La revedere, România!

Wieder mal im Zug, wieder mal Zeit zu schreiben. Aber dieses Mal ist vieles anders: Der Zug fährt schneller als 90 km/h. Meine Koffer sind viel schwerer als sonst. Um mich herum wird Deutsch gesprochen.

Das Ziel meiner Reise ist dieses Mal nicht irgendein Ort in Rumänien oder den Nachbarländern. Heute fahre ich zum ersten Mal seit 10 Monaten wieder nach Mannheim, Deutschland.

Der Auslandsteil des Freiwilligen Sozialen Jahres im Ausland ist nun beendet. Es ist viel passiert, ich habe viel gelernt und erlebt, blabla. Es ist schwierig, das zusammenzufassen. Trotzdem will ich irgendeine Art von Abschluss auf diesem Blog.

Also höre ich so auf, wie ich im ersten Eintrag begonnen habe. Hier sind einige Aspekte meines Freiwilligendienstes in Rumänien – persönlich, unvollständig und wild durcheinander:

Ankunft: Ich erinnere mich noch gut an meine Ankunft und die ersten Tage in Rumänien. Wie ungewohnt am Anfang alles war und wie vertraut am Ende. Mittlerweile bin ich schon wieder in Deutschland, denn es sind ungefähr eineinhalb Wochen vergangen, seitdem ich angefangen habe, diesen Eintrag zu schreiben. Tatsächlich hat sich gar nicht so viel verändert, wie ich dachte. Wird das auch so sein, wenn ich noch einmal zurück nach Rumänien komme?

Balkon: Wie viele Stunden ich wohl insgesamt dort verbracht habe? Einfach nur dort saß, aß, Musik hörte, die Aussicht genoss, den Verkehr und die Menschen beobachtete?

Chișinău: Neben rumänischen Reisezielen konnte ich die Hauptstadt der Republik Moldau und einige Städte in Bulgarien und Ungarn besichtigen.

Deutschland: Ich stelle fest, dass mein Freiwilligendienst auch mein Deutschlandbild verändert hat. Auf der einen Seite durch andere Freiwillige: Die zahllosen Diskussionen darüber, wie nun der Anfang/das Ende vom Brot korrekterweise bezeichnet wird (Antwort: Knorz), oder der Austausch über unterschiedliche Städte und Bundesländer. Auf der anderen Seite durch Personen, die nicht in Deutschland leben: Wie diese Deutschland und deutsche Menschen wahrnehmen, hat mich oft echt nachdenklich gemacht. Über Privilegien, Vorurteile, Grenzen.

Entwicklung: groß!

Freundschaft: Ich bin so dankbar für alle neuen Freund*innen. Egal, ob nur 5min weg oder quer übers Land verteilt.

Glück: sehr groß!

Heimat: Ein Stück von mir bleibt in Oradea zurück. Und ein Stück von Rumänien bleibt bei mir (kitschig, aber wahr…)

Idylle: Morgens aufwachen, aus dem Fenster gucken, Berge sehen. Alles grün oder hellgrau, kein Auto oder Mensch zu hören. Raus gehen, in die Sonne setzen, Kaffee trinken. Und einfach genießen.

Joggen: und wandern und spazieren gehen. Meine Füße waren auf jeden Fall in Bewegung.

Kochen: hat mich entspannt, glücklich gemacht und meinen Alltag strukturiert.

Lachen: sehr oft!

Museen: sehr viele!

Nachbereitungsseminar: ist gerade erst vorbei und war sehr hilfreich. Workshops und Seminare im Allgemeinen waren ziemlich cool und ein nicht zu unterschätzender Teil meiner Freiwilligenzeit.

Online: hat sich in den letzten Monaten vieles abgespielt. Von Unterricht über Seminare bis hin zu Leichtathletiktraining – irgendwie sind Videotelefonate alltäglich geworden. Vielleicht war es deswegen eigentlich gar nicht so komisch, Familienmitglieder oder Freund*innen nur auf dem Bildschirm zu sehen.

Plăcintă: werde ich echt vermissen, vor allem zu dem Preis…

Qualle: Schlechte Überleitung zu einem einprägsamen Erlebnis… Ich befand mich ziemlich weit draußen im Schwarzen Meer und genoss gerade auf dem Rücken liegend die Sonne, als ich plötzlich ein Geräusch hörte. Erschrocken richtete ich mich auf und entdeckte ein paar Meter von mir entfernt eine große Schwanzflosse, die gerade wieder untertauchte. Ein Hai! In Windeseile schwamm ich zurück in Richtung Strand, wo ich mein Erlebnis mit den anderen teilte und aufgeregt eine Internetrecherche begann. Es stellte sich heraus, dass es wohl kein Hai, sondern ein Delfin war!

Rumänisch: Ich hoffe, dass wenigstens ein bisschen was von der Sprache hängenbleibt. Am Ende hatte ich echt Spaß daran, mich auf Rumänisch zu unterhalten.

Spontanität: wenn Pläne scheitern oder es gar keine gibt, ist das meistens kein großes Problem. Irgendwie findet sich immer eine Lösung… zumindest vertraue ich darauf nun viel stärker als noch im letzten Jahr.

Trauer: Wut, Ungeduld, Angst etc. Natürlich war nicht immer alles rosig und das ist auch gut so.

Unterricht: und dessen Vorbereitung, Ferienbetreuung, Bücherei, Nachhilfe, Korrekturlesen, Papierkram, Schulverschönerung – die Arbeit am Liceul Teoretic German „Friedrich Schiller“ war definitiv abwechslungsreich und hat mir vor allem gen Ende viel Spaß gemacht.

Vergessen: Schon im Juli wusste ich nicht mehr genau, was ich alles im Oktober erlebt hatte. Mich macht der Gedanke traurig, dass ich vieles in ein paar Jahren nicht mehr wissen werde. Gleichzeitig gehört das natürlich einfach zum Leben dazu und ich habe hoffentlich genug aufgeschrieben und fotografiert, um die wichtigsten Momente in Erinnerung zu behalten.

Winter: Ich bin wirklich froh, alle Jahreszeiten erlebt zu haben.

Xmal: am Piața Unirii gewesen, Zug und Bus gefahren, Mihai Eminescu gesehen, zur Schule gerannt, am Fluss gesessen, „am o întrebare“ gesagt, Pizza mit Ketchup gegessen, „dragostea din tei“ gehört, …

Person XY, die: mir zugehört hat, mit mir gelacht hat, mir geholfen hat, mich eingeladen hat, mir etwas geschenkt hat, mich zum Nachdenken gebracht hat, an mich geglaubt hat, … – danke!

Zug: Wohl das Symbol fürs Reisen und Abenteuer. Irgendwo einsteigen, irgendwo ankommen, etwas erleben, wieder einsteigen, wieder ankommen. Ich kann das sehr lange machen… mal gucken, wo ich am Ende lande.

Ich stelle vor: Bihor

Wer in den kleinen Kreis im Nordwesten Rumäniens reist, kommt um die Kreisstadt Oradea nicht herum. Dort gibt es viele hübsche Gebäude im Jugendstil, eine tolle Uferpromenade und Baustellen. Dauernd gibt es etwas zu renovieren und auszubessern. Seit meiner Ankunft im Oktober hat sich das Stadtbild ziemlich verändert. Ich konnte beobachten, wie die Folie um das Rathaus herum Stück für Stück kleiner wurde und nun fast ganz verschwunden ist. Auch der anfangs komplett aufgerissene Platz vor dem Theater besteht mittlerweile aus perfekt angeordneten Pflastersteinen. Dafür gibt es nun andere Stellen, an denen Bauzäune, Leitungen, Löcher auftauchen. Ich frage mich manchmal, wie es aussieht, wenn ich in fünf Jahren wiederkehre? Vielleicht ganz anders, vielleicht ungefähr genauso. Die große Synagoge, der Palast des Schwarzen Adlers und die Kirche mit der Kugel, die die Mondphasen anzeigt, werden sich bestimmt nicht verändern.  Trotzdem befindet sich Oradea irgendwie im Wandel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt jemals nicht mehr faszinierend auf mich wirkt.

Genauso wie ihre Umgebung. Ein paar Busminuten entfernt liegt der Ort Băile Felix und wie der Name schon sagt, lässt sich dort vor allem gut baden. Heiße Quellen locken jährlich viele Tourist*innen an, große Hotelbauten sorgen für eine komfortable Unterkunft. Ein kleiner Wald mit Trimm-Dich-Pfad und Spazierwegen macht das Image des Städtchens als Kurort komplett.

Ähnlich bekannt wie Băile Felix sind die vielen Höhlen Bihors. Ich habe einige davon besichtigt: Peștera Urșilor, Peștera Unguru Mare, Peștera Vadu Crișului. Peștera Urșilor (Bärenhöhle) überzeugt mit den größten Tropsteinfiguren und dem Skelett eines Bären. Peștera Unguru Mare eignet sich besonders gut für Schul- und Freiwilligenausflüge. Die zu ihr führende Hängebrücke wird so regelmäßig und kostenlos von 20 springenden Kindern oder Freiwilligen auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft. Peștera Vadu Crișului hingegen ist ein gutes Ziel für einen späten Sonntagmorgentrip (am besten aber früher als 15 Minuten vor Schließung kommen!). Gemeinsam sind allen Höhlen die angenehme Kühle, die abgetretenen Steine und ein leicht muffeliger Geruch. An so richtig heißen Sommertagen gibt es meiner Meinung nach kaum bessere Aufenthaltsorte.

Nur Wasserfälle toppen die Höhlen in dieser Hinsicht vielleicht noch. Manche von diesen sind erst nach einer längeren Wanderung erreichbar. Andere hingegen liegen praktischerweise nur einige hundert Meter von der nächsten Zughaltestelle entfernt. Aber egal wo, das Wasser ist erfrischend kalt und das Rauschen beruhigend sanft.

Wasser -> Pflanzen -> Blumen. Obwohl ich kein riesiger Blumenfan bin, hat mich der Besuch eines großen Lavendelfeldes begeistert. Es gibt zwar wenig Schatten, aber dafür wunderbar malerische Idylle. Lila Blüten, summende Hummeln, Strohballen. Es lässt sich eine gute Weile dort aushalten und einfach nur genießen.

Zurück zu etwas mehr Abenteuer. Als ich hörte, dass es in Bihor sogar einen Krater geben soll, klang das echt interessant. Bald darauf stellte sich aber heraus, dass zwei Menschen drei Stunden lang herumlaufen können, bevor sie besagten Krater überhaupt entdecken. Besonders spektakulär ist dieser meiner Meinung nach also nicht, aber die Umgebung lädt zu Spaziergängen ein. Vielleicht taucht der Krater dann auch irgendwann zufällig auf.

So ist es halt mit Sehenswürdigkeiten. Manche gefallen mir, andere eben nicht. Deswegen einfach in den Zug, in den Bus oder ins Auto setzen und überraschen lassen, was da so kommt. Blumenlandschaft genießen, Höhlen erforschen, im Apuseni-Gebirge wandern. Der Kreis Bihor bietet mir viele Möglichkeiten…

Aus Grau mach Bunt

22. April 2021 – internationaler Tag der Erde. 12 Uhr: Obwohl Ferien sind, ist die Schule voller Menschen. Viele von ihnen haben sich mit Pinseln bewaffnet und versammeln sich nun erwartungsvoll vor zwei grauen Betonkugeln.

Vier Stunden zuvor: In aller Frühe machen sich zwei Freiwillige auf den Weg, um mit zwei viel zu kleinen Bleistiften auf zwei dafür viel zu großen Betonkugeln herumzukritzeln. Es soll wahre Kunst entstehen… oder zumindest eine halbwegs korrekte Abbildung unserer Erde und des Recycling-Logos. Ziemlich erfolgreich schafft es Klara, die Kontinente in ihrer Form zu skizzieren. Und damit es auch wirklich sichtbar ist, fahre ich im Anschluss nochmal mit meinem Bleistift darüber.

11:45 Uhr: Nach einer kleinen Plăcintă-Erholungspause von unserer anstrengenden Kritzelei begebe ich mich in die siebte Klasse. Wir reden über das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten (leider sind davon viel zu viele betroffen) und gestalten Plakate. Klara leitet währenddessen die Schüler*innen beim Malen an.

13 Uhr: Draußen sehe ich nun statt der beiden Betondinger einen eindrucksvollen Globus und eine weiß-grüne Recycling-Kugel. Leider kann ich sie noch nicht uneingeschränkt bewundern, weil noch so viele Farbdosen und Pinsel herumstehen. Also räumen wir erstmal auf, als die Kinder schließlich weg sind. Dann korrigieren Klara und ich noch den ein oder anderen misslungenen Pinselstrich. Das Endergebnis kann sich meiner Meinung nach wirklich sehen lassen:

Jetzt freut es mich jedes Mal ein bisschen, wenn ich die Schule betrete und vor dem Eingang diese zwei Kugeln sehe. Vor allem, weil sie auf ein wirklich wichtiges Thema aufmerksam machen. Umweltschutz und Nachhaltigkeit liegen dem Großteil unserer Generation am Herzen – zumindest hoffe ich das. Der Tag der Erde ist also ein geeigneter Anlass, um genau darüber zu sprechen. Probleme feststellen, allgemeine Lösungsansätze suchen, Maßnahmen für sich selbst finden. Veränderung. Das ist an diesem Tag neben all den bunten Pinseleien wichtig.

Wie anfangs schon erwähnt: Der 22. April liegt mitten in den kurzfristig verlängerten Osterferien und natürlich sind wir alle nicht nur für einen Tag in die Schule gekommen. Die „remediale“ sind sogenannte Nachhilfestunden für die Klassen 5-8 und werden in den Fächern Rumänisch, Mathe und Deutsch auf freiwilliger Basis angeboten. Das Ziel dabei ist die Wiederholung von Unterrichtsstoff. Dass in Online-Stunden Lerninhalte teilweise nicht richtig vermittelt werden können oder manche Kinder auf der Strecke bleiben, ist problematisch. Das Thema Bildung steht dem Umweltschutz meines Erachtens in seiner Wichtigkeit nämlich in nichts nach.

Also wiederholen wir. S-Laute, Groß-/Kleinschreibung, Satzglieder, Leseverstehen, Dialoge und vieles mehr. Weil die meisten Kinder aber seit Oktober zum ersten Mal wieder in der Schule sind, werden in diesen Aprilwochen nicht nur Substantive, sondern auch Spiele großgeschrieben. Wir schreiben Briefe, wir spielen Bingo, wir bewegen uns. Für mich persönlich ist es sehr schön, die Schule wieder voller Kinder zu sehen – und das obwohl Ferien sind.

Mittlerweile ist der Mai schon fast wieder vorbei und die normale Schule hat begonnen. Und normal ist hier ganz wörtlich zu verstehen, denn zurzeit dürfen alle Schüler*innen, Lehrkräfte und Freiwillige Präsenzunterricht genießen. Auch die „remediale“ finden weiterhin statt und bieten zusätzlichen Raum für Übung. Ich genieße diesen Regelbetrieb gerade sehr und hoffe, dass es noch bis Ende des Schuljahres so bleibt.

Halbzeit

Anfang und Abschied, Berge und Baustellen, Zukunft und Zweifel. In meinem ersten Beitrag habe ich ein Abecedarium der ersten drei Wochen meines Freiwilligendienstes erstellt. Seitdem sind ungefähr 21 Wochen vergangen und nun fallen mir bei jedem Buchstaben viele neue Erlebnisse und Gedanken ein (na gut, bis auf C, X und Y vielleicht).

Ich war zum ersten Mal in meinem Leben an Weihnachten ohne meine Familie in einem anderen Land. Ich saß stundenlang im Unterricht, sowohl in der Lern- als auch als Lehrrolle. Ich habe interessante rumänische Städte besucht und wunderschöne Zeit in der Natur verbracht.

Jetzt ist es Ende März und der Frühling beginnt nicht nur auf dem Kalenderblatt. Die Bäume fangen an zu blühen, Vögel zwitschern und die Luft riecht frischer. Alles wird sonnig und hell und grün. In Rumänien ist der Frühlingsanfang sogar so besonders, dass es den Festtag „Marțisor“ dafür gibt. Am ersten März schenken sich die Menschen gegenseitig rot-weiße Bändchen mit Anhängern, die den Frühling symbolisieren. Aber zu rumänischen Feiertagen bei Gelegenheit mehr (höchst interessantes Thema).

Gewissermaßen befindet sich mein Leben gerade auch im Frühling. Ich fühle mich, als ob auch an mir grüne Blätter wachsen und Knospen sprießen. Woran das liegt? An zahlreichen Veränderungen: Mein Schulalltag spielt sich mehr und mehr in Präsenz anstatt vor dem Bildschirm ab. Ich bekomme neue Aufgaben und Herausforderungen. Und ich treffe Menschen – altbekannte und ganz neue.

Seit zweieinhalb Wochen bin ich nicht mehr die einzige Freiwillige in Oradea. Klara (https://kulturweit.blog/klarafallro/) wird nun das nächste halbe Jahr gemeinsam mit mir an der Schiller-Schule verbringen. Nun ist da eine Person, mit der ich Arbeitserfahrungen, Plăcintă-Liebe und Stadtspaziergänge unmittelbar teilen kann.

Außerdem habe ich gerade Besuch aus Deutschland: Meine Mutter ist hier und gemeinsam werden wir in der nächsten Woche noch einige Abenteuer erleben. Es ist wunderschön, nach so langer Zeit einen ganz besonderen Menschen wiederzutreffen. Und es zeigt mir, dass räumliche Distanz in vielerlei Hinsicht gar nicht so relevant ist, wie ich immer dachte. Manche Dinge verändern sich, manche bleiben aber auch genau gleich. Dieser Satz steht jetzt einfach mal so kryptisch im Raum.

Zurück zum Frühling und dem breiten Spektrum an Metaphern, das sich mir bietet. Bevor neue Blüten wachsen, vergehen die alten (ok, jetzt ist aber Schluss damit). Ob gewollt oder ungewollt – mit Anfang ist oft auch Ende verbunden. Es hieß also „La revedere!“ zu denjenigen Freiwilligen, die nur ein halbes Jahr lang kulturweit machen. Teilweise war es ein wirklich trauriges „Auf Wiedersehen!“.

Aller Abschied/Anfang ist schwer. Trotzdem ist Grün meine absolute Lieblingsfarbe und ich freue mich herauszufinden, welche Nuancen dieser Farbe mir der Frühling noch so bringen mag.

SCHILLERnde Schulzeit

Der erste Schultag im neuen Halbjahr. Und es gibt gute Neuigkeiten: Die Schüler*innen der Grundschule und sowohl der achten als auch der zwölften Klasse dürfen nach monatelangem Onlineunterricht endlich wieder das Schulhaus betreten.

Ich freue mich sehr darüber. Nun kann ich wenigstens ein paar der mir von meinem Laptopbildschirm bekannten Gesichter in „echt“ sehen.

Schon eine Woche nach meiner Ankunft Mitte Oktober wurden die Schulen geschlossen. Es folgten Wochen voller Unterrichtsstunden via Microsoft Teams, bei denen ich so einiges erlebt/gemacht/gelernt habe.

Mit einer 5. Klasse wiederhole ich einmal wöchentlich wichtige grammatikalische Themen. Dabei bin ich regelmäßig beeindruckt davon, wie gut sich diese Kinder auf Deutsch ausdrücken können.

Noch höher ist das Niveau in der 8. Klasse. Dort übe ich mit einigen Interessierten für deren Abschlussprüfung im Mai. Wir lesen Geschichten und sprechen darüber und beantworten Grammatikfragen. Ich frische mein Schulwissen wieder auf, indem ich zuerst mich selbst und dann das Internet frage, was genau jetzt eigentlich ein verkappter Nebensatz ist.

Auch dank der 6. Klasse lerne ich immer wieder. Hierfür muss ich nur das Unterrichtsfach „Minderheitengeschichte“ besuchen und der Lehrerin und den Schüler*innen aufmerksam zuhören. Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Bukowinadeutsche… vor meiner Reise hierher war mir überhaupt nicht bewusst, dass es so viele verschiedene deutsche Minderheiten gibt.

Doch nicht nur solche neuen sachlichen Informationen überraschen mich. Auch neue Fähigkeiten an mir selbst versetzen mich hin und wieder in Staunen. Dass ICH, eine selbsterklärte Hasserin des Faches BK in der Schule, mal selbst Kunstunterricht geben würde, hätte ich zum Beispiel niemals gedacht. Dass es mir auch noch Spaß machen würde, noch weniger. Aber da das Fach Kunst an der Schiller-Schule auf Deutsch unterrichtet wird und die Lehrerin äußerst offen für meine Vorschläge ist, hat sich bei mir inzwischen sogar eine Art Leidenschaft für diese Kunststunden entwickelt. Wir zeichnen unserer Lieblingsorte, zentanglen und stellen deutsche Dialektworte oder selbst erfundene Geschichten zeichnerisch dar. Dabei erweisen sich die Schüler*innen als äußerst kreativ und sehr begabt, ich mich manchmal als künstlerisch uninformiert und maltechnisch eher weniger talentiert. Aber ich bemühe mich.

Leichter fallen mir die Vorlesestunden in der 3. Klasse. Dabei muss ich mich nur anstrengen, „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler möglichst deutlich und gut betont vorzulesen. Besonders achte ich darauf, meine Stimme in angemessener Weise zu verstellen und die unterschiedlichen Stimmen dann bloß nicht miteinander zu verwechseln.

Ansonsten gibt es noch solche Unterrichtsstunden, in denen wir die breite Vielfalt der Online-Tools nutzen. „Spielen wir heute Kahoot?“ ist wohl einer der am häufigsten gestellten Fragen in der 5A. Diese Quiz-App macht allen viel Spaß und wäre in Präsenz in dieser Form wahrscheinlich nicht einsetzbar. Manchmal hat Onlineunterricht also auch gute Seiten.

Trotzdem wünsche ich mir, dass auch die anderen Klassen nach und nach in die Schule zurückkehren. Vorweihnachtliches Adventskranzbasteln und Lebkuchenbacken funktioniert auch online gemeinsam, aber in persona ist es natürlich schöner. Deswegen wäre es wirklich toll, wenn die Osterbasteleien in der Schule stattfinden könnten. Vorausgesetzt natürlich, die aktuellen Fallzahlen und die weitere Entwicklung der Pandemie lassen das zu. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, und versuche, aus allem das Beste zu machen.

Hieroglyphen, Kirchen und Entspannung

Wer meinen letzten Bericht gelesen hat, weiß, dass es in der Schulbibliothek wirklich viele Bücher gibt. Alle, die ihn noch nicht gelesen haben, dürfen gerne mal im ersten Eintrag unter Buchstabe B nachgucken. Aber so wichtig ist das eigentlich auch gar nicht, denn jetzt schreibe ich viel ausführlicher darüber. Immerhin habe ich in der letzten Woche meine Arbeitszeit hauptsächlich dort verbracht…

Die Bibliothekarin Aurelia ist immer schwer beschäftigt. Es kommen ständig neue Bücher hinzu, die von ihr ausgepackt, registriert und im Regal angeordnet werden müssen. Meine Aufgabe hingegen betrifft sozusagen das Gegenteil – ich schlage Zahlen in einem uralten Registrierbuch nach, trage diese dann in eine andere Liste ein und mache die Löschung der Bücher, die sich hinter diesen Zahlen verstecken, damit amtlich. Eigentlich keine schwere Angelegenheit – wäre da nicht diese praktisch unleserliche Handschrift in dem Registrierbuch. Manchmal dauert es mehrere Minuten, bis ich Titel und Autor*in eines Buches entziffern kann. Liebe Menschen, die ständig behaupten, dass ich eine Sauklaue hätte: Lest bitte einmal in diesem Registrierbuch, dann denkt ihr das nie wieder über mich.

Von solchen Kraftanstrengungen einmal abgesehen verlief meine Woche allerdings relativ entspannt. Die 5. Klasse lernt etwas über S-Laute und erfährt, wie „das“ und „dass“ richtig verwendet wird. Beim Vorbereiten dieser Stunden merke ich regelmäßig, dass meine Unterstufenzeit schon länger zurückliegt und ich viele Regeln gar nicht mehr kenne. Da fällt es mir leichter, etwas für die 8. Klasse vorzubereiten, bei der es vor allem um Leseverstehen und Textarbeit geht. Für die 12. Klasse hingegen ist es nicht mehr lang bis zur schriftlichen DSDII-Prüfung, weswegen wir hierfür fleißig am Üben sind.

Das Wochenende nutzte ich dann, um Oradea zu erkunden. Immerhin war es erst das zweite Wochenende, das ich in meiner Heimatstadt verbrachte, und es gab noch viel zu entdecken. So machte ich mich auf den Weg in die wunderschöne Altstadt und schaute mir die zahlreichen Kirchen an, deren Türme ich bisher nur von meinem Balkon aus gesehen hatte. In der griechisch-katholischen Nikolauskirche hatte ich dann eine sehr interessante Begegnung: Ein Mann, der scheinbar dafür zuständig war, die Kirche zu bewachen, zeigte mir alles – besser gesagt versuchte er es. Er konnte nämlich leider kein Englisch… und ich beherrsche immer noch zu wenig Rumänisch. Trotzdem nahm er sich bestimmt eine halbe Stunde lang Zeit und erklärte mir mit den immer gleichen Satzfetzen und Händen und Füßen etwas über die Heiligen, die Bauart der Kirche usw. Er schaltete sogar extra das Licht an, damit ich die Kirche und den Altar erleuchtet sehen konnte, und führte mich in eigentlich abgesperrte Bereiche. Seine Mühen und diese kleine Führung weiß ich sehr zu wertschätzen, obwohl ich leider nicht viel mehr als „barock“ und „Maria“ verstehen konnte. Ich muss wohl noch einmal zurückkommen, sobald mein Rumänisch etwas ausgereifter ist.

An Sprachkenntnissen mangelt es also immer noch sehr, aber dafür entwickle ich so langsam eine Orientierung in Oradea. Denn neben der Kirchenerkundung ging ich auch einfach nur spazieren und genoss das milde Herbstwetter und die vielen malerischen Fassaden der Stadt. Auch Wäschewaschen, Kochen und Backen kamen nicht zu kurz, sodass ich entspannt in die neue Woche starten konnte und nun endlich die Zeit finde, diesen Eintrag zu schreiben!

Drei Wochen in Rumänien: Ein Überblick

Heute bin ich auf den Tag genau drei Wochen lang in Rumänien. Gibt es einen besseren Zeitpunkt, um endlich mit dem Blog zu beginnen? Nein. Deswegen habe ich mich von einem der Workshops auf dem Vorbereitungsseminar inspirieren lassen und meine bisherige Zeit als Freiwillige in alphabetischer Reihenfolge zusammengefasst. Hier ist, was ich bisher so erlebt/gedacht/gelernt habe:

Arbeit: macht mir Spaß. Ich wurde an der Schiller-Schule herzlich aufgenommen und bringe mich nun dort im Schulgeschehen ein, wo es gerade passt.

Bücher: gibt es in der Schulbibliothek viele. Sehr, sehr viele. Ich helfe der Bibliothekarin Aurelia beim Aussortieren der Bücher, die niemand mehr liest oder die so veraltet und verstaubt sind, dass es nicht mehr gesund ist, sie zu lesen. Trotzdem kommt es vor, dass ich in dem ein oder anderen Buch ein wenig blättere, denn es verstecken sich doch einige historische Schmuckstücke unter all den Spinnweben.

Cluj-Napoca: ist die erste rumänische Stadt, die ich gesehen habe. Dort bin vor exakt drei Wochen angekommen und habe mich gemeinsam mit Lena, Henning und Joena auf Erkundungstour begeben.

Deva: dort war ich von Freitag bis Samstag, um Joenas Geburtstag zu feiern. Es gibt eine Burg, von der aus wir eine tolle Aussicht auf die Stadt genießen konnten. Deva von oben sieht sowohl bei Tag als auch bei Nacht wirklich hübsch aus.

Emese und Pascal: sind meine Ansprechpartner in der Schule und haben mich am Mittwoch vor zweieinhalb Wochen vom Bahnhof abgeholt. Gemeinsam mit meiner Mitbewohnerin waren sie ein richtiges Empfangskomitee. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sie mich so lieb begrüßt haben.

Fahrrad: besitze ich nicht. Das ist aber auch nicht so schlimm, weil die Schule nur ungefähr 7min von unserer Wohnung entfernt liegt. Auch sonst ist alles ganz gut zu Fuß erreichbar.

Geige: Ich habe den Musiklehrer meiner Schule gefragt, ob er vielleicht weiß, wo ich eine Geige leihen kann. Daraufhin hat er mir gleich am nächsten Tag eine Geige aus seinem Besitz mitgebracht, die ich nun benutzen darf. Ich bin froh und Bela sehr dankbar, dass ich mit seiner Hilfe diesem Hobby nun wieder nachgehen kann.

Hedvig: ist der Name meiner Mitbewohnerin. Es ist eine echte Bereicherung für mich, dass wir zusammenleben, und sie mir stets mit Rat und Tat zur Seite steht.

Ideen: bzw. konkrete Pläne zur Umsetzung dieser brauche ich ganz viele. Schließlich ist das Jahr lang und ich möchte mich möglichst viel am Schulgeschehen beteiligen.

Joggen: gehe ich immer am Fluss Sebes Körös entlang. Allerdings muss die perfekte Route immer noch von mir entwickelt werden.

Kartoffeln: muss ich nicht kaufen, sondern darf welche aus dem Garten von Hedvigs Familie benutzen. Besonders gut schmecken diese Kartoffeln, wenn Hedvig Pommes daraus macht. Auch Zwiebeln, Paprika etc. wachsen bei Hedvigs Familie im Garten und stehen uns zum Kochen zur Verfügung.

Lernen: ist ein großer Teil meines Alltags. Es gibt noch viel Neues zu entdecken.

Mămăligă cu lapte: ist ein rumänisches Nationalgericht, das mir von ein paar Schüler*innen aus der 6. Klasse empfohlen wurde. Beim ersten Versuch ist mir leider die Milch komplett übergekocht, weswegen es nicht geklappt hat. Nach einer Erklärung von Hedvig klappt es jetzt aber besser und ich esse den Maisgrieß nun ganz gerne mit Gemüse.

Nicole: Das ist mein Name. Für alle, die ihn noch nicht kannten oder bis hierhin schon wieder vergessen hatten 😉

Oradea: ist die Stadt, in der ich lebe, und von der ich in der nächsten Zeit bestimmt noch mehr berichten werde.

Präsenzunterricht: gab es zwar anfangs, findet aktuell aber leider nicht mehr statt. Mal schauen, wie lange wir hier noch online sind…

Quite miss home: Am ersten Wochenende hatte ich starkes Heimweh. Musikhören und Kommunikation haben aber ganz gut dagegen geholfen.

Regeln: Die deutsche Sprache ist eine schwere Sprache. Das merke ich beispielsweise, wenn ich versuche, den Schüler*innen zu erklären, warum genau jetzt „das“ oder „dass“ geschrieben wird.

Sibiu: dort war ich am zweiten Wochenende und habe die Menschen, die für die ZfA arbeiten, und die anderen Rumänien-Freiwilligen kennengelernt. Die Stadt ist die siebenstündige Anfahrt mit dem Bus auf jeden Fall wert.

Traumhaft: wäre es, wenn ich wirklich bis zum nächsten Jahr in Oradea bleiben könnte. Trotzdem frage ich mich regelmäßig, wie sich die Coronapandemie wohl noch entwickelt und was das für einen Einfluss auf mich haben könnte.

Ungarisch: würde ich auch echt gerne ein bisschen beherrschen. Ich komme mit dieser Sprache immer wieder in Berührung – hauptsächlich, weil Hedvig sie spricht. Nicht, dass ich jedes einzelne Wort verstehen müsste, das sie mit ihrer Familie bespricht, aber ein paar Ausdrücke können ja nicht schaden.

Vorurteilsbekämpfung: ist mir für mich selbst wichtig. Als ich einmal mit dem Taxi zum Busbahnhof gefahren bin, hatte ich nicht genug kleines Bargeld, um den Fahrer zu bezahlen. Ich bin also zuerst zum Busfahrer und habe dort für mein Busticket Rückgeld bekommen. Damit bin ich dann wieder zum wartenden Taxifahrer und habe ihn bezahlt. Klingt zwar langweilig, aber mir ist dieses Erlebnis immer noch recht gut im Gedächtnis. Denn während ich beim Busfahrer war, befand sich mein Gepäck immer noch im Taxi. Der Taxifahrer hätte also jederzeit damit wegfahren können – und dieser Gedanke hat mich so sehr beschäftigt, dass ich es extrem eilig hatte, zurück zum Taxi zu kommen. Ich frage mich, ob ich mir genauso große Sorgen gemacht hätte, wenn ich in exakt dieselbe Situation in Deutschland geraten wäre… oder wenn der Taxifahrer eine Taxifahrerin gewesen wäre… oder wenn…

Wetter: ist bisher recht gut. So richtig kalt ist es aktuell nicht und geregnet hat es auch noch nicht so oft.

Xenia: heißt die Freiwillige, die vor mir hier war. Ihr Name dient immer wieder mal zur Erklärung meiner Rolle an der Schule, weil sie allen noch ganz gut im Gedächtnis geblieben ist. Vor Antritt meines Freiwilligendienstes hat sie netterweise ein sehr langes und hilfreiches Gespräch mit mir geführt.

Yellow: Das hat jetzt zwar weniger etwas mit Gelb zu tun, aber Englisch brauche ich oft. Sprachliche Hürden sind in meinem Alltag durchaus häufig zu bewältigen, aber wenigstens…

Zählen: kann ich auf Rumänisch mittlerweile gar nicht so schlecht. Zumindest bin ich dazu in der Lage, die Zahlen von 1 bis 100 aufzusagen. Und wenn an der Kasse im Supermarkt nicht rasend schnell gesprochen wird, verstehe ich manchmal sogar auf Anhieb, wie viel ich zahlen muss.

So, das ist also mehr oder weniger das Wichtigste aus meinen drei Wochen in Rumänien. Weitere Erlebnisse und Erkenntnisse folgen!