Twice, twice Baby!

Dober Dan miteinander!

Eine Woche bin ich jetzt hier in Serbien und es gibt ne Menge zu erzählen. Vom Abschied, meiner Wohnungssuche, der Schule und natürlich von Belgrad.

Plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Zwischen dem Vorbereitungsseminar und meinem Abflug nach Belgrad lagen gerade mal zwei Tage. Für den ersten Tag war die Abschiedsparty geplant, für den zweiten Tag das Kofferpacken. Die Abschiedsparty war ordentlich, bei keiner meiner Hauspartys waren jemals so viele Leute da, Rekord! Die Straße war mit Fahrrädern zugeparkt und der Grill wurde insgesamt dreimal angezündet.

Antikapitalistische Schriften (Danke Tom, Falco und Doro).

Es war klasse noch mal Mitschüler, ArTiks, Genossen und Genossinnen, Blackwoodies und andere Freunde um sich zu haben. Natürlich auch, weil einige Geschenke geliefert haben. Falls mein Gepäck am Flughafen durchsucht worden wäre, hätte ich bei der Bücherkombi gerne das großartige Gesicht des Zollbeamten gesehen.

Aber auch die beste Abschiedsparty ist mal vorbei und das musste sie auch, denn ich musste am nächsten Morgen noch packen. Am Morgen machte sich dann ein schlechtes Gefühl in meinem Bauch breit. Natürlich will ich diesen Freiwilligendienst machen, aber es gibt auch andere Dinge, Stichwort Liebe und Beziehung, die darunter leiden könnten. Ich habe mich gefragt, in wiefern es egoistisch von mir ist, jetzt ins Ausland zu gehen um eigene Erfahrungen zu sammeln. Alleine. Aber mehr als die Gedanken plagen einen in solchen Situationen bekanntlich Gefühle. Wer sich jetzt fühlen will wie ich am Abfahrtstag, der muss jetzt beim weiterlesen diese Playlist abspielen lassen (Achtung, kann Spuren von Coldplay enthalten!!!) :

Am Abend sind wir zum Flughafen gefahren, der hatte nur mehr oder weniger zu. Drinnen in der Check-in Halle lagen drei Leute quer auf Sitzbänken, eine war noch frei. Den Abschied haben wir dann noch ein bisschen rausgezögert, aber irgendwann war es dann doch so weit.

Und dann lag ich im hellen Flughafen auf der Sitzbank und hab versucht zu schlafen. Weil es erst nicht ging, mussten die drei ??? ran, dann gings (Mastertipp).

Um sieben Uhr startete mein Flug. In den Sonnenaufgang, über den Alpen. Ja, ich weiß. Ist kitschig, aber so war es nunmal:

Im Abi haben wir „Homo faber“ gelesen. In einem Kapitel fliegt Walter Faber über die Alpen und kann sich mal so richtig an der Natur erfreuen. Es ist wirklich ein besonderes Erlebnis und die Nacht am Airport zu schlafen war der Blick bei diesem frühen Flug auf jeden Fall wert.

Ich kam also gegen Vormittag in Belgrad an. Am Flughafen Nikola Tesla. Generell heißt hier vieles Nikola Tesla, auch zum Beispiel das größte Kraftwerk des Landes. Von dort (Nein, nicht vom Kraftwekr, sondern vom Flughafen) wurde ich von meinem Ansprechpartner abgeholt zur Schule gebracht, wo ich gleich vorgestellt wurde. Ich bin danach in mein Hotel gegangen und konnte mich ein bisschen ausruhen. Für den Nachmittag hatte ich geplant, eine erste WG anzusehen. Die WG war nett, Samstag bin ich eingezogen. In Freiburg habe ich mehrere Monate lang Wohnungen übers Internet gesucht, die ich in Belgrad bewohnen könnte. Nie hat es geklappt, keiner wollte vermieten, ohne mich mal in der Wohnung gehabt zu haben. Und jetzt war ich keine 6 Stunden in Belgrad und hatte schon meine Wohnung. Ich glaube man kann sagen, dass das eine beispielhafte Erfahrung war. Viele Probleme, die aus der Ferne betrachtet bestehen, lassen sich hier sehr unkompliziert regeln. Das soll aber nicht bedeuten, dass es hier keine Bürokratie gäbe! In Sachen Bürokratie, vor allem in der Verwaltung, sind wir Deutschen und Serben uns relativ nahe. Bei der Visumsbeantragung würde ich das spätestens merken, habe ich jetzt mehrmals gehört.

In der ersten Woche war ich wenig in der Schule und konnte meistens ausschlafen, was sehr angenehm war. Im Hotel gab es Frühstück, ganz schön fettiges Rührei, dazu aber auch sehr leckere Blätterteigbrötchen mir weißem Käse drinnen. Generell ist Feta- artiger Käse hier sehr angesagt. Verständlicher Weise, denn er ist sehr lecker.

Auch wenn Deutschland hier allgegenwärtig ist (größter Wirtschaftspartner, Viele Busse des ÖPNV fahren für eine Tochter der DB, im Supermarkt werden lauter deutsche Produkte, teils sogar mit deutschsprachiger Verpackung, angeboten) laufen doch einige Dinge anders. Was mich wirklich überrascht hat, waren die „Tanten“ und der „Schulpolizist“. In jeder Belgrader Schule sitzt den ganzen Tag über ein normal bewaffneter (Schlagstock, Pfeffersprach, Handschellen, Pistole) Polizist. Er hat die Aufgabe, die Schule zu schützen, bei Prügeleien (wenn sie so richtig ausarten) einzugreifen und das Gebiet vor der Schule im Auge zu behalten. Vermutlich hat der Schulpolizist eine der langweiligsten Aufgaben an der Schule. Ich hab ihn jedenfalls noch nicht in Action gesehen.

Mehr zu tun haben die weniger bewaffneten Tanten. Das sind in der Regel ältere Frauen, die in roten Schürzen unterwegs sind. Sie kochen den Lehrern und Lehrerinnen (und Freiwilligen) Kaffee für die Pause, halten einem die Tür auf und kümmern sich um dies und das. Mindestens drei Tanten sind eigentlich immer im Foyer. Der monatliche Lohn dafür bewegt sich unter der Summe, die man in Deutschland als Kindergeld bekommt. Auch Lehrer und Lehrerinnen werden schlecht bezahlt. Sie bekommen einen Lohn, der in Deutschland noch weit unter die Grenze für geringfügige Beschäftigung oder das Existenzminimum fallen würde. Natürlich ist hier auch vieles viel günstiger (90 Minuten Fahrt im ÖPNV kostet 70ct, Döner ca. 1,40 €, wenn man nicht im Zentrum leben muss, kann man auch für um die 120 € warm eine okaye Wohnung finden.) Aber Lebensmittel im Supermarkt sind nicht bedeutend günstiger als in Deutschland. Gerade deutsche Produkte, die heimische Produkte häufig verdrängen, sind teilweise teurer als in Deutschland.

Neben Tanten und Polizisten verfügt die Schule aber auch über einen Schulpsychologen, ihm wird hier ein Stellenwert eingeräumt, von dem wir uns in Deutschland was abgucken könnten.

Der Unterricht läuft eigentlich ab wie bei uns. Das Verhältnis von Schülern und Lehrern ist vielleicht etwas lockerer, sie sprechen die Lehrkräfte mit Sie und dann dem Vornahmen an. Also nach dem Muster „Maria, können Sie mir bei der Aufgabe helfen?“ Im Unterricht wird viel Wert auf Interaktion gelegt. Die Schüler machen Gruppenarbeit oder Konversationsübungen, die meistens für Heiterkeit sorgen. Aus Platzgründen (die Schulen in Belgrad sind überfüllt) wird der Unterricht in zwei Schichten geleistet. Das bedeutet, die eine Hälfte der Schüler hat ihren Unterricht am Vormittag, die andere Hälfte am Nachmittag. Diese Gruppen wechseln aber jede Woche, das bedeutet dass man als Schüler immer eine Woche ausschlafen kann und dann eine Woche ab acht Unterricht hat. Ich finde das System eigentlich ganz nett, auch weil es dazu führt, dass ich häufig ausschlafen kann. Diese Woche musste ich nur einmal vor 12 in der Schule sein.

Gestern habe ich einen Vortrag über die Bundestagswahl und die deutschen Parteien gehalten. Danach haben wir abgestimmt. Das Ergebnis war jetzt nicht sonderlich repräsentativ (18 Stimmen, 17 gültig) und ich habe vielleicht ein bisschen zu sehr versucht, neutral zu sein, was auf Kosten der SPD ging… Wie auch immer, Merkel wurde klar abgewählt, das Geld für Rüstung und NATO, dass die CDU ausgeben will, kam nicht so gut an. Dafür haben die Grünen 41% geholt und haben vermutlich eine Koalition mit der SPD als Juniorpartner gestartet. Also weiterhin eine konservativ-sozialdemokratische Koalition.— hehehe…

Generell ist Politik aber ein Thema, was ich auf dem Blog und auch hier vor Ort für meine Verhältnisse eher aussparen werde. Es gibt viele Dinge, die uns verbinden, die jüngere Politik gehört eher nicht dazu. So sehen es zumindest viele Serben. Vor dem Parlament finden sich Bilder der „NATO-Kriegsverbrecher“ und wenn es um deutsche Politik geht, sagen manche nur: „wir wissen nur, dass wir Schröder nicht mögen“. In der Stadt finden sich auch noch Ruinen vom NATO-Bombardement, beispielsweise die Gebäude des ehm. Verteidigungsministeriums und des Staatsrundfunks. In der Politik und jüngeren Geschichte gibt es viele thematische Tretminen.

Ganz besonders klasse sind die Autos hier:

Vor allem den YUGO fahren hier viele, mir wurde gesagt: „Wer YUGO fahren kann, der kann alles fahren.“ Aber auch alte VW Käfer aus der Zeit, als man Autos noch nicht farbig lackieren konnte findet man im Stadtbild. Schwarze Geländewagen neueren Modells findet man auch, vor denen muss man sich in Acht nehmen. Sie fahren über Straßenbahnschienen und über rot, wenn sie Lust haben. Mit einem schwarzen SUV gehört einem hier die Straße. Einen Parkplatz findet man zwar schon mit einem Renault Clio schwer, aber man kann ja auch in zweiter Reihe parken.

YUGO everywhere

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Meine Schüler fragen mich natürlich jetzt erstmal aus, wenn ich mich vorstelle. Die erste Frage die kommt ist eigentlich immer „Wie findest du die serbischen Frauen“ und spätestens wenn ich dann Antworte „naja, das Aussehen einer Frau hat ja nichts mit ihrer Nationalität zu tun, es gibt überall hübsche und nicht so hübsche Frauen“, gucken mich 50 Augen an, als würde ich von einem anderen Stern kommen und hätte ihnen gerade erklärt, dass man auf meinem Stern Joguhrt mit der Gabel ist oder so. Dennoch komme ich super mit den Schülern klar, alle sprechen gutes Englisch und wenn wir mal auf deutsch nicht weiterkommen, switchen wir eben kurz die Sprache.

Belgrad ist wirklich lebenswert! Die Cafés sind gemütlich, gut gefüllt und überall anzutreffen. Der Kaffee ist immer gut und es gibt selbstverständlich ein großes Glas kaltes Leitungswasser mit Eiswürfeln dazu. Der Preis für einen Cappucino liegt eigentlich nie über 150 Dinar, was ca. 1,20€ entspricht. Servicequalität ist also um einiges höher als in den meisten deutschen Cafés, für einen Bruchteil des Preises. Das liegt am niedrigen Lohnniveau. Man macht hier eigentlich immer ein Schnäppchen (außer man geht zu McDonald’s, KFC oder so). Aber was für Ausländer, die ihren Lohn in Euro bekommen, sehr angenehm sein kann, hat selbstverständlich auch eine Schattenseite. Es gibt viel Armut, auch wenn sie einem in der Belgrader Innenstadt eher nicht begegnet. Hin und wieder sieht man Familien, die gemeinsam mit ihren Kindern von Mülltonne zu Mülltonne laufen und nach nützlichen oder vielleicht auch essbaren Dingen suchen.

So, das wars mit dem zweiten Blog, zum Abschluss üben wir noch ein bisschen Vokablen:

eins – jedan
null – nula
sieben – ßedam
Hallo – Zdravo
Guten Tag – Dober Dan
Guten Morgen – Dobre jutro
Gute Nacht – Dobro wetsche
Bitte – Molim
Auf Wiedersehen – Vidimo Se
Platz – Trg
Ja – Da
Nein – Ne
Stück (wichtig für den Kauf von Pizza, die nicht Family-size ist) – Parce
Schlüssel – Klutsch
Ziel – Zielje
Grobian – Grubian

Und, ganz wichtig:
Kein Problem – Nema Problema!

In diesem Sinne, Vidimo Se und bis bald!

Euer Anton

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