I am the one the one the one…

Hupsi. So schnell kann‘s gehen. Gestern musste ich noch die Schulbank drücken, mit dem fernen Ziel Abitur vor Augen. Und jetzt sitze ich plötzlich im Zug, der mich mit fast 300 km/h Richtung Freiburg bringt, wo ich noch zwei Tage sein werde, bevor es am 13. September dann auf nach Belgrad geht. Das Vorbereitungsseminar am Werbellinsee ist vorbei, der Freiwilligendienst im Ausland geht los. Und schon jetzt gibt es so viel zu erzählen, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ohje, wo soll das noch hinführen…

Ich erkläre am besten zuerst, was das mit dem Blog hier soll. Den schreibe ich in erster Linie für alle Freunde und Verwandte in Deutschland. Also für Euch. Ich dachte mir ihr würdet euch bestimmt darüber freuen, auf dem Laufenden gehalten zu werden, wenn wir uns jetzt schon ein Jahr lang nicht sehen.

Aber es gibt noch einen Grund dafür den Blog zu schreiben. Auf dem Vorbereitungsseminar wurde mir das klar. Ich hole dafür mal ein bisschen weiter aus und erzähle mal ein bisschen vom Vorbereitungsseminar. Los ging es am 1. September am schönen Werbellinsee. Falls ihr den Werbellinsee nicht kennt, der ist bei Joachimstal. Falls ihr Joachimstal nicht kennt, das ist bei Althüttendorf. Falls ihr Althüttendorf nicht kennt, das ist bei Eberswalde. Falls ihr Eberswalde nicht kennt, das liegt in der Schorfheide und die liegt bei Berlin. Man kann also sagen, wir waren in einer Metropole.

Die Kulturweit-Trinkflasche. Der beste Begleiter durch einen Kaffekonsum-orientierten Tag

Nach einem herzlichen Empfang vom kulturweit-Team (inklusive Trinkflasche als Geschenk) wurden uns unsere Coachs vorgestellt. Wir wurden dann nach Entsenderegionen in kleine Gruppen a circa 15 Freiwilligen eingeteilt. Diese Gruppen nannten sich „Homezones“. Wenn man ein Seminar mit 320 Menschen besucht, lernt man „Homezones“ zu schätzen. Wir Freiwilligen waren zwar ein aufgeschlossenes Grüppchen, aber wenn man bei Frühstück, Mittag- und Abendessen jedes mal mit anderen Leuten zusammensitzt, dann gehen die netten Gespräche und Person links ins Ohr rein und rechts wieder raus. Das ist natürlich irgendwie schade. In den „Homezones“ hat man also immer seine gleichen Homies und verliert so nicht den Wald vor lauter Bäumen aus dem Blick.

In den „Homezones“ haben wir uns auf den Freiwilligendienst vorbereitet. Dazu haben wir uns vor allem auch mit unserer Position in der Welt auseinandergesetzt. Was jetzt ganz harmlos klingt, war für viele echt hart. Denn in unserem Alltagsleben werden wir selten damit konfrontiert, wie groß die globale Ungerechtigkeit ist, und dass wir diejenigen sind, die von dieser Ungerechtigkeit profitieren und sie historisch auch mitverantworten. Ich will jetzt nicht den ganzen Inhalt des Vorbereitungsseminars hier wiederholen, aber mal ein paar Eckpunkte droppen, die mich betreffen:

-Ich bin nie rassistisch diskriminiert worden
-Ich bin nie sexistisch diskriminiert worden
-Ich bin nie aufgrund meiner Religion diskriminiert worden
-Ich bin in Genuss eines gut ausgestatteten Bildungssystems gekommen
-Ich bin nie aufgrund meiner politischen Ansichten diskriminiert worden
-Geldprobleme beziehen sich eher auf die Frage, ob noch ein Bier drin‘ ist, nicht ob es was zu essen geben kann

Im weltweiten Vergleich geht es mir also richtig super. Das ist ja an sich jetzt nichts schlimmes, aber ich glaube es war ein Ziel des Seminars, das Bewusstsein dafür herzustellen, bevor wir ausreisen. Wir sehen die Orte an die wir gehen alle durch eine ganz eigene Brille. Von der können wir uns zwar nicht komplett lösen, aber wenn wir uns ihr bewusst sind, können wir reflektieren, inwiefern sie unsere Sicht auf die Dinge beeinflusst. Und wenn wir das machen, und dann einen Blogpost verfassen, dann können wir einen Beitrag dazu leisten, dass „die Fremde“ oder „das Ausland“ authentisch dargestellt werden. Und das ist Grund zwei, weshalb ich einen Blog mache. Vorurteile und Halbwissen über andere Staaten, Regionen und Menschen stehen uns einfach im Weg. Ich hab mir fest vorgenommen, in diesem Blog nicht nur über „das Fremde“ und das „Andere“ zu berichten, sondern auch über das, was uns verbindet. Das, was in Serbien genau so gemacht wird wie bei uns. Das, was wir gar nicht wahrnehmen, wenn wir ins Ausland gehen, weil wir uns immer auf die Unterschiede fixieren. Mal sehen ob ich meinen Ansprüchen da gerecht werden kann.

Es gab übrigens auch noch extra Workshops, die nicht in der „Homezone“ stattfanden. Da waren praktische und interessante Dinge dabei. Von dem Umgang mit Fernbeziehungen, über die Diskriminierung von verschiedenen Gruppen auf der ganzen Welt, bis hin zur Wasserprivatisierung konnte man sich über diverse Themen kundig machen.

Es waren aber auch Workshops dabei, von denen ich nicht erwartet hätte, dass sie mich auf einem Vorbereitungsseminar erwarten. Hier meine Top 3:

– I got the Flow – Let‘s talk about menstruation (Nicht nur für Frauen*)
– Liebe, Sex und Grenzen
– (M)ein Jahr tote Hose?! – Ein Workshop über Sex(ualität) (Nur für Männer*)

Ich muss echt sagen, ich hab schon ein paar Gespräche geführt, in denen Leute einen Freiwilligendienst kritisch gesehen haben, aber die schärfsten Kritiker scheinen mir die Leute von kulturweit selbst zu sein.

Duell ums Kanzleramt Public Viewing

Trotz einer Menge Selbstkritik und klasse Programm war noch Platz für Spaß. Gemeinsam das Wahlduellchen zwischen Merkel und Schulz gucken hat echt Spaß gemacht (vor allem weil Martin Schulz das Duell nach dem Urteil der Freiwilligen klar gewonnen hat). Generell sind mir ne Menge Jusos aus der ganzen Republik über den Weg gelaufen. Gestern war dann die Abschlussparty, die auch ordentlich abging.

So, ihr habt es geschafft, Blogeintrag eins habt ihr gelesen. In Zukunft versuche ich mich etwas kürzer zu fassen, aber jetzt musste halt mal ein bisschen Fundament her. Wenn ich mich das nächste mal melde, hab ich hoffentlich endlich eine Wohnung in Belgrad und kann euch was über die Stadt erzählen. Jetzt steht aber erstmal das Wiedersehen und das Abschiednehmen an. Morgen Abend Abschiedsparty und dann heißt es Abflug.

Ao! Euer Anton

4 Gedanken zu „I am the one the one the one…

  1. Hey, total interessant geschrieben! Weiter so.. also hab Jetzt erst deinen ersten Blog gelesen….und…. ich liebe die „kulturweit “ Flasche…mein täglicher Wegbegleiter. Viel Spaß und Neues weiterhin! Lieben Gruß

  2. Starke Worte! Da bist Du aber echt auf einem guten Weg. Wünsche Dir ordentlich Input und viele Begegnungen.

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