34 – kleine kulturweiterin auf großem Diplo-Treffen

Mittwoch bis Freitag hatte ich über kulturweit die Möglichkeit am Alumni-Treffen, der internationalen Diplomaten-Ausbildung des Deutschen Auswärtigen Amts als Mädchen für Alles teilzunehmen. Ich hatte gar keine Ahnung, was mich erwarten würde. Es ging los mit einem Empfang in der Residenz der Deutschen Botschafterin, ihre Privatwohnräume, wo aber auch Gäste empfangen werden.

Ich, frisch geduscht und in meinen einzigen schicken Outfit und Pumps, versteckte mich hinter meiner großen Sonnenbrille und trat mit einer Wasserflasche bewaffnet den Weg durch die abklingende Hitze zur Metro an. Mein Obsthändler erkannte mich natürlich trotzdem, zwinkerte mir verschwörerisch zu und wünschte mir einen schönen Abend.

Bei der Residenz der Botschafterin angekommen, war ich, neben einer jungen Georgierin, die Erste. Der Bus, der die eingeflogenen Gäste hierher bringen sollte, war noch nicht angekommen. Der Eingang war sehr unauffällig, ich sprach einen ebenso unauffälligen Man an, wo denn die Residenz sei, er entpuppt sich als Bodyguard/Türsteher und sucht meinen Namen auf der Teilnehmerliste, während ich versuche keinen Hitzschlag zu erleiden, er fand meinen Namen nach einer gefühlten Ewigkeit, ebenso unauffällig unten auf der letzten Seite. Nochmal Glück gehabt! Ich konnte ihn davon überzeugen, die Georgierin und mich schon mal hinein, ins Kühle, zu lassen.

Wir standen ein wenig verloren im Empfangsraum/Treppenhaus herum und unterhalten uns mit dem Personal, das einen Sektempfang vorbereite. In einer Ecke stand eine Dame, die von uns kleinen Mädels überhaupt keine Notiz nahm. Sie sollte sich später als US-Amerikanische Botschafterin herausstellen.

Irgendwann erschien die Deutsche Botschafterin, zuerst erkannte ich sie nicht – peinlich, peinlich – in Begleitung zweier Anzugträger und sah sich erwartungsvoll um, ich war ein wenig überfragt was wir jetzt machen sollten, knicksen? Die Sekunde der Irritation dauerte wohl zu lange, sie drehte sich weg und sprach mit der anderen Botschafterin, ab da war mir auch klar, wer die Beiden waren. Na gut, was soll man* machen. Endlich traf der Bus ein, die Leute schlängelten sich die Treppe herunter und filetierten sich an der Gruppe um die Botschafterin vorbei:

„Hallo, mein Name ist … ich bin …“

Achso! – Ich tat es also den Leuten gleich, stellte mich vor und kam mit ein paar Georgier*innen ins Gespräch. Die Situation war irgendwie angespannt, ein bisschen, wie in der Schule, Jede*r möchte mit den Angesagten Leuten sprechen, Keine*r will am Rand stehen oder Niemanden zum Reden haben.

Ich beobachtete und versuchte auf jeden Fall sehr höflich zu sein. Aber um der Botschafterin Guten Tag zu sagen, war es für mich zu spät, kaum war die Schlange an ihr vorbei, ging sie in den Nebenraum. Ich verbuchte erste Erfolge für mich, ein wichtig aussehender Georgischer Anzugträger, der mir aber auf den ersten Blick, neben den Anderen sehr geerdet, vernünftig und wohlwollend vorkam, bot mir an, bei der Suche nach einem Uniplatz an einer Tbiliser Universität zu helfen, vielleicht für ein Auslandssemester. Weil ich auch immer noch nach einem Weg suche, wie ich hierher zurückkehren kann. Ich bekam eine erste Visitenkarte und wir tauschten Facebookkontakte aus. Dann gesellten wir uns schnell zu den Anderen ins Nebenzimmer, wo die Botschafterin mit einer Rede begann.

Darüber, was für eine Freude es ist, diese Möglichkeit zu haben, Diplomaten aus der ganzen Welt zusammen zu bringen und regelmäßigen Austausch zu ermöglichen. Sie sagte auch ein paar warme Worte über und zu den anwesenden Georgier*innen, auch über das Land und ihre Zeit in der Stadt. Ich stand in der Gruppe der Georgier*innen und einmal zeigte sie auf mich, als Beispiel. Das nahm ich mir als Aufhänger. In der Pause danach, bildete sich wieder eine Schlange vor der Botschafterin, ich sprach kurz mit der Managerin von Chai-Khana!!? und dann kam ich auch schon dran, wurde ein paar Höflichkeitsfloskeln los und stellte unbeholfen klar, wer ich bin und was ich hier in Tbilisi tue. Uff, nächster Punkt abgehakt. Ich schien die letzte in der Schlange zu sein und darauf, dass ich hier bei der Veranstaltung als Mädchen für Alles da war, sagte sie, ich solle doch damit anfangen, die Gäste zum Buffet zu bitten. Da Niemand ihrer Aufforderung zur Eröffnung des Selbigen, in der Empfangsrede, nachgekommen war.

Also machte ich mich ans Werk, trat zuerst an die Gruppe der Georgier*innen heran, die ich schon kannte, dann an ein paar Frauen, um die Managerin von Chai Khana und dann war da eine Gruppe sehr offiziell aussehender Herren in Anzug, von geschätzt Anfang 20, bis ins reifere Alter. Ich atmete tief durch, ich darf ihr Gespräch unterbrechen, die Botschafterin hat mir eine Aufgabe gegeben! Versuchte es mit einem auflockernden Scherz und bat sie zu Tisch. Glücklicherweise, waren sie ganz locker drauf und offensichtlich erleichtert über die Unterbrechung der seriösen Geschäftsgespräche, oder über was auch immer Politiker sich unterhalten.

Irgendwann hatte ich alle angequatscht und jetzt standen sie mit den Tellern ums Buffet herum, aber trauten sich nicht irgendwo die Gabel rein zu piksen.
Oh je, besonders schwierige Spezies! Die Botschafterin gab sich unbeteiligt, also schnappte ich mir beherzt den Praktikanten der Botschaft, indem ich mir einen Komplizen erhoffe, da wir ungefähr in der selben Situation waren und eröffnete mit ihm das Buffet. Mit ihm und der Anzugträger-Gruppe setzte ich mich dann auch draußen auf die Terrasse. Im Laufe des Abends mischte sich die Besetzung an unserem Tisch, irgendwann unterhielt sich ein Mann mit uns, der sich als Mitglied des Komitees, das die neuen Deutschen Diplomaten aussucht, herausstellte. Irgendwann saß mir dann die Botschafterin gegenüber und niemand sonst war da, der sich mit ihr unterhalten mochte. Sie sah ganz entspannt aus, ich fischte nach Themen, irgendwann kamen wir darauf, wie sehr sie es vermisste in einem eigenen Haus, morgens im Nachthemd Kaffee zu kochen, was nur ginge, wenn man kein Personal oder intentionale Gäste hätte.

Mein Kopf flüsterte den ganzen Abend abwechselnd die Befehle: „Nicht ins erstarrte Kaninchen vor der Schlange verwandeln“, „Wie verdammt noch mal funktioniert hier die verdammte Hofknigge?!“ und „Eloquenz, was war das nochmal?  Nicht stottern!“. Ich legte außerdem ein Sammlung Visitenkarten an.

Pünktlich wurde die Gesellschaft von der Botschafterin hinaus komplimentiert. Ich schlug höflich die Einladung aus, einen Anzugträger zu seinem Anwesen mit Weingarten im schnieken Vake-Viertel zu begleiten -What the fuck, wie bin ich als kleine Abiturientin hier gelandet?! – und ging lieber mit dem Botschafts-Praktikanten auf ein Bier im Plastikbecher in die Fabrika, das machte sich gut mit meinem Hochhackige-Schuhe-Outfit… und gab mir den Boden unter den Füßen zurück. Interessanter Abend, ich hatte keine Ahnung worauf ich mich da einlasse!
Die nächsten zwei Tage wurden nicht minder interessant, es gab Diskussionen, bei denen ich nur mit offenem Mund von einem zum Anderen schaute und hoffte, dass mir nur das Studium und die Berufserfahrung, nicht die grundlegende Intelligenz fehlt. Die Bemühungen meine perplexe Verfassung und das Fischen nach Worten nicht durchscheinen zu lassen, konnte ich nicht los werden… „Nein, ich möchte Sie nicht auf Ihren Urlaub begleiten, vielleicht ein anderes Mal. Ein sehr süßes Angebot!“.

Die Einzige, die mit mir über meine Verwirrung lachte und mir Tipps zu warf, wie frau sich charmant aus der Affäre windet, war eine junge Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes der Ukraine.

Im Allgemeinen war es sehr interessant, bei einer Veranstaltung, die von Politiker*innen des globalen Nordens geleitet wurde, aber viele Teilnehmer aus dem Globalen Südens hatte, zu sehen, wie z.B. Einrichtungen der EU und UNO, oder Standards und Ziele, die weltweit erreicht werden sollen, herausgefordert und diskutiert wurden. Es stießen einfach verschiedenen Lebensrealitäten aufeinander.
Ein positiver Nebeneffekt war, dass ich zweieinhalb Tage mit sehr gutem Essen versorgt wurde und kein einziges Mal Abwaschen musste und auch verschiedenen Einblicke in die Arbeit und Probleme von Georgischen Politiker*innen und NGOs bekommen habe. Wir waren zum Beispiel zu Gast bei der Iris Group http://irisgroup.org.ge/?lang=en und ich habe mit Mitarbeiter*innen des Außenministeriums beim Abendessen an einem Tisch gesessen und zugehört, wie sie über den Abchasien und Südossetien-Konflikt gesprochen haben. Oder war bei einem Ausflug und Empfang im Innenministerium dabei.

Auch für meine Zukunftsplanung fand ich diese kurze Exkursion in eine andere Welt sehr hilfreich. Ich habe verschiedene Berufsbilder und die dahinterstehenden Ausbildungen gesehen, die mich selbst auch sehr interessieren würden, vor allem die Gespräche mit dem Mitarbeiter des Diplomatenauswahlkomitees waren sehr hilfreich. Ich bin wirklich dankbar, für diese Gelegenheit, ich habe eigentlich gar nichts gearbeitet oder geholfen und durfte für mich so viel mitnehmen.