Erinnert ihr euch an diese Kurve, die verdeutlicht, wie der kulturelle Anpassungsprozess oder allgemein die Gefühlslage in einem Jahr Freiwilligendienst verläuft? Wo nach einem krassen Hoch direkt ein krasses Tief kommt? Ich glaube, die Talfahrt ist hiermit eingeleitet. Es sind die Kleinigkeiten, wie immer. Bin anfällig dafür. Wollte eigentlich nur kurz öffentlich machen, dass ich lebe und dass es mir gut geht. Abgesehen von einem nichtfunktionierenden, kollabieren Rohrsystem im Bad, das frühestens Montag repariert werden kann. Von immer noch unbefriedigendem Kontakt zu Gleichaltrigen. Von Fußschmerzen und Zahnärztin-Vermissen.
Aber trotzdem bin ich im Grunde glücklich, hier zu sein. Nur bin ich jetzt (nach bestimmt 7 Episoden Greys Anatomy) viel zu müde, mehr dazu zu schreiben. Ich bin heilfroh, wenn ich es noch ins Bad zum Zähneputzen schaffe. Gute Nacht
Nach Stockholm? Just this direction…
– Leben –
Halb 1. Nachts, natürlich. Patrick und ich stehen an Ostrčilovo náměstí und warten auf die Tram. Wir sehen ihn schon auf uns zutorkeln und flüchten unauffällig ein paar Schritte in Richtung Wartehäuschen. Trotzdem fällt er fast auf Patrick drauf, als er ihn anspricht. Ich flüchte jetzt auffälliger. Er labert uns auf tschechisch zu. Englisch kann er nicht. Er scheint heftig betrunken zu sein und ist ziemlich ungepflegt. Ich hatte Angst, später, in der Tram, als mir der Tscheche, der glücklicherweise auch im Wartehäuschen gestanden war, erklärte, was der Mann wollte, machte mich die ganze Sache nachdenklich und ziemlich traurig. Der Mann wollte wissen, in welche Richtung es nach Stockholm gehe. Man habe ihm erzählt, dass das Leben dort ein besseres wäre. Ob das stimme, wollte er wissen.
Schon ein bisschen her. Mein Nudeltopf steht immer noch bei Patrick. Gespült, zum Glück. Aber die Spaghetti sind uns ziemlich misslungen. Naja, seine Küche is auch nicht so Wahnsinn (wie meine, haha). Wahnsinnig cool dagegen: unser neues Lieblingscafé NoD, wo auch heute Abend Patricks Geburtstag gefeiert wird. In Anwesenheit von Mr. Beton, auf den ich mich persönlich sehr freue! Er hat einen schnörkellos eleganten Charakter. Becherovka, Tonic water (sonst ja gar nicht mein Ding), lime juice und ice. Nice. Hinreißender Kerl!
– Schule –
Heute erste Stunde alleine unterrichten. Adjektive, mit der Sekunda D. Hinreißende Jungs und Mädels! Sind etwa 14 Jahre alt. Hat alles sehr gut funktioniert. Genau eine Minute vor Ende der Stunde war ich mit dem Program fertig. Hätte aber lieber weniger frontal unterrichtet. Next time.
Weniger optimal scheint die Verbindung zu meinem Mentor. Er redet viel und nicht alles kommt bei mir so an, wie er das meint. Und ich weiß nicht, wie ich meine Fragen noch stellen soll. Quarta D macht in seinem Geschichtsunterricht grade die Deutsche Einheit. Mir ist spontan eingefallen,dass man eine Foto-Story dazu machen könnte. Entweder die Geschichte so wie sie war darstellen, oder aber das Ganze übertragen oder umwandeln, in ein Fußballspiel beispielsweise.
– Zuhause –
Meine Pflanzen schimmeln. Scheiße. Weiß nicht, was zu tun ist und wohin mit dem kranken Gewächs. Mein armer Drachenbaum! R.I.P.
Unsere Waschmaschine intrigiert gegen mich. Martin kommt abends halb zehn in mein Zimmer (mit Anklopfen, keine Frage) und sagt: „Juliane, könntest du bitte die Badewanne sauber machen?“ What the…? Als ich vor anderthalb Stunde das letzte Mal dort war, hab ich nichts bemerkt. Da war auch nichts. Martin trotzdem leicht verärgert (glaube ich). Jetzt weiß ich: wer die Waschmaschine nutzt, putzt. Die Badewanne, wenn die Waschmaschine fertig ist. Während dem Waschgang tritt die Flut ein, bei Ebbe muss man die Fusselreste aus der Badewanne entfernen. Haha. Tja, mein Geschirr in der Küche macht Martin glaub ich aber auch nicht glücklich…
Some inspiration about the culture thing:
„ Ich musste lachen. Er ernährte sich nur von Tauben und selbst in einer Diskussion über Erziehung brachte er als Beispiel Tauben, die lernen, wenn sie bei jeder richtigen Antwort mit einem Korn belohnt werden. Sein Misstrauen gegenüber dem Frieden führte er auf die Wahl der Taube als Friedenssymbol zurück, weil die Taube alles andere als friedlich sei. Und nun musste ihm selbst die Kacke der Tauben noch als Beweis für die Ungleichheit der Kulturen dienen! ‚Nehmt einmal an‘, rief er den Versammelten wie ein Prediger zu, ‚eine Taube bombadiert beim Vorüberfliegen mit ihrer Kacke die Schulter eines Passanten. Das tun diese Viecher tausend Mal am Tag. Was meint ihr, wie die Menschen reagieren?‘ Ich wusste keine Antwort. Auch die andren schauten einander verlegen an. Abdallah aber ließ nicht locker.
‚Ein ungläubiger Araber‘, fuhr er fort, ‚verflucht sein Unglück und alle Tauben. Ein gläubiger Araber lobt die Weisheit Gottes, weil er den Kühen keine Flügel gab.
‚Taubendrück bringt Glück‘, reimt der Türke.
Ein Engländer fragt seine Frau: ‚Oh, my love, ist das wirklich eine Taube oder eine Nachtigall?‘
Ein Deutscher‘ Abdallah musste eine Pause einlegen, weil die Leute so laut lachten, dass man sich nicht mehr verstehen konnte, ‚ein Deutscher ruft bekümmert: Elfriede, ist mein Anzug versichert?
Ein Ägypter schwärmt: Tauben in Knoblauch und Olivenöl, Allahu Akbar!
Ein Syrer schaut die Kacke an und sagt: So viel? Lass uns handeln!
Ein Russe ruft entsetzt: Das ist eine amerikanische Luft-Boden-Rakete! Andrej, gib mit einen Vodka!
Ein Spanier rennt wie ein Verrückter davon, um eine Pistole zu holen. Und wenn er zurück kommt, ist die Taube weg, aber der Spanier schießt in die Luft und brüllt dabei: Caramba!
Ein Italiener verflucht den Himmel: Mamma Mia, Pizza à la Kacke auf dem Sonntagsanzug!
Ein Amerikaner ruft: Oh shit! Und bombardiert das ganze Viertel. Aber die Taube trifft er trotzdem nicht. ‚
Abdallah lachte und die Versammelten, inzwischen über 30 Leute, spendeten herzlich Beifall. Er zeigte verächtlich auf den jungen Mann, der die Flugblätter verteilt hatte, und fügte hinzu: ‚Und dieser Typ hier will mir sagen, dass wir alle gleich sind‘. Dann zog er mich beiseite und fragte mich, ob ich Tee trinken wolle und ich sagte Ja. „
taken from: „Die Sehnsucht der Schwalbe“ von Rafik Schami, Seite 250f.
Denke, ich werde in meiner (jaja, mein Refugium, mein Terrain, meine Domäne) Bibliothek zwecks Entscheidungshilfe irgendwie Zitate aus Büchern aufhängen. Dieses Buch beispielsweise werde ich zwar als sprachlich schwer, da mit vielen Bildern gearbeitet wird, aber sehr phantasievoll und magisch und voller Lebensweisheiten anpreisen. Rafik Schami lebt seit 1971 in Deutschland, übrigens.
Dialog im Potraviny (tschechischer Lebensmittel-Tante-Emma-Laden)
Juliane: (geht vollbepackt an die Kasse, grinst den Kassierer an und sagt ganz lieb) Dobrý den!
Unbekannter Tscheche: Dorbý den (und schaut mich länger an. Nach ein paar Sekunden) irgendwas auf Tschechisch.
Juliane: Sorry, ähm, english?
Unbekannter Tscheche: (schüttelt den Kopf)
Juliane: (in meinem besten Tschechisch) nemluvím česky! (auf Deutsch: ich spreche kein Tschechisch. Entschuldigendes Lächeln)
Unbekannter Tscheche: Ah, škoda!
>> Dialog Ende<<
škoda heißt schade. so viel kann ich schon. Haha!
Update aus Praha: Juliane hatte Donnerstag, den 7.10.2010 den besten Abend des Lebens! Dank Filmfest von Goethe! Ist eben echt nur im Lucerna Marmorsaal möglich, so ein Privatkonzert von Iriepathie, hier zu hören: (neuer Dauerohrwurm in meinem Kopf: Iriepathie \“Marianne\“)
Danach waren wir (Edit März 2013: die österreichischen EFS-Freiwilligen, die ich dort kennengelernt habe und die meine ersten richtigen Freunde in der noch eher fremden Stadt waren) mit der Band noch ordentlich feiern! Dabei meinen neuen Lieblingsclub entdeckt:
Best Place for Reggae, Dancehall, Dub und Drum’n‘ Bass! We went unfassbar crazy in there…
Um 6.15 Uhr hab ich dann meine Haustür aufgeschlossen. In die Schule bin ich nur zum Essen, ich hatte mehr oder weniger eh frei, weil meine Kollegen alle irgendwo in Österreich oder Hamburg oder beim Arzt waren.
Ich jedenfalls bin sehr, sehr glücklich aufgewacht, aber in die Dusche musste ich mich trotzdem zwingen.
Ansonsten die üblichen Sorgen und Probleme: Wie zur Hölle macht man eigentlich Vanillepuding? (Auf der Packung sind Bilder, aber der Text ist auf Tschechisch) Wie funktioniert diese blöde Waschmaschine? Wieso hab ich eigentlich schon wieder keine Lust, abzuwaschen? Aber auch:
Oh man, wieso ist es so teuer, hier zum Arzt zu gehen, vor allem wenn man einen englisch-sprechenden will? Und wann fängt endlich der Sprachkurs an? Warum kann meine WG eigentlich kein Festnetzanschluss haben? Und wieso ist Sykpe nicht für meine Mama geeignet? Oder meine Mama für Skype? Wann kann ich endlich mein eigenes Ding in der Schule machen?
Ich geh abwaschen. Habt einen guten Start in die Woche!
Ja, was sagt man dazu! ENDLICH! Ich bin weiter! Eine Runde oder ein Niveau, oder eine Schicht, wenn man so will. Endlich raus aus der Deutschen Blase!
Ich fühle mich immer wohler hier. Habe es endlich geschafft, meine Poster in meinem Zimmer aufzuhängen, was wie gesagt das Heimatgefühl, aber auch die gefühlte Größe meines Zimmers steigert. Hier meine Ess-, Arbeits- und Posterecke:
Also, wie man auch sieht, hier bin ich schon einen Schritt vorangekommen.
Heute dann endlich bei den Abiturienten. Die eine Gruppe dachte, ich wäre Bildungsexpertin. Ähm, nein. Das Deutsche Bildungssystem (was an sich ja schon falsch ist, es muss heißen: Bildungssysteme, oder Bildungschaos, oder Bildungssystem-wirrwarr, oder Bildungsantisystem, oder…) ist anscheinend Thema im Abitur. Die Armen. In Bayern alleine gibt es 56 (!!) Wege, das Abitur zu machen. Und dann gibts ja noch die andren 15 Bundesländer… Ich hab denen das Wort Bildungshoheit beigebracht und gemeint, dass nicht mal Angela Merkel das korrekt, vollständig und verständlich in einer Abiturprüfung schreiben könnte.
Hab dort dann auch gleich nach Volleyball gefragt. Hab zwar gestern, als ich mit Funny Martin (der andre Mitbewohner ist Silent Martin) und seinen Freunden was essen war, jemanden kennengelernt, der mich in einer Stunde zum Indoor-beachen mitnimmt. Aber auch gut, dass sich dann ein Mädel (so alt wie ich) gemeldet hat, die montags und dienstags (zwar auch Indoor-Beach, scheint verbreitet zu sein in Tschechien) Training hat und mich mitnimmt. So gesehn bin ich also endlich bei den Tschechen weitergekommen, quasi. Nach der Stunde kam dann noch ein anderes Mädel ins Kabinett und meinte, wenn ich Lust hab, abends mal was zu unternehmen, dann kann ich mich an sie wenden. Total cool! Dabei hatte ich die Tschechen als sehr zurückhaltend bisher erfahren : )
Sieben gewinnt, Alta!
PS.: Hier ist grade Wahlkampf zum Senat, entspricht dem Stadtrat in Deutschland. Wahlkampf auf Tschechisch: eine Bühne mitten auf dem Platz am Anfang der großen Straße hier, ein junges Mädel mit Mirko, das zu irgendeinem Whitney Houston-Lied ein Loblied auf Dejvická singt…“ Dejvickáááááááááhááháá…“
Wie mein spanisch-deutscher Kollege/Mentor erklärt, wieso es in einer Demokratie Parteien geben muss:
„Wieviele Tschechen gibt es? 10 Millionen. Jetzt stellt euch mal vor, die regieren alle gleichzeitig!“
Was für DVDs man in der Metro-Stationen kaufen kann, eine Auswahl:
“ Bridget Jonesonová“. To be continued.
Wie wohl ich mich in meiner WG mittlerweile fühle:
Pudelwohl. Bis auf den leichten Zug durch meine antiken Fenster, der sich anscheinend nicht durch Fleece-Decke stoppen lässt. Aber die Küche kommt nach jeder neuen WG-Besichtigung immer wieder in den ReCall. Hat ungeahnte Qualitäten!
Wieso ich Freitag Abend nicht feiern bin:
Obwohl ich gestern schon abstinent war weil ich endlich mal richtig schlafen wollte, traue ich mich nicht alleine raus. Beim Fernsehturm ist der Club, von dem ich schon mal gelesen habe, wo jeden Freitag Reggae und Dub ohne Ende kommt. Nächste Woche 😉 Außerdem außerordentliche Rückenschmerzen nach insgesamt eine-Stunde-für-Monatsticket-anstehen und IKEA-Besuch. Habe aber ernsthaft vor, bei verbesserter lingualer Ausganslage die Praxis zu suchen, wo es geht.
Worauf ich mich freue, in chronologischer Reihenfolge:
Mein warmes Bett in wenigen Minuten. Morgen Abend weggehen (versprochen!). Sonntag Sushi (oder Tschechisch) Essen gehen mit Pad..ähm, Patrick. (Auch wenn ich mich auf das Gepäck schleppen davor NEMA freue, aber eine Hand wäscht die andre!) Nächste Woche dann ENDLICH Sprachkurs-Beginn. Mit endwitzigem Sprachlehrer! Und taz-lesen. Natürlich auch aufs deutschsprachiges Filmfestival von Donnerstag bis Sonntag. Zu guter letzt: auf Sport machen, irgendwann! Und wenn ich joggen muss!
Was mich im Moment in weniger enthusiastische Stimmung versetzt:
Diese Kälte. Morgen (Samstag, ja?) aufgrund Verpeiltheit nochmal zu IKEA zu müssen. Der anstehende erste Waschgang ohne Mama und mit tschechischer Waschmaschine. Dass hier nur Schüler und Studenten günstigere ÖPNV-Tickets kriegen. Hierbei geht es mir vor allem um Prinzip: Arbeitslose, Obdachlose, Azubis, FSJler, Praktikanten: alles normale Menschen. Die normale Preise zahlen müssen. Für mich ist das nicht viel Geld, aber Arbeitslose? Und wann wird das FSJ endlich international be- und anerkannt?
Wo ich lächeln musste:
In der Prima (oder Sekunda, egal, erstes Jahr Deutsch) fragt ein Mädchen, ob ich die Tocher von Micheal (deren Lehrer) sei. Neben mir sitzt Dan, Klassenclown aus dem Bilderbuch, und ist total aufgeregt und erfreut, als er meinen alten Metallia-Aufnäher und -Button auf meinem Mäppchen sieht. Ja, die sind auch in Deutschland bekannt 🙂 Erleichtert gelächelt habe ich auch, als ich ein herzliche Lachen bekomme, nachdem ich „Nemluvím cesky“ gesagt habe. „Ich spreche kein Tschechisch“.
Gute Nacht 🙂
Einfach nur die erste Woche
Aus Überblicks-Gründen (you know what I mean) sollen die folgenden Schilderungen in zeitlicher Reihenfolge geschildert werden. Probieren wirs mal. Hab eben viel erlebt in den letzten Tagen, die nicht nur mir wie Wochen vorkommen! Am Besten ich fange mit dem ersten Arbeitstag an. (Übrigens: Am Ende kommt ein Abschnitt, in dem es nicht um Schule geht. Für alle, die es nicht interessiert.)
Typisch deutsch war ich überpünktlich. Mein ehemaliger Deutschlehrer wird mir das nicht glauben, aber ich war geschlagene 20 min zu früh da. Hab mich erst Mal ein ganz kleines bisschen blamiert, weil ich die Schul-Eingangstür nicht auf bekommen habe.Und das während der Rush Hour. Später stellte sich heraus, dass man dazu einen Chip braucht (den ich ja noch nicht haben konnte). Auch egal, jetzt kennt mich der Hausmeister auch und weiß, dass ich zwar immer nett mit „Dobrý den“ grüße, aber sonst kein Wort Tschechisch spreche. Aber wie die Meisten, die mich verstehen wenn ich was Tschechisches sagen will, freut er sich glaube ich darüber, dass ich es wenigstens versuche. Genauso wie die 7.Klässler heute morgen, die mir die Deklination von „sein“ beigebracht haben. Sie lernen Deutsch im zweiten Jahr und sind total goldig! Aber zurück zur Reihenfolge.
Der Raum, in dem ich von meiner Kollegin Šárka begrüßt wurde, wird hier „Deutsches Kabinett“ genannt. Das Wort Kabinett erinnert mich zwar irgendwie an die Präsidialregierungen Anfang der 30er, aber andererseits klingt es wichtig und mächtig. Massenveranstaltungsorte wie die Lehrerzimmer in Deutschland gibt es hier nicht. Mit mir sind wir zu fünft und deshalb habe ich auch einen eigenen Schreibtisch. Einen ziemlich großen sogar! Die anderen Kollegen, Jana, Angel und Michael, sind zurzeit in Deutschland und werden für mich also erst nächsten Mittwoch plastisch. (Montag und Dienstag frei, ha!)
Mit Jana hatte ich schon eMail-Kontakt, sie scheint super nett, sieht auf dem Desktophintergrund im Kabinetts-PC ziemlich jung aus und wird hoffentlich vom Sie auch zum Du übergehen. Wäre komisch, sie zu siezen und Šárka nicht. Michael ist Deutscher und hat die taz, die Zeit und die FAZ abonniert. Zum Glück sitzt er neben mir…Zu guter Letzt: Angel ist ein deutsch-sprechender spanischer Tscheche. Er unterrichtet unter anderem Geschichte auf deutsch, was sich verlockend anhört…werde mich mal da einklinken. Wenn ich darf.
Aber ich habe auch schon mitbekommen, wie ein kleiner Grundschüler in der Kantine richtig zusammengefaltet wurde. Hat nichts gebracht, er hat sogar noch einen draufgesetzt und mutwillig einen Teller zerstört. Die erste Woche ist morgen schon vorbei. Krass! Viel war noch nicht los. Habe mich hauptsächlich mit den Lektüren (die übrigens die gleichen sind, mit denen wir gequält wurden) beschäftigt, ein bisschen Inventur gemacht und alles neu sortiert eingeräumt. Schiller, Goethe, Kafka, von Ebner-Eschenbach, Kleist, Hebbel ohne Ende, Gottfried Keller und Heinrich Mann, aber auch Rafik Schami und Uwe Timm. Letztere sind aber auch die coolsten in den Regalen. Mittags gibt’s in meiner Schule Gott sei Dank was warmes zu Essen. Für mich sogar zum Lehrertarif von 15 Kronen pro Tag. Und es schmeckt nicht mal schlecht. Sogar die Schuhe darf ich, im Gegensatz zu den Schülern, anbehalten.
Was noch kommt? Vielleicht ein größerer Konflikt, ob geduzt wird oder nicht. Ich kenne die Machtgefüge und zwischenmenschliche Beziehungen um Kabinett ja noch nicht.
Vielleicht eine Portion Demotivation: Šárkas Schüler waren bis auf die Kleinen noch verhalten, verkrampft. Ich hoffe nicht desinteressiert. Ich will mich nicht festlegen, ob es an ihr liegt. Aber ich hoffe, dass die andren offenere Schüler haben.
Vielleicht auch noch ne Menge Spaß: Meine Schule nimmt an einem Debattierwettbewerb vom Goethe-Institut teil, ist zwar nicht glorreich, aber das wollte ich schon immer mal machen! Ich liebe diskutieren! Freitags gibt’s außerdem noch Volleyball, schade, dass ich morgen aufgrund heimreisebedingter Abwesenheit noch nicht dabei sein kann. Wenn das nix wird, steige ich auf Hockey um. Die Nationalsportart hier. Egal ob on Ice oder Rasen. Einen Chor gibt es hier auch. Hab ich zwar noch nie gemacht, ob ich singen kann ist die Frage und ob ich tschechisch singen kann, erst recht. Aber versuchen werde ich es mal.
Ich hab übrigens neben der Schule auch noch ein Privatleben, auch wenn es vielleicht nicht so rauskommt, bei allem, was ich bis hierher geschrieben habe. An meine WG habe ich mich total gewöhnt. Den Mief kann man zwar nicht mal mit Geruchsneutralisierer bekämpfen, aber umbringen wird er mich (hoffentlich) nicht. Mein Hauptmitbewohner Martin 1, der Mediävist, lässt mich meistens in Ruhe und ist sonst sehr hilfbereit. Hat schon für mich beim Ikea angerufen, weil bei meinem Bett ein Teil gefehlt hat (bzw immer noch fehlt, muss man separat kaufen. Nix da.). Martin 2, der in eine Rating-Agentur arbeitet wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist ein sehr netter und lustiger Kerl, der leider nur von Montags bis Mittwochs hier ist. Glaube ich. Hab ihn bisher nur einmal nachts auf dem Weg ins Bad getroffen. Ansonsten ist Prag einfach crazy. Saß heute nachmittag mit Chris am Moldauufer bei nem Bier, es war warm und die Sonne hat geschienen. Der halbe Liter Bier hat zwar 2€ gekostet, dafür gabs aber live Musik (Gitarre unplugged) von einem crazy Typen mit grün gefärbten Haaren, der montags bis freitags immer dort spielt. Hat Stamm-Ufer-Biergarten-Potential, der Laden. Und Tretbootfahren steht auch noch an, irgendwann. Nächste Woche knöpfe ich mir das Nachtleben vor: Dienstag oder Mittwoch ist welcome-Party für Erasmus-Studenten. Im Hooters war ich übrigens auch schon. Und das deutsche Kino am Dienstag fiel leider für uns aus, die Metro wollte eben nicht, dass ich „Der Vorleser“ sehe und ist einfach nicht gefahren. Nächstes Mal lasse ich mich dann über Integration und so weiter aus. Jetzt erst mal gute Nacht! Zum Glück muss ich morgen erst um halb 10 antanzen.
Ah, Hallo. Meine neue Heimat. Für alle die es noch nicht wissen: Praha 6, Dejvicka, in direkter Nähe zu einem KFC, einem Coffee-Shop, der Technisch-Chemischen Fakultät der Karlsuniversität, einer Metrostation, in einem sehr ruhigen, schönen Viertel, 10min zu Fuß zur Prager Burg, 4. Stock.
Für alle, denen ich es noch nicht vorgejammert habe: alter, abgenutzter und nicht gepflegter Parkettfußboden mit Flecken, strange, creapy Mitbewohner, der grade an einer Doktorarbeit im Themenbereich Mittelalter schreibt, Küche und Klo sollten vermieden werden.
Aber alles halb so wild, die Stadt ist der Wahnsinn! Was gibt es hier eigentlich nicht? War heute schon 2mal in der Innenstadt. Beim zweiten Mal die Bekanntschaft mit einer Tschechin, die mir jetzt auch bei Sprachkurs und Sportverein finden hilft (helfen will), einem Schweden, einem Belgier und einem Dänen (Nils), mit dem ich mich super gut verstehe, gemacht. Nils hatte eine witzige Brille auf, solche, die auch in Little Britain getragen werden, aber er meinte, nur weil er klug aussehen wollte. Das sei schließlich das Motto für seine (leider nur) 5 Monate: Klug aussehen und dummes Zeug von sich geben. Dazu diese Lache, unglaublich lustiger Mensch!
Jetzt steht noch ein eventueller Schock aus: nachdem WG-Schock der Schul-Schock? Wie sind die Schüler drauf? Ham die Bock, bei meinem Actions mitzumachen? Werde ich morgen pünktlich sein? Wie lange brauche ich morgens überhaupt, wenn nicht Mama den Tisch deckt? Und welcher Tisch überhaupt? Werde ich richtig angezogen sein? Wie lange muss ich arbeiten? Wie sind meine Kollegen? Habe nämlich grade gemerkt, dass ich meinem Mentor (Vorname: Angel) nicht auf seine eMail geantwortet habe, was mir total Leid tut. Am Besten, ich sag ihm das morgen so. Und aufstehen werde ich eine halbe Stunde früher, also halb 7. Brauche anscheinend 29min zur Schule. Dummerweise habe ich meine Wecker, der eigentlich aber auch nicht funktioniert, daheim gelassen. Und kann ich meinem Handy wirklich trauen? Ich hoffe es.
Ich habe trotzdem oder trotz allem, wer weiß das schon, das starke Bedürfniss, laut zu schreien. Durchatmen!
Juliane ist daheim ausgezogen, wohnt jetzt alleine in einer großen Stadt und geht morgen arbeiten. Und wie sie sich fühlt? Sie ist stolz, eine >>kulturweit<< Freiwillige zu sein. Und stolz darf sie in diesem Zusammenhang schon sagen. Das Programm ist ihrer bisherigen Meinung nach eine super Sache. Was im Umkehrschluss bedeutet, sie muss gewissen Anforderungen von der kulturweit-Seite aus gerecht werden. Druck! Deshalb das schreien. Und auch, weil sie endlich einen geregelten Tagesablauf haben will, rausgehen will, feiern, Leute kennen lernen, diese Leute treffen, mich zu Hause fühlen. Aber die Zeit schleicht dahin. Noch.
Es wird dunkel, Essen gehen mit Patrick, Lena und Oksana werde ich leider nicht mehr schaffen. Werde gleich mal die osteuropäische Dusche im osteuropäischen Bad testen. Aber Prag hat mich total nett willkommen geheißen, mit Sonnenschein heute Morgen und Mittag, mit super netten Studenten, mit 2 Trompetern, die zur vollen Stunde vom Turm am Ende/Anfang der Karlsbrücke und auf dem Old Town Square, wo ich grade lecker gefühstückt hab, geblasen haben, mit meinem Lieblingsduschgel, dass es hier als Handseife gibt und in Deutschland nicht. Yeah!
Erst mal: ein beeindruckendes Wetter-Widget! Oder nicht? Endlich hat das mal geklappt. Jetzt aber mal Update:
Bin in Polen seit einer Woche. War aber lustigerweise schonmal ganz kurz in Tschechien, als wir auf dem höchsten Berg im Süden Polens, der Schneekoppe waren. Hier ein Beweisbild (mit einer sehr lustig grinsenden Juliane, wie ich finde)
Ham ein paar Schulklassen dort oben gesehn und ich hab im Stillen überlegt, ob das wohl eine Schulklasse meiner neuen Schule sein könnte. ABER: die haben von Anfang Juli bis Ende August Ferien. Also dann doch nicht. Übrigens, aufgrund derselben Tatsache bin ich eigentlich nur 10 Monate als FSJ an meiner Schule (deren Namen ich mir bisher nicht merken und auch nicht aussprechen kann). Hm. Aber ich habe mir vorgenommen, meinen Blog um seine Seite, auf der meine Schule vorgestellt wird, zu bereichern.
Morgen Besichtigung Auschwitz und Birkenau. Falls meine Schüler in spe noch nie in einem waren, werden die wohl oder übel mit mir in ein KZ gehen müssen. Hab ich mir jedenfalls mal überlegt. Gehört in jedem Fall zu unserer deutschen Geschichte und beeinflusst deshalb ja irgendwie auch unsere Kultur. Darüber mache ich mir jedenfalls momentan Gedanken, wie man den Begriff Kultur überhaupt definiert, was genau zu unserer dazu gehört und wie man was davon vermitteln könnte. Man sollte ja nicht unvorbereitet ins Vorbereitungsseminar gehen!
Jetzt schnell schlafen gehen, solange die polnische Hochzeitsgesellschaft in unserem Hotel noch ruhig ist. Bisher unerträglich. Osteuropäische Feierkultur! Falls die in Prag die gleiche ist, werde ich wohl oder übel mal mit denen richtig feiern gehn müssen!
Es dauert zwar noch bisschen mehr als einen Monat, bis ich die Invasion in Prag starte, aber morgen abend muss trotzdem alles schon gepackt sein. Ist echt schwer, nur die Poster von der Wand zu holen, zusammenzurollen und umzugsfertig zu verstauen. Macht mein Zimmer ziemlich leer und das Gefühl, es nicht mehr in diesem Raum zu ertragen, verstärkt sich.
Was schon in Umzugskartons eingepackt ist: (noch nicht alle) Poster ;), Kochbuch, grüne Lampignons, CDs, Kabel und Aufladegeräte, meine Taschen-Sammlung…
Nach dem Urlaub in Polen, in den meine Familie und ich am Sonntagmorgen aufbrechen, und dem Seminar, zu dem ich direkt aus Polen anreise, bleibt mir nur noch ein Tag (bzw zwei Nächte) und dann muss wirklich alles gepackt sein. Bettwäsche, Klamotten… ich freu mich eigentlich total auf Berlin und auf Prag, aber aufs packen…anfangs war ich noch total motiviert, aber der Beigeschmack wird irgendwie mehr und mehr bitter, weil ich kein Fan von Abschieden bin. Heute abend meine erste eigene Abschiedsfeier. Fahr mit den Mädels aus meiner Volleyballmanschaft nach Karlsruhe, was essen, Cocktails trinken, in eine Karaoke-Bar gehen (auweia :D).
Morgen dann Abschied von dem Fitness-Studio,meinen Freunden, meinem Lieblings-Soundsystem RuffathanRuff und meinem super Arbeitsplatz. Darf man eigentlich neben dem FSJ auch jobben? So als Fremdenführerin für deutsche Touristengruppen? Ich wär dabei 😉 Touren à la „Auf Kafka’s Spuren durch die Goldene Stadt“ oder so…
Genug gequatscht. Kartons rufen. Übrigens, allein die Tatsache, dass ich Umzugskartons packe, zeigt doch irgendwie, dass ich schon ein Luxus-FSJ mache…Nur 20 kg mitnehmen zu dürfen wie Jakob (Tansania), oder 30kg wie Toni (Ghana?), das wäre echt hart! Oder 2 Monate auf meine Nachsendungen per Frachter zu warten…Respekt, Leute! Naja, mein FSJ fällt ja nicht unter „Entwicklungshilfe“. Eigentlich das richtige für mich.
Praha Baby, here I come!
PS.: Schöner Header, oder? 😉 Von links nach rechts zu sehen: Stolperstein in Gedenken an einen jüdischen Einwohner Prags, öhm, ja, dann die Oper? Weiß ich nicht mehr 😀 daneben ein Bild des jüdsischen Friedhofs und zuletzt ein Bild einer Skulptur, die Franz Kafka zeigt, der auf den Schultern von (wahrscheinlich) seinem Vater sitzt.







