Archiv des Autors: Ilka Ruten

Tage in Tbilissi – Ein krönender Abschuss

Hallo zusammen! 🙂

Heute kommt die kleine Reihe „Tage in Tbilissi“ zu ihrem Abschluss: Nachdem wir in den ersten freien Tagen viel erlebt haben und die Möglichkeit hatten, uns die Stadt anzugucken, vergingen auch die Seminartage wie im Flug. Wir schliefen meistens erstmal aus, da das Seminar aufgrund der Zeitverschiebung für uns erst um 12 Uhr startete und bis 19 Uhr ging. Anschließend frühstückten wir gemeinsam und dann es ging an die Laptops. Meisten saßen Lilly und Nila vor einem Gerät und auch Mia und ich teilten uns eins. Dass das Seminar nur digital stattfand, war für unsere Seminargruppe (genannt „Homezone“) super schade, da wir uns gerne in Präsens wiedergesehen hätten. Es war nämlich die gleiche Gruppe wie beim Vorbereitungsseminar und wir haben uns schon da super verstanden.

Unsere Homezone 2 mit unserem Trainer Qassem. ❤️

Unsere Homezone ist dabei eine kleine Besonderheit, da die meisten „Homezones“ Freiwillige aus ein oder zwei Ländern umfassen, während die Freiwilligen unserer Homezone in fünf Ländern eingesetzt sind: In Ägypten, Tunesien, Aserbaidschan, der Türkei und Armenien. Bei 14 Freiwilligen, von denen schon alleine fünf in Armenien leben, sind das ziemlich viele Länder. Trotzdem war es schön, die Anderen auf dem Bildschirm zu sehen und sich mit ihnen über ihre und unsere Erfahrungen austauschen zu können. Besonders wertvoll war das für mich bei der Arbeit zu den länderspezifischen Themen, also in unserem Fall zur Lage im Südkaukasus und dem Bergkarabach-Konflikt, wo wir Armenien-Freiwillige mit den drei Aserbaidschan-Freiwilligen zusammengearbeitet haben. Wir haben uns über die Darstellung des Konflikts in unseren jeweiligen Ländern unterhalten können und viel dazugelernt. Dazu später mehr.

Auch die Themen „Rassismus im Bildungssystem“ und „weiße Privilegien“ wurden im Seminar behandelt und ich habe außerdem an einem Workshop zur Unterrichtsgestaltung von Deutsch als Fremdsprache teilgenommen. Natürlich blieb auch Raum zur Reflexion unseres bisherigen Freiwilligendienstes und unsere Trainerin* Hanna hat das Seminar unterhaltsam gestaltet und unseren Wünschen angepasst. Abwechslungsreich war auch der Ausflug ins Georgische Nationalmuseum am Mittwochnachmittag. Allerdings hat mir im Museum selbst ein Abriss der georgischen Landesgeschichte gefehlt, da es eher aus vier Sonderausstellungen zur Evolution des Menschen, Flora und Fauna im Kaukasus, Schätze eines Sammlers (dessen Namen ich leider vergessen habe) und Georgiens Zeit unter der Sowjetherrschaft bestand. Trotz allem war das Seminar insgesamt gut, aber nicht mit dem Vorbereitungsseminar in Präsens zu vergleichen.

Die Seminarzeiten hatten zur Folge, dass wir immer erst abends ins Stadtzentrum von Tbilissi fahren konnten, was wir aber dafür auch jeden Abend taten. Dort trafen wir uns meistens mit den Georgien-Freiwilligen und gingen zusammen essen sowie im Anschluss in eine Bar. Besonders schön war der letzte Abend, der Freitagabend, wo wir uns nach dem Seminar bei Johannes, Ines und Hannah in der Wohnung getroffen haben. Dort haben wir Pizza gebacken (oder zumindest ein paar von uns, da wir mit zwölf Leuten ansonsten ein ziemliches Chaos veranstaltet hätten), „Werwolf“ gespielt und ganz viel gequatscht. Es war ein entspannter Abend mit Freunden, den wir alle sehr genossen haben, bevor es dann ans Verabschieden ging.

Ein paar von ihnen haben wir am nächsten Tag beim Mittagessen noch gesehen, doch dem Großteil mussten wir schon da „Tschüss“ sagen. Es hat sich komisch angefühlt, nach der Woche, in der wir uns nahezu täglich gesehen haben, plötzlich zurück in ein anderes Land zu müssen. Aber es ist nur für eine kurze Zeit, da Nila, Lilly und ich planen, über Weihnachten wieder in Tbilissi zu sein (Samuel und Mia fliegen in der Zeit nach Deutschland).

Ein besonderes Highlight war auch das eben schon angesprochene Mittagessen: Nicht nur wir Armenien-Freiwillige hatten uns nämlich auf der Weg nach Georgien gemacht, sondern auch die Aserbaidschan-Freiwilligen, die sich am Samstag, also unserem Abreisetag, in den Flieger gesetzt hatten. Sie mussten fliegen, da der Landweg zwischen Aserbaidschan und Georgien seit ein paar Jahren geschlossen ist. Aber so hatten wir immerhin die Möglichkeit, uns doch noch kurz zu sehen. Es hat sich ein bisschen surreal angefühlt, Eva, Janek und Simon in die Arme schließen zu können, nachdem wir sie die letzten vier Tage nur auf dem Bildschirm gesehen hatten.

Doch es war sehr schön und wir waren uns alle einig, dass wir uns nun noch mehr auf Silvester freuen. Da treffen wir uns nämlich mit allen aus unserer Homezone, die Zeit und Lust haben, um gemeinsam in Istanbul ins neue Jahr zu feiern. Dieser Plan ist auf dem Vorbereitungsseminar am Werbellinsee entstanden und mittlerweile sind die Flüge gebucht. Nach dem Essen, bei dem auch ein paar Georgien-Freiwillige dabei waren, hieß es dann aber auch schon wieder Abschiednehmen und auf zum Shuttle nach Armenien. Die Zeit in Tbilissi war wirklich schön und es sich gelohnt hat, rüber zu fahren.

Die Rückfahrt verlief genauso ereignislos wie die Hinfahrt und das Passieren der Grenze(n) war nichts Aufregendes mehr. Lediglich eine Sache habe ich zu berichten: Dieses Mal habe ich stärker als beim letzten Mal auf das Grenzgebiet zu Aserbaidschan geachtet und mir ist tatsächlich etwas aufgefallen. Die Grenze ist durch einen hohen Stacheldrahtzaun gekennzeichnet und dort, wo wir entlang gefahren sind, verläuft sie in einem Tal. Auf beiden Seiten der Grenze gibt es in regelmäßigen Abständen oben auf den Hügeln Grenzposten, also kleine Hütten. Im Dämmerlicht der Abendsonne konnte ich neben den Hütten auf beiden Seiten jeweils zwei Soldaten stehen sehen. Sie stehen sich dort also direkt gegenüber. Und das vermutlich täglich. Dieser Gedanke hat in mir ein mulmiges Gefühl ausgelöst. Vor allem mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der Bergkarabach-Konflikt und damit der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien keinesfalls für immer beendet ist, sondern lediglich auf Eis liegt.

Beim Seminar haben wir viel über die Hintergründe gelernt und diese reichen weit zurück, sind tief in der Geschichte beider Länder verankert und mit so viel persönlichem, aber auch Volkstrauma verbunden, dass Frieden für immer in dieser Region für mich aktuell nur schwer vorstellbar ist. Die Menschen leiden, auch wenn derzeit kein offener militärischer Konflikt herrscht. Hinzukommt, dass es bei diesem Konflikt nicht nur Armenien und Aserbaidschan geht, sondern dass weitere Länder großen Einfluss haben. Doch darauf näher einzugehen, würde hier zu weit führen, zumal ich keine Expertin in diesem Thema bin. Ich kann lediglich wiedergeben, was mir Menschen hier erzählen oder was ich mir an Wissen angelesen habe.

Prägend ist für mich neben den persönlichen Erzählungen und Schicksalen bei diesem Thema auch, dass ich vorher nur wenig darüber wusste. Der Kaukasus war leider einer von viel zu vielen „blinden Flecken“ auf meiner Weltkarte, was sich durch mein Leben hier verändert hat. Der Bergkarabach-Konflikt war in den deutschen Medien zwar präsent, aber nicht in der Tiefe, die es eigentlich (wie so oft) gebraucht hätte. Meine Erfahrungen hier regen mich zum Nachdenken an, wie viele „blinde Flecken“ ich wohl noch habe. Es müssen viele sein. Natürlich kann niemand alles wissen, besonders nicht im Hinblick auf all die zahlreichen Konflikte weltweit. Doch vielleicht würde es uns allen gut tun, einmal mehr über den eigenen Tellerrand  in andere Weltregionen zu gucken. Beispielsweise auf den Bürgerkrieg im Sudan oder den Militärputsch im Niger letztes Jahr.

Mit diesem schweren Thema möchte ich euch aber nicht entlassen, sondern das schöne Gefühl vom Anfang meines Beitrags wieder hervorrufen. Wir lesen tagtäglich so viele schlimme Nachrichten aus aller Welt, dass das manchmal zum Verzweifeln sein kann. Denkt also jetzt bitte einmal an eure Liebsten und an all die Marmeladenglasmomente mit ihnen. Für mich war der letzte Abend unserer Woche in Tbilissi ein solcher Marmeladenglasmoment. Ich habe mich super wohl und von Freunden umgeben gefühlt. Die Zeit ist nur so gerannt und es war schon drei Uhr nachts, als wir uns auf den Heimweg gemacht haben. Freunde und Familie zu haben, ist unglaublich wertvoll und ich bin für jeden einzelnen von euch dankbar. Seid euch sicher, dass ich an euch denke. Und ihr tut es auch, wenn ihr diesen Blog hier lest. 😉

Auf den nächsten Beitrag dürft ihr übrigens gespannt sein, denn da wird es darum gehen, was wir nach unserer Rückkehr in Armenien erlebt haben. Es gab nämlich einen ganz bestimmten Grund, warum wir bereits am Samstag zurückgereist sind und nicht erst am Sonntag. Also:

Bis bald! 😊

 

Tage in Tbilissi – Eine Stadt zum Verlieben

Hallo zusammen! 🙂

Wie versprochen geht es hier jetzt weiter mit meinem Bericht über unsere Zeit in Tbilissi. Dabei möchte ich heute gerne mehr über die Stadt erzählen und dazu starte ich am besten mit dem Sonntag, unserem zweiten Tag hier:

Einfach der Nase nach liefen wir zu viert ein bisschen durch Tbilissi und stöberten durch Läden. Dabei fielen uns immer wieder EU-Flaggen und russlandkritische Statements auf, die hier überall zu sehen sind. Uns hat besonders überrascht, dass sogar am Parlamentsgebäude eine EU-Flagge weht. Bei einer Free-Walking-Tour tags darauf (ihr wisst ja seit meinem Beitrag über Yerewan, was das ist 😉) erzählte uns unser Guide, dass Georgien zur EU gehören wolle und dass das auch für die Regierungspartei, den „Georgischen Traum“, gelte. Diese wird in unseren Medien immer als „russlandfreundlich“ bezeichnet und so hat es mich doch etwas überrascht, dass der Beitritt in die EU hier scheinbar ein parteiübergreifendes Ziel ist (Georgien ist seit Ende November 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat).

Auch im Fahrstuhl unseres Hochhauses konnten wir politische Statements entdecken: Putin-kritisch. Das scheint nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass 22% der georgischen Landesfläche seit dem Ende des Kaukasuskrieges vor 16 Jahren von Russland besetzt werden. Die Regionen Südossetien und Abchasien werden von Russland als unabhängig anerkannt und dort sind viele russische Soldaten stationiert. Dagegen gibt es hier immer wieder Proteste.

Doch genug von der politischen Lage hier in Georgien (auch wenn ich euch empfehlen würde, sich da mal etwas reinzulesen), denn wir entdeckten auf unserem Spaziergang durch Tbilissi schließlich eine Seilbahn. Das Gebäude samt Seilbahn war erst wenige Wochen zuvor eröffnet worden und wir nutzen unsere Chance. Wir fuhren hoch und wurden mit einem fantastischen Ausblick über Tbilissi belohnt. Aber ich denke, ich lasse die Bilder einfach für sich sprechen:

Für den nächsten Tag hatten wir uns dann die Free-Walking-Tour gebucht und ausgeruht ging es drei Stunden durch Tbilissi. Ich fand es wirklich beeindruckend, mit welcher Vielfalt sich die Stadt präsentiert hat und wie schön sie ist. Mit 1,25 Millionen Einwohnern ist Tbilissi nur wenig größer als Yerewan, aber Armeniens Hauptstadt ist im Vergleich ein ganzes Stück konservativer und dementsprechend auch weniger divers. Ich möchte die beiden Hauptstädte eigentlich gar nicht so sehr miteinander vergleichen, aber Tbilissi war für mich sehr schnell sehr viel vertrauter als Yerewan. Armenien ist ein in weiten Teilen sehr armes Land und es war für mich sehr überraschend, dass zwischen hier und dort trotz der geringen Entfernung so große Unterschiede liegen.

Tbilissi hat mich aber auf jeden Fall überzeugt und bekommt von mir eine dicke Empfehlung. Von „Old Tbilissi“ mit seinen engen Gassen über die Rustaveli Avenue mit den vielen Geschäften, Bars, Restaurants und Cafés bis hin zu den Seilbahnen mit grandiosen Ausblicken: Tbilissi hat mit seinem Facettenreichtum für jeden was zu bieten. Falls ihr also mal in den Kaukasus kommt, ist Georgiens Hauptstadt einen Besuch wert.

Und damit soll es das für heute gewesen sein. Es fiel mir irgendwie schwer, Tbilissi mit Worten greifbar zu machen, und so möchte ich lieber die Bilder sprechen lassen.

Bis bald! 🙂

Tage in Tbilissi – Reise ins Nachbarland

Hallo zusammen! 😊

Macht euch auf einen kleine Serie aus Blogeinträgen gefasst, die die nächsten Tage kommen wird. Es steht nämlich das erste von zwei digitalen Zwischenseminaren an und dafür sind wir Armenien-Freiwillige rüber nach Tbilissi (oder auch Tiflis) gefahren. Und da will ich euch natürlich dabei mitnehmen, was wir dort so alles erlebt haben.

Angefangen hat alles am Freitag, wo es für mich Rucksack packen und auf nach Yerewan hieß, damit wir am nächsten Tag pünktlich um sieben Uhr am Shuttlepunkt sein konnten. Im Morgengrauen ging es dann also erst durch das noch schlafende Yerewan und dann am Sevansee vorbei nach Norden.

Auf unserer Fahrt waren wir dabei laut Google Maps sogar kurz im offiziellen Staatsgebiet von Aserbeidschan. Das hat man aber nicht gemerkt, da so nun mal der Verlauf der Straße war und die eigentliche Grenze, die geschlossen ist, einige Kilometer weiter nördlich liegt. Trotzdem war es ein komisches Gefühl, dem Nachbarland so nah und doch so fern zu sein. Weiter mit dem Ungewohnten ging es dann an der armenisch-georgischen Grenze: Diese war zweigeteilt. Wir mussten erst im armenischen Teil ausreisen und dann im georgischen Teil nach Georgien einreisen. Zwei neue Stempel im Reisepass und einige Wartezeit später waren wir dann drüben.

Wir kamen um 12:30 Uhr am Endpunkt unserer Shuttelreise und dem Startpunkt unserer Woche in Tbilissi an. Auf den ersten Blick war der Unterschied zu Yerewan nicht allzu groß (auf den zweiten schon, aber dazu später mehr 🤫). Nachdem wir uns mit einem Shaurma  gestärkt hatten, haben wir uns SIM-Karten besorgt. Was mir früher Sorgen bereitet hätte, fällt mir mittlerweile super leicht. Wir wissen, worauf wir achten sollten, und haben auch im SIM-Karte-Wechseln Erfahrung. Es hat sich bei mir eine neue Art der Gelassenheit eingestellt, was alles Ungewohnte betrifft. Ich denke, dass das vor allem daran liegt, dass ich hier schon durch so viele neue und teilweise auch schwierige Situationen musste. Dadurch habe ich immer wieder die (schöne und wertvolle) Erfahrung gemacht, dass es immer eine Lösung gibt. Das gibt mir ganz neues Selbstvertrauen und ich wachse daran.

Auch für die Metro wollten wir uns über die beste Option für die sieben Tage informieren, aber sind an der Sprachbarriere gescheitert. Während die wenigen Armenisch-Kenntnisse von Samuel, Mia und mir gänzlich nutzlos waren, kamen auch Nila und Lilly mit Russisch nicht sehr weit. Abgesehen von der Frau hinterm Schalter sprechen die Menschen hier in Tbilissi ansonsten aber häufiger und besser Englisch als wir es aus Armenien gewohnt sind. Naja, wir haben es dann trotzdem geschafft und uns Metro-Karten für eine Woche besorgt. Für sieben Tage mit zwanzig Fahrten pro Tag zahlen wir 20 Lira, also knapp sieben Euro, pro Person und es gilt nicht nur für die Metro (U-Bahn), sondern auch für die Busse.

Also ging es mit der Metro zu unserem Apartment und wir wurden positiv überrascht: Im 11. Stock eines relativ neuen Hochhauses fanden wir ein Appartment vor, was tatsächlich den Bildern von Airbnb entsprach und mit drei Schlafzimmern, einem großen Wohnzimmer und einer eben so großen Küche genug Platz für uns fünf bietet. Besonders für das Zwischenseminar ist es uns wichtig gewesen, genug Platz und Rückzugsmöglichkeiten zu haben, da wir von Dienstag bis Freitag von 12-19 Uhr armenisch/georgischer Zeit für das Seminar vor unseren Laptops sitzen werden. Doch erstmal ging es raus, Tbilissi erkunden.

Unser Ausblick.

Unser Wohnzimmer.

Wir. 😁

Abends haben wir uns dann nämlich mit den anderen kulturweit-Freiwilligen getroffen, die zurzeit hier in Tbilissi sind. Mit zehn Personen waren wir eine ganz schön große Gruppe und konnten richtig gut Georgisch essen. Das bedeutet, dass einmal das Menü rauf und runter bestellt wird und man sich dann das Essen mit allen zusammen teilt. Einiges von dem Essen kannten wir schon aus Armenien (wo das Essen dann natürlich „typisch armenisch“ ist), aber ein paar Dinge waren doch neu. Die Leiterin des YIC aus Gyumri hatte mir schon im Vorfeld erklärt, dass Georgier, Armenier und teilweise auch Türken sich beim Thema „Essen“ häufig darum streiten, wo es ursprünglich herstammt.

Uns war das ganz egal, denn geschmeckt hat es so oder so. Auch das Restaurant war wirklich gemütlich und die Stimmung am Tisch hätte nicht besser sein können. Es gab viel zu erzählen und Wein zu trinken. Wir haben unsere bisherigen Erfahrungen ausgetauscht und konnten feststellen, dass die Einsatzstellen und nicht das Land den größten Unterschied ausmachen. Im Wesentlichen haben wir jedoch alle ganz ähnliche Dinge erlebt und konnten viele unserer eigenen Erlebnisse in den Erfahrungen der Anderen wiedererkennen.

Zum Thema „Essen“ (natürlich mit Fokus auf „armenischem“ Essen) kommt irgendwann auch noch ein Beitrag. Nur leider vergesse ich einerseits oft, Fotos zu machen, und kann mir andererseits die Namen nur schlecht merken. Außerdem essen wir häufig auch nicht landestypisch, sondern es gibt Allerwelts-Essen wie Pizza oder Burger mit Pommes. 😂

Trotzdem werde ich mich bemühen, genug Material für so einen Beitrag zu sammeln, versprochen!

Aber jetzt erstmal zurück zu Samstagabend: Nach dem Essen war nämlich noch nicht Feierabend, sondern wir sind weiter in eine Bar gezogen. Das war sehr konträr zu dem, was wir aus Armenien gewohnt waren, da der Club sehr liberal und LGBTQ-freundlich war. Ich will nicht sagen, dass es in Armenien nicht auch solche Orte gibt, aber ich habe sie so dort noch nicht gesehen. Generell ist Georgien oder zumindest Tbilissi sehr viel diverser als Armenien. Ich gehe hier vollkommen in der Masse unter und falle nicht als „Europäerin“ auf. In Gyumri kann ich davon nur träumen und auch in Yerewan ist es im Vergleich schwieriger. Generell sind uns Armenien-Freiwilligen massive Unterschiede zwischen Tbilissi und Yerewan aufgefallen, auf die ich aber erst im nächsten Beitrag ausführlich eingehen möchte.

In der Bar haben wir dann Cocktails getrunken und getanzt. Außerdem haben wir die Mitbewohnerin von Sophie (einer Georgien-Freiwilligen, liebe Grüße 😊) kennengelernt, die gerade mit Erasmus hier ist. Sie hat uns erzählt, dass es hier super viele Erasmus-Studenten gibt und dass allein an ihrer Uni knapp dreißig sind. Ganz so viele kulturweit-Georgien-Freiwillige gibt es nicht, aber mit sieben in Tbilissi und drei weiteren im Land sind sie doppelt so viele wie wir in Armenien.

Nach der Bar ging es weiter in einen Club und schließlich ins Bett. Der lange Tag machte sich bemerkbar und so schliefen wir am nächsten Tag richtig aus.

Damit war auch der erste Tag geschafft und bevor das hier wieder ein endlos langer Beitrag wird, schließe ich mit ein paar weiteren Eindrücken. Im zweiten Teil erzählen ich euch dann von den weiteren Tagen und der Free-Walking-Tour, die wir gemacht haben.

Bis bald! 🙂

„Abenteuer Armenien“ – Alles kommt anders

Hallo zusammen! 😊

Ich hatte ja im letzten Eintrag schon anklingen lassen, dass einiges Unerwartetes passiert ist, und heute möchte ich passend zum Meilenstein der ersten zwei Monaten hier (krass!) etwas auf die größten Überraschungen zurückblicken:

Meine Mitbewohnerin.

Sie war die erste Überraschung noch vor meiner Ankunft hier. Wir haben uns kurz vor dem Vorbereitungsseminar das erste Mal live und in Farbe gesehen und kennengelernt. Natürlich ist es super aufregend, mit jemandem zusammenzuziehen, den man nicht kennt. Und dann auch noch gleich in einem fremden Land. Nervenaufreibender ist da nur, wenn sie sich nach drei Wochen aus gesundheitlichen Gründen dazu entschließt, ihren Freiwilligendienst abzubrechen. Auch wenn es natürlich super schade ist, war es für sie definitiv die richtige Entscheidung. Am 7. Oktober ging ihr Flug zurück nach Deutschland. Plötzlich stand ich alleine da. Die anderen Freiwilligen sind zwar auch noch hier, aber eben nicht in Gyumri. Doch wenn ich ehrlich bin, waren die Tage der Unsicherheit, wo nicht klar war, ob sie bleibt oder geht, noch schlimmer. Sobald die Entscheidung gefallen war, konnte ich mich nämlich wegen der Wohnung, des Sprachkurses und so weiter kümmern. Ich hatte Planungssicherheit, was sich für mich als unfassbar wertvoll herausgestellt hat. Ich habe mich mit meinem Vermieter getroffen, der mir bei der Miete entgegen gekommen ist, sodass ich in der Wohnung bleiben kann. Damit fiel ein großer Stressfaktor weg, da ich mich in der Wohngegend und der Wohnung selbst super wohl fühle und so nicht nach einer neuen Wohnung suchen, geschweige denn umziehen musste. Dennoch bedeutete diese „Überraschung“ eine weitere:

Alleine wohnen.

Ich lebe in meiner Wohnung jetzt alleine und werde wohl auch keine neue Mitbewohnerin oder Mitbewohner bekommen. Das bedeutet, dass ich mich alleine versorgen muss: Einkaufen, Wäsche waschen, putzen, kochen, abwaschen. Gerade die Essensplanung und der Wocheneinkauf gehen mir ganz schön auf den Zeiger. Da wird einem erst richtig bewusst, wie viel die Eltern Zuhause im Haushalt eigentlich machen. Vor dem Kochen hatte ich erst große Sorge, aber es ist tatsächlich nicht so schlimm wie befürchtete und bis jetzt hat es fast immer geschmeckt. Außer das eine Mal, wo ich ausversehen anstatt saurer Sahne Schlagsahne gekauft und in meinen Auflauf gehauen habe. Das ist das Lehrgeld, was man zahlen muss, wenn man in einem Land lebt, in dem man die Sprache nicht lesen kann und die Supermarkt-Mitarbeitenden meistens auch nicht sehr hilfreich sind. Dennoch grenzt es fast an ein Wunder, dass das das (bisher) einzige Mal war, wo ich etwas Falsches eingekauft habe. Genauso wie es an ein Wunder grenzt, dass die Gerichte in meinem Backofen tatsächlich klappen. Angeblich soll er 300 Grad können, aber wenn ihr mich fragt, schafft er maximal 110. Naja, Kochen läuft aktuell wirklich gut, also will ich mich nicht beschweren.

Der Übeltäter.

Wobei ich dabei doch ein Problem habe: Portionsgrößen einschätzen. Meistens will ich nämlich gleich für mehrere Tage kochen, aber mir fehlt einfach noch das Gespür dafür, wie viel ich dann kochen muss. Als ich letztes Wochenende abends aus Yerewan zurück war und eine Käse-Hack-Lauch-Pfanne gekocht habe, habe ich viel zu viel gekocht:

Das ist so viel zu viel für mich alleine gewesen (wenn ich nicht fünf Tage in Folge das Gleiche hätte essen wollen), dass ich spontan meinen russischen Nachbarn abgefangen und ihm etwas abgegeben habe. Er hat sich sehr gefreut und wir haben noch nett miteinander geplaudert. Was lernen wir daraus? 1. Wenn etwas nicht wie geplant läuft, versuchen, das Beste daraus zu machen. Im Zweifelsfall kann man jemand Anderem eine Freude machen. Und 2.: Das halbe Rezept hätte auch locker gereicht. Er hat sich ein paar Tage später übrigens mit Gebäck revanchiert, als er mir die Tupperdose zurückgebracht hat. Und er meinte, dass er vermutlich verhungert wäre, wenn ich ihn an dem Abend nichts abgegeben hätte. 😂

Hobbys.

Auch was meine Freizeitaktivitäten hier in Gyumri angeht, musste ich kreativ werden: Ich hatte mich im Vorfeld auf Instagram umgeschaut und zwei Accounts eines „Basketball-Clubs Gyumri“ entdeckt. Kaum hier angekommen musste ich allerdings feststellen, dass absolut niemand irgendetwas von einem Basketball-Club wusste. Ich habe rumgefragt, aber anscheinend gibt es den einfach nicht. Schwer enttäuscht musste ich mich nach Alternativen umgucken und das Einzige, was ich gefunden habe, war Yoga. Also heißt es jetzt für mich ein- bis zweimal die Woche: „Enjoy your pain with a smile!“ Diesen Satz sagt der Yoga-Guru so regelmäßig zu mir, dass ich mich mittlerweile echt frage, wie ich wohl gucken muss. Ich habe Yoga trotz der Erfahrungsberichte meiner Mutter vollkommen unterschätzt. Es ist sehr viel anstrengender als erwartet und ich lerne durch die Schmerzen Muskeln kennen, von deren Existenz ich bisher nicht wusste. Ich komme überraschend häufig an die Grenzen meiner Kraft und kann den „Entspannungsteil“ meistens kaum erwarten.

Auch in die Gruppe werde ich mehr und mehr integriert und neben dem Yoga-Guru übersetzen auch immer mal wieder einige der Frauen (bisher waren die Teilnehmenden immer nur Frauen) für mich, da meine Armenischkenntnisse immer noch sehr zu wünschen übrig lassen. Auch nach den Stunden unterhalten sich immer mal wieder einige mit mir und ich fühle mich in der Gruppe langsam angekommen.

Ebenso wie das Yoga ist auch der Kauf einer Gitarre nicht geplant gewesen: Ich hatte meine Geige bewusst in Deutschland zurückgelassen, doch musste hier schon nach kurzer Zeit feststellen, dass es mir unglaublich fehlt, Musik zu machen. Und so bin ich in das einzige Musikgeschäft hier in Gyumri gestiefelt und habe mir eine Akustik-Gitarre gekauft. Das Gitarre spielen lerne ich mithilfe eines Online-Kurses und  freue mich schon sehr, bei meiner Rückkehr nach Hause vielleicht das ein oder andere Lied vorspielen zu können. 😊

Die Arbeit.

Ich weiß nicht, wie ich mir meine Arbeit vorgestellt habe, aber ich habe sicherlich nicht damit gerechnet, dass ich so viele Freiheiten habe. Während ich im Unterricht selbst weniger Gestaltungsmöglichkeiten als erwartet habe, kann mir ansonsten mehr oder weniger aussuchen, was ich den Tag über machen möchte und wann ich eine Pause brauche. Das ist super praktisch, da ich so die Dinge machen kann, die gerade dringend anstehen (z.B. Tests korrigieren) oder die mir am meisten Spaß machen (z.B. im Unterricht bei meiner Lieblings-Neunten-Klasse dabei sein). Außerdem stehen immer wieder Projekte an und so habe ich vorletzte Woche mit Nila gemeinsam zum „Tag der deutschen Sprache“ einen Workshop geleitet. Auch sonst bin ich ziemlich frei in dem, wobei ich mitmache oder was ich auslasse. Dazu zählt auch das „Ukraine-Projekt“, wo ich unter keinerlei Zwang oder Druck stehe (zumindest nicht von außen). Wichtig ist vor allem das „proaktive Denken und Handeln“: Wenn ich eine Idee habe oder etwas unbedingt machen möchte, muss ich selbst die Initiative ergreifen und mich kümmern. Das klappt bisher wirklich  gut und fällt mir erstaunlich leicht.

Freunde finden.

Ich glaube, das war das, wo ich mich am meisten „verschätzt“ habe. Die anderen Armenien-Freiwilligen hatte ich per Face-Time und dann auf dem Vorbereitungsseminar schon vorab kennengelernt, aber ich habe die Entfernung nach Yerewan unterschätzt. Wie im letzten Eintrag bereits geschrieben waren es vielleicht auch meine Kapazitäten. Allein in Gyumri und „so weit weg“ von den Anderen zu sein, war am Anfang sehr herausfordernd und ist es manchmal immer noch. Aber ich habe mir selbst Zeit gegeben und auch hier Menschen kennengelernt. So habe ich eine Freundin aus Dilijan gefunden und mich auch mit dem Russen aus dem Shuttle mit dem platten Reifen nochmal getroffen und nett gequatscht. Dazu kommen ganz frisch zwei andere Freiwillige aus dem YCI: Der eine heißt Marc und ist US-Amerikaner, während der andere aus Frankreich kommt. Ich war zur Halloween-Feier im YCI und habe mich sofort prima mit den beiden verstanden. Umso schöner, dass ich plane, bald regelmäßig dort zu sein und etwas mit den Jugendlichen zu machen. Außer den beiden „ausländischen“ Freiwilligen arbeiten dort auch viele armenische Freiwillige und ich bin sehr gespannt, auch sie näher kennenzulernen. Das YCI ist wirklich ein besonderer Ort voller Leben und Freude und ich freue mich sehr darauf, in Zukunft ein Teil davon zu sein.

Heimweh und Kontakt nach Hause.

Zum Schluss wird es noch einmal sehr persönlich und hierzu kommt irgendwann auch noch ein eigener Beitrag. Aber es hier nicht zumindest zu erwähnen, wäre falsch: Es ist diese bittersüße Mischung aus Vermissen und Verbundenheit, die mein stetiger Begleiter ist. Man lernt erst richtig zu schätzen, was und vor allem wen man Zuhause eigentlich hat, wenn man hunderte Kilometer davon entfernt ist. Ich telefoniere oft mit meinen Eltern und auch mit vielen Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern stehe ich in Kontakt. Für mich ist es unfassbar wertvoll zu wissen, dass so viele Menschen an mich denken und ihr durch Telefonate, Nachrichten oder das Lesen von diesem Blog Teil meiner Reise sein könnt. Ich genieße die Zeit hier und würde nirgendwo anders sein wollen, da die Zeit hier wirklich einmalig und ganz besonders ist. Dennoch trage ich euch jeden Tag in meinem Herzen bei mir und freue mich bei all dem Schönen, was ich hier erleben darf, gleichzeitig darauf, euch alle wiederzusehen und endlich wieder in die Arme schließen zu können. ❤️

Mit diesem schönen Gedanken soll es das für heute auch schon wieder gewesen sein und ich melde mich demnächst wieder.

Bis bald! 🙂

Letztes Wochenende – Von Wandern, Live-Musik und Beten

Hallo zusammen! 😊

Es gibt so vieles, was ich hier schon gelernt habe und noch lernen werde. Dabei habe ich für mich festgestellt, wie schwer es eigentlich ist, zu wissen, was einem gut tut und was man gerade braucht. Auf sich selbst zu hören ist manchmal ziemlich schwer, vor allem wenn die Menschen um einen herum ganz andere Bedürfnisse haben. Deswegen verbuche ich letztes Wochenende als vollen Erfolg:

Letzten Freitag bin ich mittags nach einem Besuch im „Youth Initiative Centre Gyumri“ (YCI) ins Wochenende gestartet. Kurz noch nach Hause und dann ging es zum Shuttle nach Yerewan.  Doch selbstverständlich konnten mich meine armenischen Nachbarn von der anderen Straßenseite nicht einfach so gehen lassen: Als ich die Tür hinter mir ins Schloss habe fallen lasse, haben mir die Herren von gegenüber schon herzlich zugewunken und mich gegrüßt. Nachdem ich ihre Blicke kurz nach dem Einzug eher als misstrauisch interpretiert habe, ist davon nun nichts mehr zu spüren. Ich freue mich mittlerweile sie zu sehen und bekomme immer ein Lächeln und ein „barevzez“ („Hallo, Sie!“) zurück. Mit guter Laune ging es also ganz entspannt nach Yerewan. Auf der Fahrt konnte ich ab ungefähr der Hälfte der Strecke den Ararat bewundern. Das ist der heilige Berg der Armenier, der aber sehr zu ihrem Missfallen heute zur Türkei gehört. Inzwischen kann ich richtig nachvollziehen, warum das hier so ein großes Thema ist. Der Berg hat nämlich wirklich etwas Magisches an sich und ist schon von weit weg gut zu sehen.

Ich war schon etwas früher nach Yerewan gefahren, als die Yerewan-Mädels Zeit hatten, und so konnte ich noch ein bisschen bummeln. Erst ging´s mit der Metro für 100 Dram zum Republic Square und dann zu den Kaskaden. Hier waren wir schon bei der Free-Walking-Tour gewesen, doch waren wir nicht nach oben gegangen. Die anderen Freiwilligen hatten das später schon erledigt und so war es der ideale Zeitpunkt für mich, dieses Erlebnis nachzuholen. All die Stufen nach oben zu laufen (Wikipedia sagt, dass es 572 Stufen sind), war wirklich anstrengend und ich habe mir geschworen, wieder mehr Sport zu machen (wobei es sich als relativ schwierig gestaltet, eine gute Möglichkeit in Gyumri zu finden). Doch ich wurde belohnt: Die Aussicht über Yerewan war echt beeindruckend und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Sonnenuntergang hat dem Ausblick die perfekte goldene Farbe verliehen.

Zu den Kaskaden lässt sich noch sagen, dass sie als Verbindung des Siegesparks (Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im 2. Weltkrieg) und der Innenstadt dienen. Oben befindet sich außerdem ein Denkmal zum 40. Jahrestag der Sowjetunion. Insgesamt umfassen die Kaskaden fünf Hangterrassen und sind ohne das Denkmal 302 m hoch. Zu Sowjetzeiten errichtet wurden sie bei dessen Zerfall nie vollendet, da das Geld fehlte.

Trotzdem hat sich der Besuch wirklich gelohnt und ist definitiv empfehlenswert. Für alle die nicht gerne Treppen laufen: Im Inneren gibt es laut meinen Mitfreiwilligen auch eine Rolltreppe. 😁

Anschließend habe ich Lilly und Nila von ihrem Sprachkurs abgeholt und wir haben für Lilly eine Winterjacke geshoppt. Danach ging es zur „Ararat Taverne“, wo wir Mia, ihre Mutter und deren Lebensgefährten getroffen haben, die gerade aus Deutschland zu Besuch sind. Die „Ararat Taverne“ ist ein armenisches Restaurant mit Live-Musik, das bei Armerinnen und Armeniern besonders für Familientreffen und Geburtstagsfeiern beliebt ist. Wir hatten den Platz an der Sonne erwischt und saßen direkt bei den Musikern. Die traditionell-armenischen Instrumente in Aktion zu erleben und authentische armenische Volksmusik zu hören, waren definitiv eine Erfahrung. Das Essen war lecker und die Stimmung so ausgelassen, dass immer wieder Menschen anfingen, zu tanzen. Das Highlight war dabei, als ein Kellner sich eine Platte voller Essen schnappte und samt Platte um den Tisch tanzte.

Anschließend ging es noch in die Lieblings-Bar der Yerewan-Mädels, die „Shame-Bar“. Auch hier gab es wieder Live-Musik: Zuerst spielte ein Musiker Gitarre und anschließend setzte sich noch ein älterer Herr ans Klavier. Beim UNO-Spielen genossen wir die Musik und Cocktails und ließen den Tag entspannt ausklingen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung ließ uns der Taxifahrer dann auch noch laut unsere Musik spielen und zu „Zeit, dass sich was dreht“ ging die Fahrt wie im Flug vorüber.

Am Samstag stand für mich Dilijan auf dem Programm. Die anderen Freiwilligen waren schon letztes Wochenende da gewesen, was für mich aber zu anstrengend geworden wäre. Ich habe eben schon angesprochen, dass ich hier schon einige Dinge lernen musste und das Haushalten mit den eigenen Kräften und Kapazitäten steht da ganz oben. Ich habe mich leider schon häufiger ausklinken müssen, weil es mir aktuell einfach nicht möglich ist, jedes Wochenende die Fahrt nach Yerewan auf mich zu nehmen. Es ist gerade einfach einer sehr anstrengende und aufregende, wenn auch schöne Zeit. Vieles ist immer noch neu und muss sich erst noch einpendeln. Da ist es umso wichtiger, auf mich selbst zu hören und das zu machen, was mir gerade gut tut. Auch wenn das bedeutet, mehr alleine zu machen und nicht bei Aktivitäten der Anderen dabei zu sein.

Außerdem kam dieses Wochenende dazu, dass Mia Besuch hatte, Samuel krank war und Lilly und Nila von der Arbeit aus zu tun hatten. Wer hier jetzt meine Mitbewohnerin Dana vermisst, dem muss ich leider mitteilen, dass sie bereits Anfang Dezember nach einem Monat hier in Armenien zurück nach Deutschland geflogen ist. Auslöser hierfür waren gesundheitliche Gründe. Das bedeutet, dass ich jetzt alleine hier in Gyumri bin und auch alleine wohne. Wie das so ist und was das für mich bedeutet, werde ich in einem späteren Eintrag noch ausführlicher beantworten.

Aber zurück zu meinem Ausflug: Ich hatte nach der Ruhe des letzten Wochenende die Energie, einen größeren Ausflug zu machen, und da Dilijan (oder auch Dilischan) im Herbst besonders schön sein soll, habe ich mich für dieses Ausflugsziel entschieden. Außerdem wohnt eine armenische Freundin von mir dort. Also ging es morgens mit dem Shuttle Richtung Norden. Vorbei am Sevansee habe ich endlich mal wieder Wald gesehen. Und der strahlte vor lauter bunter Herbstfarben nur so. In Dilijan angekommen wollte ich erstmal etwas wandern und wie es eben in Armenien so ist, war es ein Abenteuer. Die größte Herausforderung wartete gleich am Anfang: Den Startpunkt zu finden. Als ich der Meinung war, ungefähr dort zu sein, ging es an die nächste Challenge: Den Weg finden. Der „Wanderweg“ war nämlich viel mehr ein Pfad, nachdem ich auch zwischendurch immer wieder suchen musste.

Das waren übrigens die Markierungen, die leider nur in sehr unregelmäßigen Abständen aufgetaucht sind. 🙂

Alles in allem war es aber wirklich herrlich, mal wieder im Wald und ohne irgendwelche anderen Menschen zu sein. Die Stille und Natur haben meine Batterien wieder aufgeladen und entspannt (und von der vielen Steigung ein wenig außer Atmen) habe ich mich dann zurück in der Stadt in ein kleines Café gesetzt. Aufgewärmt und gestärkt ging es dann noch Dilijan erkunden und in ein Museum, bevor ich mich mit meiner Freundin getroffen habe.

Meine Freundin lud mich ein, mit ihr zu einem Treffen ihrer evangelischen Kirche zu kommen. Da ich neugierig war und Zeit hatte, kam ich mit. Dort wurde ich gleich ganz in typisch armenischer Manier mit Essen überhäuft und herzlich willkommen geheißen. Es waren tatsächlich auch zwei andere Deutsche da und eine bunte Zusammenkunft unterschiedlichster Menschen. Gemeinsam wurde gesungen und auf Russisch und Armenisch gebetet, wobei meine Freundin für mich auf Englisch übersetzte. Anschließend wurde in kleinen Gruppen für Personen gebetet, die es wollten. Hierbei bat mich einer der Deutschen zum Übersetzen hinzu. So bildeten wir eine Übersetzerkette, bei der ich seine Worte von Deutsch auf Englisch und meine Freundin für die Frau von Englisch auf Armenisch übersetzte. Insgesamt eine sehr ungewohnte, aber auch schöne Erfahrung, die mir wieder in Gedächtnis gerufen hat, wie sehr Glaube die Menschen verbinden und zusammenbringen kann.

Anschließend war es auch schon wieder Zeit für den Heimweg und so ging es erst mit dem Shuttle nach Yerewan, dann mit dem Bus zum anderen Shuttlepunkt und mit dem zweiten Shuttle nach Gyumri (es gibt leider keine Direktverbindung nach Gyumri). Dort lernte ich einen Mann aus Ghana kennen, der gerade in Gyumri Medizin studiert und anschließend Kinderarzt werden möchte. Wir unterhielten uns die Fahrt über miteinander und dem Taxifahrer, bis wir schließlich mitten in der Nacht Gyumri erreichten.

Am Sonntag hieß es schließlich ausschlafen, bis Mia und ihr Besuch in Gyumri ankamen. Als mittlerweile quasi „Einheimische“ zeigte ich ihnen die Stadt und wurde von ihnen im Gegenzug auf einen Kakao und einen Monchik im „Ponchik Monchik“ eingeladen.

Was mir danach noch passiert ist und was das mit meinen Kochkünsten zu tun hat, spare ich mir für meinen nächsten Eintrag zum „Alleine-Leben“ auf. Also seid gespannt! 😂

Bis bald! 😊

Alltagsmomente – Von „K“ wie „Kopfstoßen“ bis „T“ wie „Tanzen“

Hallo zusammen! 🙂

Heute gibt es noch eine Runde „Alltagsmomente“, da das Format prima ist, um über verschiedene Themen zu berichten und euch einen wirklich authentischen Einblick in mein Leben hier zu geben. Also losgeht´s:

„K“ wie „Kopfstoßen“

Alternativ hätte ich diesen Moment auch „A“ wie „Auslachen“ nennen können, aber das klang mir dann doch zu fies, weil es eher ein gemeinsames Lachen war. Ich bin gestern nämlich woanders und damit später in die Marschrutka zugestiegen und stand dementsprechend sehr nahe an der Tür. Hier befindet sich die einzige tiefhängende Stange mit Knick im ganzen Gefährt:

In auffälligem Gelb eigentlich gut zu sehen. 😂

Da ich ziemlich groß bin und Marschrutka-Fahrten manchmal etwas holpriger verlaufen, habe ich mir bei einer Bremsung volles Pfund des Kopf an besagter Stange gestoßen. Eine junge Frau, die mir gegenüber stand und das gesehen hatte, musste daraufhin loslachen. Für sie war das eine sehr surreale Situation, da die meisten Armenierinnen und Armenier deutliche kleiner sind als ich und sie sich niemals den Kopf hätte stoßen können. Wahrscheinlich hatte sie vorher auch noch nie drüber nachgedacht, dass das überhaupt passieren könnte. Jedenfalls musste ich auch lachen und wir haben uns auch danach immer wieder angegrinst. Mein Schmerz hatte also durchaus etwas Gutes.

„M“ wie „mein Markus“

Ich möchte es eigentlich vermeiden, mich über die Fehler meiner Schülerinnen und Schüler lustig zu machen, da ich vollstes Verständnis dafür habe, wie schwer es ist, eine neue Sprache zu lernen. Ich bin mehr als heilfroh, dass meine Armenisch-Lehrerin keinen Blog schreibt, in dem ich mit meinen ganzen Fehlern vorkommen könnte (ich hoffe zumindest, dass sie keinen Blog schreibt). Ich würde auf jeden Fall mehr als genug Material dafür liefern. Trotzdem kann ich es nicht lassen und möchte einen sehr „schönen“ Fehler eines Schülers hier anführen: Die Aufgabe war, Fragen unter der Nutzung von Possesivpronomen zu beantworten.  Eine der Fragen lautete: „Ist das der Roller von Markus?“ Die richtige Antwort wäre gewesen: „Ja, das ist sein Roller.“ Die Antwort eines Schülers lautete: „Ja, das ist mein Markus.“ Der Satz ist grammatikalisch korrekt, nur leider inhaltlich nicht die Antwort auf die Frage. Trotzdem hat es mich zum Lachen gebracht und für die grammatikalische Korrektheit gab´s immerhin einen halben Punkt.

„M“ wie „Milchshake“

Vor ein paar Tagen hatte ich nach der Schule richtig Lust auf einen Milchshake. Da ich jeden Nachmittag an einem Stand mit Milchshakes vorbeilaufe, habe ich beschlossen, mir einen mit Nutella und Banane zu holen. Die super liebe Verkäuferin fragte mich daraufhin nach meinem Namen und da mein Name hier nur Probleme bereitet, musste sie mehrfach nachfragen, bis sie ihn auf Armenisch auf den Becher schrieb. Vielleicht ist er richtig geschrieben. Ich glaube aber nicht. Anfang und Ende könnten hinkommen, aber in der Mitte meine ich mit meinen sehr eingeschränkten Buchstabenkenntnissen zu erkennen, dass etwas schiefgelaufen ist. Nichtsdestotrotz gab es ein süßes kleines Bild dazu, was ich euch nicht vorenthalten möchte:

Vielleicht mein Name auf Armenisch.

Da ich das Thema „Name“ gerade schon angeschnitten habe, hier noch ein kurzer Ausflug zu „N“ wie „Name“ oder wir bleiben einfach bei „M“ wie „mein Name“. Meine Schülerinnen und Schüler haben ein Problem mit dem „I“-Laut. Sie lernen den Buchstaben als „I“, aber in meinem Namen wird er nicht genau so, sondern dumpfer ausgesprochen. Auch meine Lehrerinnen mussten mehrfach nach der Aussprache fragen, bis es nicht mehr „ielka“, sondern „ilka“ war.  Ich habe kein Problem damit, wenn mein Name nicht hundertprozentig richtig ausgesprochen wird (im Wesentlichen ist er ja richtig), aber es hat mir das erste Mal bewusst gemacht, dass mein Name eigentlich gar nicht so wirklich gesprochen wie geschrieben wird. Wieder was gelernt! 😊

„P“ wie „Platten“

Was soll auch sonst auf meinem Weg von Jerewan zurück nach Gyumri passieren. Ich war letzten Freitag bei den Yerewan-Mädels zu Besuch, aber musste mich aufgrund einer fiesen Erkältung schon samstags wieder auf den Heimweg machen. Hierzu hatte ich mir ein GG-Shuttel gebucht, was so etwas wie ein Gruppentaxi ist und auf bestimmten Strecken regelmäßig für kleines Geld fährt. Also haben wir entspannt gefrühstückt, ehe ich mich mit dem Bus zum Abholungspunkt begeben habe. Hier habe ich gleich einen russischen Mitreisenden kennengelernt, der auch in Gyumri lebt und mit dem ich mich die ganze Fahrt über unterhalten habe. Besonders ein Satz von ihm ist mir im Kopf geblieben. Es war seine Antwort auf meine Frage, ob er jemals nach Russland zurückkehren wollen würde: „In Russland gelte ich als Extremist, weil ich gegen den Krieg bin. Insgesamt fallen mir so spontan sechs Gründe ein, warum ich in Russland verhaftet werden könnte.“ Wir haben viel über sein Leben und das Leben anderer Exilrussen gesprochen. Nachdem ich bei einem Besuch in einer Karaokebar mit den anderen Freiwilligen schon russische Soldaten getroffen hatte, die mit voller Überzeugung russische Kriegspropaganda wiedergegeben haben, ist mir der krasse Gegensatz nochmal deutlicher geworden, der hier in Gyumri aufeinander trifft. Einerseits ist hier eine russische Militärbasis und andererseits leben hier wie auch sonst in Armenien viele Exilrussen. Wo ich das hier gerade schreibe, fällt mir auf, dass ich das sogar nebenan habe: Rechts von mir wohnt ein russischer Soldat und links wohnen Exilrussen.

Aber zurück zur Panne: Wir hatten gut drei Viertel der Strecke schon hinter uns gebracht, als einer der Reifen geplatzt ist. Also hieß es für uns mitten auf der Fernstraße aussteigen und unseren Fahrer beim Reifenwechsel beobachten. Er war zum Glück sehr gut vorbereitet (was die Frage aufwirft, ob das häufiger vorkommt, aber ich will hier nichts Böses vermuten). Routiniert wechselte er den Reifen und war dabei so schnell, dass wir nach gut zehn Minuten schon weiterfahren konnten. Ich war davon wirklich beeindruckt.

Der Übeltäter.

Unsere Aussicht beim Warten.

Der alte und kaputte Reifen wurde bei der Weiterfahrt übrigens professionell mit Klebeband gesichert:

Da der eingewechselte Reifen allerdings nur ein Ersatzrad war, reisten wir mit reduzierter Geschwindigkeit weiter und kamen erst mit über einer Stunde Verspätung in Gyumri an. Das stellte sich im Nachhinein allerdings als glücklicher Zufall heraus, wie der nächste Alltagsmoment zeigt.

„T“ wie „Tanzen“

Die Stunde Verspätung hatte nämlich zur Folge, dass wir genau pünktlich zu einer Tanzaufführung kamen. Wenn Paul (mein neuer russischer Bekannter) es mir von der armenischen Frau richtig übersetzt hat, war es wohl ein Projekt der UNESCO zum traditionell-armenischen Tanz, das auch mit jeder Menge Kameras und Drohnen gefilmt wurde. Die Aufführung fand auf dem zentralen Platz in Gyumri statt, wo wir zufällig rausgelassen wurden. Es war wirklich cool, dabei zuzusehen und die traditionelle Kleidung zu bewundern. Angeleitet wurde das Ganze von einer Gruppe, die sowieso armenische Volkstänze unterrichtet und immer mal wieder Flashmobs hier in Gyumri macht. Ich folge ihnen jetzt auf Instagram und werde auf jeden Fall Augen und Ohren offenhalten, wann sie mal wieder irgendwo in der Stadt zu sehen sind. Ich hätte ihnen nämlich stundenlang zusehen können.

Und mit diesen Eindrücken aus Armenien schließe ich den heutigen Beitrag. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und konntet das ein oder andere Mal mit schmunzeln.

Bis bald! 🙂

Warum ich meine Arbeit (fast immer) liebe…

Hallo zusammen! 😊

Habt ihr schonmal Standing Ovations bekommen? Ich zumindest nicht. Bis ich gestern verspätet in meine siebte Klasse gekommen bin.

Ich hatte noch eine Aufgabe zu erledigen und so habe ich das erste Mal allein und nicht zusammen mit einer Lehrerin das Klassenzimmer betreten. Es ist in Armenien üblich, dass die Schülerinnen und Schüler aufstehen, wenn eine Lehrkraft den Raum betritt. So hätte ich also eigentlich damit rechnen können, dass sie auch für mich aufstehen, da ich in ihren Augen wahrscheinlich eine ähnliche Respektsperson bin. Weil ich mich selbst aber so gar nicht als Lehrkraft sehe (und es auch nicht bin), habe ich natürlich nicht damit gerechnet.

Was aber mein absolutes Highlight war und definitiv nicht mit zur normalen Begrüßung gehört, war, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur aufgestanden sind, sondern auch angefangen haben, zu jubeln und zu klatschen. Ich habe schon häufiger von meinen Lehrerinnen das Feedback bekommen, dass die Schülerinnen und Schüler mich mögen und nach mir fragen, wenn ich nicht da bin. Davon zeugen auch die ganzen kleinen Notizen, die sich mit der Zeit angesammelt haben, und die Kekse/Süßigkeiten, die mit mir geteilt wurden. Wenn ich die Flure entlang laufe, kann ich kaum drei Schritte gehen, ohne von allen Seiten „Hallos“ entgegengerufen zu bekommen. Wann immer ich einen Klassenraum betrete, ertönt aufgeregtes Getuschel und ich werde angestrahlt. Diese tägliche Freude über mich gibt mir wirklich viel. Die „Standing Ovations“ waren da trotzdem ein neues Level und ich musste wirklich lachen. 🙂

Ich habe mich am Anfang sehr über die Freude der Schülerinnen und Schüler gewundert, da ich im Unterricht häufig nur „dabeisitze“ und wenig selber mache. Das, was ich aber immer mache, ist, die Schülerinnen und Schülern anzulächeln und ihnen zuzunicken, wenn sie etwas gut gemacht haben. Die Lehrerinnen müssen mit dem Unterricht weiter machen und manchmal kommt Lob da etwas kurz. Das kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit. Deswegen habe ich mir das zu meiner ganz persönlichen Aufgabe gemacht. Ich hoffe dadurch, die Begeisterung für den Deutschunterricht aufrecht erhalten zu können, da die deutsche Sprache den Schülerinnen und Schülern doch so manches Mal Kopfschmerzen bereitet. Ich möchte sie ermutigen, sich auch trotz Fehlern weiter zu trauen und es weiter zu versuchen.

Anscheinend funktioniert das. Zumindest schließe ich das aus der Freude der Schülerinnen und Schüler über meine Anwesenheit. Wie ich es gerade schon hab anklingen lassen, bedeutet mir das wirklich viel. Es ist super selten, dass man so direktes und ehrliches Feedback für seine Arbeit bekommt, und das schätze ich wirklich wert. So sehr, wie ich hier selbst wertgeschätzt werde. Vielleicht kann ich an der einen oder anderen Stelle über Deutsch an sich nicht allzu viel vermitteln (zumindest bei den Jüngeren aufgrund der Sprachbarriere), aber wenn ich ihnen zwischenmenschlich etwas mitgeben kann, ist mir das viel mehr wert.

Apropos direktes Feedback: Ich habe in letzter Zeit einige Tests erstellt, die als sogenannte „thematische Arbeiten“ das Wissen der letzten Lektion abfragen. Und da gab es doch tatsächlich diese eine sechste Klasse, die sich, nachdem sie den Test geschrieben hatten, bei der Lehrerin für den Test bedankt hat. Er sei schön konzipiert und fair gewesen. Ich wäre fast vom Glauben abgefallen, als sie mir das übersetzt hat. In welcher Welt bin ich gelandet, dass sich Schülerinnen und Schüler für einen Test bedanken, den ich ausgearbeitet habe? Auch meine Lehrerin musste darüber lachen, da ihr das auch noch nicht passiert ist. Tja, scheint so, als hätte ich mich auch für die Konzeption der nächsten Tests qualifiziert!

Alles in allem ist meine Arbeit sehr abwechslungsreich: Arbeitsblätter und Tests erstellen, die geschriebenen Test korrigieren, Schülerinnen und Schülern bei der Vorbereitung auf die DSD I – Prüfungen helfen, mit der Teilnehmerin für den Vorlesewettbewerb üben, eigene Projekte planen, mit dem auf Russisch eingestellten Drucker diskutieren oder in den Klassen selbst im Unterricht unterstützen (meistens Sätze und Wörter an die Tafel schreiben oder Aussprache üben). Das schönste hierbei ist, dass ich mir meistens aussuchen kann, was ich gerade machen möchte, und dass meine Arbeit sehr flexibel ist.

Kommende Woche startet übrigens ein weiteres cooles Projekt: Gemeinsam mit einer weiteren kulturweit-Freiwilligen (Rosie, die gerade in der Slowakei ist) werde ich online den Deutschunterricht am Akademischen Lyzeum 46 in Saporischschja in der Ukraine unterstützen. Da in die Ukraine aufgrund des russischen Angriffskrieges keine Freiwilligen mehr ausreisen können, hat kulturweit dieses Projekt ins Leben gerufen. Mit knapp dreißig Freiwilligen unterstützen wir 12 ukrainische Schulen digital mit einer Doppelstunde die Woche. Meine Schule liegt in der Südost-Ukraine und meine ukrainische Ansprechpartnerin Frau Bondarenko hat erzählt, dass sie sich nur 30 bis 50 Kilometer von der Front entfernt befinden. Luftalarm, Drohnen und die Geräusche von Bombeneinschlägen und Detonationen seien für sie längst Alltag. Wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund eines Luftalarms das Meeting verlassen müssten, sollten wir uns keine Sorgen machen. Ich habe einen riesigen Respekt davor, wie sie den Schulbetrieb dort am Laufen halten, und bin gespannt auf meine Zeit mit den ukrainischen Schülerinnen und Schülern. Wie auch meine armenischen Schülerinnen und Schüler sollen wir die Neunt- und Zehntklässler auf die DSD I – Prüfungen vorbereiten und das vor allem mit Spielen. Das ist ein schöner Ausgleich zu meinem armenischen Unterricht, in dem Spiele eher kritisch beäugt werden. Dass der Unterricht online stattfindet, wird gleichzeitig auch eine neue Herausforderung sein, aber ich freue mich auf meine Aufgabe und werde bestimmt ganz bald davon berichten.

In diesem Sinne:

Bis bald! 🙂

P.S.: Auch wenn mir meine Arbeit hier Spaß macht, ist es definitiv nichts für immer. Für das eine Jahr als FSJ ist es perfekt, aber ich kann mir aus vielen verschiedenen Gründen nicht vorstellen, Lehrerin zu werden.

Alltagsmomente – Von „A“ wie „Aussicht“ bis „T“ wie „Trinkbrunnen“

Hallo zusammen! 😊

Schon länger habe ich hier nichts mehr von mir hören lassen und möchte das dringend ändern. Viele der „großen Themen“ habe ich mit den letzten, sehr ausführlichen Beiträgen abgehakt und so bleibt nun der Raum für ein paar Alltagsmomente:

„A“ wie „Aussicht“

Am Samstag sind die anderen Freiwilligen aus Yerewan und Sardarapat zu uns nach Gyumri gekommen, um uns zu besuchen und in den Geburtstag meiner Mitbewohnerin Dana reinzufeiern. Außerdem hat uns auch noch Besuch aus Danas Heimat, ihr Bruder und zwei Freunde, beehrt. Sonntags wollten wir uns ein bisschen bewegen und so habe ich vorgeschlagen, zur „Schwarzen Festung“ und der „Mutter Armenia“ zu laufen, die etwas außerhalb von Gyumri auf einer Anhöhe liegen. Gesagt getan und es ging bei 23 Grad und Sonnenschein los zu Gyumris Sehenswürdigkeiten. Die „Mutter Armenia“ ist eine Statue und der Treppenaufgang zu ihr hin ist sehr imposant. Man fühlt sich wirklich klein, wenn man ganz unten steht und zur Statue hinaufblickt. Nachdem wir erst die Treppenstufen geschätzt und dann beim Laufen gezählt hatten (ich glaube, es waren 150), wurden wir oben mit einem wunderbaren Ausblick über Gyumri belohnt. Ich kannte die Aussicht schon, doch war es letztes Mal ein regnerischer und bewölkter Tag gewesen. Um genau zu sein, habe ich das Regenschauer von ganz hinten heranziehen sehen, was mich dann völlig durchnässt hat. Glücklicherweise hatte mich eine junge Frau an ihrem Stand vorbeirennen sehen und mich dann zu sich herein gewunken (zu diesem Zeitpunkt war ich zwar schon komplett nass, aber ich konnte mich wenigstens kurz aufwärmen).

Aber zurück zum Thema: Bei wolkenlosem und strahlend blauem Himmel konnte man super weit gucken und hatte einen fantastischen Blick über Gyumri und den Aragaz, den höchsten Berg Armeniens. Hier offenbart sich wieder einmal die Schönheit Armeniens, an der ich mich einfach nicht sattsehen kann.

Auch in der „Schwarzen Festung“ waren wir drin, die heute als Theater dient.

„B“ wie „bari luis“

Wie jeden Morgen bin ich auch am Montag zur Schule gelaufen und habe den uniformierten Lehrer am Eingang mit einem „Guten Morgen!“ begrüßt. Bei ihm steht meistens noch ein anderer Mann, den ich ebenfalls so begrüße. Doch an diesem Morgen waren die beiden besonders gut drauf und beschlossen, meinen Tag mit einer kleinen Armenisch-Lektion beginnen zu lassen: Sie brachten mir bei, dass „Guten Morgen“ auf Armenisch „bari luis“ heißt. Da ich nachmittags meine erste Stunde Sprachkurs hatte (die armenische Sprache und meine Abenteuer mit ihr werden hier eines Tages auch noch Thema werden, versprochen), hakte ich gleich bei meiner Lehrerin Diana nach. Und so marschierte ich tags drauf auf die beiden zu, um sie auf zwei Sprachen und nicht nur auf einer zu begrüßen. Das Strahlen der beiden ging mir direkt ins Herz und ist einer der vielen Gründe, warum ich mich dazu entschieden habe, Armenisch und nicht Russisch zu lernen (auch wenn Russisch vielleicht auf lange Sicht nützlicher wäre). Mit den Leuten hier auf ihrer Muttersprache sprechen zu können, ist wirklich ein tolles Gefühl und mein Ehrgeiz, Armenisch so gut es geht zu lernen, ist definitiv geweckt! 🙂

„G“ wie „Gyumri-Männchen“

Nach dem Monchik-Essen am Samstag (siehe „M“ wie „Monchik“) wollten sich Lilly, Dana und ihr Besuch noch etwas ausruhen und so habe ich den anderen Freiwilligen die Stadt gezeigt. Nachdem wir in zwei Kirchen und einer Kunstgalerie waren, sind wir im B 612 gelandet.

Wie es der Zufall so wollte, haben wir dort im Souvenir-Shop den Erfinder der Gyumri-Männchen getroffen, dessen Figuren es hier überall zu kaufen gibt. Er hat uns erzählt, wie es dazu kam: Er war als Soldat im Krieg und als er zurück nach Hause kam, wollte er unbedingt etwas Schönes und Positives machen. Also bastelte er ein Männchen und teilte ein Bild auf Facebook. Er hatte sich nichts dabei gedacht, doch sein Post ging viral und hatte nach drei Stunden schon 500 Aufrufe. Viele Leute schreiben ihm, dass sie auch ein Männchen wollten. Auf den Männchen stehen nämlich liebe Worte im Dialekt von Gyumri. Und so kam ihm die Idee, das Ganze auch personalisiert anzubieten. Mittlerweile gibt es für fast alle netten Worte ein Männchen, sogar für die Geburtsmonate. Hierzu erzählte er uns, dass für die Sprüche seine Freunde und Familie als Vorlage für den jeweiligen Monat dienten. Für den Monat Februar ist der Spruch zum Beispiel: „Ein Mensch mit goldenem Herzen“. Dadurch, dass jedes Männchen einzeln per Hand gefertigt wird und es sie nur in Gyumri gibt, sind sie etwas ganz Besonderes und ich werde bestimmt ein paar für meine Liebsten mit nach Hause nehmen.

Hier sieht man einen kleinen Teil des Shops. Mittlerweile gibt es die Männchen auch als Kuscheltiere und Sticker.

Anschließend haben wir noch super leckeren Tee getrunken und der Besitzer hat uns eingeladen, im Juni mit ihm in die Berge zu fahren, um frische Blumen und Kräuter zu sammeln. Die Zutaten für den Tee, den wir genießen durften, stammten übrigens aus dem Garten seiner Oma. Bei schöner Atmosphäre und bester Gesellschaft verging die Zeit dort wie im Flug.

„K“ wie „Käsekuchen“

Am Montag habe ich mich für das Erstellen einiger Tests in mein Lieblingscafé, das „Herbs&Honey“, gesetzt. Hier gibt es ein eigenes Tee-Menü mit ganz verschiedenen Tee-Sorten auf Schwarz- oder Grünteebasis. Dazu gibt es immer den Honig des Tages. Viele junge Menschen kommen hierher, um am Laptop zu arbeiten. Mit der großen Fensterfront sowie den von der Decke hängenden Kräutern ist die Atmosphäre einfach unglaublich entspannt. Dazu tragen mit Sicherheit auch die gemütlichen Sofas ihren Teil bei. Ich habe schon beschlossen, dass ich mich hier im Winter einfach einschneien lasse und die kalten Tage dort verbringe. Doch zurück zu besagtem Montag: Ich wollte eigentlich nur kurz vorbeischauen, da ich anschließend zum Sprachkurs musste. Als ich nach der Rechnung fragte, brachte mir der Kellner zusätzlich noch ein eingepacktes Stück Käsekuchen. Ich wusste schon von meinem vorherigen Besuch, dass der Käsekuchen hier einfach göttlich schmeckt, aber ich war sehr irritiert, da ich eigentlich keinen bestellt hatte. Der Kellner erklärte mir dann, dass der vom Nachbartisch käme, wo ein junger Mann am PC arbeitete. Ich bedanke und entschuldigte mich, dass ich leider nicht länger bleiben konnte, und freute mich den ganzen Weg nach Hause über den Kuchen.

Ein „kleiner“ Tee im „Herbs&Honey“.

„M“ wie „Monchik“:

Nachdem ich die anderen Freiwilligen am Samstag zu ihrer Unterkunft begleitet hatte, haben wir uns mit all unserem Besuch im „Ponchik Monchik“ getroffen. Das ist eines der beliebtesten Restaurants hier in Gyumri und sie sind besonders für eine Sache berühmt: Monchiks. Auf der Karte heißen sie im Englischen „Donuts“, aber sie haben eigentlich wenig mit dem Donut zu tun, den ihr nun im Kopf habt. Sie sind zwar auch aus frittiertem Teig, aber sie haben kein Loch in der Mitte und bestehen eigentlich nur aus Hülle und Füllung. Bei der Füllung gibt es folgende drei Möglichkeiten: Erdbeermarmelade, Vanillepudding oder Nutella. Trotz der Füllung ist ein Großteil des Inneren aber Luft und stellt eine besondere Herausforderung zum Essen da. Erschwert wird das nochmal zusätzlich durch den Puderzucker obendrauf. Wer es schafft, einen Monchik zu essen, ohne sich seine Finger dreckig zu machen oder zu schmieren, dem gebe ich höchstpersönlich einen aus! Mochik-Essen ist die ganz hohe Kunst der Knigge.

„T“ wie „Trinkbrunnen“:

Die gibt es hier überall. In den Städten findet man an jeder zweiten Ecke einen und selbst bei unserer ersten Wanderung sind wir mitten im Nirgendwo auf einen gestoßen. Das ist wirklich toll, da man so viel häufiger zwischendurch etwas trinkt, wenn man unterwegs ist (besonders wenn man wie ich leider viel zu oft nicht genug trinkt). Die Wasserqualität ist hierbei immer gut und gerade bei den immer noch sommerlichen Temperaturen ist das kühle Wasser eine echte Erfrischung. Manche dieser Brunnen werden auch von berühmten Persönlichkeiten gesponsert oder nach deren Tod ihnen zu Ehren errichtet. Hier gibt’s jetzt noch ein schönes Bild von mir und den Armenien-Mädels, wie wir in Gyumri gleichzeitig unseren Durst an einem der größeren Trinkbrunnen stillen konnten:

Das soll´s jetzt aber auch gewesen sein, denn eigentlich sollte das hier nur ein kurzer Beitrag werden. Aber inzwischen kennt ihr mich ja. Ich schicke euch allen ein bisschen Sonnenschein, von wo auch immer ihr das hier lest, solange es den hier in Gyumri noch gibt und der Winter auf sich warten lässt.

Bis bald! 😊

 

Gyumri – Eine Stadt mit zwei Gesichtern

Hallo zusammen!

Eigentlich wäre ich dieses Wochenende mit den anderen Freiwilligen unterwegs gewesen, aber leider habe ich mir den Magen verstimmt und musst so schweren Herzens zu Hause bleiben. Aber so habe ich immerhin Zeit für diesen Blogeintrag. 😊

Ich muss ehrlich sagen, dass mir dieser Eintrag bisher am schwersten fällt. Das ist vermutlich auch der Grund, warum er erst jetzt und nicht schon viel früher kommt. Der Titel verrät auch schon, warum ich nicht so richtig weiß, wie ich beginnen soll. Aber vielleicht fange ich einfach bei meiner Ankunft hier und den ersten Gedanken zu Gyumri an:

Es ist mittlerweile drei Wochen her, dass ich in dieser Stadt angekommen bin. An diesem Tag war ich dermaßen übermüdet, dass ich nur wenig von Gyumri gesehen habe. Nur eine Sache ist mir im Kopf hängen geblieben: Entlang der Bahnstrecke gab es viele zerstörte oder zerfallende Gebäude. Ich habe in einem vorherigen Eintrag schon das schwere Erdbeben von 1988 angesprochen und ich wusste auch vorher schon, dass die Stadt immer noch unter den Folgen leidet. Ich habe das Ausmaß allerdings vollkommen unterschätzt.

Umso schockierter war ich, als ich mich das erste Mal Richtung Innenstadt aufgemacht habe. Neben den schönsten Gebäuden stehen Ruinen. Das Stadtbild ist von Schönheit und Zerstörung geprägt. Beides liegt so dicht nebeneinander, wie ich es noch nie erlebt habe und ist untrennbar miteinander verbunden. Der Kulturschock war für mich so massiv, dass ich nach einer halben Stunde in der Stadt starke Kopfschmerzen hatte und unter Tränen zurück zur Wohnung bin.

Ich möchte an dieser Stelle ganz ehrlich sein: Nach den ersten Tagen wollte ich nur noch zurück nach Deutschland, weil ich mich hier so fremd gefühlt habe. Yerewan hat mich gerettet. Bei meinem Besuch dort habe ich gesehen und erlebt, dass sich Armenien heimisch anfühlen kann. Die Gründe habe ich im „Yerewan-Artikel“ ausführlich erklärt und hinzu kamen natürlich auch die anderen Armenien-Freiwilligen, die mich aufgefangen haben.

Danach hatte ich die Kraft, Gyumri eine zweite Chance zu geben: Und wurde belohnt. Ich bin bei meinem zweiten Ausflug ins Zentrum andere Straßen gegangen und habe die wirklich schöne Seite Gyumris gesehen:

Ich rede hierbei von vielen, super liebevoll gestalteten Läden und Museen. Von Blumen und Architektur. Von armenischer Baukunst und armenischem Handwerk. Ich habe mich verliebt. Doch all das wäre ohne einen bestimmten Punkt nichts wert gewesen: Den Menschen. Egal, wohin ich ging, egal, wie wenig gemeinsame Sprache wir teilten, egal, wie es mir ging. Die Menschen waren immer herzlich zu mir. Ob auf dem Weg zur Schule, wo mich ein Taxifahrer ansprach und wir uns seitdem morgens immer zulächeln, oder unterwegs in der Innenstadt: Nach kurzer Scheu öffnen sich die Menschen und freuen sich darüber, dass man sich für ihre Stadt und ihre Geschichten interessiert.

Besonders hervorheben möchte ich hierbei die Menschen rund um das Berlin ART Hotel. Es ist eigentlich ein „Hotel in einer Galerie“, in der nur Künstlerinnen und Künstler aus Gyumri ausstellen. Ursprünglich war es eine Tagesbettenklinik für die angrenzende Poliklinik, die nach dem Erdbeben vom Deutschen Roten Kreuz aufgebaut wurde. Da es wegen der Ansteckungsgefahr mit der Poliklinik eigentlich keine Tagesbetten geben durfte, entschied man sich, ein Hotel daraus zu machen, um die Gebäude erhalten zu können. Im gleichen Gebäudekomplex gibt es eine deutsche Bücherei mit einer großartigen Sammlung an „Der kleine Prinz“-Büchern in verschiedenen Sprachen und Dialekten. Bei meinem ersten Besuch dort wurde ich gleich von einer super netten Frau mit knapp 20 Lesezeichen versorgt und durfte mir ein Buch mitnehmen. Die gleich Frau arbeitet auch für ein dort ansässiges Reisebüro, das Touren durch Armenien anbietet und auf das ich in Zukunft definitiv nochmal zurückkommen werde.

Eingangsbereich: Links geht es zur Poliklinik und rechts befinden sich die Eingänge des Honorarkonsulats und des Hotels.

Übrigens war das immer noch nicht alles zu diesem faszinierenden Ort: Auch mein Lieblings-Co-working-Space „ROOF25“ befindet sich dort auf der Dachterrasse. Entstanden ist er erst vor Kurzem, weil das Dach marode und einsturzgefährdet war. Da es Gelder nur für Tourismusprojekte gibt, hat man sich kurzerhand dazu entschieden, ein Touristeninformationscenter mit Café darauf zu bauen. Es ist also eigentlich nichts andere als ein „Dachrettungsprojekt“. Außerdem befindet sich ein Biergarten im Hinterhof des Hotels. Und jetzt zum wichtigsten: Das deutsche Honorarkonsulat für die Provinzen Shirak und Lori ist hier ansässig. Im Zuge dessen habe ich jetzt die Ehre, euch den Mann vorzustellen, der hinter all dem steckt: Honorarkonsul Aleksan Ter-Minasyan. Er leitet das Hotel und hat den Ort zu dem gemacht, was er heute ist.

Ich habe ihn bei der Verleihung der DSD-Diplome für einige meiner Schülerinnen und Schüler kennengelernt. Hierbei hat er auch alle oben stehenden Infos erzählt und noch so viel mehr, was hier leider den Rahmen sprengen würde. Er spricht sehr gut Deutsch und ist ein wirklich großartiger und warmherziger Mensch. Ich habe selten jemanden getroffen wie ihn, dem Menschen wirklich am Herzen liegen. Er machte mir klar, dass ich jederzeit herzlich willkommen sei und lud mich glatt zum Abendessen ein. Das Abendessen sei ein „Oktoberfest“ von seinem Rotary Club und als Deutsche müsse ich unbedingt dabei sein. Was wäre ein Oktoberfest schon ohne Deutsche?

So sah ich mich wenige Stunden nach der Verleihung schon wieder im Biergarten zwischen 2 Armenierinnen und 12 Armeniern sitzen. Lediglich der Konsul und mein Koordinator Benjamin, der auch eingeladen worden war, sprachen Deutsch, aber ich habe mich sehr schnell sehr wohlgefühlt. Ich hatte am Anfang ein bisschen Sorge, ob ich nicht fehl am Platz sein würde, aber das war unbegründet. Alle Menschen an diesem Tisch haben dafür gesorgt, dass die Atmosphäre super entspannt und ausgelassen war. Die Burger und das Gläschen Wein haben gut geschmeckt, genauso wie die ganzen Häppchen.

Es war eine einmalige Erfahrung, die mich nochmal in das armenische Beisammen-Sein hat blicken lassen. Die Menschen aus dem Rotary Club haben ganz unterschiedliche Berufe und treffen sich regelmäßig. Dabei bringt immer irgendjemand etwas Besonderes für den Abend mit. An diesem Abend war es ein armenischer Professor, der eine Fragerunde mit ganz unterschiedlichen Fragen veranstaltete. Auch wenn er viele Fragen ins Englische übersetzte, konnte ich kaum folgen, da viele Fragen Wortspiele aus dem Armenischen oder Russischen beinhalteten. Trotzdem war es sehr lustig, dabei zu sitzen und die anderen beim Mitraten zu beobachten.

Ab und zu wurden auch Witze erzählt, die Benjamin oder der Honorarkonsul mir übersetzten. So langsam bekomme ich ein Verständnis dafür, was im Reiseführer mit „Humor von Gyumri“ gemeint ist. Dafür sorgte auch unser Guide auf der Free-Walking-Tour, der uns in die berühmten Spitznamen der Bewohner von Gyumri einführte. Hier in Gyumri lieben es die Leute nämlich, Orten oder Personen Spitznamen zu geben; teilweise nett, aber meistens eher unvorteilhaft.

 

Besonders fasziniert hat mich eine Wand, an der ich bestimmt fünfmal vorbeigelaufen bin, bevor mich eine Armenierin darauf aufmerksam gemacht hat, dass an ihr jede Menge Witze stehen. Das war übrigens eben jene Armenierin, die ich beim Berlin Art Hotel getroffen hatte und die mich für´s Frühjahr zu sich nach Dilidschan eingeladen hat. Einer der Witze, den sie mir übersetzt hat, ist mir gut im Gedächtnis geblieben:

Ein Mann geht zum Zahnarzt, um sich einen Zahn ziehen zu lassen. Während des Ziehens schreit der Mann sehr laut. Im Anschluss sagt ihm der Arzt: „Das macht 30$.“ Der Mann erwidert: „Was für 30$? Ein Zahn kostet 10$!“ „Das stimmt schon, aber Sie haben so laut geschrien, dass zwei andere Patienten vor lauter Angst weggelaufen sind.“

Hier nochmal auf Armenisch. 🙂

Wo ich gerade den Reiseführer und die Free-Walking-Tour erwähnt habe, möchte ich doch noch ein paar generelle Informationen mit euch teilen:

Gyumri ist mit 110000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Armeniens und Hauptstadt der nordwestlichsten Provinz Shirak an der Grenze zu Georgien und der Türkei. Lange Zeit war Gyumri sehr unbedeutend und lediglich eine kleine Siedlung. Erste Erwähnungen gibt es jedoch schon aus der Antike. Anders als Yerewan gibt es bei Gyumri nicht zwanzig verschieden Schreibweisen des Namens, sondern im Verlauf der Zeit gleich ganz verschiedene Namen:

Bedeutsam wurde Gyumri im russischen Kaiserreich, nachdem Kaiser Nikolaus der Erste die Stadt besucht hatte, und sie seiner Frau zu Ehren 1840 in „Alexandropol“ umbenennen ließ. Das währte bis 1924, wo daraus zu Ehren Lenins „Leninakan“ wurde. Während dieser Zeit entwickelte sich Gyumri zur Kunst- und Handwerkshauptstadt des Landes und kam zu Wohlstand. Unser Guide hat uns erzählt, dass Gyumri zeitweise bedeutender als die Hauptstadt war und viele Menschen hierher zogen.

Nach dem schweren Erdbeben von Spitak 1988 und dem Zerfall der Sowjetunion (nachdem Gyumri mit der armenischen Unabhängigkeit auch den jetzigen, an die ursprüngliche Bezeichnung angelehnten Namen erhielt) ändert sich das jedoch: Die Stadt wurde schwer beschädigt und viele Gebäude zerstört. Mit Ende der Sowjetunion fehlte zudem Geld für die Restauration. Auch der Völkermord der Türken an den Armeniern, der seinen traurigen Höhepunkt in den Jahren 1915/1916 fand und bei dem schätzungsweise zwischen 300000 und 1,5 Millionen Menschen zu Tode kamen, sowie der Bergkarabachkonflikt sorgten dafür, dass viele Menschen flohen und das Land verließen. Aus diesen Gründen hat sich die Bevölkerung Gyumris laut unserem Guide im Vergleich zum Anfang des 20. Jahrhunderts halbiert.

Hierin liegt auch eine weitere Begründung für die vielen Ruinen: Einerseits ist die Bevölkerung massiv geschrumpft und die, die geblieben sind, haben meist nicht das Geld, sich die alten Herrenhäuser im Zentrum zu kaufen oder sie geschweige denn zu restaurieren. Heutzutage ist der Trend unter denen, die es sich leisten können, Gyumri zu verlassen und nach Yerewan oder ins Ausland zu gehen.

Das finde ich sehr schade, da diese Stadt wirklich viel Potential hat. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr verständlich, da gerade junge Menschen andernorts mehr Chancen auf ein besseres Leben haben. Umso privilegierter bin ich, dass ich nach diesem Jahr einfach so zurück nach Deutschland kehren werde. Nachdem ich gestern eine Stunde nicht bei meiner Lieblings-Neunten-Klasse war, haben sie sich schon große Sorgen gemacht, dass das jetzt schon passiert ist.

Aber keine Angst: Auch wenn ich einen schwierigen Start mit Gyumri hatte, fühle ich mich hier jetzt wohl und freue mich sehr auf die Zeit in dieser schönen Stadt. In diesem Sinne könnt ihr gespannt sein, was ich noch alles von hier berichten werde.

Bis bald! 😊

 

Meine „Erfrischung des Tages“

Hallo zusammen! 🙂

„Schon wieder ein neuer Beitrag?“, fragt sich vielleicht der ein oder andere von euch. Die Antwort lautet: Ja. Und warum? Ganz einfach: Es macht mir super viel Spaß, meine Erlebnisse hier mit euch zu teilen und euch einen Einblick in meine Welt geben zu können.

Da die letzten Artikel alle etwas länger waren, dachte ich mir, dass eine kleine Erfrischung vielleicht gut tut. Insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Gyumri-Artikel, den ich hiermit auch wirklich zum letzten Mal angekündigt habe. Die „kleine Erfrischung“ soll ein kurzer Beitrag darüber werden, was mich hier in Gyumri eigentlich gut fühlen und runterkommen lässt, obwohl ich noch nicht mit meinen Hobbys begonnen habe.

Die Arbeit in der Schule ist bei all den schönen Momenten doch meistens anstrengend und ich merke richtig, wie meine Energie abfällt, sobald ich nach Hause komme. Auch das Blog-Schreiben nimmt einiges an Zeit in Anspruch, weil ich Artikel gerne einmal mehr überarbeite, um dann auch wirklich zufrieden zu sein. Dazu kommen das „Alleine-Leben“, Vorbereitungen für anstehende Projekte (seid gespannt!), Telefonate mit den Liebsten und manchmal auch noch Termine, die eben so anstehen. Da bleibt ab und zu doch überraschend wenig Zeit, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen.

Darum gehe ich gerne spazieren. Das habe ich auch Zuhause in Deutschland schon immer viel gemacht und ich muss zugeben, dass es mir hier in der Stadt doch manchmal recht schwer fällt, weil mir die Natur fehlt. Trotzdem habe ich mich gestern aufgemacht und folgende „Erfrischungen“ gefunden:

Erst wollte ich zu meinem Lieblings-Co-Working-Space auf einer Dachterrasse, doch der hatte leider zu. Wie der Zufall es aber so wollte, gab es an diesem Ort eine andere Art der Erfrischung für mich: Eine 19-jährige Armenierin hatte im Nachbargebäude einen Workshop und hat mich angequatscht. Das Gespräch mit ihr auf Englisch war total interessant und sehr erfrischend, da es mich aus meinem kleinen grauen „Loch“ herausgeholt hat. Wir haben uns glatt für den nächsten Abend verabredet, um noch etwas gemeinsam zu unternehmen.

Für den Moment hat das richtig gut getan, doch sobald ich weitergegangen war, kam das mulmige, erdrückende Gefühl zurück. Also bin ich weiter gelaufen und auf meinem Weg an einem kleinen Laden vorbeigekommen. Eigentlich war er nicht mein Ziel gewesen, doch ich nehme mir hier oft die Zeit, um einfach überall mal reinzuschauen. Ich war (wie so oft) die einzige „Kundin“. Im Laden selbst fand ich mich zwischen wirklich wunderschönen Bildern wieder. Besonders eines, das armenische Landschaft gezeigt hat, hatte es mir wirklich angetan. Es hat mich richtig runterkommen lassen, wovon ich selbst sehr überrascht war, da ich eigentlich nicht der „Kunst-Mensch“ bin. Ich stand so lange davor, dass mich der Besitzer des Ladens angesprochen hat. Er erzählte mir, dass alle Bilder in diesem Laden von Künstlern aus Gyumri gemalt worden seien und dieses, was mich so angezogen hat, von seinem Vater. Als ich mich endlich losreißen konnte, führte er mich weiter durch den Laden und zeigte mir den Souvenir-Shop, die Töpferwerkstatt und das kleine Café. Alles in diesem Laden sei handgemacht und ich war wirklich von der Atmosphäre dieses eigentlich so unscheinbaren Ladens begeistert. Ich werde dort definitiv nochmal zum Schreiben hingehen und eine Tee trinken.

Der Laden heißt übrigens „B 612“ und ist nach dem Heimatplaneten des „kleinen Prinz“ benannt, was man auch an der Visitenkarte des Laden sehen kann:

Vom Besitzer selbstdesigned.

Dieser Laden hat mir sogar so gut getan, dass ich danach noch in der dazugehörigen Ausstellung am anderen Ende Gyumris war. Auch dort wurde ich wieder nett von einem Angestellten und seiner super süßen Katze begrüßt und durch die Räume des Kellers geführt.

Der wahre Chef des Ladens 🙂

 

Anschließend habe ich mir noch an meinem Stamm-Stand eine heiße Schokolade für knapp einen Euro gegönnt und bin mit bester Laune zurück zur Wohnung gelaufen. Alle Wolken hatten sich verzogen und der Himmel hat strahlend-blau geleuchtet.

Was ich damit sagen will: Wenn es euch schlecht geht, dann wartet nicht darauf, dass ein Wunder geschieht, sondern versucht es selbst in die Hand zu nehmen. Ich weiß, dass das immer einfacher gesagt als getan ist und manche Probleme schlichtweg zu erdrückend sind, aber versucht es wenigstens. Schlimmer kann es davon meistens eh nicht werden. Auch ich hatte eigentlich gar keinen Bock, als ich losgelaufen bin, aber die ganzen schönen Begegnungen waren mein kleines persönliches „Wunder“. In Kombination damit, dass ich mir etwas gegönnt habe, von dem ich wusste, dass es mir gut tut (die heiße Schokolade), waren das Ergebnis meiner Neugierde und die Bewegung meine „Erfrischung des Tages“. Mein Tipp ist also, sich einfach mal aus der eigenen Komfortzone rauszuwagen und den inneren Schweinehund zu besiegen. Aus dem „Grau“ der eigenen vier Wände auszubrechen, kann Farbe ins Leben bringen und lohnt sich meiner Erfahrung nach so gut wie immer. Überraschungen sind dabei vorprogrammiert. Und mit diesen Worten überlasse ich euch euren Gedanken und freue mich auf´s nächste Mal, wenn wieder ein „gewöhnlicher“ Beitrag kommt.

Bis bald! 😊