Viel zu spät kommt jetzt endlich ein gemeinschaftlicher Eintrag von Melle und mir zur georgischen Küche an unsere Kulinarikfreaks in der Heimat. Und gleichzeitig die Erklärung, warum wir 24/7 Sport treiben sollten. Doch man kann dem leckeren Essen einfach nicht widerstehen. Vor allem nicht, wenn noch hinzukommt, dass man die ganze Zeit eingeladen wird. Und falls man halt doch mal nur zu Zweit unterwegs ist, kommt man, wie sonst auch, sehr preiswert davon. In der Regel geben wir inklusive Trinkgeld (fest 10-15%) 15 Lari aus, ungefähr 6 Euro. Im Gegensatz zu uns, nimmt unser Geldbeutel wenigstens ein bisschen ab. :D
Gut gesättigt, naja, das wäre an dieser Stelle leicht untertrieben, wohl eher überfressen, verlässt man dann das Restaurant. Trotzdem bleiben immer Reste übrig und Essen einpacken lässt sich auch kaum jemand. Nur wir outen uns mal wieder als Ausländer…
Estragonlimonade
Auch verräterisch ist der Verzicht auf ultra süße, künstliche Birnen- oder Estragonlimo, Tschatscha, Wein, Wein und nochmal Wein. Ansonsten haben wir die Gewohnheiten der Einheimischen lieben gelernt: Bestellt wird häufig ohne einen Blick in die Karte geworfen zu haben, gegessen wird vieles mit den Händen, die Speisen kommen gesammelt auf den rustikalen Tisch ohne Tischdecke und alles wird geteilt. So kann man viel Unterschiedliches probieren und das nehmen, wozu man gerade Lust hat.
Es gibt eine reichhaltige Auswahl an diversen, fetthaltigen und gut gewürzten Speisen. Bohnen, Auberginen, Fleisch und Walnüsse sind Zutaten, auf die der einheimsche Koch nicht verzichten kann. Verschiedene Kräuter, insbesondere Koriander, Zwiebeln, ordentlich Knoblauch und Adschika (ein sehr scharfes Gewürz aus Peperoni) formen das Herz der georgischen Küche. Dazu gehören auch zwei Soßen: Saziwi – eine Walnusssoße, die meist zu Hühnchen serviert wird und Tkemali – eine scharfe, saure Soße aus wilden Pflaumen, die man zu vielem essen kann, aber vor allem zu Schweinefleisch.
Doch wir wollen jetzt keine großen Worte schwingen, denn in der Kürze liegt ja bekanntlich die Würze. Deshalb hier nun eine kleine Auswahl von einigen typischen Gerichten des Landes:
„Khinkali“ sind traditionell mit gewürztem, gepfefferten Hackfleisch, Zwiebeln und Kräutern gefüllte Teigtaschen. Die kleinen Säckchen können auch Kartoffeln, Käse oder Pilze beinhalten. Man hält den Verschluss zwischen Daumen und Zeigefinger, beißt ab, saugt den Saft aus und isst dann alles außer den Verschluss.Das populärste Fleischgericht ist das sogenannte „Mzwadi“, bei uns bekannt als Schaschlik. Es wird mariniert, über der Flamme saftig und knusprig gegrillt und noch heiß zu rohen Zwiebeln gegeben. Am besten genießt man es in Kachetien – dort, wo die Meister des Schaschliks ihre Heimat haben.„Kababi“ ist in Lavash eingewickeltes Hackfleisch.„Schaurma“ heißt der georgische Döner.Fast jede Region hat ihr eigens Khachapuri, eine mit Käse gefüllte Teigtasche. Die populärsten drei drei sind „Khachapuri Imeruli“, das geläufigste Khachapuri, „Khachapuri Megruli“, welches zusätzlich mit Käse überbacken wird, und „Khachaprui Acharuli“, was wie ein Boot geformt und mit Butter und Ei serviert wird.„Lobiani“ ist das mit Bohnen gefüllte Pendant zum Khachapuri.Ein weiteres Bohnengericht ist „Lobio“ – ein Bohneneintopf, der meist im Tontopf serviert wird.Zu Lobio gibt es meist „Mtschadi“, ein Gebäck aus Maismehl. Dazu isst man auch den bekanntesten georgischen Käse „Sulguni“.Diesen Käse findet man meist auch im „Romi“ wieder. Das ist eingekochtes, grobes Maismehl.Noch mehr Käse befindet sich in der feisten Käselasagne „Achma“.Der erfrischende „Tomate-Gurke-Salat“, verfeinert mit Zwiebeln und gemahlenen Walnüssen, gibt der georgischen Küche ein Gesundheits-Alibi.„Badridschani“ sind kalte, gebratene Auberginen, die mit Walnusspaste bestrichen und mit ein paar Granatäpfelkernen bestreut werden.„Spinat-Pkhali“ ist eine Paste aus Spinat, Walnüssen und Knoblauch.Man isst die Paste zum Beispiel zu „Tonis Puri“. Diese Brotfladen werden in einem speziellen Tongefäße, dem Tone, gebacken. Der Bäcker klatscht den Teig einfach an die aufgeheizte Wand des Ofens. Am besten schmeckt es natürlich, wenn es frisch und heiß ist.„Kada“ ist eine streuselkuchenartiges Gebäck.„Tschurtschchela“ sind aufgefädelte Walnüsse, die mit eingedicktem Traubensaft ummantelt werden.
Natürlich gibt es noch viel, viel mehr georgische Spezialitäten, z.B. Kartoffel-Möhren-Erbsen-Salat mit 10 Tonnen Mayonnaise oder mit Sulguni-Käse gefüllte Pilze. Happa, happa! Falls euch jetzt das Wasser im Mund zusammen gelaufen ist, schwingt euch einfach selbst in die Küche: http://georgianrecipes.net/.
Es ist Frühling geworden und so langsam zieht es auch Freunde und Verwandte in das Land, in dem ich schon längst mein zweites zu Hause gefunden habe. Dafür mache ich doch glatt mal ein paar meiner Lieblingsplätze locker.
Meinen Tag beginne ich am liebsten bei einer guten Tasse Kaffee und einem Mandel-Rosinen-Croissant im Café Entrée, das schon um 8 Uhr (!) seine Türen öffnet. Davon gibt es mehrere in Tbilissi, doch das schönste ist direkt bei mir um die Ecke, am Ende der Lesolidze Straße. Mit einem frischen Brot unterm Arm schlendere ich dann – soweit möglich – am Fluss entlang bis zur trockenen Brücke. Dort stürze ich mich mitten ins Gewusel zwischen Künstler- und Flohmarkt, auf dem man alle möglichen Kuriositäten erstehen kann. Ab neun kann man auf Märkten aufkreuzen, Läden machen meistens erst um zehn Uhr auf.
Noch chaotischer geht es auf dem Vagzlis Basar an der Metrostation „Station Square“ zu. Hier kriegt man einfach alles, von Kleidung, Kosmetikartikeln und Schmuck über Handys und Elektrozubehör bis hin zu Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Und ein Geruchs-, Farben- und Geräuschswirrwarr noch gratis dazu. Zugegebenermaßen: Der Horror. Aber wer richtig Handeln lernen will, der muss die Lautstärke eben in Kauf nehmen. Irgendwie gehört es zu einem Trip nach Tbilissi auch dazu, sich in den unterirdischen, vollgestopften Gassen dieses Komplexes zu verlaufen und irgendwann entnervt und verschwitzt der Reizüberflutung entfliehen zu wollen.
Diese Erlebnis schreit nur so nach Pause. Einen zweiten Kaffee kann man sich im Prospero’s Books & Calibian’s Coffeehouse gönnen. Trotz den für georgische Verhältnisse gehobenen Preisen ist die Wohlfühloase allemal einen Besuch wert. Der Flair aus dem englischen Buchladen schwappt über den netten Innenhof bis ins dazugehörige Café. Alternativ bietet sich das Moulin Electrique in der Altstadt an, das seinen Innenhof mit einer Synagoge teilt. Auch hier sind die Preise höher als sonst wo – der Kaffee und das leckere Essen lassen darüber jedoch hinweg sehen.
Von dort aus kann man wunderbar den engen Betlehemsauftieg hoch zur Mutter Georgiens laufen – für Lauffaule bietet sich natürlich auch die Seilbahn an, mit der man für ein paar Tetri über dem Fluss schweben kann. Mit Aussicht auf die Stadt zur einen Seite und Blick auf den botanischen Garten, den es sich insbesondere jetzt zu besuchen lohnt, zur anderen Seite kann man nun zur Ruine der Nariqala-Festung spazieren. Auf keinen Fall darf man die Idylle des kleinen Gartens neben der Kirche unterhalb der Statue verpassen!
Zur Mittagszeit besuche ich gerne das Kiwi-Café. Die frischen Speisen sind perfekt, wenn man mal eine Auszeit vom georgischen Essen braucht. Und dazu sind sie noch unglaublich günstig. Egal ob Falafel-Wrap, Kürbis-Ingwer-Suppe oder Hummussandwich dich von der bunt bemalten Kreidetafel anlachen – die täglich wechselnde Speisekarte hat für jeden Geschmack etwas zu bieten. Falls man nicht in den Genuss ihrer göttlichen Applepie oder Erdnuss-Cranberry-Cookies kommen mag, lohnt sich ein Abstecher zu Luca Polare, eine georgische Eiskette: Mama, du würdest für das Mandel-Karamell-Eis so ziemlich alles tun!
Nicht nur außerhalb der Großstadt finden Wanderbegeisterte ihre Wege, nein, auch direkt in der City kann man Berge erklimmen. Wenn einen die Wanderlust packt, dann empfehle den Schildkrötensee zu besuchen. Nicht wegen des Sees – da sind der etwas außerhalb liegende Tbilissi-See und der Lissi-See alle mal charmanter – doch, wenn man den Einstieg mal gefunden hat, kann man den Berg hochlaufen und wunderbar über die Stadt schauen.
Ein Besuch im Schwefelbad ist ein Muss, auch wenn es nicht jedermanns Sache ist. Es gibt viele Verschiedene, man kann in ein öffentliches Bad gehen oder sich einen privaten Raum mieten. Zusätzlich werden Massagen und Peelings angeboten. Für absolute Tiefenentspanntheit und Babyhaut sollte man einfach versuchen den Geruch zu ignorieren.
Danach muss man erstmal ordentlich Energie nachtanken. Hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an: Ganz urig im georgischen Keller dirket in der Straße, in der ich wohne, kann man eines der besten Lobios (Bohneneintopf) probieren. Auch gute georgische und orientalische Küche wird in Sofia Melinkova’s Fantastic Douqan serviert. in diesem friedlichen Versteck kann man wunderbar der Hektik der Stadt entfliehen. Die hausgemachte Limonade genießt man am besten unter dem Weinblatthimmel in Mitten des Hofes.
Nun lohnt es sich hoch zum Mtadsmindapark hochzufahren. Abends ist es hier ruhiger geworden und man kann die von Lichtern geflutete Stadt bewundern, ob auf dem Riesenrad oder nicht. Besser kann ein Start in die Nacht nicht sein.
In der Lesolidze Straße kann man jetzt einfach einen Weinshop nach dem anderen abklappern und sich durch die verschiedenen Weinsorten probieren. Es ist nicht selten, dass dabei das ein oder andere Gläschen Tschatscha heraus springt. Am Freiheitsplatz angekommen, sollte man in der Warszawa-Bar vorbei schauen. Hier bekommt man nämlich für 2 Lari leckeren Zitronen-Tschatscha.
Auch lohnt es sich Zoes Tan einen Besuch abzustatten. Hinter den Backsteinwänden kann man sich vollends auf seine Freunde konzentrieren. Und hier gibt es nicht nur die besten Potatoewedges, sondern auch leckere Cocktails.
Plätze zum Feiern hat man mehr als genug zur Auswahl. Einen Liebling kann ich euch nicht nennen, aber diese Bars und Clubs sind den meisten Partypeople ein Begriff: Dive, Canudos, Heaven, Bassiani, Café Gallery, Underwheel und Mtkravze.
Und hier noch ein paar überlebenswichtige Tipps…
Aus dem alternativen „USE-IT Tbilisi – Stadtplan“, der im Kiwi-Café ausliegt
Die wichtigsten Vokabeln: Gamardschoba – Hallo, Nachvamdis – Tschüss, Diach – ja, Ara – nein, (Didi) madloba – (vielen) Dank, Gaumardschos – Prost, Vaime – das georgische „mama mia“, Erti – eins, Ori – zwei, Sami Lari – drei Lari (im Zentrum sollte eine Taxifahrt nicht mehr kosten), Angarischi tuscheidsleba – bezahlen bitte, Bodishi – es tut mir leid, Ak gaacheret – hier halten, Ra paßi – Wie viel kostet es?
P.S.: Tbilisi Loves You. So heißt das kostenlose Wi-Fi der Stadt. Leider liebt es dich oft nur an Metrostationen und am Freiheitsplatz.
Und nicht vergessen, wenn ihr waschechte Georgier sein wollt: Selfies, Selfies, Selfies! Sonst fallt ihr direkt auf. :D
Am Fuße des Kasbeks, mit 5047 Metern der zweithöchsten Berg in Georgien, liegt der Ort Stepantsminda. Hier haben Melle und ich unser letztes gemeinsames Wochenende verbracht. Wir sind problemlos die Heerstraße entlang, vorbei an gefrorenen Wasserfällen, getrampt und haben ein nettes Hostel für 15 Lari (ca. 6 Euro) die Nacht gefunden. Mit Khatchapuri und Film haben wir es uns im Bett gemütlich gemacht und den Abend genoßen.
Am nächsten Tag sind wir bei Sonnenschein durch den Schnee gestapft. Unser Ziel war die Kirche „Tsmida Smeba“. Das alte Kloster, die Dreifltigkeitskirche und der Glockenturm thronen auf dem 2170 m hohen Berg „Kvemi Mta“, der vor dem Kasbek lagert. Da wir vom Dorf aus gestartet sind, mussten wir uns erstmal einen Weg um die Kühe herum durch die engen Gassen bahnen. Ich hatte nie Angst vor Kühen. Einfach vorbei laufen und ignorieren hat bisher immer geklappt. Tja, dieses mal leider nicht: Eine der Kühe rammte mir einfach so eines ihrer Hörner in den Oberschenkel… Zum Glück bin ich mit einer gelben Beule davon gekommen. (;
Das vorige Wochenende sind wir mit Lion, einem kulturweit-Freiwilligen, und Deaa, Melles Mitbewohner aus dem Libanon, ins Skigebiet Gudauri gefahren. Vom Skifahren- oder Snowboardenlernen konnte mich immer noch niemand wirklich überzeugen. Deshalb gibt es nicht wirklich viel zu berichten. Spaß hatte ich zwar beim Liftfahren, Herumlaufen, Panoramablickgenießen und Frischlufteinatmen, aber Skiresorts sind nicht wirklich was für mich. :D
Aus dem Feiern komme ich gar nicht mehr raus. Heute im Angebot: Bergfest. Und weil man in Georgien in der Gegenwart lebt, schwinge ich jetzt keine großen Reden über die vergangene Zeit oder das, was mich noch erwartet. Da muss ich euch leider enttäuschen, liebe Leser. Aber trotzdem beantworte ich euch zu diesem besonderen Anlass, inspiriert von Melles Abreise, ein paar Fragen.
Worauf ich nicht verzichten kann? Auf meine WG-Fäm, die Landschaft, das Popcornaroma in der Luft, meine Lieblingskolleginnen und -schüler, die Spontanität, die Kühe auf den Landstraßen, die Gastfreundschaft, das Essen, neue Freunde aus aller Welt, mein gemütliches Zimmer und seine Aussicht, den Geruch von frischem Puri, in manchen Situationen nicht verstanden zu werden (die deutsche Geheimsprache macht’s möglich), den Puls der Stadt, Reisen ohne sich dabei groß über das Geld Gedanken machen zu müssen und nicht zuletzt die Lockerheit:
Am Straßenhorizont erblicke ich einen gelben Punkt. Der Bus kommt. Ich quetsche mich hinein. Der Busfahrer steigt aus. Er kommt erst nach einer Weile wieder zurück. Klar: Er musste sich erst noch Zigaretten am Kiosk kaufen. Während er sich ununterbrochen Kekse in den Mund schiebt, fährt er mit dem Handy am Ohr los und der Bus schwappt, bis zum Rand gefüllt mit Leuten, über die verstopften Straßen. Ich muss grinsen.
Ihr merkt schon: Das Glück ist auf meiner Seite, ich bin verliebt in das Land und froh hier gelandet zu sein. Aber es gibt ja immer ein paar Dinge, die einem nicht so in den Kram passen. Was mich nervt? Die Umweltverschmutzung, die Straßenführung und der Verkehr, die bettelnden Kinder, das Zuspätkommen, die Straßenhunde – und katzen, die viele Polizei, das Laufen im Schneckentempo und die „Ohne-Facebook-läuft-nichts-Attitude“.
Letztens war ich mit Melle in einem der Weinshops. Ein Typ, der dort arbeitet, wollte unsere facebook-Namen wissen. Georgien ist die facebook-Nation Nummer Eins. Man wird hier nicht nach seiner Nummer gefragt. Das ist hier eben so. Als ich ihm sage, dass ich kein facebook habe, schaut er mich an und sagt: „I know people like you. You don’t have facebook, you hate cities, you feel free in the nature and you hate money.“ Ob das alles so stimmt, sei mal dahin gestellt. Ich beginne trotzdem zu schmunzeln. Denn irgendwie sehe ich das als Kompliment. (;
Was ich vermisse? Ganz klar: Die Spessartluft, geregelten Verkehr, Stille, das Verbot in Restaurants und Cafés zu rauchen, Hotel Mama & Papa – insbesondere die Küche (obwohl ich die Freiheit genieße auch ohne Holzlöffel aus beschichteten Pfannen und Töpfen zu essen :D), Mülltrennung, Tatortabende vorm Kamin, eine Spülmaschine, meine Lieblingsmenschen, Planung, Krotzebojer Leitungswasser, gutes Vollkornbrot – ja, das Klischee macht auch vor mir nicht Halt – und den Verkehr.
Apropos . Ein georgischer Freund meinte mal zu mir: „Weißt du was der größte Unterschied ist zwischen Deutschland und Georgien? In Deutschland hält man sein Auto, wenn man nüchtern ist, gerade in einer Spur und wenn man getrunken hat, fährt man in Schlangenlinien quer über die Straße. In Georgien ist das genau andersherum. Nur Besoffene fahren geradeaus.“
Vom Leben gelernt habe ich, dass…. aufgewärmter Kaffee nicht schmeckt, Tatortschauen nur mit Mama Spaß macht, es sich manchmal lohnt den unbequemen Weg zu gehen, die Welt ungerecht ist, Ungeduld nichts bringt, Kranksein schöner zu zweit ist, die Guten gar nicht mal so gut und die Bösen gar nicht mal so böse sind, man die komischsten Dinge vermissen kann und das irgendwie etwas Schönes hat.
Eigentlich wollte ich mich schon viel früher bei euch bedanken. Für die lieben Glückwünsche. Und, naja, eben für die Post. Ich dachte mir nur, ich warte bis sie halt auch wirklich da ist.
Das Ding mit der Post hier ist echt ein bisschen merkwürdig. Es gibt nicht mal Briefkästen – die Rechnungen werden einfach an den Türrahmen geklemmt. Dies sind meine bisherigen, zeitraubenden Erfahrungen:
Zustellungsversuch, der Erste: Die Jagd auf mein erstes heiß ersehntes Paket beginnt mit einem auf Georgisch bekritzelten Zettel, den ich in unserer Wohnung vorfinde und von einer Kollegin übersetzen lasse. Bei der zugewiesenen Poststelle bin ich leider eine halbe Stunde zu spät. Supermärkte, Restaurants und Co. – fast alles hier hat, selbst sonntags, 24 Stunden am Tag offen, aber die Post schließt natürlich schon um 17 Uhr… Ein paar Tage später komme ich nach einer langen Fahrt bis ans andere Ende der Stadt dann doch noch an mein Paket.
Zustellungsversuch, der Zweite: Beim zweiten Mal bekomme ich nicht mal mehr einen Zettel. Als ich die Hoffung schon längst aufgegeben habe, klingelt mein Handy: Eine SMS von der Post. Wo habt ihr denn bitte meine Nummer her?! Später erfahre ich, dass beim Kauf einer SIM-Karte eine Registrierung erfolgt. Deshalb musste ich damals nochmal zurück und meinen Reisepass holen….
Zustellungsversuch, der Dritte: Diesmal per Einschreiben. Gespannt verfolge ich den Weg des Pakets im Internet. Vier Tage vor meinem Geburtstag kommt es in Tbilissi an. Wer hätte das gedacht…Doch: Zu früh gefreut. Weitere zwei Wochen gammelt das Paket in einer der Poststellen herum. Immerhin! Irgendwann werde ich unruhig und kontaktiere – wie sonst auch immer – die Post per Mail. Diesmal bekam ich nämlich weder eine SMS noch einen Zettel. Mir wird geantwortet, ich könne das Paket abholen. Gut zu wissen. Zuversichtlich betrete ich mit der Paketverfolgungsnummer in der Hand die genannte Poststelle. Die Frau hinter dem Tresen tippt die Nummer in ihren Computer ein. Dann meint sie doch allen Ernstes zu mir, dass mein Paket nicht bei ihnen sei. Trotzdem die Post mir schon fünf Mal zu erklären versucht hat, dass sie ohne Verfolgungsnummer den Standort meiner Pakete nicht nachprüfen könne, nenne ich der Frau meine Adresse. Und schaue da. Es klappt. Die Post ist wohl doch in ihrer Filiale. Ich bekomme endlich mein Geburtstagspäckchen ausgehändigt!
Zustellungsversuch, der Vierte: Hoffnungslos frage ich die Frau hinter dem Tresen auch, ob zufälligerweise ein anderes Paket ohne Verfolgungsnummer für mich hinterlegt sei. Nein, aber sie könne das ja anhand der Adresse prüfen. Ich bin erstaunt: Zwei Pakete für mich liegen in zwei unterschiedlichen Poststellen Tbilissis. Sie verspricht mir, dass die Pakete zu mir nach Hause geliefert werden. Da bin ich ja mal gespannt….
Nun gut, so viel dazu. Ich habe, soweit ich mich erinnern kann, seit Ewigkeiten keinen Geburtstag mehr in einem anderen Land verbracht. Und ohne die Gummibärchen-Lichterkette. Und lange nicht so peinlich. Spaß hatte ich trotzdem, und zwar mehr als genug.
Melle hat mich mit ihren Pfannekuchen und einem Banane-Walnuss-Nutella-Kuchen verwöhnt, meine Mitbewohner haben mir eine wunderbare Nachttischlampe geschenkt und von meinen Kolleginnen habe ich Blumen bekommen und… ja, jetzt kommen wir zum peinlichen, aber mindestens genau so rührenden Teil der Geschichte.
Anlässlich meines Geburtstages sind sie nämlich mit mir in ein richtiges georgisches Restaurant mit Live-Musik gegangen. Aufgetischt wurde alles was das Herz begehrt, getanzt wurde reichlich und getrunken auch. Nino hat nämlich das Ergebnis der herbstlichen Weinernte aus Kachetien mitgebracht.
Einige Stunden später wurde das Licht im Restaurant ausgeschaltet. Die Band hat mir ein Geburtstagsständchen gesungen und ein Kellner hat eine spektakuläre Geburtstagstorte zu unserem Tisch getragen. Eine dermaßen süße Torte gab es zuletzt an meinem vierten Geburtstag in der Dominikanischen Republik. Das hatte Déjà-vu-Potenzial.
Und dann haben die gesamten Restaurantbesucher auf mich getrunken. Nicht, dass ich an diesem Abend schon genug mit warmen Worten überschüttet wurde… Ihr wisst ja, der Tamada beginnt mit einem Trinkspruch und im Anschluss erhebt jeder Anwesende in der Runde nacheinander sein Glas, um Worte zu diesem Thema zu finden.
Später hat der Sänger der Band mir noch ein Lied gewidmet. Gezwungenermaßen musste ich also auf die Tanzfläche. Ehe ich mich versehen konnte, stand auch schon einer der netten Kerle vor mir, der zu georgischer Volksmusik tanzen wollte. In den nächsten zwei Minuten, die sich anfühlten wie eine Ewigkeit, konnte ich die Lieblingsworte meiner Mitbewohnerin widerlegen: „Shit happens. But not to us.“
Meine Kolleginnen haben sich wenigstens gut amüsiert, während ich die peinlichsten Minuten meines zwanzigsten Lebensjahrs schon über die Bühne bringen durfte. Hoffentlich.
An diesem Abend blieben keine Wünsche offen. Außer vielleicht… ein größerer Magen. Meine WG-Mannschaft hat sich jedenfalls riesig über das übrig gebliebene Essen gefreut, das meine Kolleginnen extra haben für mich einpacken lassen. Reste mitnehmen ist hier leider weniger üblich und so kam es, dass dieser Abend für so ziemlich jeden ein bisschen peinlich war. (;
Was gibt es sonst so Neues? Die Stadtruinen in Tbilissi werden für eine Straßenerweiterung zugeschüttet, ich war für 5 Lari (ungefähr 2 Euro) beim Frisör, es gibt neue Geldscheine, Melles und mein geplanter Paraglideflug ist am georgischen Organisationstalent gescheitert, mir ist meine erste Hühnersuppe geglückt und wir haben wieder nach Münzen gesucht.
Schnut, schnut, schnut, was geht’s uns wieder gut.
Die Taxifahrer machen sich schon Sorgen um ihr Einkommen, weil kaum Schüler in die Schule kommen. Schuld daran sind die Schweinegrippeviren, die wohl momentan im Umlauf sind. In Georgien wurden deshalb schon 267 Schulen geschlossen, allein in Tbilissi 108.
Die Krankenrate muss über 20 % betragen, damit eine Schule geschlossen wird. Bei uns sind es dafür zwei Prozent zu wenig. 18 % Abwesenheit auf Grund von Krankheiten und gefühlte 81 % Abwesenheit wegen… Jap, keine Ahnung. Weil die Eltern ihre Kinder aus Angst nicht in die Schule lassen, weil die Schüler sich absprechen und endlich einen Grund haben nicht in die Schule zu gehen, weil freie Zeit mit Freunden mehr Spaß macht, weil es sinnlos ist zu kommen.
Die Situation erinnert mich an die nach den Winterferien. Fast nur Lehrkräfte hängen in der Schule ab.
„Glaubst du die Schule wird auch geschlossen?“, frage ich voller Hoffnung auf ein Ende meines sinnlosen Daseins. Meine Kollegin schaut von den Ikonen auf dem Pult zu mir auf: „Nein, denke ich nicht. Ist aber besser so, denn sonst müssen wir am Wochenende in die Schule kommen.“ Ich bin verwundert: „Hä? Warum das denn?“ „Naja, dann werden die gestrichenen Schultage auf Samstage verteilt und nachgeholt.“ „Na, am Wochenende kommen die Schüler doch erst recht nicht.“, bemerke ich. Sie fügt nur hinzu: „Die Tage sind so oder so verlorene Tage.“
Wenn es hochkommt, sind vier von sechsundzwanzig Schülern anwesend oder auch mal einer von dreißig, meistens aber keiner. Sehen wir es mal positiv – so hat man wenigstens Zeit sich bei Kaffee und Tee ausgiebig mit den Kollegen zu unterhalten. Nicht nur schon darüber, was wir an meinem Gebi im Restaurant bestellen wollen :D, sondern auch über weniger Belangloses, wie das georgische Schulsystem:
Highschool is not destiny. Und das ist ja nichts Neues. Doch hier schon mal gar nicht. Alle Schüler schließen die Schule nach der zwölften Klasse ab. Es gibt in Georgien weder vergleichbare „Real-“ noch „Hauptschulen“. In der zwölften Klasse müssen acht (wohl sehr leichte) Tests absolviert werden.
Was passiert dann? Entweder man fängt direkt an zu arbeiten, was sich nicht als wirklich leicht gestaltet bei dem Mangel an Arbeitsplätzen, bringt sich selbst etwas bei oder studiert eben, wie die meisten es hier versuchen. Nur so hat man annähernd eine minimale Chance einen Arbeitsplatz zu finden.
Mit ihrem Abschluss können sie aber lange noch nichts anfangen, denn wer studieren will, muss verschiedene Einstellungstests an der Uni bestehen, egal wie gut er oder sie in der Schule war. Eigentlich ja ganz nett, wenn keine Vorselektion getroffen wird und für jeden die selben Bedingungen gelten. Das jedoch auch nur in der Theorie.
„Wenn man Verwandte an der Uni hat, können die Prüfungen sehr leicht abgelegt werden. Leider passiert das immer noch in Georgien. Als ich studiert habe, habe ich den Neffen meines Professors in meinem Studiengang ganze zwei Mal gesehen. Er hat ein Diplom bekommen und arbeitet jetzt in irgendeinem Ministerium. Deshalb ist das Land so weit gekommen. Aber: Kommt Zeit, kommt Rat. Langsam, langsam schaffen wir das. Es gab viele Veränderungen in den letzten Jahren, seit dem Regierungswechsel.“
Der Schulabschluss bringt den Schülern also kaum etwas. Ich verstehe das nicht. „Und warum sind den Eltern die Noten dann so wichtig und weshalb sind die Schüler traurig, wenn sie mit einer acht (2+) benotet werden?“, frage ich. Und als Antwort bekomme ich: „Für die zukünftige Schwiegermutter, Mara, für die zukünftige Schwiegermutter.“ Na dann, Prost.
Sonst läuft alles super in der Schule. Der Deutschclub findet nun zwei Mal in der Woche mit zwei verschiedenen Gruppen statt. Meine Mentorin wird sogar schon gefragt, ob Schüler, die keinen Deutschunterricht in der Schule haben, daran teilnehmen dürfen.
Und Spaß habe ich auch: Hier das alternativste Zebra ever. (; Und diese Schildkröte ist auch nicht schlecht. :D
Warum genau quälen wir uns nochmal samstags um sieben Uhr morgens aus dem Bett? Damit wir fast zwei Stunden gelangweilt in der Marschrukta sitzen können bis sie um halb elf losfährt. Aber hey, das habe ich hier schon gelernt: Geduld, Geduld, Geduld.
Natürlich waren Melle und ich dann viel zu spät im Borjomi-Nationalpark und für unsere zweitägige Schneeschuh-Tour lag sowieso zu wenig Schnee. Trotzdem sind wir, zugegebenermaßen leicht frustriert, losgestiefelt. Dann halt nicht die große Wanderroute.
Unsere Fußabdrücken waren neben ein paar Tierspuren nahezu die einzigen in der weißen Kristalldecke. Gerne hätte ich mal wieder ein paar Mucklas in die Gegend gestreut. Wir zwei ganz alleine im tiefen Wald; in unseren Lungen die frische, kühle Waldluft. Wie wunderbar. Man fühlt sich so herrlich klein zwischen den hohen Tannen. Nicht, dass ich das sowieso schon tue. :D
Als wir die Hälfte der Alternativstrecke hinter uns gebracht hatten, hieß es Schneemann bauen, Zelt aufschlagen, hoffen einem wilden Tier zu begegnen, Holz suchen, Nudeln kochen, eiskalte Füße ignorieren und versuchen zu schlafen. Letzteres ist mir leider nicht ganz so geglückt. Im Dunkeln war ich dann doch ganz froh, dass die Bären ihren Winterschlaf abhalten.
Am nächsten Morgen haben wir nach einem Haferschleimfrühstück verfroren unsere Sachen gepackt. Melle fühlte sich schlecht, wir sind umgekehrt und ich habe mich erstmal dick fett aufs Eis gelegt. Tja, so ist das halt manchmal. Pläne gehen hier selten so auf wie man sich das ausmalt.
Auf dem Rückweg nach Tbilissi wurde unsere Mitfahrgelegenheit noch von der Polizei angehalten. 1500 Lari, also circa 600 Euro mussten sie blechen. Warum? Der Fahrer hatte keinen Führerschein. Gut zu wissen. Sein Beifahrer übrigens auch nicht. Aber das hat die Polizei nicht gecheckt, weshalb es dann weitergehen konnte.
Das war unser, in Melles Worten: „Hand-vor-die-Stirn-schlag-Wochenende“. Take it easy.
Freitagmorgen. Es ist Schulbeginn. Ihr seid nicht die Einzigen, die denken, dass das nicht zusammenpasst. Wie erwartet, waren keine Schüler in der Schule. Einfach gehen kann man aber leider auch nicht. Es könnten ja doch noch Schüler kommen… Sicherlich. :D
Tee trinken und Kekse essen – das war unsere Beschäftigung für die ersten Schulstunden im neuen Semester. Und die bis jetzt sinnlosesten Stunden im neuen Jahr. Für Montag nehme ich mir definitiv ein Buch mit. Am Dienstag ist nämlich Feiertag und sein wir mal ganz ehrlich: Wer glaubt daran, dass wir Besuch von den Schülern bekommen? Ich jedenfalls nicht.
Wenigstens hatte ich so genug Zeit mich der Vorfreude zu widmen. Denn abends habe ich mit meinen Mitbewohnern mein Lieblingscafé besucht. Wir sind jetzt eine richtige WG-Family, die zusammen am Wohnzimmertisch sitzt, Wein trinkt, Klopapier und Waschpulver teilt (!), Pfannekuchen kocht und feiern geht. Elsa aus dem Iran, meine Lieblingsmitbewohnerin und Verbündete in Operation Kater, wohnt zum Glück immer noch hier. Hinzu gekommen sind Malies, eine belgische Jurastudentin, die in Tbilissi ein Praktikum über die UN macht und Lomi, ein facebookverweigernder Dreadlock-Hippie aus Deutschland, der schon länger in Georgien wohnt.
Meistens lasse ich meine Tür absichtlich geöffnet, um ihm beim Gitarrespielen zuhören zu können. Ihr habt richtig gelesen: Mein Raum besitzt nun eine Tür! Jetzt, wo der Kater ausgezogen ist, habe ich das gar nicht mehr so nötig. :D Seit ich in mein neues Zimmer gezogen bin, fühle ich mich trotzdem noch wohler als ich es sowieso schon tat. Gemütlicher geht’s nicht. Und das Panorama ist unbezahlbar! Ich kann nicht nur der bunten Wäsche beim Flattern im Hof zusehen, sondern sehe von meinem Bett aus sogar die Mutter Georgiens!
Das farbenfrohe Feuerwerk zum Neujahrstag des alten orthodoxen Kalenders (im Volksmund „altes neues Jahr“) konnte ich ganz entspannt von meinem Fenster aus beobachten.
Apropos bunt: Von Käthi, einer Schülerin aus der achten Klasse die für die nationale Tanzakademie tanzt, wurden Lisa, Zeiko und ich zu einer traditionellen georgischen Aufführung eingeladen. Bühnenbild, Kostüme, die verschiedensten Tänze aus allen Regionen Georgiens – das Ganze war sehr beeindruckend. Und vor allem eins: Laut. Aber das bin ich hier ja auch nicht anders gewohnt.
Fotos gibt es hier zu sehen. Der Speicherplatz ist voll… :D
Alles begann mit unserem Trip nach Jerewan. Dicht verpackt in Winterjacken sind wir mit der Marschrutka in die Hauptstadt Armeniens über die halbvereisten Straßen geruckelt. Mit Milchkaffe, Melle, guter Musik an meiner Seite und Blick auf die tief eingeschneite Landschaft vergingen die fünf, sechs Stunden wie im Flug.
Lisa und Tobi, zwei andere Kulturweitfreiwillige, haben uns in ihrer netten Wohnung aufgenommen. Neben Schneespaziergängen durch die Stadt, gemeinsamen Kochabenden und dem armenischem Nachtleben haben sie mir wieder gezeigt, wie ich es im Urlaub liebe, wenn ich vergesse, welchen Wochentag und welches Datum wir haben.
Später sind wir dann zu Jakob in seine mega coole Vollraucher-WG umgesiedelt, weil die anderen beiden Besuch von Heide und Laura aus Serbien bekommen haben (alle drei Kulturweitfreiwillige). Hier habe ich erfahren, dass armenische Autofahrer mit dem Erwerb eines teuren Autokennzeichens, in denen eine Zahl doppelt vorkommt, z.B. 14 UC 114, ihre Strafzettel im Prinzip schon vorbezahlen. Davon weiß natürlich keiner was, ist klar. Jedenfalls werden sie bei Verstößen gegen Verkehrsregeln nicht verfolgt. Aber zurück zum Text. Mann, bin ich froh, dass in meiner WG nicht geraucht wird – was hier echt nicht selbstverständlich ist! Dieser Weihnachtsbaum aus Jakobs WG steht symolisch für meine hier erlangte passive Raucherlunge:
Daheim rochen meine Haare nach zwei intensiven Waschgängen immer noch eingeräuchert. Und auch meine Klamotten wurden erstmal in die Waschmaschine gefetzt. Ja, wie sind wir eigentlich zurück gekommen?
Melle hat mich mit dem Trampen angesteckt. Man kann nicht nur Geld sparen, sondern erlebt auch ein paar Abenteuer und lernt viele neue Leute kennen. In Armenien war das aber ehrlich gesagt gar nicht so leicht. Sprachschwierigkeiten sind nicht nur hinderlich, sondern auch irgendwo ziemlich unangenehm. Über der Grenze konnte man sich mit seinem gebrochenen Georgisch dann doch erstaunlich gut unterhalten. Alles eine Frage der Perspektive.
Nach 12 Autos, zahlreichen Telefonaten mit Menschen, von denen die Fahrer dachten, sie könnten Englisch, Angst vor Straßensperrungen, mehr als genug Leuten, die uns irgendwohin fuhren, obwohl sie dort gar nicht hinwollten, einem vermeintlichen Polizeisheriff, der uns stolz seinen zerfledderten Ausweis unter die Nase hielt, einem verlassenen Grenzübergang, schlechten Straßen und einem witzigen Essen mit den armenischen Grenzbeamten in ihrer heruntergekommenen Hütte, sind wir endlich in unserem geliebten Tbilissi angekommen.
Wir hatten unglaublich viel Spaß – ob beim Teetrinken am Kloster Chor Virap mit Blick auf den Ararat an der türkischen Grenze oder beim gefrorene-Snickers-Essen am Sewansee, dem größten Süßwassersee des Kaukasus und einem der größten Hochgebirgsseen der Welt. Und wer kann schon von sich behaupten, dass er auf der Kaskade, einem gewaltigen Treppenkomplex, der sich weit den Berghang emporstreckt, Schlitten gefahren ist? (:
Kaum war ich zurück in Georgien hat mich Zeiko, meine Mentorin, für den ersten Januar zu sich nach Hause eingeladen. Insgeheim hatten Melle und ich sowieso auf eine Einladung von Einheimischen gewartet, um das georgische Fest der Feste mitzuerleben. Neujahr ist hier wie unser Weihnachten: Für viele die schönste Familienfeier des Jahres. Deshalb war ich von der Einladung echt gerührt. Nach einer wunderbaren Silvesternacht über den Dächern Tbilissis, einem kurzen Besuch auf dem Freiheitsplatz, wo Konzerte stattfinden, einer Hausparty, Barbesuchen und neuen Bekanntschaften hat Melle also bei mir übernachtet. Am Morgen sind wir gemeinsam zum Neujahrsmal aufgebrochen.
Abgesehen von der überladenen Tafel mit den feinsten Leckereien, der wunderbaren Gastfreundschaft und Alkohol, auf den man am diesen Tag hätte herzlich verzichten können, haben wir einige typische Traditionen kennengelernt. So zum Beispiel, dass fester Bestandteil des Neujahrsfestes „Gosinaki“ (eine Süßigkeit aus Honig und Walnüssen) und „Tschutschchela“ sind und die Kinder Geschenke vom Schneemann bekommen.
Am ersten Januar besucht der sogenannte „Meklvle“ die Familie, um alles Gute und ein erfolgreiches Jahr zu wünschen. Er kann Familienmitgleid, Freund oder Freundin der Familie sein und bringt Süßigkeiten und Bonbons als Symbol für Fruchtbarkeit und Glück. Meistens hat er auch „Chichilaki“, den georgischen Weihnachtsbaum, der dan Bart des heiligen Antonius darstellt und Sinnbild für ein gutes neues Jahr ist, dabei.
Die für uns bedeutendste Neuigkeit war, dass der zweite Januar symbolisch für das neue Jahr steht. Dieser prägende Tag heißt in der georgischen Tradition „Bedoba“, das bedeutet „Schicksalstag“.
Mit diesem Wissen reißt mich mein Wecker am zweiten Januar aus dem Schlaf. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, doch Melle und ich wollen eine frühe Maschrutka nach Jerewan erwischen. Urlaub steht an. Melle hat verschlafen, na toll, die nächsten 363 Tage stehen gelassen werden – darauf kann ich echt verzichten. :D
Im Café um die Ecke versuche ich mit einem leckeren Frühstück diesen Rückschlag wieder wett zu machen. So zumindest mein Plan. Statt meinem Lieblings-Banane-Walnuss-Joguhrt gibts dann laute Partymusik, gut gelauntes Personal und ungewöhnlicherweise keinen anderen Gast weit und breit. Wie soll ich das jetzt deuten? Ich bekomme nicht das, was ich will, dafür aber gute Musik, oder was?! (;
Melle hat mich dann irgendwann abgeholt und wir sind zu der von der Touristeninfo-Frau auf dem Stadtplan markierten Stelle gelaufen. Dummerweise fällt uns jetzt erst auf, dass sie nur den Stadtbezirk, in dem sich der Busbahnhof befinden soll, eingekreist hat. Na vielen Dank auch. In diesem Moment verabschiede ich mich vom Aberglauben. Ist glaub‘ ich besser so.
Wir irren ein bisschen umher, bis wir einen Mann nach dem Weg fragen. Er nimmt uns netterweise direkt dort hin mit. Die Maschrutka fährt, wie eigentlich schon von uns erwartet, eine Stunde später ab als angekündigt. Das ist mir jedoch egal, so lange ich dieses Jahr viel reise. :D
Sonst gibt es vom Weg nicht so viel zu berichten außer, dass die Grenzbeamten mit uns scherzen und wir vom rauchenden Hintermann fast erstickt werden. Im verschneiten, kalten Jerewan angekommen, hebe ich erstmal 20000 Dram ab. Ich werde dieses Jahr reich, Leute! Übersehen wir einfach mal die Tatsache, dass sich das mehr anhört als 40 Euro.
Wenig später kommen wir bei Tobi und Lisa (zwei kulturweit-Freiwillige, die in Jerewan zusammen wohnen) an, duschen heiß, kochen gemütlich, starten in die Nacht und entdecken unseren neuen Lieblings-DJ.
Jetzt könnt ihr selbst entscheiden, ob ihr daran glaubt oder nicht. :D Ich weiß jedenfalls: Egal, was dieses Jahr passiert, es wird vor allem eins – schlaflos. Und voll mit coolen Leuten. (:
Der Dezember hat eine wunderschöne Zeit mit mir verbracht. (; Wo fange ich da am besten an? Ich nehme mir mal raus noch über Weihnachten zu schreiben. Das orthodoxe Weihnachten kommt hier nämlich erst noch, und zwar am siebten Januar.
Die Schüler und Deutschlehrer sind total verliebt in deutsche Wintertraditionen. Der Adventskalender hat vor keiner Klasse halt gemacht. Und neben einer Nikolausaktion und dem Weihnachtsbasteln haben wir gleich zweimal Plätzchen gebacken. Einmal mit Lisa und ihrer kleinen achten Deutschklasse, die mich zu ihrem alljährlichen Walnussplätzchenbacken bei einem der Schüler zu Hause eingeladen hat.
Und natürlich mit dem Deutschclub, was zwar – wie auch anders zu erwarten? – sehr chaotisch war, aber unglaublich lecker ausging.
Die siebten Klassen haben mich mit bomben Nikolaus-, Advents-, Weihnachts- und Silvetserpräsentationen überzeugt. Fast jede Gruppe hatte irgendwelche Überraschungen dabei: Einen selbstgebastelten Adventskalender, ein Lied oder kleine Geschenke.
Ich habe wohl einmal erwähnt, dass ich gerne Apfelkuchen esse. Da haben die Schülerinnen einfach eine deutsche Bäckerei ausfindig gemacht und einen Kuchen für uns bestellt. Und so sieht dann ein spontanes Supra (so wird die georgische, große Tafel genannt) mit warmem Apfelkuchen im Computerraum (!) aus. (:
Ein weiters Supra ließ nicht lange auf sich warten: Beim Abschlussessen mit meinen Kolleginnen wurde ich – irgendwie hätte ich es ja ahnen können – zum Tamada getauft. Auf Pikira, die Geburtstag hatte, darauf, dass meine lieben Kolleginnen ab Sommer visumsfrei nach Deutschland reisen dürfen, auf uns, auf das Glück, auf die Freude, auf die Vorfreude und noch auf so viel mehr haben wir angestoßen. Folgender Satz einer Kollegin ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben: „Wenn es etwas auf der Welt gibt, das du immer vermisst, egal wo du bist, dann hast du etwas.“
Mit einem Sack voller Briefe und Umarmungen von Lehrern und Schülern ging es über Weihnachten genau dort hin: home, sweet home. Es war wirklich schön euch wieder zu sehen! Es kam mir vor, als wäre die Welt stehen geblieben – alles so vertraut, als wäre man nie weg gewesen. Die Zeit verging natürlich viel zu schnell, aber das tut sie ja immer.
Das mit dem Wort der Woche läuft jetzt übrigens:
Mit einem Koffer voll ausgelaufenem Äppler rutsche ich jetzt drei Stunden vor euch ins neue Jahr! Habt ne tolle Partytime!
Hier viel zu spät ein paar Eindrücke unseres fünftägigen Zwischenseminars oder besser Fat-Camps in Saguramo, einem kleinen Dorf nahe Tbilissi: Neun Freiwillige aus Georgien. Drei Freiwillige aus Armenien. Eine coole Teamerin. Ein Koch vom Mariott-Hotel. Schlaflose Nächte. Wein. Wandern. Werwolf. Strahlend blauer Himmel. Karge Weinreben. Long walks und long talks. Sonne. French-Toast. Egotankstellen. Lagerfeuer.
Ohne zu ahnen, dass dieser Tag mir jegliche Energie rauben wird, bahne ich mir den Weg durch das Schülergetümmel. Blöd nur, dass drei Achtklässler mit einer vollen Flasche Fußball auf dem Gang spielen und dabei, wie es der Zufall so will, mich treffen. Sie kriegen von mir ein georgisches „Juuuuuuuuuuuuuunge“ zu hören, aber da meine Winterjacke mich vor blauen Flecken bewahrte, fand ich das gar nicht so tragisch. Irgendwie kann ich auch verstehen, dass sie sich im Flur austoben. Wo sollen die Schüler denn auch mit ihrer Energie hin, wenn sie weder richtigen Pausen haben, noch nach Draußen dürfen?
Während ich so darüber nachdenke, greife ich in meine Jackentasche, um mein Handy herauszuholen. Tja, ich fühle leider nur Glassplitter. Mit dem in in die kleinsten Teile zerbrochenen Display gehe ich wieder auf den Flur und zeige ihnen mein kaputtes Smartphone. Klar, sie finden das lustig. Ich bitte sie einen Moment zu warten – so weit reichen meine Georgischkenntnisse schon – und hole eine Kollegin. Doch als wir zehn Sekunden später wieder kommen, sind die Schüler schon verschwunden.
Am meisten ärgere ich mich über mich selbst, weil ich die Schüler ja auch gleich hätte mitnehmen können. Tja, zu viel Vertrauen halt. Daran habe ich in diesem Moment auch einfach nicht gedacht. Ich meine, vor wem haben sie denn Angst? Vor mir ja wohl sicher nicht. :D
Eben taten mir die drei jedenfalls noch leid – ausgerechnet die Jackentasche, in der mein Handy liegt. Doch die Abhau-Aktion war nicht nur feige und frech, sondern wohl auch das so ziemlich Dümmste, was sie hätten tun können. Denn eins haben sie vergessen: Die Kameras, Jungs, die Kameras!
Meine Mentorin hat das alles in die Hand genommen, deshalb habe ich vom folgenden Prozedere nicht wirklich viel mitbekommen. Die uniformierten Leuten haben den Gefahndeten dank der Überwachungsvideos wohl direkt ausfindig gemacht. Und was habt ihr mit eurem Weglaufen jetzt genau erreicht? Das kam sicher nicht so gut an und war also die reinste Schnapspralinenidee.
Eine Klassenkameradin hätte sich noch erdreistet mir zu unterstellen, dass mein Handy schon vorher kaputt war. Nochmal zur Erinnerung: Es handelt sich nicht nur um Risse im Display. Nein, Smartphone und Display wurden in wenigen Sekunden nichtsahnend voneinander getrennt. Das Display musste einen tragischen Tod durch Zersplitterung in Einzelteile erleiden. Was blieb, ist ein Scherbenhaufen.
Vielleicht wird mir auch deshalb angeboten, ein neues Handy zu besorgen. Die Familie hätte wohl viel Geld, so meine Kolleginnen. Naja, ein neues Display reicht mir. (; Etwas Gutes hat das Ganze aber: Ein Selbstversuch, denn übers Wochenende bin ich smartphonelos. Für drei Tage ohne Kommunikationsmittel, Wecker, Uhr und Musik. Schon erschreckend worauf ich jetzt alles verzichten muss.
Doch: No day is so bad, it can’t be fixed with a nap. Das traf für eine Weile sogar mal zu, denn der Kater ist nach zahlreichen Müll- und Gewürzverteilaktionen bei einem Freund von Maria untergekommen und konnte mich so nicht mehr vom Schlafen abhalten. Doof, dass er auch dort die Tapete zersört hat. Also, welcome back, bad boy. Bis Januar muss ich sein Rumgheule noch ertragen, dann zieht er hoffentlich aus. Meine Kopfhörer sind nämlich auch kaputt.
Was mir dann wirklich den Tag versüßt, oder besser gesagt weniger bitter macht, das ist Fanpost aus der fünften Klasse:
So Leute, ich hab lang nichts mehr von mir hören lassen. Ihr fragt euch sicher, was ich die letzten Wocheneden so getrieben habe. Und ihr kennt mich ja: natürlich waren ein paar Gammlertage dabei. Aber das braucht man halt ab und zu. (;
Vor zwei Wochen bin ich mit Melle nach Sighnaghi getrampt – eine märchenhafte, aber irgendwie auch seltsame Stadt in Kachetien. Die eng verwinkelten Straßen erinnern ein bisschen an italienische Altstädte. In Sighnaghi haben wir auch das nahgelegene Frauenkloster Bodbe besichtigt. Es ist eines der berühmtesten Klöster des Landes und wurde aufwendig restauriert. Von der wunderschönen Anlage sind wir dann die von Herbsblättern bedeckten Steinstufen zur heiligen Quelle hinuntergestiefelt.
Allerhöchstens eine halbe Stunde sind wir dort hinspaziert. Als ich den Schülern von meinem Wochenende erzählte, waren sie ganz entsetzt, dass wir gelaufen sind. Und auch die Lehrerin hat ganz verwundert geschaut. Nochmals erklärte sie mir, dass fast nur Touris wandern. Hier gelte selbst ich als wanderbegeistert und bestätige für einige scheinbar den Glauben, dass alle Deutschen gerne und viel in der Natur unterwegs sind.
Als wir unseren Sonntag mit Deaa, Melles Mitbewohner, am Schildkrötensee verbrachten, konnten wir dank einem Trampelpfad einen kleinen Berg erklimmen. Unser Freund aus dem Libanon studiert seit über zwei Jahren hier und kennt den ein oder anderen Geheimtipp. Es ist doch erstaunlich, wie schnell man aus der Stadt herauskommt. Einen atemberaubenden Blick hat man von da oben!
Einmal sind wir auch nach Rustavi, eine Stadt ganz in der Nähe von Tbilissi, gefahren. Im Rahmen der europäischen Kulturwoche wurde dort ein Feuertheater aufgeführt. (: Auf dem Rückweg hatte ich meinen ersten Kontakt mit der hier überall präsenten Polizei, die total stolz auf ihre neuen Autos ist und selbst wenn sie nur am Straßenrand steht oder ziellos herumfährt, Blaulicht anlässt. Achso, don’t panic, wir waren wohl nur zu schnell unterwegs.
Um Mama mal vorweg zu greifen:
„Set your life on fire. Seek those who fan your flames.“ – Rumi
გაგიმარჯოს (Gagimardschoss) – ja, auch zur Begrüßung wird sich hier schon zugeprostet!
Wenn ich so über den Flohmarkt an der trockenen Brücke schlendere oder die Frau an der Eingangstür der Schule mich anquatscht, merke ich wieder, dass es schon hilfreich wäre, besser Georgisch zu können. Irgendwie mache ich trotz zweimaligem Sprachunterricht in der Woche nicht so große Fortschritte. Vielleicht, weil ich nicht mehr so ans Lernen gewöhnt bin. :D Mal ehrlich, die Sprache ist gar nicht so leicht, auch wenn die Schrift unglaublich schön aussieht.
Doch auch die verschnörkelten Buchstaben können mich nicht wirklich motivieren. Und dabei kenne ich hier ein paar Leute, die mindestens drei Sprachen flüssig sprechen. Ein Freund aus dem Libanon beherrscht Hebräisch, Arabisch, Georgisch, Englisch und Russisch. Davon hat er sich die Hälfte selbst beigebracht und gerade lernt er noch Deutsch. Hats off to you – schon ziemlich cool und irgendwie beneidenswert und trotzdem kann ich mich nicht zum Lernen aufraffen. Hier gibt es auch einfach viel zu tolle Alternativen zum Zeitverbringen… :D
Spaß hat unsere fünfköpfige Truppe jedenfalls; ob beim Tiermemory-Spielen oder beim georgischen Kochen in der Wohnung unserer herzlichen Lehrerin Lika. Natürlich kommt man um das trockene Grammatiklernen, das selbst laut Muttersprachlern sehr schwer sein soll, nicht herum – doch so ist das nun mal. Dienstags und donnerstags von halb sieben bis acht lässt sich das mit einer Tasse Tee schon aushalten.
Das Einzige was leicht ist, und auch alle Gender-Liebhaber erfreuen wird: In der georgischen Sprache existieren keine Artikel und keine Unterscheidungen zwischen „er“, „sie“ oder „es“. Ob sich ein Gespräch um eine männliche oder weibliche Person dreht, muss man also schon selbst ausklügeln. (;
Mein Lieblingswort ist ბუ (ausgesprochen: bu). Das bedeutet Eule. Es gibt übrigens kein georgisches Wort für wandern – das machen hier nur die Touris. Entweder man wird dabei von Vorbeifahrenden etwas verwirrt angeschaut oder die Autos halten an und die Fahrer wollen dich mitnehmen…
Zwei Dinge zum Jubeln. Erstens: Die Schulstunden in der ersten Schicht wurden auf 40 Minuten gekürzt, damit die Schüler im Winter eine halbe Stunde später in die Schule kommen können. Im Frühling ändert sich das zwar wieder, aber ich kann ein bisschen länger schlafen und das freut eine Mara immer… Zweitens: In der Schule wurde endlich die Heizung angemacht! In zwei der drei Deutschräume ist es trotzdem kalt und ich bleibe gut in Schal und Jacke eingepackt.
Heiß wurde mir nur beim Martinsmann-Backen mit meiner Deutsch-AG: Das war nämlich ein ziemlich chaotisches Gewusel in dem für die Gruppe viel zu kleinen Raum. Trotzdem hat alles geklappt, wir hatten viel Spaß und die Mini-Weckmänner haben lecker geschmeckt. Weitere Highlights der letzen Schulwochen waren die Präsentationen zu St. Martin, das Daumensdick-Schattentheater und der Tanzworkshop der siebten und achten Klassen im Goethe-Institut, aber seht selbst:
Gerade sitze ich im sunday-morning-chillin‘-mood an meinem Schreibtisch und blicke aus dem Fenster. Es ist kalt geworden. Von draußen starrt mich unser maunzender Kater an, den ich so eben ausgesperrt habe und nun halbwegs erfolgreich versuche zu ignorieren. Seid mir nicht böse, liebe Katzenfreunde, aber ich kann ein auf meiner Tastatur herumlaufendes Tier momentan nicht gebrauchen und noch viel wichtiger: mein Frühstück soll sich weiterhin in Sicherheit wissen. Der Kater ist für die negativen Schwingungen, die ich ihm täglich vergeblich versuche zu senden, irgendwie nicht so richtig empfänglich. Es kommt schon mal vor, dass ich nachts von einem auf mir herumschleichenden Wollknäul aus dem Schlaf gerissen wurde.
Meine Liebe zum Kater wächst genauso wenig wie meine Liebe zu Plastiktüten. Nicht nur, wenn ich für meine Einkäufe im Supermarkt, die man hier übrigens – genau wie einige Restaurants – 24 Stunden das ganze Jahr besuchen kann, einen Stoffbeutel auspacke, werde ich komisch beäugt.* Nein, auch wenn ich eine Tüte für eine Flasche oder eine Tafel Schokolade dankend ablehne.
Mein Außenseiterdasein weitet sich auch noch auf andere Bereiche aus: Ich bin eine der Wenigen, die sich beim Vorbeikommen an einer Kirche nicht bekreuzigt – egal, ob zu Fuß, im Bus, Taxi oder in der Maschrutka unterwegs. Hierzu passend ein Zitat von einem katholischen Tourist, den ich traf: „Lieber Taxifahrer, ich kann für dich beten, halt‘ du bitte die Hände am Lenkrad.“
Naja, zurück zum Text. Apropos Einkaufen: In unserer WG kauft – ich weiß, ein bisschen eigenartig – jeder sein eigenes Klopapier, damit weniger verbraucht wird. Eigentlich ist sonst alles ganz normal. Waschpulver und Essen besorgt jeder für sich. Wir teilen Geschirr, Öl (auch wenn ich mir mein eigenes Olivenöl zugelegt habe… :D), Gewürze, Gas, Strom, Wasser, Spüli, Putzmittel, Internet und alles was für die Allgemeinheit eben so ausgegeben wird, wie eine Duschmatte oder den Handwerker. Für unglaubliche 20 Lari, das sind ungefähr acht Euro, hat er diese Woche Heizung und Dusche in Ordnung gebracht.
Am nächsten Morgen bin ich zwar verschlafen, aber voller Freude auf eine funktionierende, warme Dusche ins Bad gegangen. Das Wasser ließ jedoch auf sich warten. Ein paar Stunden ohne Gas, Strom oder Ähnliches gelten in dieser Stadt als Normalität. Das Duschen ist dann ja mal wortwörtlich ins Wasser gefallen, aber wenigstens gibt es Notfallwasserkanister in unserer WG.
Wenn wir schon beim Thema Haushalt sind: In meiner Schublade sammeln sich schon die ersten einsamen Socken, deren Partner spurlos verschwunden sind. Und es gibt leider keinen Backofen. Aber dafür: Achtung Papa – einen Gasherd! (: Meine Kochgewohnheiten haben sich schon merklich verändert: Jetzt gibts nur noch alles was relativ schnell geht, meistens in der Pfanne und ohne Rezept. Maria, die Mitbewohnerin aus Polen, scheint eine sehr begeisterte Köchin zu sein. Oft stehen die Reste ihrer Gerichte verführerisch in der Küche herum. Da hilft nur Selbstbeherrschung. :D Es ist schon irgendwie doof, dass man nicht mehr alles Essen kann, man ans Einkaufen denken muss und seine Lebensmittel rechtzeitig verbrauchen muss, weil man sie nur alleine isst.
Und da ist natürlich das Ding mit dem Putzen. Das ist gar nicht so schlimm, da wir vier Leute sind. Also heißt es für mich nur einmal im Monat den Besen schwingen und Müll raus bringen. Trotzdem sind wir alle keine Profis – naja, die anderen schon mehr als ich, aber zu meiner Verteidigung: sie sind mir zehn Jahre im Voraus. So sauber wie in der Heimat wirds halt nicht – außer die gute Annika kommt mal rüber geflogen. (;
Übrigens sind die WG-people, wie das Klingelschild verspricht, wirklich cool. Ich bin echt bei netten Mädels gelandet, die mich gerne zu etwas einladen – sei es auf eine Halloweenparty, auf eine süd-afrikanische moderne Carmen-Balettaufführung, auf ein Gitarren-Quartett-Konzert oder auf einen Spaziergang.
Trotzdem ertappe ich mich beim Nach-Hause-Kommen schon manchmal dabei mich zu freuen, wenn niemand da ist. Es ist auch einfach mal schön für sich zu sein.
So viel zu meinem Alltagsleben. Grüße aus der Zukunft, ich bin euch ja jetzt drei Stunden im Voraus. (;
*Was man hier auch 365 Tage lang hat: Silvester. Jeden Abend, ungelogen, hört man es irgendwo knallen. Ich habe gehört, dass bei jeder Geburt ein Feuerwerk gezündet wird.
Am Wochenende war ich wieder bei meiner georgischen Lieblingsfamilie in Kachetien auf dem Land. Meine Kollegin Nino hat mich zum Tschurtschchela-Machen eingeladen – man sagt hier auch „georgisches Snickers“. Das feiern die Georgier zu Silvester, wie die Deutschen Plätzchen zur Weihnachtszeit.
Die Herstellung ist ziemlich aufwendig: In der Regel werden zuvor geschälte und sortierte Walnüsse mühsam auf dicke Baumwollfäden gefädelt, was tagelange Arbeit bedeutet. Glücklicherweise hatten die Frauen im Dorf schon alles vorbereitet. Zur Abwechslung gab es auch ein paar Ketten mit Haselnüssen und getrockneten Früchten.
Dann wird die Tatara zubereitet. Das ist mit Mehl eingedickter Traubensaft – in unserem Fall natürlich aus eigener Herstellung. Über der Feuerstelle wird das Ganze dann drei bis sechs Stunden erhitzt bis eine zähe, etwas verdunkelte Masse mit kleinen Bläschen entsteht, die nicht mehr nach Mehl schmeckt. Die Tatara kann je nach Traubensorte und Kochzeit unterschiedliche Farben annehmen. Damit nichts anbrennt, musste der riesige Holzlöffel praktisch die ganze Zeit in Bewegung bleiben. Ich sag euch: Ganz schöne Muskelarbeit.
Die Nüsse werden dann tief in die Tatara getaucht, herausgezogen und mindestens zwei Wochen zum Trocknen gehängt. Wir hatten ausnahmsweise statt 300 nur 170 Stück vor uns. Die Konsistenz ist weder frisch noch getrocknet mein Fall, aber zur Verteidigung der Nationalspeise: Ich mag auch keine Gummibärchen.
Natürlich blieb es nicht nur bei der Süßigkeit: Für Gäste und Nachbarn wurde wie selbstverständlich reichlich, gut georgisch aufgetischt und eingeschenkt. :D
Und mal wieder habe ich nicht gemerkt, wie der Tag an mir vorbei zieht. Allein die Hinfahrt mit den sechs Kindern der georgisch-deutschen Familie von Ninos Bruder verging wie im Flug. Mal wieder ein bisschen „Teekesselchen“, „Wer bin ich“ und „Ich sehe was, was du nicht siehst“ spielen, ist ja auch nicht verkehrt. Von morgens bis abends habe ich im Hof gesessen, Gesprächen gelauscht, so vor mich hin gegessen, türkischen Kaffee und die Gastfreundschaft genossen und mich an der Feuerstelle gewärmt.
Zu Hause ging es für meine geräucherten Klamotten dann erstmal in die Waschmaschine und für mich mit doppeltem Haarwaschgang unter die Dusche. (;
Lehrerausflug der Deutschlehrerinnen. Let’s fetz. Der Aufbruch verlief genau so wenig lehrerlike wie gewöhnt: 10 Uhr Treffpunkt, 11 Uhr Abfahrt. Und dann haben wir erstmal spontan entschieden, wo es hingehen soll. Unser erstes Ziel: das Ilia Chabchavadze Museum. Als ich den Schülern später von meinem Sonntag erzähle, wird mir erklärt, dass es keinen Georgier gibt, der dort noch nicht gewesen ist. Alle zukünftigen Besucher sollten sich diesen Namen also merken. (;
Ilia Chabchavadze gilt als der ungekrönte König Georgiens, der Vater des Vaterlandes, der Nationalheld schlechthin. Er wurde sogar von der Kirche heiliggesprochen und erhielt den Ehrennamen „Ilia der Rechtschaffende“. Als Jurist, Schriftsteller, Dichter und inspiriert von der modernen liberalen Bewegung in Europa, leitete er die georgische Nationalbewegung an. Außerdem setzte er sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein, kämpfte für die Unabhängigkeit seines Heimatlandes, gründete viele Kultur- und Bildungseinrichtungen in Georgien (z.B. die Gesellschaft zur Verbreitung der Lese- und Schreibkunde) und war zu guter Letzt ein treuer Beschützer der georgischen Sprache und Kultur von der Russifizierung. 1907 wurde Chabchavadze im Alter von 69 Jahren auf einer Reise ermordet. Es gilt heute als sicher, dass es sich dabei um ein politisches Attentat handelte.
Gewohnt hat der Gründungsvater des modernen Georgiens, der den 20-Lari-Schein ziert, jedenfalls wunderschön. Nach einem Spaziergang im umliegenden Garten ging es samt allen Deutschlehrerinnen dann noch zur Zedazeni Kirche. Eigentlich wollten wir hochlaufen, doch nach 10 Minuten kam einfach unsere Maschrutka hinter uns her, die uns die letzten Meter hoch kutschierte. Für die Lehrerin in Pumps war das wahrscheinlich auch das Beste… Oben hatte man zwar nicht den wunderbarsten Blick auf Tbilisi, aber dafür konnte man den Nebel anfassen. (;
Beim gemeinsamen Picknick im Herbstwald mit zwei Omas, die unsere Maschrutka als Mitfahrgelegenheit nutzten, ist mir nochmal klar geworden, wie unglaublich wohl und willkommen ich mich in diesem vielseitigen Kollegium fühle. Ich weiß, ich kann es nicht oft genug sagen, aber wenn der Tamada schon auf einen trinkt, kann man sich echt glücklich schätzen. (:
An alle Kastanienmenschen da draußen: Die Herbstsonne und die bunten, raschelnden Blätter lassen sich am besten im großen Kaukasus genießen – das garantiere ich euch! Da komme ich nämlich selbst gerade her. Und zwar mit ausgelüfteter Lunge, Sonnenbrand, mehr Vertrauen in Tourismustanten, der Erkenntnis, dass ich gerne in einem Petersson-und-Findus-Buch leben würde und wieder mal mit der Bestätigung, dass der Herbst meine Lieblingsjahreszeit ist. Schade nur, dass ich noch keinen Igel gesichtet habe…
Mit vier anderen kulturweit – Freiwilligen ging es für mich mit dem Nachtzug nach Zugdidi und dann weiter mit der Maschrutka nach Mestia, eine Stadt in der historischen Region Swanetien. Nachtzug und Maschrutka in den Bergen – zwei Dinge, dich ich eigentlich nicht unbedingt wiederholen müsste, aber für den fünftägigen Trip hat sich das definitiv gelohnt.
Den ersten Tag waren wir damit beschäftigt das Städtchen zu erkunden, Walnüsse zu sammeln, auf einen der jahrtausend-alten Wehrtürme zu klettern und unser Zimmer im Gästehaus zu beziehen. Und es ging zur kleinen Touristeninfo, um ein paar Wanderkarten zu besorgen. Eigentlich tendiert meine Wanderbegeisterung ja gegen null, doch in einer verkehrsreichen, staubigen, lauten Großstadt wohnend, kann ich da mal ein Auge zudrücken. Außerdem habe ich gemerkt, wie schön ich den Familienwanderurlaub eigentlich fand. Den anderen Freiwilligen habe ich von den Buttermilch- und Kaminwurzmomente im Landl, von der Klemmbachklamm, den Pausen auf der Alm, dem Wanderstöckeschnitzen mit Mama, dem vertrauten Geruch und dem Dielenknarren im Stammferienhaus vorgeschwärmt. Kind zu sein; das hat schon was. (;
Nachdem wir am nächsten Morgen unser Proviant gepackt hatten, machten wir uns auf zum Gipfelkreuz. Die Tagestour ist bei Melle und mir auch unter „Abenteuertag inklusive Rutschpartien und Angstschweiß“ abgespeichert. Kleiner Tipp – das hat was mit folgenden Worten der Frau im Touribüro zu tun: „Nur den einen eingezeichneten Weg gehen, den anderen findet ihr nicht.“
Der Hinweg ging vorbei an Ebereschen, Haselnüssen, Tannen, Hagebutten, Pferden und Kühen, aber war im Vergleich zum Rückweg relativ unspektakulär. Oben trafen wir Dodo – eine reisende Ärztin aus China, die wir von der Maschrutka-Fahrt kannten, wieder und ließen uns zum Picknick nieder. Mit Keksbauch läufts sich doch viel besser. (: Melle und ich dachten uns dann natürlich: Den selben Weg zurück? Laaaaaaaaaangweilig. Voller Enthusiasmus trennten wir uns von den anderen zwei, die wir leider nicht für ein bisschen Abwechslung begeistern konnten. Als ob wir den Weg nicht finden würden… Hier ist doch direkt schonmal ein Wegweiser und ein gut ausgetretener Trampelpfad.
Nach 100 Metern: Rechts oder links? Naja, so lange der Weg noch weiter geht, werden wir schon irgendwo rauskommen. 50 Meter später: Wo ist der Weg geblieben? Nach weiteren 50 Metern: Wie denn umdrehen? Es ist viel zu steil, wir kommen nicht mehr hoch. Der Boden meinte nämlich nicht zum ersten Mal sich in eine Rutsche verwandeln zu müssen. Problem: Wir befinden uns gerade auf 2360 m Höhe. Tja, doof nur, dass wir auf 1400 müssen. Aber das Problem ist ja nicht das Problem, sondern der Umgang damit – also: Immer schön an Bäumen und Ästen festklammern.
Noch nie waren wir so froh einen Kuhfladen entdeckt zu haben. Wenn Kühe hier schon wieder hin finden…
Wie angenehm, dass wir am darauffolgenden Tag in Ushguli, dem höchsten Dorf Europas, nur spazieren waren und uns am Fluss sonnten. Einzig und alleine eine gerade noch verhinderte Messerstecherei störte kurz die Idylle. Es ist nichts passiert, deshalb lasse ich das einfach mal so stehen. Wir begegneten einem Pfarrer aus Deutschland, der in Tiflis in einem orthodoxen Kloster gewohnt hat. Seine Tochter hat vor ein paar Jahren auch ein FSJ in Georgien gemacht.
Karl, den Finne mit Motorrad, der gerade kein Bock mehr auf sein Land hat und bis nach Indien fahren will, trafen wir auf dem Weg zum Chalaadi-Gletscher. Mit ihm, Melle, ihrem Bruder und dessen Kumpel, die aus Deutschland hier her getrampt sind, treffe ich mich gleich zum Doppelkopfspielen in einer Bar.