Tschüss Oruro

Jaja, das waren noch Zeiten. Damals, als ich es noch erklärt habe, warum ein Wochenende fehlt. Das war zwar erst Mitte Oktober, aber es fühlt sich Lichtjahre entfernt an. Es ist viel passiert: dies das, Zwischenseminar, bisschen Cochabamba, Reisen in Peru und Kolumbien, Handy verlieren… und dann wollte ich über eine Hängematte springen und bin mit einem gebrochenem Ellbogen im Krankenhaus gelandet, blabla Kolumbien ist wunderbar, Umzug nach Santa Cruz.

Als ich noch in Oruro war wollte ich nichts über Oruro schreiben, weil ich dort nicht umbedingt die beste Zeit hatte und nichts negatives in diesen Blog schreiben wollte. Das entsprach am ehesten meinem Verständnis von „fair berichten“. Denn ich dachte, das Negatives schreiben unfair berichten ist, weil es subjektiv ist und nur auf den Erfahrungen einer Person basiert. Weil es vielleicht ein schlechtes Bild vom Land vermittelt. Weil ich nicht die Freiwillige sein wollte, die keinen riesigen „Spaß“ an ihrem Einsatzort hat. Weil ich dachte, eher hoffte, dass es besser wird und mir Oruro am Ende so gut gefällt, dass ich es bereuen würde etwas unschönes über die Stadt geschrieben zu haben. Weil ich es einfach zerdacht habe.

 

Und was denke ich jetzt über Oruro?

 

Oruro is dirty, crowded, the food sucks and there’s not much to do outside of Carnaval season. Yet, there’s something about this gritty place, the largest berg in the region, that endears it to visitors. A miners’ city that takes no slack from anyone, it makes for an oddly atavistic experience that some may find intoxicating.

-lonley Planet

https://www.lonelyplanet.com/bolivia/the-southwest/oruro

 

Ich denke Oruro ist nicht repräsentativ für Bolivien und auch nicht die schönste Stadt, aber ich denke auch, dass die Stadt es nicht verdient hat von einem der meistgelesen Reiseführer so beschrieben zu werden. Überall wo ich hinkam und erzählte, dass ich in Oruro wohne, bekam ich die gleiche Reaktion: mitleidiges Lächeln oder ein verbindliches Lachen, auf das irgendetwas in die Richtung „jaja, da muss nun wirklich niemand hin“ folgt. Oruro ist ein bisschen wie das Bielefeld von Bolivien, ein Ort von dem jeder schon gehört hat, aber an dem nur wenige schon einmal waren.

Oruro ist kein Paris oder Florenz, aber das will es auch gar nicht sein. Seine freundlichen Bewohner*innen sind stolz darauf sich Orurenos*as zu nennen und teilen ihre Kultur gerne mit den wenigen Touristen, die meistens auf der Durchfahrt zum Salar de Uyuni sind. Und dann gibt es eben noch den Karneval. Ich hab ihn noch nicht erlebt, aber er muss gigantisch sein, wenn sogar die größten Oruromobber*innen von ihm schwärmen.

Ich denke über Oruro, dass es gut ist, um zu verstehen was diese bolivianische Vielfältigkeit, von der vor allem Boliviens eigene Werbung so oft spricht, eigentlich ist, dass ich Pech hatte, weil ich die meiste Zeit krank war, dass das mein Bild von Oruro maßgeblich geprägt hat und dass ich, als profitierende Deutsche im Freiwilligen Dienst, aufhören sollte schlecht über einen Ort zu reden der mir nichts getan hat außer in 3700m Höhe zu liegen und keine Großstadt zu sein.

 

danke Oruro,

vielleicht sieht man sich ja an Karneval wieder 😉

 

 

 

Warum hab ich hierzu ja gesagt I (Cochabamba)

Meinen letzten Eintrag hab ich in Cochabamba fertig geschrieben, deswegen fehlen zwei Wochenenden. Aber da an beiden ziemlich viel los war, fange ich mit Cochabamba an und wenn/falls ich Lust und Zeit habe, schreibe ich auch nochmal vom letzten 
Wochenende. :-)

COCHABAMBA

Bolivianischen Busfahrten über 6 Stunden sind auf jeden Fall angenehmer als ich angenommen hatte. Die Zeit vertreibt sich schnell, wenn man wie gebannt aus dem Fenster schaut und beobachten kann, wie sich die Wüstengegend um Oruro in Berge und Palmen, die Cochabamba umgeben, verwandelt. Dazu noch eine Tüte gebrannte Erdnüsse, die es hier überall gibt und nach denen ich mittlerweile süchtig bin, gute Musik, ein Tagebuch und die Fahrt lässt sich im zurückgelehnten Sitz genießen.

Als ich ankomme bin ich erst mal überrascht, denn diese Stadt sieht ziemlich genau so aus wie ich mir Bolivien vorgestellt habe bevor ich Oruro gegoogelt habe. Anmutige Wolkenkratzer stehen gegenüber von kleinen nicht ganz fertiggestellten Häusern und die sommerlichen Palmen vor der Bergkulisse unterstrichen den Kontrast. Cochabamba ist die Art Stadt, die, wie ich später noch feststelle, nachts genauso laut ist wie tagsüber und ich fühle mich sofort wohl hier. Was auch daran liegt, dass es hier richtig warm ist.

Zusammen mit B., einem anderen Freiwilligen, seinen deutschen Mitbewohner*innen, einer Argentinierin, einem Bolivianer und einem Amerikaner feiere ich zum ersten Mal Pachamama. Das Pachamama Ritual findet in Cochabamba in der ersten Freitagnacht des Monats statt. Dabei werden Opfergaben für die personifizierte Mutter (oder Vater oder nicht binäres Elternteil, Pachamama hat nämlich kein Geschlecht) Natur verbrannt was den Spendenden Glück und Gleichgewicht bringt.

Wir feiern das Ritual in einer Bar (Ja, richtig inklusive Huari und Rotwein) , die La Troja (der Getreidespeicher) heißt und aus drei Bereichen besteht. Im Eingangsbereich wird nach dem eigentlichen Verbrennungsritual Panflöte, Trommel und Charango, das aussieht wie eine Ukulele mit acht Saiten, gespielt und in einem Kreis um die Band getanzt. Im Innenhof kann man sich den leckersten Flammkuchen überhaupt belegen lassen und sich auf eine der Steinbänke um das Feuer setzten, indem die Opfergaben verbrannt werden. Drinnen gibt es eine Bar und die Bühne auf der eine Liveband Poprock spielt und es wird getanzt. Und um alles noch einen Ticken unwirklicher für mich zu machen stehen überall verteilt kleine Schalen mit Cocablättern.

Hier ist noch ein Link mit einer detaillierten Erklärung für das Pachamama Ritual. Die Seite ist zwar auf Spanisch, kann aber auf deutsch übersetzt werden. https://takiruna.com/2013/12/21/ritual-a-la-pachamama/

Am Sonntag, unternehmen wir dann die wohl touristischste Aktion in Cochabamba. Sich bei 29°C und praller Sonne die Treppen zum Christo de la Concordia hoch quälen. Ich stelle jetzt beim Schreiben fest, dass bei jedem meiner Wochenendausflüge einmal dieser „Warum-hab-ich-hierzu-ja-gesagt-“Moment kommt. Ja, das war dieser Moment. Ich weiß nicht on es sich lohnt eine missionarische Christusstatur zu erreichen, die die Stadt überblickt. Aber die Aussicht!

Mein Mini-Sommerurlaub endet mit einer Busfahrt durch eine sternenklare Nacht und ich plane im Kopf schon mein nächstes Wochenende irgendwo in Bolivien.