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Abreise

Olá amigos e amigas!

Hallo Freundinnen und Freunde!

Hier erzähle ich euch etwas über meine Abreise, von Berlin über Frankfurt nach São Paulo. Viel Spaß beim Schmökern!

Nach einem überwältigenden Vorbereitungsseminar am schönen Werbellinsee bei Berlin verbrachte ich erstmal eine Nacht bei meinen Großeltern. Am Tag vor Abflug kann ich gar nicht richtig einschlafen. Ich blickte durch das Dachfenster in den Sternenhimmel. Es war der gleiche Himmel, unter dem ich auch in Belém sein würde.

Am nächsten Tag nehme ich Abschied von meinen Großeltern und drücke sie ganz fest an mich. Danach geht es für mich zum Flughafen Tegel, von wo aus ich nach Frankfurt fliege. Irgendwie ist es befremdlich, so viele Menschen mit teils sehr teuren Atemschutzmasken zu sehen. Reisen in Zeiten von Corona… Ich habe jedoch auch etwas Zeit, um mein neues Reisetagebuch für mein neues Leben zu beginnen – ein super Geschenk von einer Freundin 🙂

  

 

Aufgeregt auf das Abenteuer verabschiede ich mich von Berlin und es geht weiter nach Frankfurt. Zu meiner großen Überraschung ist der ganze Flughafen leer (Bild 1) und es gibt eine überschaubare Anzahl an Flügen (Bild 2).

„English?“ – Ich schaue verdutzt. „Ach, der spricht bestimmt Italienisch“, sagt eine Flughafenmitarbeiterin. „Deutsch geht auch“, zwinkere ich zurück.

Bei genauerer Nachfrage nach der geringen Zahl an Flügen heißt von der Sicherheitsbeamtin: „It’s Corona time“. Ich muss schmunzeln. Auch, als der sichtlich unterforderte Flughafenmitarbeiter meine Ledertasche aus dem Gepäckverkehr zieht und mich auf die hohe Anzahl an FlipFlops hinweist. Zudem geht eine dicke rote Kerze, die mir unsere Gruppentrainer vom Vorbereitungsseminar mitgegeben hat und die eine besondere Bedeutung für unsere Gruppe besitzt, als alkoholisches Getränk durch. Wir plaudern ein bisschen. Ich erzähle ihm von meinem FSJ, von meinem Abenteuer Brasilien. Er ist sichtlich begeistert und sagt mir, dass er noch nie außerhalb von Europa war. „Spannende Bücher haben Sie da mit, ich packe mir auch immer viele für lange Reise ein“, sagt mir seine Kollegin. Sie wünschen mir eine gute Reise. Lachend verlasse ich die Sicherheitskontrolle und gehe in Richtung Gate.

 

Schnell fiel ich in einen schönen Economy-Schlaf, ehe ich über den Wolken von São Paulo aufwachte … Ich betrachtete die Stadt im Morgengrauen. Hell erleuchtete kleine Häuschen, wahrscheinlich die Peripherie

Bemvindo em São Paulo!

Ich gebe der Sicherheitsbeamtin meinen Pass. Sie blickt mich an, schaut dann wieder auf meinen Pass, dann auf ihren Computer, anschließend auf eine kleine Tafel neben mir. „Hoffentlich lassen sie mich wegen Corona ins Land“, denke ich mir. Sie tippt emsig auf der Tastatur herum, schaut mich wiederum an, dann auf meinen Pass. Ein dicker Stempel wird hineingedrückt. „1 ano“, ein Jahr, schreibt sie mit einem schwarzen Plastikkugelschreiber in ein freies Feld auf den Stempel. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Für diesen kleinen Moment, für diesen Klick des Kugelschreiber, für diesen Stempel, habe ich drei Monate, eine Menge Schweiß, Tränen, Fahrten nach München, sehr viel Geld, Telefonate nach Brasilien und nach Berlin investiert. Verrückte Welt. Ich möchte soziale Arbeit in einem Land machen und durch einen endlosen Gang an Bürokratie.

„Habe ich nun hinter mir“, denke ich mir und lächle.

Ich laufe ein paar Schritte zum Gepäckband, als mir der Gedanke kommt, mich ins kostenlose Flughafen W-Lan einzuloggen und meine Nachrichten zu checken. Ich sehe viele Nachrichten in unserer Homezone-Gruppe, unserer Bezugsgruppe im Seminar mit allen Freiwilligen aus Brasilien, Uruguay und Paraguay. Erwartungsvoll öffne ich die Nachrichten der Whatsapp-Gruppe.

Mir fällt fast die Kinnlade herunter. Ich schlucke, lese die Nachricht noch einmal. Meine Atmung wird schwer und der Schweiß bricht aus meinen Drüsen.

„Wir haben ein Problem“, lese ich. Dann ein Bild, eine abfotografierte E-Mail meines FSJ-Trägers, der aufgrund der Corona-Situation alle Freiwilligendienste sofort abgesagt hat. „Wenn Sie bereits unterwegs sind, kehren Sie um.“, steht dort unmissverständlich schwarz auf weiß.

Meine Gedanken verheddern sich, ich fürchte, dass mein Kopf gleich explodiert.

Ich schlucke, bekreuzige mich, spreche ein kurzes Gebet. Dann fährt mein Finger auf das Icon meines E-Mail-Programms. Ich öffne es und aktualisiere den Posteingang. Keine E-Mail von kulturweit. Ich lade es erneut. Keine E-Mail von kulturweit.

Wieso habe ich keine Mail bekommen? Ich bin doch auch betroffen. Ich laufe ein paar Schritte, sehe meinen Koffer und ziehe ihn an mich. Ich öffne mein Handyprogramm und aktualisiere meine Mails noch einmal. Immer noch nicht. Haben Sie mich vergessen? Weil ich schon so früh ausgereist war? Darf ich vielleicht doch bleiben?

Der Gedanke, dass es wahrscheinlich ist, dass gerade ein Jahr meines Lebens abgesagt worden ist, auf das ich mich so inbrünstig und wie ein kleines Kind gefreut habe, macht mich sehr unruhig. Da hilft mir auch der andere Gedanke nichts, dass ich jetzt in Brasilien, meinem Traumland bin. Ich laufe zielstrebig Richtung Ausgang. Jetzt doch sofort zum Lufthansa-Schalter und den nächsten Flug zurück buchen? Ich atme tief ein und aus.

Von meinen Mitfreiwilligen lese ich, dass Sie gerade in den Flieger steigen. „Ich habe noch keine Mail bekommen, also bin ich jetzt erstmal hier“, denke ich und rufe mir ein Uber.

Ich blicke in den Rückspiegel. Ich hatte mir meine Ankunft in meinem Traumland etwas aufregender vorgestellt …

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