Sehr nötiger Rückblick

Ich bin jetzt schon einen Monat in Kiew und habe noch nichts von mir hören lassen. Also versuche ich erst mal, ein bisschen zu erzählen, was mir bis jetzt alles passiert ist. Natürlich nur die Kurzfassung, keine Angst. Also:

 

 

Auf Wohnungssuche

Am 13. 09. bin ich gelandet, wurde Gott sei Dank am Flughafen abgeholt und in mein erstes Hostel gefahren. Der Fahrer vom Goethe Institut hat wohl nicht so viel von dem Hostel gehalten, was jeder inklusive der Besitzerin und gleichzeitig einzigen Angestellten sehen konnte. Mir hat es aber erst mal ganz gut gefallen.

Bis dann die anderen 9 Bewohner meines leicht vollen 10-Schlafsaals jede Nacht Lust hatten, noch bisschen zu plaudern, wenn ich schon Schlafen wollte. Auch meine genervten bis aggressiven Schnaub-Geräusche haben nichts geholfen. An meinem ersten Morgen habe ich dann in der Küche gefrühstückt, in der auch noch ein Pärchen auf einem Schlafsofa gepennt hat. Auf den Balkon konnte ich aber auch nicht gehen, da hat schon die Besitzerin/Angestellte gelegen. Habe mich in dem Moment entschieden, nach der Woche, die ich schon gezahlt hatte, mir ein neues Hostel zu suchen (dass ich dann schon eine Wohnung finde, wäre utopisch gewesen). Diesmal auch eins mit einem Frauen-Schlafsaal. Ich empfehle an dieser Stelle jedem allein reisenden Mädchen dasselbe. Denn in einem gemischten Schlafsaal sind IMMER nur Männer. Im Laufe der Woche fand ich das Hostel dann doch nicht mehr so schlimm, die Besitzerin/Angestellte war echt nett, alles sauber und die Küche wirklich gemütlich.

Bin aber trotzdem ausgezogen, weil ich auf der Arbeit immer so müde war. Mein nächstes Hostel war aber auch nicht perfekt. Auch Mädchen können bis nachts sehr laut labern. Auch die Kommunikation (also die mit mir) gestaltete sich etwas schwierig, ohne russisch oder ukrainisch läuft echt gar nichts, nicht mal in einem Hostel. Die Küche war leider nicht so gemütlich, sondern eher unterirdisch und dunkel. Dafür lief aber den ganzen Tag ukrainisches Realitiy-TV auf einem riesigen Flatscreen. Und ja, auch hier gibt es alles, was jemals an Formaten erfunden wurde: Topmodel, Biggest Loser, Ninja Warrior und sehr viele Dating-Shows. Aber mein Highlight: Kiew Tag und Nacht (ich hoffe ich habe das Ukrainisch richtig interpretiert).

Ich war dann also sehr sehr froh, endlich in mein eigenes Zimmer ziehen zu können. Eigentlich habe es nur über meine Kollegen geschafft, überhaupt irgendwas zu finden. Ich habe mir zwar auch ein Zimmer in einer Studenten-WG über eine Zufallsbekanntschaft angeschaut, aber dafür gab es sehr viele Bewerber und frei war es auch erst drei Wochen später. Also habe ich dann die einfache, deutsch und englisch verstehende Variante gewählt und bin nach nur zwei Wochen im Hostel bei Freuden von einem Kollegen eingezogen.

Ich habe schon gehört, dass es in Kiew schwer ist, eine Wohnung zu finden. Viele Leute möchten anscheinend nicht, dass jemand fremdes in ihrer Wohnung wohnt und einen Schlüssel dazu hat. Außerdem bin ich ja nur ein halbes Jahr hier und auch noch ein Ausländer, der viele Papiere braucht, dazu haben verständlicherweise auch nicht viele Vermieter Lust.

Aber ich hatte ja jetzt Glück und sehr viel Hilfe (bzw. gute Connections).

 

Mein neues Heim

Ich wohne jetzt bisschen außerhalb, zur Arbeit bin ich fast eine Stunde unterwegs, was aber angeblich normal ist. Ich fahre dann bis zum Ende der U-Bahn-Linie und laufe noch eine viertel Stunde. Wenn man in meine nicht-betonierte Straße einbiegt (es gab anscheinend Anwohner-Proteste, als sie betoniert werden sollte, weil danach soviel Verkehr durch gefahren wäre), riecht man direkt, dass man nicht mehr in der Innenstadt ist. Irgendjemand macht hier Viehzucht. Auch viele Hunde und Katzen laufen rum (von denen auf keinen Fall alle jemandem gehören), morgens hört man die Hähne krähen. Die meisten Häuser sind keine Plattenbauten, sondern Einfamilienhäuser mit (Gemüse)Garten. Das weiß ich übrigens nur, weil ich von meinem Zimmer einen schönen Ausblick habe, die Grundstücke sind nämlich von überdimensionalen, blickdichten Zäunen umgeben.

Alles in allem mag ich die Gegend aber wirklich, als mir das erste Mal der Landwirtschaft-Geruch in die Nase gestiegen ist, habe ich mich direkt wohlgefühlt. Ich glaube ich bin nicht so das Stadt-Kind.

Jetzt aber zur Wohnung, in der ich wohne: Sie liegt in einer der wenigen Plattenbauten der Gegend. Ich fahre mit dem klapprigen Aufzug in den 10. Stock (nach deutscher Zählweise wäre es der 9. Stock, weil wir ja das Erdgeschoss nicht mitzählen), gehe durch gleich zwei Wohnungstüren und bin in meinem neuen, super gemütlichen Zuhause auf Zeit. Meine Vermieter und gleichzeitig Mitbewohner sind eine Familie mit zwei Söhnen, von denen einer in Deutschland studiert und mir deswegen sein Zimmer für eine Weile überlässt. Ich war so froh, endlich irgendwo angekommen zu sein und meine Sachen auszupacken und mich einzurichten. Und die Aussicht ist wirklich der Hammer, man kann den Nachbarn in die Gärten gucken, weiter hinten ein kleiner See, dann der Wald und am Horizont noch ein paar andere Plattenbau-Siedlungen. Meine Vermieter-Familie möchte es bis jetzt auch nicht so richtig zulassen, dass ich mein Geschirr selbst abspüle. Ich werde zum Essen eingeladen, kriege Tee vorbei gebracht und meine Socken auf der Leine werden noch mal umgehängt, damit sie auch wirklich trocken werden. Auch der Hund hat mich mittlerweile akzeptiert, schon zwei Mal wurde ich nicht angebellt, als ich nach Hause gekommen bin (für meine Vermieter ein eindeutiges Zeichen, dass er mich liebt).

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