen Kontakt in meinem Handy gehabt. Es ist wirklich verrückt, aber jedes Mal lerne ich jemanden Neues kennen. Auf meiner letztes Hinfahrt nach Yerewan war es ein armenischer Student, der in Gyumri aufgewachsen ist, aber jetzt in der Hauptstadt studiert. Er hatte mich angesprochen, weil er sich gefragt hat, was jemand wie ich in Armenien macht, zumal ich nicht wie eine Touristin ausgesehen hätte. Ich frage mich bis heute, wieso nicht, da ich mit meinem für Georgien gepackten und aus allen Nähten platzenden Rucksack unterwegs war. Aber das Gespräch, was sich daraus ergab, war für mich besonders im Hinblick auf das Leben der jungen armenischen Männer sehr bereichernd. Er war wirklich nett und hat mich prompt eingeladen, mit ihm bei meinem nächsten Besuch in Yerewan richtig Armenisch essen zu gehen. Die nächste Gelegenheit zum „Kontakteknüpfen“ war dann auch wieder die Rückfahrt, von der ich im vorherigen Beitrag ja schon erzählt habe. Für mich ist es ein schönes Gefühl, hier nicht ganz allein zu sein und ich bin sehr gespannt, wen ich hier noch so kennenlerne und wie viele meiner Bekanntschaften am Ende auf Shuttlefahrten entstanden sind. 😂

Damit soll es das für heute auch wieder gewesen sein.

Bis bald! 😊

Gedenken und Brot – Der Volkstrauertag 2024

Hallo zusammen! 😊

Frisch aus Georgien zurück reiche ich jetzt doch später als geplant, den Bericht vom Tag nach unserer Rückreise nach. Es stand irgendwie so viel an, dass ich leider erst jetzt dazu gekommen bin. Aber wie versprochen, soll´s jetzt um den 17.11.24 gehen:

Das war der Sonntag und Volkstrauertag. Zu diesem Anlass hatte uns die deutsche Botschafterin Claudia Busch gefragt, ob wir eine Rede halten würden, um die Perspektive junger Menschen zu repräsentieren. Es war das erste Mal, dass Freiwillige dabei waren, und es kam so gut an, dass die rumänischen Botschaftskollegen überlegen, es für ihren Trauertag genauso zu machen.

Die Gedenkfeier fand auf einem kleinen, etwas abgelegenen Friedhof deutscher Kriegsgefangener in Armenien während des zweiten Weltkriegs statt. Wir trafen uns vor der deutschen Botschaft in Yerewan und im Auto des Honorarkonsuls Aleksan Ter-Minasyan, der extra aus Gyumri angereist war und so nett war, uns mitzunehmen, ging es dann zum Gedenkort. Es war schon ein seltsamer Anblick, wie die ganzen teuren Botschaftsautos über den schmalen Feldweg holperten, aber wir kamen alle heile an. Als Gäste waren nicht nur Mitglieder der deutschen Botschaft, sondern auch der französischen und rumänischen Botschaft anwesend. Nach der Verlesung des Totengedenken waren wir auch schon mit unserer Rede dran: Diese ging fünf Minuten und war damit der längste Teil der Gedenkfeier. Uns war es besonders wichtig, auf unsere Verantwortung, nicht nur als Deutsche, sondern auch als junge Generation hinzuweisen. Die ausführliche Version unsere Rede könnt ihr hier nachlesen:

Anschließend sprach der Honorarkonsul ein Gebet auf Altarmenisch und die Kränze wurden niedergelegt (siehe Anfangsbild). Nachdem das offizielle Programm vorbei war, gingen wir noch kurz zum rumänischen Gedenkort hinüber und auch dort wurden Kränze niedergelegt.

Es war das erste Mal, dass ich an einer Gedenkfeier zum Volkstrauertag teilgenommen habe. Vorher ist mir der Feiertag, ehrlich gesagt, gar nicht präsent gewesen. Doch ich muss sagen, dass es für mich eine äußerst wertvolle Erfahrung war. Das Gedenken gilt längst nicht mehr (nur) den verstorbenen deutschen Soldaten, sondern allen Opfern von Krieg, Gewalt und Verfolgung. Und das weltweit. In Zeiten wie diesen ist es umso wichtiger, uns nationenübergreifend zusammenzuschließen und gemeinsam zu gedenken. Denn am Ende bringen Krieg und Gewalt immer nur eines: Leid. Unseren Appell für Frieden auf so einer Veranstaltung äußern zu dürfen, war einmalig und hat mir ins Bewusstsein gerufen, dass wir uns mehr füreinander einsetzen müssen, anstatt immer nur auf unsere Unterschiede zu beharren. Besonders im Hinblick auf die Situation in Armenien war es noch bedeutender, dieser Gedenkfeier beiwohnen zu dürfen. Der Krieg ist hier präsent und der „Frieden“ vermutlich nicht für immer. Ich habe schon mit einigen Menschen gesprochen und immer war der Tonus derselbe: Der Krieg hat uns verändert. Für mich, die ich privilegiert und in Frieden aufgewachsen bin, ist es eine neue Erfahrung, dem Krieg so „nah“ zu sein. Ich bin dankbar für die Offenheit der Menschen, denn nur sie hilft mir zu verstehen und zu lernen. Es ist bereichernd, eine neue Perspektive erfahren zu dürfen, auch wenn sie eine so leiderfahrene ist. Denn die Augen vor dem zu verschließen, was in der Welt passiert ist und immer noch passiert, ist keine Lösung und sollte uns immer zum Aufschreien bewegen. Wir dürfen nicht vergessen – nicht die Geschichte und nicht die Menschen, die Unrecht und Leid erfahren haben.

Damit soll es aber genug der ersten Worte gewesen sein. Es war mir ein Anliegen, die obigen Gedanken hier noch einmal loszuwerden, aber jetzt leite ich wenig elegant zu einem weniger ersten und weniger wichtigen Thema über. Dem Thema „Körnerbrot in Armenien“:

Nach der Gedenkfeier hatte die deutsche Botschafterin uns Freiwillige nämlich zum Essen in ihre Residenz eingeladen. Im Auto des Honorarkonsuls ging es also weiter durch Yerewan vorbei am Wachtposten der Gated Community zur Residenz. Dort gab es dann super leckere Kürbissuppe und eine Eintopf sowie diverse Beilagen. Süßes armenisches Gebäck durfte als Nachtisch natürlich auch nicht fehlen. Währenddessen unterhielten wir uns gut mit den anderen Gästen, zu denen neben dem Honorarkonsul auch noch einige weitere Botschaftsangehörige gehörten. Wir waren eine kleine, aber sehr nette Runde und haben viel über die Arbeit als Diplomatin oder Diplomat erfahren. Auch unsere Fragen zur anstehenden Neuwahl konnten geklärt werden, da wir durch die neusten Entwicklungen in der deutschen Politik Briefwahl beantragen und dann in der deutschen Botschaft in Yerewan wählen müssen. Und nun zum Körnerbrot: Wir haben uns beim Essen wohl etwas zu doll über das Brot gefreut, was es zu der Suppe gab, denn als wir uns verabschieden wollten, hatte die Botschafterin eine Überraschung für uns: Sie gab uns alles an Brot mit, was noch übrig geblieben war. Das war so viel, dass für die Yerewan-Mädels noch genug da war, Samuel etwas mit nach Sardarapat nehmen konnte und auch mein Abendessen gesichert war. Wir haben uns wirklich sehr darüber gefreut, da es eine echte Herausforderung ist, hier in Armenien etwas Anderes als Weißbrot zu finden. Umso mehr haben wir das frische Körnerbrot genossen.

Mit dem Brot in der Tasche ging die Reise dann für mich auch schon weiter nach Gyumri. Ich hatte mir ein Shuttle gebucht und dort habe ich mal wieder nette Leute kennengelernt (Näheres zu dem „mal wieder“ gibt´s im nächsten Beitrag Zwinker-Smiley): Zwei Freiwillige, die derzeit auch in Gyumri leben. Sie kommt aus den USA und er aus Deutschland. Er hatte mich wegen meiner Jack-Wolfskin-Regenjacke gleich als Deutsche erkannt. Die beiden sind mit einem Programm für Menschen mit armenischen Wurzeln hier und bei weitem nicht die einzigen. Bei ihrer Organisation würden insgesamt 20 Freiwillige arbeiten und ich habe versprochen, dort demnächst mal vorbeizuschauen. Es ist witzig, wie ich am Anfang dachte, dass ich hier die einzige Freiwillige sei und jetzt durch Zufall immer mehr andere Freiwillige treffe.

Ihr seht also, warum der 17.11.24 einen eigenen Beitrag verdient hatte. Und es ist doch auch mal schön, einen etwas kürzeren Beitrag dabei zu haben. Der nächste wird aber wieder so lang wie gewohnt und steht schon in den Startlöchern. Freut euch auf eine neue Runde „Alltagsmomente“!

Bis bald 😊

Tage in Tbilissi – Reise ins Nachbarland

Hallo zusammen! 😊

Macht euch auf einen kleine Serie aus Blogeinträgen gefasst, die die nächsten Tage kommen wird. Es steht nämlich das erste von zwei digitalen Zwischenseminaren an und dafür sind wir Armenien-Freiwillige rüber nach Tbilissi (oder auch Tiflis) gefahren. Und da will ich euch natürlich dabei mitnehmen, was wir dort so alles erlebt haben.

Angefangen hat alles am Freitag, wo es für mich Rucksack packen und auf nach Yerewan hieß, damit wir am nächsten Tag pünktlich um sieben Uhr am Shuttlepunkt sein konnten. Im Morgengrauen ging es dann also erst durch das noch schlafende Yerewan und dann am Sevansee vorbei nach Norden.

Auf unserer Fahrt waren wir dabei laut Google Maps sogar kurz im offiziellen Staatsgebiet von Aserbeidschan. Das hat man aber nicht gemerkt, da so nun mal der Verlauf der Straße war und die eigentliche Grenze, die geschlossen ist, einige Kilometer weiter nördlich liegt. Trotzdem war es ein komisches Gefühl, dem Nachbarland so nah und doch so fern zu sein. Weiter mit dem Ungewohnten ging es dann an der armenisch-georgischen Grenze: Diese war zweigeteilt. Wir mussten erst im armenischen Teil ausreisen und dann im georgischen Teil nach Georgien einreisen. Zwei neue Stempel im Reisepass und einige Wartezeit später waren wir dann drüben.

Wir kamen um 12:30 Uhr am Endpunkt unserer Shuttelreise und dem Startpunkt unserer Woche in Tbilissi an. Auf den ersten Blick war der Unterschied zu Yerewan nicht allzu groß (auf den zweiten schon, aber dazu später mehr 🤫). Nachdem wir uns mit einem Shaurma  gestärkt hatten, haben wir uns SIM-Karten besorgt. Was mir früher Sorgen bereitet hätte, fällt mir mittlerweile super leicht. Wir wissen, worauf wir achten sollten, und haben auch im SIM-Karte-Wechseln Erfahrung. Es hat sich bei mir eine neue Art der Gelassenheit eingestellt, was alles Ungewohnte betrifft. Ich denke, dass das vor allem daran liegt, dass ich hier schon durch so viele neue und teilweise auch schwierige Situationen musste. Dadurch habe ich immer wieder die (schöne und wertvolle) Erfahrung gemacht, dass es immer eine Lösung gibt. Das gibt mir ganz neues Selbstvertrauen und ich wachse daran.

Auch für die Metro wollten wir uns über die beste Option für die sieben Tage informieren, aber sind an der Sprachbarriere gescheitert. Während die wenigen Armenisch-Kenntnisse von Samuel, Mia und mir gänzlich nutzlos waren, kamen auch Nila und Lilly mit Russisch nicht sehr weit. Abgesehen von der Frau hinterm Schalter sprechen die Menschen hier in Tbilissi ansonsten aber häufiger und besser Englisch als wir es aus Armenien gewohnt sind. Naja, wir haben es dann trotzdem geschafft und uns Metro-Karten für eine Woche besorgt. Für sieben Tage mit zwanzig Fahrten pro Tag zahlen wir 20 Lira, also knapp sieben Euro, pro Person und es gilt nicht nur für die Metro (U-Bahn), sondern auch für die Busse.

Also ging es mit der Metro zu unserem Apartment und wir wurden positiv überrascht: Im 11. Stock eines relativ neuen Hochhauses fanden wir ein Appartment vor, was tatsächlich den Bildern von Airbnb entsprach und mit drei Schlafzimmern, einem großen Wohnzimmer und einer eben so großen Küche genug Platz für uns fünf bietet. Besonders für das Zwischenseminar ist es uns wichtig gewesen, genug Platz und Rückzugsmöglichkeiten zu haben, da wir von Dienstag bis Freitag von 12-19 Uhr armenisch/georgischer Zeit für das Seminar vor unseren Laptops sitzen werden. Doch erstmal ging es raus, Tbilissi erkunden.

Unser Ausblick.

Unser Wohnzimmer.

Wir. 😁

Abends haben wir uns dann nämlich mit den anderen kulturweit-Freiwilligen getroffen, die zurzeit hier in Tbilissi sind. Mit zehn Personen waren wir eine ganz schön große Gruppe und konnten richtig gut Georgisch essen. Das bedeutet, dass einmal das Menü rauf und runter bestellt wird und man sich dann das Essen mit allen zusammen teilt. Einiges von dem Essen kannten wir schon aus Armenien (wo das Essen dann natürlich „typisch armenisch“ ist), aber ein paar Dinge waren doch neu. Die Leiterin des YIC aus Gyumri hatte mir schon im Vorfeld erklärt, dass Georgier, Armenier und teilweise auch Türken sich beim Thema „Essen“ häufig darum streiten, wo es ursprünglich herstammt.

Uns war das ganz egal, denn geschmeckt hat es so oder so. Auch das Restaurant war wirklich gemütlich und die Stimmung am Tisch hätte nicht besser sein können. Es gab viel zu erzählen und Wein zu trinken. Wir haben unsere bisherigen Erfahrungen ausgetauscht und konnten feststellen, dass die Einsatzstellen und nicht das Land den größten Unterschied ausmachen. Im Wesentlichen haben wir jedoch alle ganz ähnliche Dinge erlebt und konnten viele unserer eigenen Erlebnisse in den Erfahrungen der Anderen wiedererkennen.

Zum Thema „Essen“ (natürlich mit Fokus auf „armenischem“ Essen) kommt irgendwann auch noch ein Beitrag. Nur leider vergesse ich einerseits oft, Fotos zu machen, und kann mir andererseits die Namen nur schlecht merken. Außerdem essen wir häufig auch nicht landestypisch, sondern es gibt Allerwelts-Essen wie Pizza oder Burger mit Pommes. 😂

Trotzdem werde ich mich bemühen, genug Material für so einen Beitrag zu sammeln, versprochen!

Aber jetzt erstmal zurück zu Samstagabend: Nach dem Essen war nämlich noch nicht Feierabend, sondern wir sind weiter in eine Bar gezogen. Das war sehr konträr zu dem, was wir aus Armenien gewohnt waren, da der Club sehr liberal und LGBTQ-freundlich war. Ich will nicht sagen, dass es in Armenien nicht auch solche Orte gibt, aber ich habe sie so dort noch nicht gesehen. Generell ist Georgien oder zumindest Tbilissi sehr viel diverser als Armenien. Ich gehe hier vollkommen in der Masse unter und falle nicht als „Europäerin“ auf. In Gyumri kann ich davon nur träumen und auch in Yerewan ist es im Vergleich schwieriger. Generell sind uns Armenien-Freiwilligen massive Unterschiede zwischen Tbilissi und Yerewan aufgefallen, auf die ich aber erst im nächsten Beitrag ausführlich eingehen möchte.

In der Bar haben wir dann Cocktails getrunken und getanzt. Außerdem haben wir die Mitbewohnerin von Sophie (einer Georgien-Freiwilligen, liebe Grüße 😊) kennengelernt, die gerade mit Erasmus hier ist. Sie hat uns erzählt, dass es hier super viele Erasmus-Studenten gibt und dass allein an ihrer Uni knapp dreißig sind. Ganz so viele kulturweit-Georgien-Freiwillige gibt es nicht, aber mit sieben in Tbilissi und drei weiteren im Land sind sie doppelt so viele wie wir in Armenien.

Nach der Bar ging es weiter in einen Club und schließlich ins Bett. Der lange Tag machte sich bemerkbar und so schliefen wir am nächsten Tag richtig aus.

Damit war auch der erste Tag geschafft und bevor das hier wieder ein endlos langer Beitrag wird, schließe ich mit ein paar weiteren Eindrücken. Im zweiten Teil erzählen ich euch dann von den weiteren Tagen und der Free-Walking-Tour, die wir gemacht haben.

Bis bald! 🙂

„Abenteuer Armenien“ – Alles kommt anders

Hallo zusammen! 😊

Ich hatte ja im letzten Eintrag schon anklingen lassen, dass einiges Unerwartetes passiert ist, und heute möchte ich passend zum Meilenstein der ersten zwei Monaten hier (krass!) etwas auf die größten Überraschungen zurückblicken:

Meine Mitbewohnerin.

Sie war die erste Überraschung noch vor meiner Ankunft hier. Wir haben uns kurz vor dem Vorbereitungsseminar das erste Mal live und in Farbe gesehen und kennengelernt. Natürlich ist es super aufregend, mit jemandem zusammenzuziehen, den man nicht kennt. Und dann auch noch gleich in einem fremden Land. Nervenaufreibender ist da nur, wenn sie sich nach drei Wochen aus gesundheitlichen Gründen dazu entschließt, ihren Freiwilligendienst abzubrechen. Auch wenn es natürlich super schade ist, war es für sie definitiv die richtige Entscheidung. Am 7. Oktober ging ihr Flug zurück nach Deutschland. Plötzlich stand ich alleine da. Die anderen Freiwilligen sind zwar auch noch hier, aber eben nicht in Gyumri. Doch wenn ich ehrlich bin, waren die Tage der Unsicherheit, wo nicht klar war, ob sie bleibt oder geht, noch schlimmer. Sobald die Entscheidung gefallen war, konnte ich mich nämlich wegen der Wohnung, des Sprachkurses und so weiter kümmern. Ich hatte Planungssicherheit, was sich für mich als unfassbar wertvoll herausgestellt hat. Ich habe mich mit meinem Vermieter getroffen, der mir bei der Miete entgegen gekommen ist, sodass ich in der Wohnung bleiben kann. Damit fiel ein großer Stressfaktor weg, da ich mich in der Wohngegend und der Wohnung selbst super wohl fühle und so nicht nach einer neuen Wohnung suchen, geschweige denn umziehen musste. Dennoch bedeutete diese „Überraschung“ eine weitere:

Alleine wohnen.

Ich lebe in meiner Wohnung jetzt alleine und werde wohl auch keine neue Mitbewohnerin oder Mitbewohner bekommen. Das bedeutet, dass ich mich alleine versorgen muss: Einkaufen, Wäsche waschen, putzen, kochen, abwaschen. Gerade die Essensplanung und der Wocheneinkauf gehen mir ganz schön auf den Zeiger. Da wird einem erst richtig bewusst, wie viel die Eltern Zuhause im Haushalt eigentlich machen. Vor dem Kochen hatte ich erst große Sorge, aber es ist tatsächlich nicht so schlimm wie befürchtete und bis jetzt hat es fast immer geschmeckt. Außer das eine Mal, wo ich ausversehen anstatt saurer Sahne Schlagsahne gekauft und in meinen Auflauf gehauen habe. Das ist das Lehrgeld, was man zahlen muss, wenn man in einem Land lebt, in dem man die Sprache nicht lesen kann und die Supermarkt-Mitarbeitenden meistens auch nicht sehr hilfreich sind. Dennoch grenzt es fast an ein Wunder, dass das das (bisher) einzige Mal war, wo ich etwas Falsches eingekauft habe. Genauso wie es an ein Wunder grenzt, dass die Gerichte in meinem Backofen tatsächlich klappen. Angeblich soll er 300 Grad können, aber wenn ihr mich fragt, schafft er maximal 110. Naja, Kochen läuft aktuell wirklich gut, also will ich mich nicht beschweren.

Der Übeltäter.

Wobei ich dabei doch ein Problem habe: Portionsgrößen einschätzen. Meistens will ich nämlich gleich für mehrere Tage kochen, aber mir fehlt einfach noch das Gespür dafür, wie viel ich dann kochen muss. Als ich letztes Wochenende abends aus Yerewan zurück war und eine Käse-Hack-Lauch-Pfanne gekocht habe, habe ich viel zu viel gekocht:

Das ist so viel zu viel für mich alleine gewesen (wenn ich nicht fünf Tage in Folge das Gleiche hätte essen wollen), dass ich spontan meinen russischen Nachbarn abgefangen und ihm etwas abgegeben habe. Er hat sich sehr gefreut und wir haben noch nett miteinander geplaudert. Was lernen wir daraus? 1. Wenn etwas nicht wie geplant läuft, versuchen, das Beste daraus zu machen. Im Zweifelsfall kann man jemand Anderem eine Freude machen. Und 2.: Das halbe Rezept hätte auch locker gereicht. Er hat sich ein paar Tage später übrigens mit Gebäck revanchiert, als er mir die Tupperdose zurückgebracht hat. Und er meinte, dass er vermutlich verhungert wäre, wenn ich ihn an dem Abend nichts abgegeben hätte. 😂

Hobbys.

Auch was meine Freizeitaktivitäten hier in Gyumri angeht, musste ich kreativ werden: Ich hatte mich im Vorfeld auf Instagram umgeschaut und zwei Accounts eines „Basketball-Clubs Gyumri“ entdeckt. Kaum hier angekommen musste ich allerdings feststellen, dass absolut niemand irgendetwas von einem Basketball-Club wusste. Ich habe rumgefragt, aber anscheinend gibt es den einfach nicht. Schwer enttäuscht musste ich mich nach Alternativen umgucken und das Einzige, was ich gefunden habe, war Yoga. Also heißt es jetzt für mich ein- bis zweimal die Woche: „Enjoy your pain with a smile!“ Diesen Satz sagt der Yoga-Guru so regelmäßig zu mir, dass ich mich mittlerweile echt frage, wie ich wohl gucken muss. Ich habe Yoga trotz der Erfahrungsberichte meiner Mutter vollkommen unterschätzt. Es ist sehr viel anstrengender als erwartet und ich lerne durch die Schmerzen Muskeln kennen, von deren Existenz ich bisher nicht wusste. Ich komme überraschend häufig an die Grenzen meiner Kraft und kann den „Entspannungsteil“ meistens kaum erwarten.

Auch in die Gruppe werde ich mehr und mehr integriert und neben dem Yoga-Guru übersetzen auch immer mal wieder einige der Frauen (bisher waren die Teilnehmenden immer nur Frauen) für mich, da meine Armenischkenntnisse immer noch sehr zu wünschen übrig lassen. Auch nach den Stunden unterhalten sich immer mal wieder einige mit mir und ich fühle mich in der Gruppe langsam angekommen.

Ebenso wie das Yoga ist auch der Kauf einer Gitarre nicht geplant gewesen: Ich hatte meine Geige bewusst in Deutschland zurückgelassen, doch musste hier schon nach kurzer Zeit feststellen, dass es mir unglaublich fehlt, Musik zu machen. Und so bin ich in das einzige Musikgeschäft hier in Gyumri gestiefelt und habe mir eine Akustik-Gitarre gekauft. Das Gitarre spielen lerne ich mithilfe eines Online-Kurses und  freue mich schon sehr, bei meiner Rückkehr nach Hause vielleicht das ein oder andere Lied vorspielen zu können. 😊

Die Arbeit.

Ich weiß nicht, wie ich mir meine Arbeit vorgestellt habe, aber ich habe sicherlich nicht damit gerechnet, dass ich so viele Freiheiten habe. Während ich im Unterricht selbst weniger Gestaltungsmöglichkeiten als erwartet habe, kann mir ansonsten mehr oder weniger aussuchen, was ich den Tag über machen möchte und wann ich eine Pause brauche. Das ist super praktisch, da ich so die Dinge machen kann, die gerade dringend anstehen (z.B. Tests korrigieren) oder die mir am meisten Spaß machen (z.B. im Unterricht bei meiner Lieblings-Neunten-Klasse dabei sein). Außerdem stehen immer wieder Projekte an und so habe ich vorletzte Woche mit Nila gemeinsam zum „Tag der deutschen Sprache“ einen Workshop geleitet. Auch sonst bin ich ziemlich frei in dem, wobei ich mitmache oder was ich auslasse. Dazu zählt auch das „Ukraine-Projekt“, wo ich unter keinerlei Zwang oder Druck stehe (zumindest nicht von außen). Wichtig ist vor allem das „proaktive Denken und Handeln“: Wenn ich eine Idee habe oder etwas unbedingt machen möchte, muss ich selbst die Initiative ergreifen und mich kümmern. Das klappt bisher wirklich  gut und fällt mir erstaunlich leicht.

Freunde finden.

Ich glaube, das war das, wo ich mich am meisten „verschätzt“ habe. Die anderen Armenien-Freiwilligen hatte ich per Face-Time und dann auf dem Vorbereitungsseminar schon vorab kennengelernt, aber ich habe die Entfernung nach Yerewan unterschätzt. Wie im letzten Eintrag bereits geschrieben waren es vielleicht auch meine Kapazitäten. Allein in Gyumri und „so weit weg“ von den Anderen zu sein, war am Anfang sehr herausfordernd und ist es manchmal immer noch. Aber ich habe mir selbst Zeit gegeben und auch hier Menschen kennengelernt. So habe ich eine Freundin aus Dilijan gefunden und mich auch mit dem Russen aus dem Shuttle mit dem platten Reifen nochmal getroffen und nett gequatscht. Dazu kommen ganz frisch zwei andere Freiwillige aus dem YCI: Der eine heißt Marc und ist US-Amerikaner, während der andere aus Frankreich kommt. Ich war zur Halloween-Feier im YCI und habe mich sofort prima mit den beiden verstanden. Umso schöner, dass ich plane, bald regelmäßig dort zu sein und etwas mit den Jugendlichen zu machen. Außer den beiden „ausländischen“ Freiwilligen arbeiten dort auch viele armenische Freiwillige und ich bin sehr gespannt, auch sie näher kennenzulernen. Das YCI ist wirklich ein besonderer Ort voller Leben und Freude und ich freue mich sehr darauf, in Zukunft ein Teil davon zu sein.

Heimweh und Kontakt nach Hause.

Zum Schluss wird es noch einmal sehr persönlich und hierzu kommt irgendwann auch noch ein eigener Beitrag. Aber es hier nicht zumindest zu erwähnen, wäre falsch: Es ist diese bittersüße Mischung aus Vermissen und Verbundenheit, die mein stetiger Begleiter ist. Man lernt erst richtig zu schätzen, was und vor allem wen man Zuhause eigentlich hat, wenn man hunderte Kilometer davon entfernt ist. Ich telefoniere oft mit meinen Eltern und auch mit vielen Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern stehe ich in Kontakt. Für mich ist es unfassbar wertvoll zu wissen, dass so viele Menschen an mich denken und ihr durch Telefonate, Nachrichten oder das Lesen von diesem Blog Teil meiner Reise sein könnt. Ich genieße die Zeit hier und würde nirgendwo anders sein wollen, da die Zeit hier wirklich einmalig und ganz besonders ist. Dennoch trage ich euch jeden Tag in meinem Herzen bei mir und freue mich bei all dem Schönen, was ich hier erleben darf, gleichzeitig darauf, euch alle wiederzusehen und endlich wieder in die Arme schließen zu können. ❤️

Mit diesem schönen Gedanken soll es das für heute auch schon wieder gewesen sein und ich melde mich demnächst wieder.

Bis bald! 🙂

Letztes Wochenende – Von Wandern, Live-Musik und Beten

Hallo zusammen! 😊

Es gibt so vieles, was ich hier schon gelernt habe und noch lernen werde. Dabei habe ich für mich festgestellt, wie schwer es eigentlich ist, zu wissen, was einem gut tut und was man gerade braucht. Auf sich selbst zu hören ist manchmal ziemlich schwer, vor allem wenn die Menschen um einen herum ganz andere Bedürfnisse haben. Deswegen verbuche ich letztes Wochenende als vollen Erfolg:

Letzten Freitag bin ich mittags nach einem Besuch im „Youth Initiative Centre Gyumri“ (YCI) ins Wochenende gestartet. Kurz noch nach Hause und dann ging es zum Shuttle nach Yerewan.  Doch selbstverständlich konnten mich meine armenischen Nachbarn von der anderen Straßenseite nicht einfach so gehen lassen: Als ich die Tür hinter mir ins Schloss habe fallen lasse, haben mir die Herren von gegenüber schon herzlich zugewunken und mich gegrüßt. Nachdem ich ihre Blicke kurz nach dem Einzug eher als misstrauisch interpretiert habe, ist davon nun nichts mehr zu spüren. Ich freue mich mittlerweile sie zu sehen und bekomme immer ein Lächeln und ein „barevzez“ („Hallo, Sie!“) zurück. Mit guter Laune ging es also ganz entspannt nach Yerewan. Auf der Fahrt konnte ich ab ungefähr der Hälfte der Strecke den Ararat bewundern. Das ist der heilige Berg der Armenier, der aber sehr zu ihrem Missfallen heute zur Türkei gehört. Inzwischen kann ich richtig nachvollziehen, warum das hier so ein großes Thema ist. Der Berg hat nämlich wirklich etwas Magisches an sich und ist schon von weit weg gut zu sehen.

Ich war schon etwas früher nach Yerewan gefahren, als die Yerewan-Mädels Zeit hatten, und so konnte ich noch ein bisschen bummeln. Erst ging´s mit der Metro für 100 Dram zum Republic Square und dann zu den Kaskaden. Hier waren wir schon bei der Free-Walking-Tour gewesen, doch waren wir nicht nach oben gegangen. Die anderen Freiwilligen hatten das später schon erledigt und so war es der ideale Zeitpunkt für mich, dieses Erlebnis nachzuholen. All die Stufen nach oben zu laufen (Wikipedia sagt, dass es 572 Stufen sind), war wirklich anstrengend und ich habe mir geschworen, wieder mehr Sport zu machen (wobei es sich als relativ schwierig gestaltet, eine gute Möglichkeit in Gyumri zu finden). Doch ich wurde belohnt: Die Aussicht über Yerewan war echt beeindruckend und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Sonnenuntergang hat dem Ausblick die perfekte goldene Farbe verliehen.

Zu den Kaskaden lässt sich noch sagen, dass sie als Verbindung des Siegesparks (Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im 2. Weltkrieg) und der Innenstadt dienen. Oben befindet sich außerdem ein Denkmal zum 40. Jahrestag der Sowjetunion. Insgesamt umfassen die Kaskaden fünf Hangterrassen und sind ohne das Denkmal 302 m hoch. Zu Sowjetzeiten errichtet wurden sie bei dessen Zerfall nie vollendet, da das Geld fehlte.

Trotzdem hat sich der Besuch wirklich gelohnt und ist definitiv empfehlenswert. Für alle die nicht gerne Treppen laufen: Im Inneren gibt es laut meinen Mitfreiwilligen auch eine Rolltreppe. 😁

Anschließend habe ich Lilly und Nila von ihrem Sprachkurs abgeholt und wir haben für Lilly eine Winterjacke geshoppt. Danach ging es zur „Ararat Taverne“, wo wir Mia, ihre Mutter und deren Lebensgefährten getroffen haben, die gerade aus Deutschland zu Besuch sind. Die „Ararat Taverne“ ist ein armenisches Restaurant mit Live-Musik, das bei Armerinnen und Armeniern besonders für Familientreffen und Geburtstagsfeiern beliebt ist. Wir hatten den Platz an der Sonne erwischt und saßen direkt bei den Musikern. Die traditionell-armenischen Instrumente in Aktion zu erleben und authentische armenische Volksmusik zu hören, waren definitiv eine Erfahrung. Das Essen war lecker und die Stimmung so ausgelassen, dass immer wieder Menschen anfingen, zu tanzen. Das Highlight war dabei, als ein Kellner sich eine Platte voller Essen schnappte und samt Platte um den Tisch tanzte.

Anschließend ging es noch in die Lieblings-Bar der Yerewan-Mädels, die „Shame-Bar“. Auch hier gab es wieder Live-Musik: Zuerst spielte ein Musiker Gitarre und anschließend setzte sich noch ein älterer Herr ans Klavier. Beim UNO-Spielen genossen wir die Musik und Cocktails und ließen den Tag entspannt ausklingen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung ließ uns der Taxifahrer dann auch noch laut unsere Musik spielen und zu „Zeit, dass sich was dreht“ ging die Fahrt wie im Flug vorüber.

Am Samstag stand für mich Dilijan auf dem Programm. Die anderen Freiwilligen waren schon letztes Wochenende da gewesen, was für mich aber zu anstrengend geworden wäre. Ich habe eben schon angesprochen, dass ich hier schon einige Dinge lernen musste und das Haushalten mit den eigenen Kräften und Kapazitäten steht da ganz oben. Ich habe mich leider schon häufiger ausklinken müssen, weil es mir aktuell einfach nicht möglich ist, jedes Wochenende die Fahrt nach Yerewan auf mich zu nehmen. Es ist gerade einfach einer sehr anstrengende und aufregende, wenn auch schöne Zeit. Vieles ist immer noch neu und muss sich erst noch einpendeln. Da ist es umso wichtiger, auf mich selbst zu hören und das zu machen, was mir gerade gut tut. Auch wenn das bedeutet, mehr alleine zu machen und nicht bei Aktivitäten der Anderen dabei zu sein.

Außerdem kam dieses Wochenende dazu, dass Mia Besuch hatte, Samuel krank war und Lilly und Nila von der Arbeit aus zu tun hatten. Wer hier jetzt meine Mitbewohnerin Dana vermisst, dem muss ich leider mitteilen, dass sie bereits Anfang Dezember nach einem Monat hier in Armenien zurück nach Deutschland geflogen ist. Auslöser hierfür waren gesundheitliche Gründe. Das bedeutet, dass ich jetzt alleine hier in Gyumri bin und auch alleine wohne. Wie das so ist und was das für mich bedeutet, werde ich in einem späteren Eintrag noch ausführlicher beantworten.

Aber zurück zu meinem Ausflug: Ich hatte nach der Ruhe des letzten Wochenende die Energie, einen größeren Ausflug zu machen, und da Dilijan (oder auch Dilischan) im Herbst besonders schön sein soll, habe ich mich für dieses Ausflugsziel entschieden. Außerdem wohnt eine armenische Freundin von mir dort. Also ging es morgens mit dem Shuttle Richtung Norden. Vorbei am Sevansee habe ich endlich mal wieder Wald gesehen. Und der strahlte vor lauter bunter Herbstfarben nur so. In Dilijan angekommen wollte ich erstmal etwas wandern und wie es eben in Armenien so ist, war es ein Abenteuer. Die größte Herausforderung wartete gleich am Anfang: Den Startpunkt zu finden. Als ich der Meinung war, ungefähr dort zu sein, ging es an die nächste Challenge: Den Weg finden. Der „Wanderweg“ war nämlich viel mehr ein Pfad, nachdem ich auch zwischendurch immer wieder suchen musste.

Das waren übrigens die Markierungen, die leider nur in sehr unregelmäßigen Abständen aufgetaucht sind. 🙂

Alles in allem war es aber wirklich herrlich, mal wieder im Wald und ohne irgendwelche anderen Menschen zu sein. Die Stille und Natur haben meine Batterien wieder aufgeladen und entspannt (und von der vielen Steigung ein wenig außer Atmen) habe ich mich dann zurück in der Stadt in ein kleines Café gesetzt. Aufgewärmt und gestärkt ging es dann noch Dilijan erkunden und in ein Museum, bevor ich mich mit meiner Freundin getroffen habe.

Meine Freundin lud mich ein, mit ihr zu einem Treffen ihrer evangelischen Kirche zu kommen. Da ich neugierig war und Zeit hatte, kam ich mit. Dort wurde ich gleich ganz in typisch armenischer Manier mit Essen überhäuft und herzlich willkommen geheißen. Es waren tatsächlich auch zwei andere Deutsche da und eine bunte Zusammenkunft unterschiedlichster Menschen. Gemeinsam wurde gesungen und auf Russisch und Armenisch gebetet, wobei meine Freundin für mich auf Englisch übersetzte. Anschließend wurde in kleinen Gruppen für Personen gebetet, die es wollten. Hierbei bat mich einer der Deutschen zum Übersetzen hinzu. So bildeten wir eine Übersetzerkette, bei der ich seine Worte von Deutsch auf Englisch und meine Freundin für die Frau von Englisch auf Armenisch übersetzte. Insgesamt eine sehr ungewohnte, aber auch schöne Erfahrung, die mir wieder in Gedächtnis gerufen hat, wie sehr Glaube die Menschen verbinden und zusammenbringen kann.

Anschließend war es auch schon wieder Zeit für den Heimweg und so ging es erst mit dem Shuttle nach Yerewan, dann mit dem Bus zum anderen Shuttlepunkt und mit dem zweiten Shuttle nach Gyumri (es gibt leider keine Direktverbindung nach Gyumri). Dort lernte ich einen Mann aus Ghana kennen, der gerade in Gyumri Medizin studiert und anschließend Kinderarzt werden möchte. Wir unterhielten uns die Fahrt über miteinander und dem Taxifahrer, bis wir schließlich mitten in der Nacht Gyumri erreichten.

Am Sonntag hieß es schließlich ausschlafen, bis Mia und ihr Besuch in Gyumri ankamen. Als mittlerweile quasi „Einheimische“ zeigte ich ihnen die Stadt und wurde von ihnen im Gegenzug auf einen Kakao und einen Monchik im „Ponchik Monchik“ eingeladen.

Was mir danach noch passiert ist und was das mit meinen Kochkünsten zu tun hat, spare ich mir für meinen nächsten Eintrag zum „Alleine-Leben“ auf. Also seid gespannt! 😂

Bis bald! 😊

Alltagsmomente – Von „K“ wie „Kopfstoßen“ bis „T“ wie „Tanzen“

Hallo zusammen! 🙂

Heute gibt es noch eine Runde „Alltagsmomente“, da das Format prima ist, um über verschiedene Themen zu berichten und euch einen wirklich authentischen Einblick in mein Leben hier zu geben. Also losgeht´s:

„K“ wie „Kopfstoßen“

Alternativ hätte ich diesen Moment auch „A“ wie „Auslachen“ nennen können, aber das klang mir dann doch zu fies, weil es eher ein gemeinsames Lachen war. Ich bin gestern nämlich woanders und damit später in die Marschrutka zugestiegen und stand dementsprechend sehr nahe an der Tür. Hier befindet sich die einzige tiefhängende Stange mit Knick im ganzen Gefährt:

In auffälligem Gelb eigentlich gut zu sehen. 😂

Da ich ziemlich groß bin und Marschrutka-Fahrten manchmal etwas holpriger verlaufen, habe ich mir bei einer Bremsung volles Pfund des Kopf an besagter Stange gestoßen. Eine junge Frau, die mir gegenüber stand und das gesehen hatte, musste daraufhin loslachen. Für sie war das eine sehr surreale Situation, da die meisten Armenierinnen und Armenier deutliche kleiner sind als ich und sie sich niemals den Kopf hätte stoßen können. Wahrscheinlich hatte sie vorher auch noch nie drüber nachgedacht, dass das überhaupt passieren könnte. Jedenfalls musste ich auch lachen und wir haben uns auch danach immer wieder angegrinst. Mein Schmerz hatte also durchaus etwas Gutes.

„M“ wie „mein Markus“

Ich möchte es eigentlich vermeiden, mich über die Fehler meiner Schülerinnen und Schüler lustig zu machen, da ich vollstes Verständnis dafür habe, wie schwer es ist, eine neue Sprache zu lernen. Ich bin mehr als heilfroh, dass meine Armenisch-Lehrerin keinen Blog schreibt, in dem ich mit meinen ganzen Fehlern vorkommen könnte (ich hoffe zumindest, dass sie keinen Blog schreibt). Ich würde auf jeden Fall mehr als genug Material dafür liefern. Trotzdem kann ich es nicht lassen und möchte einen sehr „schönen“ Fehler eines Schülers hier anführen: Die Aufgabe war, Fragen unter der Nutzung von Possesivpronomen zu beantworten.  Eine der Fragen lautete: „Ist das der Roller von Markus?“ Die richtige Antwort wäre gewesen: „Ja, das ist sein Roller.“ Die Antwort eines Schülers lautete: „Ja, das ist mein Markus.“ Der Satz ist grammatikalisch korrekt, nur leider inhaltlich nicht die Antwort auf die Frage. Trotzdem hat es mich zum Lachen gebracht und für die grammatikalische Korrektheit gab´s immerhin einen halben Punkt.

„M“ wie „Milchshake“

Vor ein paar Tagen hatte ich nach der Schule richtig Lust auf einen Milchshake. Da ich jeden Nachmittag an einem Stand mit Milchshakes vorbeilaufe, habe ich beschlossen, mir einen mit Nutella und Banane zu holen. Die super liebe Verkäuferin fragte mich daraufhin nach meinem Namen und da mein Name hier nur Probleme bereitet, musste sie mehrfach nachfragen, bis sie ihn auf Armenisch auf den Becher schrieb. Vielleicht ist er richtig geschrieben. Ich glaube aber nicht. Anfang und Ende könnten hinkommen, aber in der Mitte meine ich mit meinen sehr eingeschränkten Buchstabenkenntnissen zu erkennen, dass etwas schiefgelaufen ist. Nichtsdestotrotz gab es ein süßes kleines Bild dazu, was ich euch nicht vorenthalten möchte:

Vielleicht mein Name auf Armenisch.

Da ich das Thema „Name“ gerade schon angeschnitten habe, hier noch ein kurzer Ausflug zu „N“ wie „Name“ oder wir bleiben einfach bei „M“ wie „mein Name“. Meine Schülerinnen und Schüler haben ein Problem mit dem „I“-Laut. Sie lernen den Buchstaben als „I“, aber in meinem Namen wird er nicht genau so, sondern dumpfer ausgesprochen. Auch meine Lehrerinnen mussten mehrfach nach der Aussprache fragen, bis es nicht mehr „ielka“, sondern „ilka“ war.  Ich habe kein Problem damit, wenn mein Name nicht hundertprozentig richtig ausgesprochen wird (im Wesentlichen ist er ja richtig), aber es hat mir das erste Mal bewusst gemacht, dass mein Name eigentlich gar nicht so wirklich gesprochen wie geschrieben wird. Wieder was gelernt! 😊

„P“ wie „Platten“

Was soll auch sonst auf meinem Weg von Jerewan zurück nach Gyumri passieren. Ich war letzten Freitag bei den Yerewan-Mädels zu Besuch, aber musste mich aufgrund einer fiesen Erkältung schon samstags wieder auf den Heimweg machen. Hierzu hatte ich mir ein GG-Shuttel gebucht, was so etwas wie ein Gruppentaxi ist und auf bestimmten Strecken regelmäßig für kleines Geld fährt. Also haben wir entspannt gefrühstückt, ehe ich mich mit dem Bus zum Abholungspunkt begeben habe. Hier habe ich gleich einen russischen Mitreisenden kennengelernt, der auch in Gyumri lebt und mit dem ich mich die ganze Fahrt über unterhalten habe. Besonders ein Satz von ihm ist mir im Kopf geblieben. Es war seine Antwort auf meine Frage, ob er jemals nach Russland zurückkehren wollen würde: „In Russland gelte ich als Extremist, weil ich gegen den Krieg bin. Insgesamt fallen mir so spontan sechs Gründe ein, warum ich in Russland verhaftet werden könnte.“ Wir haben viel über sein Leben und das Leben anderer Exilrussen gesprochen. Nachdem ich bei einem Besuch in einer Karaokebar mit den anderen Freiwilligen schon russische Soldaten getroffen hatte, die mit voller Überzeugung russische Kriegspropaganda wiedergegeben haben, ist mir der krasse Gegensatz nochmal deutlicher geworden, der hier in Gyumri aufeinander trifft. Einerseits ist hier eine russische Militärbasis und andererseits leben hier wie auch sonst in Armenien viele Exilrussen. Wo ich das hier gerade schreibe, fällt mir auf, dass ich das sogar nebenan habe: Rechts von mir wohnt ein russischer Soldat und links wohnen Exilrussen.

Aber zurück zur Panne: Wir hatten gut drei Viertel der Strecke schon hinter uns gebracht, als einer der Reifen geplatzt ist. Also hieß es für uns mitten auf der Fernstraße aussteigen und unseren Fahrer beim Reifenwechsel beobachten. Er war zum Glück sehr gut vorbereitet (was die Frage aufwirft, ob das häufiger vorkommt, aber ich will hier nichts Böses vermuten). Routiniert wechselte er den Reifen und war dabei so schnell, dass wir nach gut zehn Minuten schon weiterfahren konnten. Ich war davon wirklich beeindruckt.

Der Übeltäter.

Unsere Aussicht beim Warten.

Der alte und kaputte Reifen wurde bei der Weiterfahrt übrigens professionell mit Klebeband gesichert:

Da der eingewechselte Reifen allerdings nur ein Ersatzrad war, reisten wir mit reduzierter Geschwindigkeit weiter und kamen erst mit über einer Stunde Verspätung in Gyumri an. Das stellte sich im Nachhinein allerdings als glücklicher Zufall heraus, wie der nächste Alltagsmoment zeigt.

„T“ wie „Tanzen“

Die Stunde Verspätung hatte nämlich zur Folge, dass wir genau pünktlich zu einer Tanzaufführung kamen. Wenn Paul (mein neuer russischer Bekannter) es mir von der armenischen Frau richtig übersetzt hat, war es wohl ein Projekt der UNESCO zum traditionell-armenischen Tanz, das auch mit jeder Menge Kameras und Drohnen gefilmt wurde. Die Aufführung fand auf dem zentralen Platz in Gyumri statt, wo wir zufällig rausgelassen wurden. Es war wirklich cool, dabei zuzusehen und die traditionelle Kleidung zu bewundern. Angeleitet wurde das Ganze von einer Gruppe, die sowieso armenische Volkstänze unterrichtet und immer mal wieder Flashmobs hier in Gyumri macht. Ich folge ihnen jetzt auf Instagram und werde auf jeden Fall Augen und Ohren offenhalten, wann sie mal wieder irgendwo in der Stadt zu sehen sind. Ich hätte ihnen nämlich stundenlang zusehen können.

Und mit diesen Eindrücken aus Armenien schließe ich den heutigen Beitrag. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und konntet das ein oder andere Mal mit schmunzeln.

Bis bald! 🙂

Warum ich meine Arbeit (fast immer) liebe…

Hallo zusammen! 😊

Habt ihr schonmal Standing Ovations bekommen? Ich zumindest nicht. Bis ich gestern verspätet in meine siebte Klasse gekommen bin.

Ich hatte noch eine Aufgabe zu erledigen und so habe ich das erste Mal allein und nicht zusammen mit einer Lehrerin das Klassenzimmer betreten. Es ist in Armenien üblich, dass die Schülerinnen und Schüler aufstehen, wenn eine Lehrkraft den Raum betritt. So hätte ich also eigentlich damit rechnen können, dass sie auch für mich aufstehen, da ich in ihren Augen wahrscheinlich eine ähnliche Respektsperson bin. Weil ich mich selbst aber so gar nicht als Lehrkraft sehe (und es auch nicht bin), habe ich natürlich nicht damit gerechnet.

Was aber mein absolutes Highlight war und definitiv nicht mit zur normalen Begrüßung gehört, war, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur aufgestanden sind, sondern auch angefangen haben, zu jubeln und zu klatschen. Ich habe schon häufiger von meinen Lehrerinnen das Feedback bekommen, dass die Schülerinnen und Schüler mich mögen und nach mir fragen, wenn ich nicht da bin. Davon zeugen auch die ganzen kleinen Notizen, die sich mit der Zeit angesammelt haben, und die Kekse/Süßigkeiten, die mit mir geteilt wurden. Wenn ich die Flure entlang laufe, kann ich kaum drei Schritte gehen, ohne von allen Seiten „Hallos“ entgegengerufen zu bekommen. Wann immer ich einen Klassenraum betrete, ertönt aufgeregtes Getuschel und ich werde angestrahlt. Diese tägliche Freude über mich gibt mir wirklich viel. Die „Standing Ovations“ waren da trotzdem ein neues Level und ich musste wirklich lachen. 🙂

Ich habe mich am Anfang sehr über die Freude der Schülerinnen und Schüler gewundert, da ich im Unterricht häufig nur „dabeisitze“ und wenig selber mache. Das, was ich aber immer mache, ist, die Schülerinnen und Schülern anzulächeln und ihnen zuzunicken, wenn sie etwas gut gemacht haben. Die Lehrerinnen müssen mit dem Unterricht weiter machen und manchmal kommt Lob da etwas kurz. Das kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit. Deswegen habe ich mir das zu meiner ganz persönlichen Aufgabe gemacht. Ich hoffe dadurch, die Begeisterung für den Deutschunterricht aufrecht erhalten zu können, da die deutsche Sprache den Schülerinnen und Schülern doch so manches Mal Kopfschmerzen bereitet. Ich möchte sie ermutigen, sich auch trotz Fehlern weiter zu trauen und es weiter zu versuchen.

Anscheinend funktioniert das. Zumindest schließe ich das aus der Freude der Schülerinnen und Schüler über meine Anwesenheit. Wie ich es gerade schon hab anklingen lassen, bedeutet mir das wirklich viel. Es ist super selten, dass man so direktes und ehrliches Feedback für seine Arbeit bekommt, und das schätze ich wirklich wert. So sehr, wie ich hier selbst wertgeschätzt werde. Vielleicht kann ich an der einen oder anderen Stelle über Deutsch an sich nicht allzu viel vermitteln (zumindest bei den Jüngeren aufgrund der Sprachbarriere), aber wenn ich ihnen zwischenmenschlich etwas mitgeben kann, ist mir das viel mehr wert.

Apropos direktes Feedback: Ich habe in letzter Zeit einige Tests erstellt, die als sogenannte „thematische Arbeiten“ das Wissen der letzten Lektion abfragen. Und da gab es doch tatsächlich diese eine sechste Klasse, die sich, nachdem sie den Test geschrieben hatten, bei der Lehrerin für den Test bedankt hat. Er sei schön konzipiert und fair gewesen. Ich wäre fast vom Glauben abgefallen, als sie mir das übersetzt hat. In welcher Welt bin ich gelandet, dass sich Schülerinnen und Schüler für einen Test bedanken, den ich ausgearbeitet habe? Auch meine Lehrerin musste darüber lachen, da ihr das auch noch nicht passiert ist. Tja, scheint so, als hätte ich mich auch für die Konzeption der nächsten Tests qualifiziert!

Alles in allem ist meine Arbeit sehr abwechslungsreich: Arbeitsblätter und Tests erstellen, die geschriebenen Test korrigieren, Schülerinnen und Schülern bei der Vorbereitung auf die DSD I – Prüfungen helfen, mit der Teilnehmerin für den Vorlesewettbewerb üben, eigene Projekte planen, mit dem auf Russisch eingestellten Drucker diskutieren oder in den Klassen selbst im Unterricht unterstützen (meistens Sätze und Wörter an die Tafel schreiben oder Aussprache üben). Das schönste hierbei ist, dass ich mir meistens aussuchen kann, was ich gerade machen möchte, und dass meine Arbeit sehr flexibel ist.

Kommende Woche startet übrigens ein weiteres cooles Projekt: Gemeinsam mit einer weiteren kulturweit-Freiwilligen (Rosie, die gerade in der Slowakei ist) werde ich online den Deutschunterricht am Akademischen Lyzeum 46 in Saporischschja in der Ukraine unterstützen. Da in die Ukraine aufgrund des russischen Angriffskrieges keine Freiwilligen mehr ausreisen können, hat kulturweit dieses Projekt ins Leben gerufen. Mit knapp dreißig Freiwilligen unterstützen wir 12 ukrainische Schulen digital mit einer Doppelstunde die Woche. Meine Schule liegt in der Südost-Ukraine und meine ukrainische Ansprechpartnerin Frau Bondarenko hat erzählt, dass sie sich nur 30 bis 50 Kilometer von der Front entfernt befinden. Luftalarm, Drohnen und die Geräusche von Bombeneinschlägen und Detonationen seien für sie längst Alltag. Wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund eines Luftalarms das Meeting verlassen müssten, sollten wir uns keine Sorgen machen. Ich habe einen riesigen Respekt davor, wie sie den Schulbetrieb dort am Laufen halten, und bin gespannt auf meine Zeit mit den ukrainischen Schülerinnen und Schülern. Wie auch meine armenischen Schülerinnen und Schüler sollen wir die Neunt- und Zehntklässler auf die DSD I – Prüfungen vorbereiten und das vor allem mit Spielen. Das ist ein schöner Ausgleich zu meinem armenischen Unterricht, in dem Spiele eher kritisch beäugt werden. Dass der Unterricht online stattfindet, wird gleichzeitig auch eine neue Herausforderung sein, aber ich freue mich auf meine Aufgabe und werde bestimmt ganz bald davon berichten.

In diesem Sinne:

Bis bald! 🙂

P.S.: Auch wenn mir meine Arbeit hier Spaß macht, ist es definitiv nichts für immer. Für das eine Jahr als FSJ ist es perfekt, aber ich kann mir aus vielen verschiedenen Gründen nicht vorstellen, Lehrerin zu werden.