Sucre, Trinidad, Cochabamba und La Paz, 02.11. – 02.12.2023
Dass ich jetzt schon länger nichts geschrieben habe, kann ein gutes Zeichen sein. Ich komme an, habe mehr zu tun, erlebe mehr, sorge mich weniger. Genauso kann es ein schlechtes Zeichen sein. Ich suche noch, es passiert nicht viel, es gibt wenig zu erzählen.
Doch in den letzten Wochen habe ich angefangen mich zunehmend bolivianischer zu fühlen, mehr entspannter und weniger hektisch zu sein.
Es ist in diesem Fall ein gutes Zeichen gewesen.
Da einige Ereignisse schon eine Weile, mindestens 3 Wochen, zurück liegen (und mein Kurzzeitgedächtnis dann doch gut kracht), versuche ich mir das Erlebte an einigen Stellen zusammenzureimen und zu Wort zu bringen, was ich so an Gedanken und Gefühlen mitgenommen habe.
Mein aktuell größter Segen und Fluch zugleich sind die vielen fest verplanten Wochenenden. Seit einem Monat hatte ich davon nicht einmal eins frei. Und auch in der kommenden Ferienzeit muss das Jahr ausgenutzt werden, mehr Bolivien kennenzulernen. Luxusprobleme.. Andererseits, und ich hoffe, dass man mich da auch nachvollziehen kann, genieße ich die Momente nichts machen zu müssen, morgens gemütlich in den Tag zu leben und nicht einer Verpflichtung nachgehen zu müssen. Nur für ein Wochenende.
Nach dem (ersten) besuch am Titicaca, folgte also ein Besuch in der traditionellen Hauptstadt Boliviens, Sucre. Um an der Stelle einmal einen großen Unterschied zwischen Deutschland und Bolivien aufzudecken: Der Personentransport reduziert sich hier auf (Nacht)Busse und Flugzeuge. Auch wenn sie an manchen Tagen die größte Krise ist, vermisse ich doch die Deutsche Bahn. Die Möglichkeit zu haben, überall problemlos und zu fast jeder Zeit hinzukommen, die gibt es hier nicht. Um dann aber wieder die positive Kurve zu bekommen: Die Nachtbusse sind (teilweise) wirklich bequem und so sind auch längere Fahrten gut auszuhalten. Es sei denn, der Fahrgast zwei Reihen weiter schnarcht.
Zurück zu Sucre. Um mein persönliches Fazit schonmal vorwegzunehmen: Sucre ist der schönste Fleck auf der bolivianischen Landkarte. Vielleicht, weil es mich wirklich einmal aus La Paz rausgeholt hat? Es war warm, die weißen Häuser überzeugen in der Architektur, große Parks und Plätze geben Ruhe und Entspannung und die Zimtrollen erinnern an Franzbrötchen. Vielleicht, weil wir als Gruppe (mit meiner Mitbewohnerin und zwei Freiwilligen aus Santa Cruz) ganz gut harmoniert haben? Vielleicht, weil alles sehr entschleunigt wirkte? Auf jeden Fall war es die Reise wert und es wird wohl auch nicht das letzte Mal dort gewesen sein. Hätte ich gerne meine Einsatzstelle in Sucre gehabt? Die Frage ist schwierig zu beantworten, weil ich anders als La Paz nie dort „gelebt“ habe. Es ist wohl aber einfach der Fakt, dass ich zu den Paceños (Bewohner La Paz) gebracht wurde und mich hier zuhause fühle.
Das Wochenende darauf geschah das wahrscheinlich bolivianischste, was mir bis jetzt passiert ist. Der Plan war für das einwöchige Zwischenseminar mit allen in Bolivien arbeitenden Freiwilligen in den Regenwald nach Trinidad zu fahren. Am Tag davor also noch schnell nen Flug gebucht, um rechtzeitig zum Seminar anzukommen. Zwei Freiwillige sind Samstag bereits dort eingetroffen, um die Lage auszuchecken. Um die 40 Grad, der Nachbar fährt einen mit dem Motorrad zum 30 Minuten entfernten Supermarkt, dafür das Haus ziemlich groß und vielversprechend. Das wichtigste Ausstattungsmerkmal: funktionierendes Internet. Was es nicht gab: funktionierendes Internet.
Eine Kurzfassung von Samstagabend und Sonntagmorgen. Mit den anderen Freiwilligen kurzgeschlossen, nur alle 10 Minuten eine Nachricht aus Trinidad bekommen (weil das Internet ja nicht wirklich funktionierte), Trinidad abgeblasen, zum Abendessen ein Curry gekocht und gegessen, mit Airbnb Mitarbeitern telefoniert, boa (boliviana de aviación) Stornierungsbedingungen versucht zu verstehen. Am nächsten Morgen um 5Uhr zum Flughafen gefahren (weil der gebuchte Flug um 8:30 ginge), den Flug0 von Trinidad nach Cochabamba umgebucht (neue Stadt, neues Glück), Airbnb in Cochabamba gebucht (diesmal mit Internet) und um 12Uhr geflogen, 13Uhr in Cochabamba.
Die Hauptstadt des Essens (und Gärten) war am Anfang ziemlich heiß, zwischendrin schön und am Ende ihren Namen aller Ehren wert. Die Hauptbeschäftigung lag natürlich in unserem Zwischenseminar mit kulturweit. Daneben blieb allerdings noch die ein oder andere Stunde am Morgen und Abend für schwimmen und Sauna, kochen und spazieren. Überanstrengt haben wir uns in der Woche ehrlicherweise nicht, bei der etwas Hitze aber auch unerträglich.
Vom Stadtbild wurde ich jetzt ehrlicherweise nicht so sehr vom Hocker gehauen. Da gibt es meiner Meinung nach besseres und schlechteres. Kulinarisch hat Cochabamba aber einiges zu bieten. Challenge für alle, die es mal nach Cbba zieht. Das Pique grande in weniger als 30 Minuten allein wegputzen. Für alle, die es vielleicht nicht mehr dorthin verschlägt: das Pique grande ist die große Version vom Pique Macho, aus Pommes, Würstchen, angebratenem Fleisch, Zwiebeln, Tomaten und Ei, dass man sich normalerweise an einem ganzen Tisch teilt. Aprovechó!
Zurück nach La Paz. „Pass immer gut auf deine Sachen auf und sei kritisch!“, hat man mir vor und während der Reise immer wieder gesagt. Gerade am Anfang, als vieles für mich noch sehr neu war, hielt ich mich auch ziemlich strickt an diesen Ratschlag. Ich war manchmal schon fast übervorsichtig. Mit der Zeit lernt man Land und Sitten kennen und so lockern sich auch meine Vorsichtsmaßnahmen. Ich kann sagen, dass ich mich bis heute nicht einmal unwohl oder unsicher gefühlt habe. Ich weiß, wo ich es nicht unbedingt ausreizen muss, abends einen Spaziergang zu machen. Ich weiß, an welchen Orten ich noch einmal mehr auf meine Sachen aufpassen muss. Doch es kam, wie es kommen musste. Eine Unachtsamkeit, ein kurzer Moment reicht, und.. Portemonnaie weg. Ich habe weiterhin nicht das Gefühl, ich könnte in jeder nächsten Sekunde ausgeraubt werden. Trotzdem erinnerte es mich daran, dass man vielleicht doch noch ein zweites Mal checkt, ob der Reisverschluss der Tasche auch wirklich zu ist.
Für mich heißts jetzt weiterhin: Bolivien erleben, Bolivien überleben und vor allem Bolivien leben. Dazu habe ich jetzt 2! Monate Schulferien, in denen auch schon einiges geplant ist. Wie gesagt, ausgebuchte Wochenenden.. Ich schaue aber mit sehr viel Optimismus in die Zukunft und auf ein schönes Ausklingen des Jahres.
PS: In Hamburg hats gerade ziemlich stark geschneit. Ich werd ja schon neidisch wenn ich das so sehe. Frohes Glühwein-schlürfen auf dem Weihnachtsmarkt!
Hasta entonces
Nico
We are waiting for the history lesson Mr. Nigolaaas Schilling