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Weihnachten

Der bunten Kette schwaches Licht hält meinen Blick gefangen. Sonst ist es draußen dunkel.
Ein letztes Mal atme ich die kühle Nachtluft. Ich fühle, wie sie durch meine Nase strömt, suche nach dem letzten bisschen Duft des Meeres, das zwar seit heute morgen verschwunden ist, doch der Ostwind trägt weiterhin sein salziges Parfum.
Ich gehe nach drinnen und setze mich. Mein Spiegelbild stört den Schein der Lichterkette. Empört rücke ich meine rote Zipfelmütze zurecht, die geschickt meine ungewaschenen Haare kaschiert. Ein bengalisches Liebeslied verlangt nach Aufmerksamkeit und bekommt diese auch. Die Mütze ist zu klein, Zurechtrücken zwecklos. Obwohl der Sänger voller Inbrunst beteuert, er sei unsterblich verliebt und wolle sie unbedingt auf seinem Kuhwagen zur Hochzeit fahren, nehme ich den Anruf an.
„Hallo? Ja das ist ja eine schöne Überraschung!“
Meine Eltern wollen mal wieder beruhigt und auf dem Laufenden gehalten werden, doch ich drehe den Spieß um und verbreite Weihnachtsstimmung: „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum / Wie grün sind deine Blätter?“
Die indische Oma neben mir schmunzelt, meine Schwester am Telefon lacht und irgendwo fängt ein Kind an zu schreien. Zufrieden garniere ich den eben servierten Curd-Reis mit etwas Salz und beobachte wieder die Lichter.
Es ist 23:19 IST an diesem 24.12. In drei Stunden muss ich umsteigen.

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 19

22.12.2009 – Chennai

Infosys war .. wow! Die größte Firmenuniversität Indiens brachte mich mit Gewalt, einem riesigen „HighCourt“-Unigebäude, einem Glaskugel-Multiplexkino, allen Sportmöglichkeiten der Welt, riesen Zimmern, Sauberkeit und einem „schwimmenden“ Restaurant in eine indisch-perfektionistische Vision eines Mitteleuropas/-amerikas. So ging der eigentliche Grund meiner Reise auch schnell vorbei. Es war total spannend zu hören was „weltwärts“-Freiwillige so machen, was für eine ganz andere Qualität ihre Probleme haben, womit sie sich die Zeit vertreiben und was sie in ihrem Urlaub so vorhaben.
Der Tag gestern/heute im „Dschungelcamp“ war im Vergleich zum Infosys-Campus schon mehr ein Schritt Richtung Realität.
Anyway, ich hatte – auch dank Weihnachtsfeier mit Bier und Kuchen – viel Spaß und richtig Urlaub während meiner Fahrt!

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 15

18.12.2009 – Mysore, Indien

Mal ganz aus der Reihe: ein aktueller Eintrag, genau jetzt geschrieben hier in Mysore. Und zwar einfach so. Ich sass jetzt zwei Tage im Zug, mit kurzer Unterbrechung in Hyderabad, und bin eigentlich ziemlich fertig. Aber nur eigentlich, bei so schoen strahlendem Sonnenschein kann man gar nicht muede sein 😉
Vorausdenkend, wie ich bin, habe ich natuerlich vergessen unseren Treffpunkt aufzuschreiben und das ist der wahre Grund, warum ich hier im Internetcafe sitze und Zeit verplempere. Den Internetzugang gab es naemlich zufaellig auch nicht nur einfach so, sondern nur fuer gleich sechs Stunden auf einmal und meine naechste Moeglichkeit ist erst wieder in Kolkata.

Stay tuned, bis dann.

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 11

14.12.2009 – Delhi, Indien

Ich habe es! Ein frisch gestempeltes Visum für Bangladesh ist in meinem Pass, dessen Einband, dank zahlreicher fehlgeschlagener Versuche die Quittung daran zu tackern, aussieht wie ein Schweizer Käse. Und von wegen alles Käse stand ich zwar in der Schlange zum Abholen des Passes ganz hinten, wurde dann jedoch mit der Begründung „diplomats first“ ganz nach vorne geholt. (Da bekommt das „Botschafter im Kleinen für Deutschland“ doch eine ganz andere Bedeutung)

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 10

13.12.2009 – Delhi, Indien

Wenn ich mich nicht schon laenger fuer die langweiligen ‚Tagebuch‘-Betitelungen entschieden haette, hiesse dieser Eintrag wohl „High Delhi“.
Alles begann ganz harmlos. Nach dem Aufstehen und einem gemuetlichen Fruehstueck in der „Appetite German Bakery“ (an der wohl auch nur der Name German ist) machte ich mich auf den Weg zur aeltesten Moschee Indiens mit einem 72m hohen Minar. Geflissentlich ueberhoerte ich die immer interessanter werdenden Maschen der Haendler und Reiseveranstalter und stieg in einen Bus. Eigentlich tun sie mir schon ein bisschen leid diese jungen Maenner, die diesen Job machen muessen und ich ersuche trotz allem immer halbwegs nett zu sein.
Am Qutb Minar angekommen, erklaerte ich erstmal einem Briten, der von deinem nur Hindi sprechenden Taxifahrer ahnungslos dort abgesetzt worden war, was das hier eigentlich sein soll, um dann unauffaellig einer deutschen Reisegruppe zu folgen. Getarnt als Nicht-Deutsch-Sprecher kam ich so in den Genuss einer kostenlosen Fuehrung. Schliesslich fuhr ich zum Lotus-Tempel, der aber leider seit neustem und nur diesen Monat Sonntags geschlossen hat (danke Lonely Planet =) ) Hungrig – es war bereits nach drei – lief ich umher, wie magisch von einem seltsamen Tempel auf einem Huegel angezogen. Ein Schild am Eingang versprach: innen: Restaurant. All you can eat! Ein Blick in meinen hochgeschaetzten Reisefuehrer verriet: ‚This restaurant promises transcendental dining experience‘. Frohen Mutes schritt ich zum Eingang. „Hare Krishna!“, begruesste mich ein Sicherheitswaechter und durchsuchte nicht nur meine Taschi sondern auch die Bilder auf meiner Digitalkamera. Ein freundliches Schild hiess mich im „International Center for Krishna Consciousness“ willkommen und nach einigen Metern versuchte auch schon ein gut gelaunter Herr „Sunny“ mir dabei zu Helfen, meinen inneren Frieden und ergo Erleuchtung zu finden. Leider war mein Beduerfniss nach Essen groesser als das nach Erleuchtung und so lehte ich sowohl eine lebenslange Mitgliedschaft, als auch ein Buch ueber Lord Krishna ab (obwohl ich dieses gerne zwei meiner ehemaligen Klassenkameraden als Dank fuer ihr ueberaus erhellendes Buch gegeben haette). Die umstehenden versuchten mich durch lautes Rufen von Sunnys Worten zu ueberzeugen. „This book will bring peace!“
Am anderen Ende des Tempels, fand sich schliesslich das Restaurant. Inmitten von sudamerikanischen Touristen und einer halb kahlgeschorenen europaeischen Familie, stopfte ich mih mit Leckereien voll. Reis, Nudeln mit verschiedenen Sossen, Brot, Joghurt, Jalebis, Wasser, salzigen Gemuesedrink und Milchshakes. Letzterer schmeckte besonders gut, trotzdem trank ich davon gluecklicherweise nur einen. Naechster Punkt auf der Tagesordnung: ich brauche zwei T-Shirts. Vor dem Zentrum versuchte ich mich erst noch per Karte zu orientieren, liess das dann aber ganz schnell wieder bleiben. Wozu auch? Stehen doch viele Leute gerum , die man nach dem Weg fragen kann. Man ist das lustig mit denen zu reden, ist doch egal wenn die naechste Abzweigung erst in 200m kommt, Nachfragen ist doch was Schoenes. Laechelnd hangelte ich mich so von Passant zu Passant bis ich schliesslich dem Rat folgte, mir besser eine Riksha zu nehmen. Der Markt war ja aber auch noch einen ganzen Kilometer entfernt! Ich kaufte mir noch eine Flasche Wasser, horchte, ob der Verschluss auch in Ordnung war und erlangte beim Besuch eines Kleidergeschaefts nicht nur in Besitz der gewuenschten zwei T-Shirts, sondern durch Blick in den Spiegel auch Gewissheit ueber meinen Zustand.
Ich erholte mich im Stadtzentrum in einem Buechergeschaeft, wurde auf dem Heimweg von 15 Leuten gefragt, ob ich nicht gutes Highland Dope kaufen wolle und bin jetzt

    mit

all meinen Sachen im Hotel.

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 9

12.12.2009 – Delhi, Indien

Hier liege ich jetzt also, auf der Wiese neben dem Platz, an dem Mahatma Gandhi bestattet wurde und esse fettig-klebrige Jalebis. Hinter mir habe ich ein paar im wahrsten Sinne des Wortes bewegte Tage. Nachdem ich mich am 8.12. fast schon in Tibet waehnte und fast ein Kilo Tee gekauft habe, war ich am 9. morgens um halb fuenf auf dem Berg um noch einen nebligen Sonnenaufgang ueber dem Himalaya anzuschauen, sass danach erst den halben TYag im Jeep nach Siliguri und dann den REst des Tages im Zug. Das Ganze war relativ unspektakulaer. Mit an die 6 Stunden Verspaetung, und deshalb mitten in der Nacht, kam ich in Delhi an. Meine Mitreisenden waren da schon interessanter: zwei Maeuse und ein Mann, der offensichtlich seinen Masseur/Diener dabeihatte, der ihn staendig massierte und Tee und Essen auf Fingerzeig brachte. Gestern habe ich noch im wohl schicksten Gebaeude, dass ich bisher in bengalischem Staatsbesitz gesehen habe, ein Bisum beantragt. Die Visabeamten waren zwar erst anscheinend etwas irritiert ueber meinen Antrag, dann aber kompetent und effizient, sodass ich nach zwei Stunden schon fertig war.

Die Taxi-und Rikshafahrer gehen mir hier ziemlich auf die Nerven und laufen bzw fahren einem manchmal minutenlang hinterger um einen doch davon zu ueberzeugen, dass das Museum, zu dem man gerade laeuft, entweder ganz weit weg, geschlossen oder gleich ganz abgebrannt ist.
Die Schulklasse, die sich hier bisher um mich geschart hat, ist jetzt auch endlich mal weg. Schade fuer sie, dass ich nicht auf Englisch schreibe… Weil mir jetzt gerade die Tinte ausgeht, schreibe ich jetzt erstmal nur noch wirklich weltbewegende Dinge auf… Ob dazu wohl gehoert mit wem ich mich wann, wo unterhalte, was ich esse und anziehe?

Delhi ist ansonsten groesstenteils ne ganz normale Stadt in der man einfach ganz normal Leben koennte.. glaube ich.

Tagebuch eines Indienreisenden Tag 4

07.12.2009 – Darjeeling, Indien

Mein Zimmer hat eine Heizung, dicke Decken und einen Warmwasserbereiter, ja ich bin wieder zu Hause, im Himalaya, in Darjeeling.
Um Punkt 9:28Uhr stand ich in Siliguri (119m ue.n.N.) am Bahnhof, der Zug kam aber erst eine Stunde spaeter – und das sollte nicht der letzte sein. Der mittlere der drei Waggons war meiner und 15 der 16 Plaetze schon mit laermenden Indern besetzt (bzw laermend waren nur eine Handvoll Mitzwanziger). Die nun folgende 6:30 stuendige Fahrt kroch der Zug langsam den Berg hinaus, mitten durch Doerfer, an Schluchten vorbei mit atemberaubendem Blick nah unten. Die Landschaft veraenderte sich nach und nach. Zum tropischen Gruen gesellten sich bald bunte Blumen in allen Farben des Regenbogens, dunkler Nadelwald trat anstatt den wild wachsenden, lichtdurchfluteten Flachlandlaubwald. Erst nur als AHnung doch mit jedem Meter spuerbarer, wehte frische, kuehle Bergluft durchs Fenster. Die lauten Inder hoerten langsam auf jeden Stein am Wegesrand zu fotografieren, jedem Hund einen Keks zuzuwerfen und ueber jedes „asiatisch“ aussehende Kind zu lachen und zogen sich stattdessen Schritt fuer Schritt um. Einen Pullover, eine Jacke, einen Schal, eine Muetze, noch einen Schal ueber den Kopf, Handschuhe, bis alle schliesslich aussahen, als wollten sie nicht auf 2096m sondern gleich auf dem drittgroessten Berg der Welt, den Kanchenzonga, fahren. Als kaelteunempfindlicher Deutscher, holte ich einfach irgendwann meine Jacke aus dem Koffer und zog mit jedem von meinen Mitreisenden angezogenen Kleidungsstueck den REisverschluss ein bisschen hoeher. Darjeeling war schon fast dunkel, als ich dort ankam und bis ich mein Hotel gefunden hatte war es zappenduster.
Bin schon gespannt wie die Stadt (?) bei Tag aussieht…

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 3/2

06.12.2009 – Siliguri, Indien

Der Bus kam schliesslich doch noch. Um die angekuendigten, nachdem urspruenglich Mitternacht ausgemacht worden war, 2:30, nach sieben Anrufen, mit nur zwei unbedeutenden Fehlern: 2:30 indischer Zeit (also 4 Uhr BDST) und es war kein Shah Ali Bus, sondern stattdessen eine Klapperkiste von besorgniserregendem Aeusserem. Nach dreimaligem Nachfragen stellte sich aber heraus, dass der „Lalmoni“-Bus als Ersatz fuer meinen kaputten Shah-Ali Bus fuhr. Also verabschieden von den mittlerweile lieb gewonnenen Rikhshafahrern und Teeverkaeufern und rein in den Bus auf meinen reservierten Platz. Am Fenster. Auf welcher Droge war ich nochmal, als ich mich fuer einen Fensterplatz entschieden habe? Der schoener-Ausblick-aus-„Super-Deluxe-Luxury“-Bus Droge? Tja, ohne Luxusbus, macht das ganze jedenfalls keinen Spass mehr, denn die Fenster und Waende waren undicht – es zog.
Die ganze Nacht – bzw das was nach 4 Uhr noch von ihr uebrig geblieben war – wurde es kaelter und kaelter bis in Lalmonirhat um zehn nach sieben endlich viele Leute ausstiegen und ich einen Gangplatz ergattern konnte. Viel waermer war das auch nicht und so schlug ich in Burimari angekommen auch alle gut gemeinten Warnungen von A und dem Lonely Planet in den Wind, auf keinen Fall Essen anzunehmen, und nahm dankbar den vom Steward wohl aus Mitleid mit dem bibbernden Etwas angebotenen heissen Tee an.
Kurz darauf fiel ich in Ohnmacht und bin erst gerade wieder im Strassengraben nur mit Fueller und Buch noch in der Hand, nackt bis auf die Unterhose wieder aufgewacht – NOT, das ist natuerlich Unsinn, mir geht es blendend. Ganz der Sohn meiner Mutter, bildete ich mir aber die naechste Stunde, die wir in der Bangladesch-Ausreise-Schlange warteten ein, jeden Moment doch noch umzukippen und auch die freundlichen Bhutanesen seien in ein grosses Komplot verwickelt mit dem Ziel, mich auszurauben – sehr lohnenswertes Unterfangen bei einem 2/3 vollen Koffer mit Kleidern und 3000 Takas im Geldbeutel. Kurz darauf lenkte mich die indische Buerokratie aber ab, die mich von Stroh- zu Strohhuette schickte, da niemand was mit meinem Pass geschweigedenn Visum anfangen konnte. Nachdem ich sicher zum zehnten Mal erklaert hatte, dass ich GERMAN und nicht DUTCH bin, obwohl DEUTSCH als Nationalitaet in meinem Pass steht – ja ein E und ein S machen sehr wohl einen Unterschied! – und dass mein verirrtes aegyptisches Visum doch eigentlich voellig irrelevant sei, hatte ich die noetigen zwei Stempel endlich in meinem Pass und war in Indien.
Uhr zurueckgestellt hat der Grenzuebertritt nur eine Stunde gedauert – juhuu…
Ich verwandelte den kuemmerlichen Rest meines bengalischen Geldes in indisches und da natuerlich mal wieder kein Bus aufzutreiben war (danke Lonely Planet & vereinigte zu unnuetzen Zeiten fahrende Busunternehmen) fand sich ein Taxifahrer, der bereit war, mich fuer 300 Rupien die 95km nach Siliguri zu fahren. Nach der Tee-Hypochondriegeschichte kam mir das schon sehr spanisch vor, aber das war erst der Anfang:
Er bot auch noch an, dass ich mir das Taxi mit anderen teile um noch mehr Geld zu sparen. Leider fand sich niemand und so liefen wir zum Haus des Taxifahrers, wo zwei Autos standen und mein Koffer sofort in den Kofferaum geladen wurde. Kurz darauf fuhren wir los und was sich fuer mich anfuehlte, als fuehre der Fahrer zum ersten Mal in seinem Leben, beurteilte dieser als: „Auto geht nicht“, stieg aus, nahm meinen Koffer aus dem Kofferraum und brachte ihn in ein drittes Auto, das hinter einer Strassenbiegung stand. Dies sah ich natuerlich nicht, fuer mich wirkte das ganze eher wie: Fahrer rennt mit meinem Koffer davon!
Da die Tuer abgeschlossen war, krabbelte ich nach vorne und ueber den Fahrersitz nach draussen und rannte dem Fahrer wild rufend hinterher. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, sass ich jetzt vorne im Taxi, mehr oder weniger entspannt bis wir einen jungen Mann mit einer Glasflasche Betaubungsmittel und einem Taschentuch vom Strassenrand aufgabelten, der sich direkt hinter mich setzte.
Ich sass wie auf gluehenden Kohlen, kramte einen Kugelschreiber aus meiner Tasche um ihn im Notfall als Waffe zu benutzen. Wie erleichtert war ich, als der Mann wieder ausstieg, wie der Zufall es wollte an einer Tankstelle wo gleich drei Leute das Taxi auftankten und ein Muskelmann mit Goldkettchen mich fragte, ob ich alleine reise und ob ich ein auslaendisches Handy dabeihaette. Als das Tanken dann auch schon nach ca. 60 Sekunden vorbei war, brannte irgendwo in den unendlichen Weiten meines Kopfes eine Sicherung durch. Direkt nach der Tankstelle hiess ich den Fahrer wieder anhalten und sah nach, ob mein Koffer noch da lag, wo er hingehoerte. Er war immer noch abgeschlossen und verstaut. Ich sagte dem Fahrer, wir fuehren nun doch alleine, bekam fast einen Anfall, als er die Hauptstrasse entgegen der Ausschilderung verliess („Nur eine Abkuerzung“) und war unendlich froh, endlich hier im Hotel anzukommen.
Habe mit einem amerikansischen Paar aus Kansas City geredet, das hier eine Woche lang ein „Marriage-Seminar“ an einer Mission gibt, lecker gegessen und schaue jetzt Takeshis-Castle auf Hindi. Soviel Dekadenz muss jetzt einfach sein. Gute Nacht, ich gehe jetzt heiss duschen!

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 3/1

06.12.2009 – Bogra, Bangladesh

Es ist zwei Uhr in der frueh. Ich sitze hinter einem der vier Teestaende am Rande des „Sieben Koepfe“ Kreisverkehrs in Bogura. Shah Ali Paribahan (meine Buslinie) laesst noch auf sich warten und so harre ich inmitten dick eingepackter Nachtschwaermer der Dinge, die da kommen – darunter hoffentlich auch mein Bus. Der Geruch von frischem Tee kitzelt meine noch von Dhakas Smog verstaubte Nase, doch ich wiederstehe, ebenso den „frisch gekochten Eiern!“, die am Teestand links von mir angepriesen werden. Ein Fahrrad faellt um. Der Besitzer rennt herbei und stellt es wieder auf. Rechts von mir ertoent Musik, ein bengalisches Back-Street-Boys Cover. Ein Hund steht interessiert am Strassenrand und beobachtet das bunte Treiben, Rikhshas parken, ein Bus nach dem anderen braust durch die Stadt, ein neugieriger Bengale nach dem anderen unterbricht einen trotz 18C warm angezogenen, von Moskitos umschwirrten Beobachter. „Your country?“
Ich schreibe eine Zeile oder zwei, halte inne, zoegere. Ich ueberlege. Wer beobachtet hier eigentlich wen? Hundert Augenpaare ohne Ziel? Ein Muedes, Gruenes blickt nach Sueden: eine hell erleuchtete Bank. Nach vorne: fachmaennisch wird Tee gekocht, eine Dose geoeffnet, mit Schwung ein Glas gereinigt, nach oben.
Ich verstehe nicht, schlage das Buch zu.

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 2

05.12.2009 – Bogra, Bangladesh

Ich bin in Bogra. Nachdem ich gestern den ganzen Tag von A (jemand, der mich zufaellig in der Stadt aufgegabelt hat) durch die Stadt (und zu sich nach Hause!!) gefuehrt wurde, leide ich heute wohl unter postexpatria blabla Stoerungen (Heimweh?). Aeussert sich bei mir erst jetzt… So bin ich heute zwar nach Paharpur gefahren, konnte es aber gar nicht richtig geniessen, weil mir ein bisschen schwindelig war und ich daraufhin – ganz verdorben von Panikhexe Mama – vor lauter Angst nun irgendeine der zahlreichen gefaehrlichen Krankheiten (gibts laut einhelliger Aussage der Einheimischen aber nicht zu dieser Jahreszeit) zu haben, wieder so schnell wie moeglich zurueck nach Bogra wollte, wo es anscheinend wenigstens basismedizinische Versorgung gibt. Fuer ein bisschen beeindruckt von der groessten buddhistischen Klosterruine suedlich des Himalayas werden hats aber definitiv gereicht. Die Fahr dorthin war auch schon ein Abenteuer fuer sich, zwei Stunden mit einem lokalen Bus nach Joypurhat – wo der vom Lonely Planet versprochene „regelmaessige“ Bus nach Paharpur erst in zwei Stunden kommen sollte und ich daraufhin mit einer Batterieriksha zur Ruine fuhr. Auf dem Weg dorthin wurden wir zweimal von irgendwelchen seltsamen Demonstranten aufgehalten, die mir einen bengalischen Flyer in die Hand drueckten und irgendwie eigentlich nur Geld von mir wollten – haben sie nicht bekommen, weil die Antwort auf meine Frage „Warum wollt ihr Geld?“ (Auf Bangla und Englisch) einfach nur ein herzzerreissend gespieltes „Pleeeeeeeeez!“ war. Hoffentlich tat ich den Armen nicht unrecht, werde den Flyer bei Gelegenheit mal uebersetzen lassen.
Abends noch ein paar Telefonate und dann frueh ins Bett.

 
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