#5: Shoppingqueen von Cluj

Eine volle Woche (Part 1)

 

Die Woche fing schon wahnsinnig anstrengend an. Ich musste am Montag zwar erst um 9 Uhr in der Schule sein, hatte dann aber an dem Tag mit der 12F und der 12E insgesamt fünf Stunden Unterricht. Das hat nicht nur mich fertiggemacht, sondern auch die Schüler, die um 15 Uhr gar nicht mehr denken konnten.

Und zwischen durch hatte ich dann noch mit der 2. Klasse Musik. Das wäre natürlich nicht so schlimm gewesen, wenn ich Unterstützung der Klassenlehrerin gehabt hätte, aber die war natürlich an dem Tag nicht da.

Stattdessen durfte ich mit einer Lehrerin die Klasse von 30 Kindern übernehmen… klingt jetzt erst mal gut, wenn man zu zweit ist, sah aber in der Realität anders aus, da Sie weder Deutsch, Englisch noch Französisch sprechen konnte. Und mein Rumänisch lässt momentan noch sehr zu wünschen übrig.

Also verließ ich an dem Tag mit Kopfschmerzen die Schule und wusste, dass der Tag nicht wirklich besser werden konnte, da ich abends noch um 19 Uhr Sport hatte und meine Mitbewohnerin und ich um 21 Uhr schon wieder den Bus nach Geoagiu nehmen mussten.

Kurz zur Info: Die Eltern meiner Mitbewohnerin wohnen in Geoagiu, ein kleines Dorf, etwa eine drei viertel Stunde von Deva entfernt. Von dort aus wollten wir morgens um 7 Uhr mit Ihren Eltern nach Cluj fahren. Ich, aus rein touristischen Gründen und Pati um Privatstunden von zwei Professorinnen in Bio und Chemie zu nehmen. Sie möchte nämlich unbedingt Medizin in Cluj studieren, doch um dort angenommen zu werden, muss sie zuerst die Aufnahmeprüfung bestehen. (Und das ist fast unmöglich ohne Privatstunden)

Abends fiel ich also nur noch tot ins Bett und musste leider auch schon wieder um 6:30 aufstehen.

Dann ging es los: #beschissenstertagvonallen

Habt ihr eigentlich auch manchmal Szenarien im Kopf, wie ein Tag wird?

Wen Ihr trefft? Mit wem Ihr redet? Was Ihr alles sehen werdet?

Das hatte ich auch, denn ich war ja schon einmal in Cluj. Ich wusste, wo ich hin wollte, ich wusste, wie mein Tag ablaufen sollte. Ich hatte einfach alles schon perfekt in meinem Kopf zusammengelegt.

Und auf der Hinfahrt war auch noch alles in Ordnung, ich durfte vorne sitzen und leckere rumänische Backwaren essen. Doch kaum waren wir in Cluj angekommen und hatten Pati bei Ihrer Nachhilfe abgesetzt, fing Ihre Mutter an, mir von Ihrer Tagesplanung zu erzählen. Sie sagte mir, sie müsse noch ihre Schere reparieren, da diese kaputt gegangen sei. Und sie müssen noch auf den Markt nach Klamotten für Patricia schauen und Sie müsse noch dies und das machen. Naja, ich blieb also bei Ihren Eltern und wir sahen uns den Markt an… also was heißt Markt, es war eher eine Art Chinatown im Hellersdorfer Hochhausgebiet. Wie gingen zu dem Typen, der die Schere reparieren sollte, der erzählte, dass die ganze Reparatur bis 16:30 dauern würde. Und zu der Zeit war es gerade mal um 11.

Als wir um 12 wieder zu Patricia fahren wollten, um Sie abzuholen, fragte ich ihre Mutter, ob Sie mich einfach beim Theater rausschmeißen könnten, sie stimmte erst zu, war sich dann aber nicht sicher, ob wir uns wieder finden würden. Also sagte sie mir, dass Pati und Ihr Vater um 16:00 im Shopping-Center am Rande der Stadt sind und dort auf mich warten, während Sie noch die Schere bei der Reparatur abholt. (Sie ist Friseurin)

Ich wusste natürlich nicht, wie ich dahin kommen sollte, also kam Patricias Mutter auf die geniale Idee bei der Bushaltestelle nachzufragen. Die Frau hinter der Kasse erzählte, dass der Bus 24B direkt zum Shoppingcenter fährt.

Damit war für mich die ganze Sache geklärt. Patis Eltern schmeißen mich am Theater raus, nach etwa vier Stunden nehme ich den Bus und fahre zum Shoppingcenter.

Aber nein, dann erzählte mir Patricias Mutter ich solle mir schon ein Ticket holen und selbst beim Theater aussteigen, denn dann wüsste ich auch, wo ich wieder einsteigen kann. Ich fragte sie mehrmals, ob Sie mich nicht einfach am Theater abschmeißen kann, aber nein, das Busticket war eh für zwei Fahrten einsetzbar, also sollte ich das gefälligst auch nutzen.

Dann war sie weg.

Ich glaube, man merkt schon worauf das hinausläuft.

In den richtigen Bus stieg ich ein, das Problem war nur das der verdammte Bus nicht beim Theater hielt.

Aber natürlich fiel mir erst nach knapp einer halben Stunden auf, dass der Bus irgendwie um das Zentrum rum gefahren war. Also entschloss ich, sitzen zu bleiben und bis zum Shopping-Center zu fahren.

Dort angekommen war ich erstmal beeindruckt von dem unglaublich großen Gebäude und amüsierte mich die ersten zweieinhalb Stunden wirklich über die Auswahl an Geschäften. Um 15 Uhr setzte ich mich dann in ein Café und rief eine sehr gute Freundin von mir an. (Rike, du bist ein Schatz <3) Die Zeit verging und wir redeten über eine Stunde über dies und jenes. Um 16:10 legte ich dann auf, in der Hoffnung, dass ich endlich aus dem Shoppingcenter in die Stadt komme. (jetzt denkt man sich so: Wieso hast du nicht gleich den Bus zurück genommen? Also erstmal, die Busfahrt hat eine halbe Stunde gedauert, dass heißt mit hin und zurück wäre schon eine Stunde drauf gegangen, zweitens, das Wetter war scheiße und drittens ich wusste nicht welchen Bus ich nehmen sollte, also blieb ich im Shoppingcenter…und shoppen ist ja jetzt auch nicht so schlimm, oder?)

Doch als ich Patricia dann anrief, ging sie nicht an Ihr Telefon.

Die Zeit verging, ich kaufte mir noch ein Buch und ging in jeden möglichen Laden, bis ich um 16:40 wieder versuchte sie anzurufen. Diesmal ging sie ran und erzählte mir, dass Sie jetzt doch zu dritt die blöde Schere abgeholt hätten und Sie  schon auf dem Weg zurück zum Shoppingcenter seien.

Ich setzte mich nach draußen an die kalte Herbstluft und las mein Buch. Eine weitere halbe Stunde verging und Sie kamen nicht. Ich rief Patricia an und sie sagte mir, dass Sie sich verfahren hätten.

Geil, ich rief Rike wieder an, die sich mein dauerhaftes Genörgel am Telefon anhören musste, aber zumindest konnten wir weiter über jeden Müll reden.

Nach knapp 1:40 Stunde Verspätung kamen Patricia und Ihre Mutter dann auch im Shoppingcenter an. Ich war total erleichtert, da ich endlich nach 4 Stunden und 40 Minuten das Center verlassen konnte. Aber nix da.

DIE BEIDEN WOLLTEN AUCH NOCH SHOPPEN GEHEN!

Also lief ich ihnen die ganze Zeit hinterher und telefonierte fröhlich mit Rike weiter. (Ja, das war das Einzige was mich am Leben erhalten hat.)

Die beiden interessierte das ne Bohne, dass ich keine Lust mehr hatte. Sie sagten mir nicht einmal, wo sich Patis Vater aufhielt, denn der war lieber beim Auto geblieben.

Stunde um Stunde verging und Tochter und Mutter stritten sich nach zweieinhalb Stunden nur noch an.

Ich rief immer nur noch leise und deprimiert die Wörter „Wollen wir zurück?“ rein, aber beide wollten unbedingt irgendwas kaufen. Ich ließ mich um 19:30 auf eine Bank nieder und wartete, bis das Grauen endlich vorbei war.

Und es wurde durch Patricias Papa beendet. Er sah mich allein und total erschöpft auf der Bank sitzen und fragte mich, wo der Rest seiner Familie sei. Glücklich darüber, dass endlich jemand gehen wollte, sprang ich auf und suchte Patricia. Um 20 saßen wir dann endlich gemeinsam im Auto und alle schwiegen sich an.

Ich konnte mir aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen, weil ich die ganze Situation so komisch fand.

Sieben Stunden in einem Kaufhaus.

Einmal und nie wieder.

 

Buchladen im Shoppingcenter

Buchladen im Shoppingcenter

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Fortsetzung folgt mit Part 2…