putovanje || Reise

putovanje || Reise

Der Bus nach Ljubljana oder zumindest denke ich, dass er dorthin fährt, rast mit beachtlicher Geschwindigkeit die österreichischen Gebirgsstraßen entlang und erreicht schließlich die slowenische Grenze.

Hier beginnt meine erste Grenzkontrolle. Während die Österreicher mich ohne Probleme einreisen ließen, sind die Slowenen rigoroser bei meiner Einreise. Ein slowenischer Grenzbeamter betritt den Bus und verlangt die Ausweisdokumente. Die meisten im Bus sind, wie sich herausstellt Slowenen und kommen ohne Probleme weiter. Ich bin wohl der einzige Deutsche hier an Bord, was ich der überraschten Reaktion des Beamten entnehmen kann, als ich ihm meinen Pass zeige. Touristen hat er wohl eine ganze Weile nicht gesehen oder zumindest nicht während eines kompletten Lockdowns erwartet. Denn genau wie Österreich befindet auch Slowenien sich in einem Lockdown und schreibt für alle, die das Land betreten, eine zweiwöchige Selbstisolation vor.

Ich habe allerdings eine Trumpfkarte im Ärmel. Sie nennt sich Transit, denn, wenn jemand innerhalb von 12 Stunden das Land durchquert, kann er dies auch tun ohne sich in Isolation begeben zu müssen. Na ja, so richtig Sinn ergibt das ja nicht wirklich, denn egal, ob ich krank bin oder nicht, Leute anstecken kann ich immer. Aber ich bin ja auch nicht hier, um Coronabeschränkungen zu hinterfragen und der Grenzer auch nicht: Solange ich nach Kroatien weiterfahre, bin ich nicht sein Problem, sondern das der kroatischen Beamten. Und so werde ich weitergewunken und nicht aus dem Bus gezerrt. Puh, wieder eine Hürde geschafft.
Weiter geht es durch die slowenischen Alpen. Weil es inzwischen dunkel geworden ist, kann ich nicht mehr viel von der Landschaft erkennen, nur das, was von den Laternen angestrahlt wird. Es liegt zwar immer noch viel Schnee, aber dafür regnet es wie aus Eimern.

Im Bus, selber ist die Stimmung allerdings wesentlich aufgelockerter, während die Slowenen sich alle im hinteren Teil des Buses zurückgezogen haben und sich im Komfort der Handykopfhörer zurückgezogen haben, befindet sich vorne ein Grüppchen von Kroaten, die sich heiter mit dem Busfahrer unterhalten. Es erinnert mich an die kleinen Magnetmurmeln mit denen ich früher gespielt habe: Sobald sie in der Nähe voneinander sind, kleben sie zusammen. Genau so sind Kroaten, fällt mir auf.
Der Bus rollt also weiter gen Ljubljana, doch eine halbe Stunde, bevor der Bus eigentlich ankommen sollte, macht er abrupt Halt und die Mitfahrenden steigen aus. Ich schaue aus dem Fenster, nichts deutet darauf hin, dass ich Ljubljana erreicht habe, alles sieht ganz so aus wie die Städte, durch die ich die letzten 1 1/2 Stunden gefahren bin. Weil nun aber auch der Busfahrer aussteigt, gehe ich davon aus, dass hier Endstation für den Bus ist. Ich schnappe mir also alle meine Sachen und schultere mir meinen Rucksack über.
Jetzt muss ich nur noch den Hauptbahnhof finden denke mir. Es ist Zeit für mein Kroatisch, was ich aus meinem kleinen gelben Reisewörterbuch habe. Ich frage also den Busfahrer mit meinem perfekten Kroatisch (nicht): Gdje je kolodvor? (Wo ist der Bahnhof?).

Ich habe nämlich gelesen, dass in den Gebieten der ehemaligen Jugoslawien Serbokroatisch verstanden wird und ich mit Kroatisch auch in anderen Ex-Jugoländern verstanden werde. Also, so die Logik, sollte man mich hier auch verstehen. Doch während der Busfahrer mir antwortet, wird mir eine weitere Info bewusst, die im Reiseführer stand: Zwar können Slowenen Kroaten verstehen, aber Kroaten können nur selten Slowenen verstehen, weil deren Akzent sehr sehr stark ist. Genau das tritt in diesem Moment auch auf mich zu. Ich verstehe nichts, ništa. Aber es gibt ja immerhin noch die Hände die mitreden und sie zeigen auf ein runtergekommenes Gebäude hinter mir.
Und siehe da, als ich es umrunde, sehe ich tatsächlich etwas, was wie ein Bahnhof anmutet.

Bahnhof von Ljubljana

Vor mir liegt eine große Fläche, auf der mehrere Reihen an Schienen nebeneinander liegen. Alles ist in gelblich gleißendes Flutlicht getaucht. Nebel schwebt gespenstisch über die leeren Bahnsteige. Auf der Anzeigetafel steht mein Zug auf dem 3. Gleis eingezeichnet.

Dumm bloß, dass es hier nirgendwo Schilder gibt, die einem sagen, wo sich welches Gleis befindet. Vielmehr scheint es hier eher üblich zu sein, sich einen Zug auszusuchen und sich einfach überraschen zu lassen, wo man am Ende rauskommt. Ich jedenfalls, habe meinen Kandidaten gefunden. Er steht am anderen Ende des Bahnhofs und ist komplett dunkel. Auf den ersten Blick würde man nicht einmal denken, dass der Zug an diesem Abend noch losfahren soll. Kein Licht brennt, und keine Person steht davor. Allerdings gibt es auch zu so später Stunde keine wirkliche Auswahl. Na ja, man darf ja auch nicht wählerisch sein. Ein kleiner ausgedruckter Zettel an einer der Türen gibt mir mit der Aufschrift Zagreb Glavni kolodvoreinen Tipp bezüglich der möglichen Richtung des Zuges.

Wo Zagreb draufsteht, wird schon Zagreb drin sein denke ich mir und steige ein. Weil der Zug komplett leer ist, habe ich das Glück mir einen Platz aussuchen zu können. Ganz schön schwer bei einem komplett menschenleeren Zug. Schließlich nach sorgfältiger Suche (alle Abteile sind genau gleich) entscheide ich mich für irgendein Abteil bei der Tür: Nähe zu Fluchtwegen ist immer wichtig.

Vor Abfahrt bekomme ich sogar noch Gesellschaft, als zwei andere Kroaten aus meinem Bus in den Zug einsteigen und sich in mein Nachbarabteil setzen.
Mit einem Zug, der so voll ist, bleibt also nichts anderes übrig als loszufahren. Tatsächlich wird in dem Zug sogar kontrolliert. Eine Schaffnerin überprüft die Tickets von allen Reisenden. Überraschung es dauert nicht lange. Ich bin mir irgendwie ziemlich sicher, dass sich die eine Zugbegleiterin auf 3 Reisende nicht wirklich rentiert, aber das ist nur so eine Eingebung.
Vor mir liegt eine wunderbar entspannende Reise, während ich es mir auf dem Stoffpolster meiner Abteilbank gemütlich mache und mein letztes Abendessen verzehre. Wenn ich mich im Abteil so umschaue, fällt mir auf, dass der Zug mal so locker doppelt so alt sein könnte wie ich. Die Linolböden, Spahnwände und natürlich auch die hochmoderne Lautstärkeregelung von dem eingebauten Radio, was nicht funktioniert, deuten allesamt darauf hin, dass der Zug damals im Ostblock erbaut wurde. Dieser Eindruck bestätigt sich mir, als ich die Bauplaketten entdecke und sogar ein paar deutsche Aufschriften. Alles ist spartanisch, aber so solide gebaut, dass es locker das Ende der Welt überleben würde. Gemacht für die Ewigkeit.

Das alles hat so einen gewissen Jugoslawien-Charme und es fühlt sich an, als würde ich in eine andere Zeit zurückversetzt werde. Doch, nicht nur der Zug ist eine rollende Zeitkapsel, sondern auch die Umgebung, die vor mir am Fenster vorbeihuscht. Das bemerke ich, als ich mein Fenster öffne und nach draußen blicke. Die modernen Häuser der österreichischen Alpen sind durch kleine Fabriken, die sich an die Bergwände drängen, in den Felsen gehauene Tunnel und rustikale Häuser ersetzt wurden.

 

leere Bahnstation in Mittelslowenien

eine Reise durch eine andere Welt

Auch der Regen hat aufgehört, stattdessen füllt nun ein tiefer Nebel die Täler aus an denen ich vorüberziehe. Die Luft ist durchdrungen von Kamingeruch. Der Zug fährt ratternd durch die kalte Nacht und an kleinen Bahnhöfen vorbei, deren Namen ich nur flüchtig sehen kann. An jeder Station begrüßt uns ein Schaffner oder eine Schaffnerin mit einem grünen Licht, während wir an ihnen vorbeifahren. Das alles hat irgendwie eine verzaubernde Wirkung auf mich. Der ganze Stress der Wochen vor der Abreise, inklusive der ganzen Aufregung um Corona, scheint für einen kurzen klitzekleinen Moment einmal vergessen zu sein. Ich merke, dass sich zum ersten Mal seit einer Weile eine tiefe Entspannung sich in mir einstellt und ich das Gefühl habe, endlich in den Freiwilligendienst einzutauchen.

05.12.2020
Österreich-Slowenien

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