1/40 meines Lebens!

Die ersten Sätze dieses Blogs habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben, habe sie wieder verworfen, vergessen und jetzt wiederentdeckt und möchte diese alten Gedanken jetzt mit ein paar Neuen zusammen loswerden…


Die Zeit ist da, vor der ich so eine Angst hatte. Ein halbes Jahr ist rum, alle anderen „Südostasien-Freiwillige“ sind wieder zurück in Deutschland und ich bin immer noch hier. Allein. Einsam. Keine Mitfreiwilligen, keine Praktikanten, die mir hier das Leben so viel leichter und schöner gemacht haben. Niemand, der in der gleichen Situation ist, wie ich. Ob es wirklich die richtige Entscheidung war, im Gegensatz zu den Anderen ein ganzes Jahr zu bleiben?

Ganz klar: JA! Für mich persönlich ist es die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Wie könnte ich dieses Land sonst in all seinen Facetten entdecken…die tolle Natur im Norden, den Strand im Zentrum oder auch die Metropole Saigon im Süden, die jetzt mein Zuhause ist. Wie könnte ich sonst meine eigenen Grenzen austesten, in neue Situationen kommen und herausfinden, was mir am besten gefällt, wenn ich es nicht probiere. Und genau das fiel mir am Anfang zum Teil wirklich schwer. Aus dem Haus zu gehen, um einzukaufen, etwas zu essen oder einfach nur die Stadt erkunden, schien mir wie eine fast unüberwindbare Hürde. Nicht nur, dass es aufgrund der Hitze einfach abschreckend war, sich nach draußen zu bewegen. Vor allem war es all das Neue und Unbekannte, was mich einerseits anzog und was mir andererseits Angst machte. Nachdem ich mich in der ersten Zeit wirklich davor gedrückt habe, mich auf diese Stadt einzulassen, zog mich die Neugierde dann doch nach draußen. Da gehörte erstmal eine ganze Ladung Mut dazu, aber MUT TUT GUT! Und genau das habe ich bei meiner ersten alleinigen Reise gemerkt und auch zum Zeitpunkt, an dem das halbe Jahr rum war und die anderen Freiwilligen alle wieder nach Deutschland geflogen sind. Klar, im ersten Moment fühlte ich mich gar nicht mutig, klein, unglaublich allein und zurückgelassen, so ging es mir eben zu diesem Zeitpunkt. Andererseits bin ich so jetzt endlich mal auf mich allein gestellt. Habe zwar immer noch Leute, denen ich schreiben kann, aber mit wem treffe ich mich hier vor Ort, mit wem fahre ich mal in den Urlaub, mit wem teile ich hier meine Erlebnisse und Erfahrungen? Keiner da, also wird es allein gemacht. Und neben dem ganzen Alleinsein, Auf-sich-gestellt-sein, was ich so gefürchtet hab, ist da auch so viel Neues, Aufregendes, Spannendes, Schönes und Unbeschreibliches, was ich so erlebe. Jetzt weiß ich: ich komme alleine klar, ich kann machen, was ich möchte, ohne auf andere angewiesen zu sein, ich habe unfassbar schöne Seiten Thailands gesehen und bin selbstständig von Ort zu Ort gereist, was ich mich bis vor ein paar Monaten sicher nicht getraut hätte. 

An diese Momente hätte ich vor meiner Anreise nach Vietnam einfach nicht einmal im Traum gedacht. Es war die erste Reise allein, die erste Reise in die Ferne, die erste Reise für eine so lange Zeit. Ich hatte keine Vorstellung, wie es in einem Land wie diesem sein wird, keine Vorstellung, wie die Menschen hier sein werden, keine Vorstellung, wie ich hier zurechtkommen würde. Und doch habe ich es geschafft.

Und nun…alles auf Anfang, alles wird neu erlebt.
Die neuen Freiwilligen kommen und bringen wahrscheinlich genau die Fragen mit, die ich auch hatte. Genau die Bedenken, genau die Aufregung. Sind jetzt an meiner Stelle. Nur mit einem Unterschied. Ich kenne jetzt die Antworten, weiß jetzt wie es läuft. Weiß bei Weitem nicht alles, aber dann doch ein bisschen mehr, als vor sechs  Monaten. Unglaublich, sechs Monate…ein halbes Jahr… 182,5 Tage…1/40 meines bisherigen Lebens. Eines Lebens, das ich jetzt auch noch ein weiteres halbes Jahr an anderen Ende der Welt verbringe, bis es dann wieder zurück geht. Zurück in die Heimat, in der der Kulturschock wahrscheinlich mindestens genau so groß sein wird wie er es im März war!