Abschied und Willkommen

Abschied und Willkommen

Die Berge stehen an diesem Tag noch einmal im Mittelpunkt meines Tages. Für meinen letzten Tag in Samobor habe ich mir nämlich etwas ganz Besonderes vorgenommen: den Sonnenaufgang von den Bergen aus zu sehen.
Drum stehe ich einmal mehr zur gewohnten Stunde früh am Morgen auf, um mich Fertigzumachen und um Aufzubrechen. Mein Weg führt mich ein letztes Mal stromaufwärts an der Granac entlang und über die Promenade. Ich genieße die Stille und die Kälte des Morgens, die sich vermischt mit dem stetigen Rauschen des Flüsschens.
Unterhalb der Burg biege ich nach links ab und steige zu der kleinen Quelle hinauf, wo ich meine Wasserreserven auffüllen, damit ich auf der weiteren Wanderung nicht austrockne. Das Wasser hier in den Bergen ist so klar und so rein, dass man es überhaupt nicht vom Mineralwasser aus dem Supermarkt unterscheiden könnte. Diese Erfrischung kann ich auch gut gebrauchen, denn der Wanderweg führt steil den Berg hinauf. Frühsport kann ich für den heutigen Tag jedenfalls von meiner Liste streichen.
Auf der Hälfte des Aufstieges komme ich an der Burgruine vorbei, die über der Stadt thront. Weil ich noch ein wenig Extra-Zeit habe, entschließe ich mich dazu einen klitzekleinen Abstecher zu machen und mir die Ruine etwas näher anzuschauen. Es ist eine Ruine, wie viele in Kroatien, eigentlich von sehr großer Schönheit, aber schlecht instand gehalten. Auf den zweiten Blick stellt sie sich allerdings doch als ganz schön heraus, weil ich von hier aus die beste Aussicht auf Samobor habe.
Die Morgensonne scheint erst zaghaft in das Tal hinein und die Stadt ist gekleidet in ein fein-schimmerndes Dunstkleid, was die Atmosphäre an diesem Morgen magisch, nahe zu mystisch, macht.
Auch wenn mich der Moment zum Verweilen einlädt, will ich doch weitergehen. Das Zeitfenster der aufgehenden Sonne schließt sich nämlich sehr schnell und ich möchte schließlich noch die Spitze des Berges erreichen.
Drum kraxele ich weiter den Wanderweg hinauf und bin letztendlich beim Aussichtsturm, den ich bereits am Sonntag besucht habe. Ich will mich von der Stadt und den Bergen dort verabschieden, wo ich sie zum ersten Mal richtig begrüßen konnte. Deshalb bewundere ich ein letztes Mal die Aussicht auf die Umgebung. Aufgrund des leichten Morgendunstes begrüßt mich nicht die übliche Klarheit, die mir eine Sicht bis zu den Alpen ermöglicht, sondern ein leichter bläulicher Schimmer, der mich nur die Silhouetten erkennen lässt. Aus der Ferne entdecke ich die Zagreber Berge und die Hochhäuser von der Zagreber Neustadt, die von der Sonne angeleuchtet werden. Ich sehe auch die slowenische Grenze und die Bergdörfer, die zaghaft die Sonne begrüßen.
Nach diesem wunderbaren Morgentraum muss ich wieder in die Stadt hinabsteigen, um mich in meinem Kulturweitseminar einzulocken. So schnell wird man ins Tal der Realität zurückgeholt.
Es gelingt mir allerdings ein letztes Mal auszubrechen, als ich in der Mittagspause einen Spaziergang durch die Stadt mache und meinen ersten kroatischen Kebab esse.
Am Nachmittag nehme ich den Bus nach Zagreb, diesmal will ich nicht laufen, und lehne mich zurück während der Bus durch das Umland, die Vorstädte und schließlich dem dichten Feierabendverkehr Zagrebs fährt. Als ich am Busbahnhof ankomme, geht nämlich die Sonne bereits unter.
Mein Tag ist allerdings noch nicht vorbei, denn ich will weiterfahren mit dem Bus nach Karlovac, meiner nächsten Etappe. Als ich jedoch auf der Busfahrt die Adresse von meiner Unterkunft auf der Karte googele, muss ich doch feststellen, dass ich nicht ganz in Karlovac bin. Stattdessen bin ich in einem Städtchen mit dem Namen Ozalj, direkt am Fuß der Berge, etwa 13km nördlich von Karlovac.
Zwar bin ich im ersten Moment ein wenig panisch, weil ich nicht weiß, ob oder wie ich dorthin gelangen soll, aber dieses Gefühl legt sich schnell, als ich sehe, dass noch um diese Zeit ein Zug nach Ozalj von Karlovac fährt. Insgeheim bin ich doch ein bisschen glücklich, dass ich die Berge so schnell noch nicht verlassen muss.
Zusammen mit den Schülern, die aus der Schule kommen, warte ich also auf den Zug, der mich zu meinem warmen Bett bringen soll. Über die holprigen Schienen tuckert die alte Diesellok dahin und nach einer halben Stunde haben wir Ozalj erreicht. Zwar ist es die Dunkelheit, die die Sehenswürdigkeiten noch vor mir versteckt hält, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich in Ozalj doch ganz wohlfühlen könnte.
Das wird mir bestätigt, als ich meine Sobe, mein Kämmerchen, erreiche. An der Tür werde ich herzlich von einer kroatischen Familie begrüßt. Die Großmutter ist völlig aus dem Häuschen, als sie mitbekommt, dass ich aus Deutschland bin. Total aufgeregt erzählt sie mir, dass sie selber in Stuttgart gelebt und gearbeitet hat und jetzt ihren Ruhestand bei der Familie in Kroatien verbringt. Mit einem riesengroßen Lächeln zeigt mir das Großmütterchen alles in meinem Zimmer. Es ist einmal mehr die unglaubliche Gastfreundlichkeit, die mich hier willkommen heißt.

 

02.03.2021

Ozalj

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