Veröffentlichungen

Ye Dooriyan…

Zum Abschluss mal noch ein Stilbruch. Ein echtes Verbrechen an meinem Gastland. Ein Blogtitel in Hindi. Gäbe es nicht so viele schöne bengalische Wörter? Sie sollen folgen.
Diese Entfernungen.
Eigentlich ein Lied über eine Fernbeziehung.

Aber ich glaube, auch ich führe ab morgen .. eigentlich schon ab heute, eine Fernbeziehung. Crazy-Dhaka, was mache ich nur ohne dich? Hätte ich je gedacht, dass ich schon nach einem verlängerten Wochenende in einer 4Mio Stadt zurückkomme und mich so freue? Freue über die vielen Menschen, die vielen Häuser, die vielen Rikshas, die Staus, die Snackstände alle paar Meter, den Müll, den Duft, den unbändigen Optimismus, die Freude, den Prunk, das ewige Verhandeln um Centbeträge. (Du Schwager [auf Bangla eine ziemlich schlimme Beleidigung] was fällt dir ein für diese Strecke 12 cent zu verlangen? Schon seit 5 Jahren zahle ich für diese Strecke 10 cent und auch wenn du 10min im Stau standest heißt das noch lange nicht dass du Unnützer [noch schlimmere Beleidigung] mir 2 cent mehr abknöpfen kannst!!)

Ich weiß, unsere Beziehung war nicht immer leicht. Aber das lag nicht nur an mir! Diese sinnlosen Diskussionen auf deinen Straßen, die mit „Tell me something positive about Hitler“ anfangen und wo der Gegenüber eigentlich gar nicht versteht was man ihm da gerade zu erklären versucht! Selbst Schuld Dhaka, wenn ich in 9 Stunden ins Flugzeug steige. Wozu brauche ich Kleidergeschäfte und Marktstände und Händler, die man nach einem ROTEN T-Shirt fragt, aber dann nur ein rotes und 254 grüne, blaue, lilablassblaukarierte und sogar durchsichtige gezeigt bekommt? Was kümmert mich da, dass die nur 50 Taka kosten? Und eins musst du dir wirklich mal sagen lassen, Dhaka, Bangladesh: Nein, Selbstbleichungscrème macht einen nicht schöner. Und ja, es ist in der Tat rassistisch, wenn in der Werbung dunkelhäutige Frauen und Männer weder beliebt oder erfolgreich sind, nach Selbstbleichung mit hier beliebiges Markenprodukt eines europäischen oder amerikanischen Konzerns einfügen aber auf einmal DIE Superhelden schlechthin mimen. Außerdem kann man in Deutschland Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Ja, da staunst du, was? Und da gibt es ganz viele Schöne Dinge.. Müsli, Brot, Spätzle, Weckle, Schokolade, Straßenbahnen…

Aber reicht das wirklich? Wo kriege ich denn dann nur den schrecklich süßen Schwarztee an der Straßenecke? Weißt du, dass ich fast geheult hätte, als ich heute aus dem Visabüro mit meiner Ausreisegenehmigung kam, gerade die Sonne über dem Betongebäude unterging und ein Bus an der Bushaltestelle, an der ich stand anhielt – einfach so, ohne dass ich schreien, schimpfen, ihm hinterherrennen oder ihn mit irgendwas bewerfen musste? Vielleicht war ja wirklich was im Tee, außer Milch Zucker, Wasser und Teeextrakt…
Was mache ich mit den ganzen tollen Panjabis, in denen man sich so groß und wichtig fühlt? Einfach weiterhin freitags tragen? Wer fährt mich zum Supermarkt, wenn nicht an jeder Straßenecke eine Riksha steht? Wer gibt mir den ultimativen Zuckerschock, wenn nicht bengalische Süßigkeiten – den Namen verdienen deutsche Leichter-Hauch-von-hm-welcher-Geschmack-ah-glaube-soll-sal-nein-doch-äh-vielleicht-süß-igkeiten eigentlich gar nicht? Wo sind die Muezzins, die mich an den Sonnenuntergang erinnern?
Ja, vielleicht bin ich wirklich selbstsüchtig – Deutschland nimmt mich einfach nicht so wichtig wie du, Dhaka.

Du arbeitest Tag und Nacht, hochkonzentriert, mit einem Lächeln auf den Lippen.

Ich verfalle in Klischees.

Eigentlich hasse ich Fernbeziehungen. Ich glaube, auch aus dieser wird nichts. Wer weiß. Bin jedenfalls mal gespannt auf Deutschland…

Es bleiben die guten und schlechten Erinnerungen; in diesem Land, in dem es jedem eine Freude ist, Gäste gerne und herzlich aufzunehmen, in dem jeder hilft, jeder sich kümmert, war es mir eine Ehre, Gast sein zu dürfen. Ich hoffe, ich habe mich anständig verhalten und vielleicht konnte ich ein kleines Bisschen auch zurückgeben. Ich habe viel gelernt, viel über Deutschland erzählt, viele Schulen besucht, Kinder motiviert, Bücher nicht mehr wiedergefunden, Fotos gemacht, Umweltprojekte geplant – und mein Bangla ist eigentlich noch viel zu schlecht 😉

Vielleicht folgt diesem emotionalen Rückblick auch noch mal ein etwas sachlicher, in dem ich was erzähle, was der fleißige Leser dieses Blogs nicht sowieso schon wusste. Danke fürs Lesen!

আমার সোনার বাংলা, আমি তোমায় ভালবাসি
চিরদিন তোমার আকাশ, তোমার বাতাস
আমার প্রাণে বাজায় বাঁশি
ওমা ফাগুনে তোর আমের বোলের ঘ্রাণে পাগল করে
মরি হায় হায় রে
ওমা অঘ্রাণে তোর ভরা ক্ষেতে কি দেখেছি,
আমি কি দেখেছি মধুর হাসি
মা তোর মুখের বাণী আমার কানে লাগে সুধার মত
মরি হায় হায় রে
মা তোর বদন খানি মলিন হলে
আমি নয়ন জলে ভাসি

(Nationalhymne von Bangladesh, erste Zeile hätte fast auch die Überschrift gegeben:
amar sonar bangla, ami tomay bhalobashi – mein goldenes Bengalen, ich liebe dich)

Eigentlich hat die Welt Bangladesh gar nicht verdient.

The solution for humanity

Habe hier gerade zufällig auf peace.tv geswitcht. Lustig, wie sich islamische und christliche Fundamentalisten einfach gar nicht unterscheiden. Gleiche Rhetorik, gleiche Machart der Fernsehsender/-dungen, ihren Versprechen und Drohungen, ihrer Abscheu gegenüber Demokratie, Menschenrechten, Pluralismus und Säkularismus und wie im Endeffekt nur sie die einzig wahre Wahrheit verkünden. Eigentlich nichts Neues, ich bekam das gerade nur wieder vor Augen geführt.

Gut das in Bangladesch den Sender anscheinend Niemand anschaut, oder zumindest keiner dem irren Prediger glaubt.

Kleines Dorf / Dorf in der Choto-Region

Wo in Bangladesh gibt es eigentlich einen Ort, an dem man Mal in Ruhe schreiben kann? Ich sitze auf den Stufen des Chittagong High Courts, dem wohl ruhigsten Fleckchen Erde an diesem Freitag in einer der drei am Schnellsten wachsenden Städte der Welt. Durch Müllhalden, an geschlossenen Läden und heruntergekommenen Universitätsgebäuden vorbei bin ich diesen Hügel hinaufgestapft, habe mir unterwegs noch einen Stift und eine Flasche Wasser gekauft und werde in der Ruhe nur von vielen netten, aber interessierten Menschen gestört. Überall auf der Welt scheinen Bengalen schon gearbeitet zu haben. Erstaunlich wer unsere Welt am Laufen hält und wem man es am Wenigsten dankt.

„I worked in Malaysia, Kuala Lumpur, KFC. Very nice food. Germanite also KFC ache?“

Die letzten Tage waren ganz dem Urlaub machen und Entspannen gewidmet. Vor allem das Chittagonger Nightlife hat es uns scheinbar sehr angetan, auch wenn das nur in einem unserer Hotelzimmer stattfand. Der Rest meiner „Crew“, Z, T und Zs Onkel sind schon wieder auf dem Heimweg, L arbeitet und ich habe jetzt endlich mal wieder Zeit zum schreiben.

Gestern abend wurde ich der kulturellen Elite dieser mit 4 Mio Einwohnern zweitgrößten Stadt Bangladeschs vorgestellt und durfte der Lesung eines nach Kanada ausgewanderten Philosophieprofessors folgen. Zwar auf Bangla, aber dank zahlreicher Anglizismen, vor allem in der anschließenden Diskussion, verstand ich doch den roten Faden des Gesprochenen. Interessant, wie sich im Grunde die Probleme der deutschen und bengalischen Bildungssysteme ähneln bzw. was Deutschland aus dem partiellen Scheitern des Letzteren lernen könnte. Auch die bangladeschische Regierung strebt nun nach Exzellenz, versteht darunter jedoch gerade die Abkehr von immer kürzeren Studienzeiten mit immer mehr Information. Das neue Ziel heißt: mehr Bildung und echte Wissensvermittlung in der Breite. Selbstkritisch stellten die Anwesenden fest, dass das Bildungsbürgertum und die Intelligenz seit der bangladeschischen Unabhängigkeit zu wenig gegen die voranschreitende Profitorientierung der Bildungseinrichtungen unternommen haben. Die Folgen konnte ich in meinen Schultouren selbst mitansehen. Riesige Unterschiede in Preis und Qualität der Schulen; kein Schüler kann ohne zahlreiche und teure Nachhilfe erfolgreich sein. Deutschland sollte sich wohl noch einmal genau überlegen, ob es mehr „Wahlfreiheit“ für Eltern und deren Kinder schaffen will, wenn dies nur den Reichen und Eliten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft.

Auch, dass jede Firma, die etwas auf sich hält, eine eigene Universität, ein eigenes Krankenhaus, eine eigene Zeitung, etc. hat, trägt nicht unbedingt zu einem ausbalanciertem und transparenten Bildungsangebot bei. Bangladesh steht mit seinen mehr als 25 Mio Kindern im Schulalter vor einem riesigen Problem.
Hoffnung gibt u.a., dass alle Gesellschaftsschichten lautstark ihre Meinung äußern – allen voran die Studenten. Erst durch ihre Proteste war es übrigens möglich, die Militärregierung zu stürzen und nach langer Zeit nun wieder zur parlamentarischen Demokratie zurückzukehren (seit einer Woche boykottiert auch die Opposition das Parlament nicht mehr… =) )

So, genug davon. Wie man unschwer erkennt, habe ich solche Veranstaltungen im letzten halben Jahr etwas vermisst. Ich schau mir jetzt dann mal die GI Zweigstelle hier an (heißt „Die Sprache“). Die Überschrift ist übrigens die Übersetzung von „Chotogram“, dem einheimischen Namen für Chittagong. Je nach Aussprache heißt es eines der beiden angegebenen, wobei eigentlich nur der Lonely Planet Ersteres behauptet…

Singh is Kinng

Ein fröhliches Gespräch unter vielen wandert unsere Gruppe GI-Mitarbeiter die Mirpur Road entlang. Es ist bereits später Abend als auf einmal alles Gesagte von einem wummernden Bass übertönt wird.

„S-N-O-O-P … D-O-G-G … Singh is Kinng!“, gibt der bis ans Äußerste beanspruchte Lautsprecher von sich. Eine Menschentraube bildet sich auf dem Bürgersteig vor einem Musikgeschäft aus dem der amerikanische Rapper seinen Bollywoodhit zum Besten gibt. Junge Gesichter grinsen, Handys werden in die Mitte des Kreises gerichtet, es blitzt.

Das Intro ist vorbei, der Beat dröhnt durch die Straße und ein kleiner, älterer Mann fängt an zu tanzen. Erst noch wie die Tänzer im dazugehörigen Film, bald jedoch wie ein Mix aus Michael Jackson, Backstreet Boys und indischem Bauchtanz hüpft er fröhlich herum, streckt seine hennarot gefärbten Haare in jede Kamera und nähert sich mit ein paar besonders spektakulären Moves der verwunderten Ausländergruppe.

Das Lied beginnt von vorn. Wir gehen weiter und überlassen Patrick Swayze No.2 seinen immer zahlreicher werdenden bengalischen Fans.

Z will auch tanzen. Es wird ihm nicht gestattet.

Die Zeit läuft mir davon…

Nein keine Sorge, an der bengalischen Zeitrechnung ändert sich so schnell nichts mehr, dafür rückt mein Abreisedatum immer näher. Näher und näher. Nicht einmal mehr zwei Wochen dauert es und dann sitze ich schon wieder im Flugzeug.

Ein kurzer Rückblick auf die letzten Wochen: ich war in den Sundarbans! Der größte zusammenhängende Mangrovenwald der Welt bietet nicht nur frische Luft, Stille und wenige Menschen, sondern auch die höchste Tigerdichte der Welt. Zwar haben wir keinen Tiger gesehen, dafür aber an einem Strand gebadet, der voll von Tigerspuren war.

Nach einer unglaublich anstrengenden Nachtfahrt mit einem Green Line „Luxus“bus lag ich erstmal nen ganzen Tag nur auf dem Hinterdeck unseres Bootes und rief nur ab und zu mal Ach und Oh, wenn unser Guide ganz aufgeregt auf Rehe am Flussrand zeigte.

Die nächsten beiden Morgen wurden wir kurz nach Sonnenaufgang auf ein kleines Boot gesteckt und verlassene Seitenarmme hinuntergeschifft. Eigentlich ganz schöne „Silent Boat Trips“ bis auf die Tatsache, dass wir nicht alleine waren und – am ersten Tag – alle fünf Minuten ein Motorboot voller Bengalen an uns heranfuhr, meistens begleitet von lautem Rufen „GOOD MORNING! – HOW ARE YOU? – WHERE FROM?“ und 100 auf uns gerichteten Photoapparaten. Am nächsten Morgen waren wir dann alleine, sodass wir wenigstens ein paar Tiere sehen konnten (Rehe mit Flecken, Wildschweine, Vögel). Interessanter fand ich da eher die Delphine, die vor unserem großen Boot herumsprangen.

Nach drei entspannenden Tagen, waren wir auch schon wieder zurück in Khulna, bekamen nochmal eine extra Gratisübernachtung auf dem Boot und fuhren dann nach Bagherhat, einem kleinen Dorf, das einmal (wie seltsam viele kleine Dörfer) die Hauptstadt Bengalens war bzw. Sitz eines Sufi-Geistlichens. Die ganze Umgebung ist war mal wieder klassisches Indiana Jones Territorium, sodass wir (inkl. 3 Australier und zwei anderer Deutscher – habe ich eigentlich schon erzählt, dass seit Januar ne neue Praktikantin da ist?) innerhalb von 3 Stunden, an die neun Moscheen „gefunden“ haben. Danach hatte der Großteil der Gruppe keine Lust mehr und wollte lieber Shoppen oder Krokodile streicheln (das lag da einfach am Strand und sonnte sich). In mir war aber die Abenteuerlust erwacht, also fuhr ich mit einem CNG und L eine Stunde lang über asphaltierte Straßen, nur teilweise alphartierte Straßen, Gras, ein Cricketfeld, gepflasterte Straßen, festgetrampelter Staub Straßen (von l. n. r. immer schmaler werdend und irgendwann wusste der Fahrer auch den Weg nicht mehr) zu einem 20m hohen Hindutempel in den Urwald. Wahnsinn was hier für Gebäude einfach so im Urwald stehen und niemand scheint sich dafür zu interessieren…

Wir trafen uns mit dem Rest der Gruppe am Abend wieder auf unserem Schiff, der M.V. Aboshar. Während ich versuchte, nicht bei jedem Schlagloch meinen Kopf an einer Metallstange anzustoßen und während ein wütender Mann hinter uns herrante, weil .. warum auch immer?, waren die anderen schon zurückgefahren. Mit dem Bus. Auf dem Dach. Was habe ich da nur verpasst…

Zurück in Dhaka nun teils Routine, teils immer noch spannende Arbeit, wie z.B. unsere zahlreichen Besuche an interessierten Schulen, die wir dann alle davon überzeugen, wie toll es doch ist Deutsch zu können, oder schönen Ausstellungseröffnungen mit viel Essen und unverhofften Blumen (hatte wohl vergessen ausdrücklich zu erwähnen, dass ich mich eigentlich nicht zu den Ehrengästen zählen würde…) =)

So, das wars dann auch schon wieder – nächstes Mal gibts auch wieder was Besonderes 😉

Ach, gestern Abend wurde ein Politiker in Alt-Dhaka erschossen, deswegen wird die nächsten Tage davon abgeraten da hinzufahren (weil Leute dort jetzt Steine werfen, Autos anzünden etc).

Experience Dhaka

Es war eines Mittags vor dem Kulturinstitut, dass ein Unbekannter sich an unseren Tisch setzte. Er zog eine Visitenkarte heraus, bat um unsere Kontaktdaten und murmelte etwas von „Sightseeingtour“. Eine Stunde später saß ich etwas verwirrt im Büro, als das Telefon klingelte. In perfektem amerikanischen Englisch war die CEO einer Firma namens „Experience Bangladesh“ am Apparat, versprach uns eine kostenlose Tour durch Dhaka, wenn wir uns dabei fotografieren ließen – für ihre Website. Sie gab uns Bedenkzeit und eigentlich hatte niemand Lust dazu – ein Tag unseres Wochenendes für Sightseeing in einer Stadt, in der wir schon seit vier Monaten leben? Naja. Schließlich kam eine E-Mail, die uns Essen und Kekse versprach, auf unsere neue Mitbewohnerin traf vorangegangene Beschreibung ja sowieso nicht zu, also akzeptierten wir.

Wir fuhren also heute den ganzen Tag durch Dhaka, zogen uns fünfmal um, damit wir auch ja nicht wie die gleichen weißen Touristen aussehen, die wir sowieso sind, gabelten auf dem Weg noch eine Australierin auf und wurden nach „High Tea in Private Gulshan Garden“ schließlich mit dem Versprechen entlassen, dass wir Abzüge von den besten Fotos bekommen. Scheinbar dauert das jedoch ziemlich lange, sodass die Website immer noch aussieht wie zuvor und wir außer Hinhaltemails auch nichts mehr von dieser netten Firma gehört haben.
Vielleicht schneiden sie auch, wie von I scherzhaft (?) befürchtet, unsere Gesichter aus und benutzen sie für Pornofilme. Kann da mal bitte jemand ein Auge drauf haben und sich gegebenenfalls melden?

Das war übrigens Modelangebot Nr. 3, nachdem wir das Angebot für den Aldikatalog (wird anscheinend in Bangladesh fotografiert, gesetzt und gedruckt) verneint haben und Angebot zwei – für Z’s Snack- und Süßwarenimperium – noch aussteht.

Einmal Star und zurück

Unaufhörlich tickte der Zeiger meiner Armbanduhr gegen den Bücherstapel auf dem Tisch an. Letzterer wurde jedoch immer größer und draußen wurde es immer dunkler. Wir hatten am Mittag eine Lieferung Bücher bekommen, natürlich vollkommen unsortiert, die sich nun langsam aber sicher gen Decke aufhäuften. Und immer noch stand eine Kiste ungeöffnet in der Ecke. Immer länger wurde ihr Schatten, damit wir es ja nicht wagen würden sie über Nacht dort liegen zu lassen. Schließlich fiel die Entscheidung jedoch zu Gunsten des inneren Schweinehundes: zu groß die Erschöpfung, zu spät der Abend. Droh uns nur Kiste, du und welche Armee!

Ich lief die Treppen hinunter zur Bibliothek. Einmal schnell „Hallo“ sagen und dann ab nach Hause – dachte ich. Doch wie so oft kam es anders. Diesmal in Form eines golden glitzernden Etwas auf dem Schreibtisch des Bibliothekars. Schwarze Punkte und bengalische Schriftzeichen formten sich zu einem Mikrofon, aus Pappe war eine rundliche Karte ausgestanzt. „Eine Einladung“, erklärte I – und was für eine! Ein paar befreundete Musiker und ein Designer hatten keine Lust zur Verleihung der „5th Citycell Channel-I Bangladesh Music Awards“ zu fahren und so lag diese schwere Pflicht nun auf den Schultern zweier unbedarfter deutscher Praktikanten. Um diese Bürde leichter tragen zu können, warfen wir uns natürlich in Schale und fuhren in Begleitung von Z und dessen Freund T ins Sheraton Hotel.

Der Saal war schon halb gefüllt, Fernsehkameras und Platzanweiserinnen rannten herum, auf der Bühne wurden letzte Elemente der Dekoration befestigt. Unauffällig setzten wir und zur anonymen Masse in die Mitte. An der linken und rechten Ecke des Raumes wurde mit der Beleuchtung experimentiert; befrackte Geiger schienen abwechselnd blau und rot. Staunend verfolgte ich die Bewegung des Kamerakrans und merkte kaum wie meine Begleiter aufstanden und von einer netten jungen Dame ans linke Ende der Stuhlreihen geführt wurden. Natürlich lief ich hinterher und fand mich auf einmal inmitten des Who-is-Who in Bangladesh wieder.
Da wir mit dem Gedanken gespielt hatten, für die Feier zu „1 Jahr PASCH in Bangladesh“ einen bekannten Musiker einzuladen, hatte ich mir die Tage zu vor gefühlte 100 bengalische Musikvideos angeschaut und diese Leute saßen nun neben mir. Oder hinter mir. Oder zwei Reihen vor mir. Egal wo ich hinsah, überall Promis. Rapper, Rocker, Schlagersänger, Gitarristen, Schlagzeuger, Playbacksänger, Schönlinge und alte Männer mit Sonnenbrille. So ist das also, wenn man auf den Eintrittskarten von Bangladeshs (je nach Quelle) berühmtester Band auf die Verleihung des wichtigsten Musikpreises geht. Und eines Bookletdesigners.

Nach einer halben Stunde wurde es langsam ruhiger, die Lichter gingen aus und durch Lautsprecher wurde die Liveübertragung angezählt. Mit triumphaler Musikbegleitung kam eine glitzernde junge Frau auf die Bühne, die uns nun die nächsten zweieinhalb Stunden zuquasseln sollte. Nach und nach wurden nun in einer Kategorie nach der anderen Preise vergeben, auf der Leinwand wurden die Leute, die um uns herumsaßen nocheinmal gezeigt und jeweils einer von vier bekam dann den Preis, ein goldenes Mikrofon – wie einfallsreich. Die Show war langweilig. Die meiste Zeit war die Moderatorin am Reden, das Publikum redete auch und wenn nicht zwei Männer, zwei Reihen hinter mir und eine Reihe vor mir, nicht auf die Sieger gewettet hätten und sich nach jeder Verleihung lauthals angeschrien hätten, wäre ich vermutlich eingeschlafen. Stattdessen war auf einmal das beste Albumcover an der Reihe und Diana gewann. Also nicht sie sondern der, welcher eigentlich an ihrer statt hätte kommen sollen. So stand jedoch auf einmal die Kamera neben uns und sie war groß im Bild und ehe wir es uns versahen stand sie auf der Bühne, grinste etwas schüchtern in die Runde und bekam einen Preis zu- aber nicht das Wort erteilt. Glück für sie, schade für uns. Großer Applaus im Raum, tausend Gratulationen, fünfhundert Visitenkarten und nur ab und zu die Erklärung „Ich bin eigentlich gar nicht Plan B, ich vertrete ihn nur“.

Ja, da hat man also nun nen Musikpreis, ruft dann den eigentlichen Gewinner an und der meint dann „Ne Diana, also auf son scheiß Messingmikrofon hab ich echt kein Bock, nimm du mal mit nach Deutschland“. Dann fährt man eben mal mit dem Auto und lauter Musik in ein Restaurant und stellt erstmal den Preis auf den Tisch. (Zum Vergleich, ihr seid in irgendeinem Lokal in eurer Stadt und auf einmal kommt jemand rein, stellt nen Grammy auf den Tisch und bestellt). Das goldene Ding wirkte jedenfalls auf die anderen Gäste wie auch die Kellner wie ein Magnet, hinter jedem von uns standen während des ganzen Essens mindestens 2 Kellner, die uns jeden Wunsch von den Augen ab lasen.

Da das Ganze ein All-You-Can-Eat Restaurant war – und Efes hieß, das entsprechende Bier aber natürlich niemand kannte – fuhren wir zwei Stunden später ziemlich satt an die Tanke, machten dumme Sprüche, uns über alles und jeden lustig und fühlten uns wirklich wie eine stadtbekannte Band.
Naja, fühlt sich toll an, aber man kann dieses Gefühl – warum finden mich jetzt eigentlich alle toll? – schon ganz gut nachvollziehen – gab bei uns ja wirklich keinen richtigen Grund.

Ich bin wieder heil nach Hause zurückgekommen, auf dem Boden geblieben und zurück in Deutschland hoffentlich immer noch der Alte 😉

„Hey, hey, hey, I was a Dhaka Rockstar!“

Silvester – auf der Suche nach der verlorenen Stunde

Ein frohes neues Jahr 2010!
Da war er also, der große Tag. Voller Spannung warteten wir auf die beiden großen Momente, an denen das neue Jahrzehnt beginnen sollte. Doch alles kam anders als geplant.
Auf meiner Zufahrt zurück nach Bangladesh traf ich einen Briten, ein Nachfahre von Lord Curzon auf den Spuren dieses Vizekönigs in Indien und Bangladesh unterwegs. Zufällig traf ich ihn einige Tage später wieder in Dhaka. Da die Straßen zwischen Gulshan und Dhaka nachts gesperrt waren, war es für acht unserer Gäste unmöglich nach Dhanmondi zu kommen, und so fand dann der nette Brite mit den 14 Vornamen seinen Weg auf die Gästeliste. Trotzdem gab es viel zu wenig Leute für viel zu viel Essen und Getränke.
So saßen wir beisammen und spielten Billiard, sodass die Zeit wie im Fluge verging. Ehe wir es uns versahen, waren die Zeiger unserer Uhren schon auf 23:30 vorangeschritten. Die bengalische Regierung jedoch hatte im letzten Moment Angst vor ihrem eigenen Mut bekommen und den Zeitpunkt der Zeitumstellung auf 23:59 vorverlegt. Nichtdestotrotz hatten wir natürlich vor uns diese einmalige Chance nicht entgehen zu lassen. Was ist schon eine Minute? Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Um 21:30 war der Krisenstab der Wächter über das Zeitumstellungsexperiment zusammengekommen, da augenscheinlich wurde, dass eine Minute keinen Ausländer davon abhalten konnte, gleich zweimal zu feiern. Kurz darauf wurde beschlossen, die Zeitumstellung nocheinmal vorzuziehen, nun um punkt 23:00. Uns erreichte diese Nachricht um 23:49 „digital time“, die Uhr war also zu diesem Zeitpunkt schon umgestellt und es war in Bangladesh erst 22:49. Die nächsten fünf Minuten wurde dann hektisch versucht die Zeit irgendwie zu verifizieren und um 22:56 war klar: es gibt nur einmal Mitternacht.
Nachdem klar war: Silvester fällt aus (zumindest das erste – und welche Regierung kann schon von sich behaupten, „we cancelled 2010“) hatten wir noch eine Stunde länger Zeit um auf dem Dach herumzustehen und Dhaka bei Nacht zu bewundern. Feuerwerk gab es nur ein gaaanz kleines bisschen – und von bengalischem Feuer hat noch nie jemand was gehört.

Zurück in der Realität, in der Hoffnung das in den nächsten zwei Monaten wenigstens die Zeit kein Problem mehr darstellen wird. Vielleicht hat sich aber irgendjemand das auch als guten Vorsatz fürs neue Jahr vorgenommen…

Was ist die Zeit? – Kapitel 2

Es war einmal ein Südostasiatisches Land, das seine Uhren zwar auf Sommerzeit, jedoch nicht mehr entsprechend auf Winterzeit umgestellt hatte. Das Volk protestierte, eine Stunde früher aufstehen, wo kommt man denn da hin! Ein deutscher Freiwilliger äußerte sich im Internet sogar abfällig über diese Praxis und prophezeite belustigt ein baldiges Leben in der Nacht.
Ungeachtet aller Kritik, setzten sich führende bengalische Zeitumstellungstheoretiker mit den Politikern ihres Landes an einen Tisch und diskutierten ganz in Ruhe, wie die Situation denn nun wieder unter Kontrolle gebracht werden könne. Nachdem der Vorschlag, einfach sofort die Zeit wieder zurückzustellen und so zu tun, als sei nie etwas geschehen, sofort wieder verworfen und die Idee, mit Hilfe der UN alle anderen Länder dazu zu bewegen, ihre Zeitrechnungen entsprechend anzupassen, nach der Niederlage in Kopenhagen als unrealistisch abgewiesen wurde, versuchte man endlich ernsthaft, das Beste aus der Situation herauszuholen. Und sie da, unter dem Druck des „Interessenverband der bengalischen Vereinigungen zur Hebung der Stimmung ausländischer Mitbürger“ schwenkte die Regierung schließlich ein und beschloss, die Uhren bald wieder auf Winterzeit umzustellen. Unter dem Motto „Lasst uns diese Dekade noch ein bisschen verlängern!“ werden die Uhren nun am 01.01.2010 0:00 auf 31.12.2009 23:00 zurückgestellt.

Wer also schon immer mal Lust hatte, Silvester gleich zweimal am Stück zu feiern, meldet sich am Besten schnell – wer zu spät kommt, kriegt keinen Platz mehr auf unserer Party!
Und bitte nicht wundern dieses Silvester gleich zwei „Frohes Neues Jahr!“-SMS von mir zu bekommen =)

An alle, denen diese Ehre nicht zuteil wird:

eine guten Rutsch und wir sehen uns ja schon bald vermutlich wieder =)

Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 21

25.12.2009 – Kolkata, Indien

Da ist er also, mein letzter Abend in Indien. Ein Urlaubs-/Arbeitsreise geht zu Ende und ich sitze in der Bar des Park Hotels und trinke Gin Tonic. Nein, da übernachte ich natürlich nicht und der Drink kostet auch so viel wie vier Nächte in meinem Hotel, doch was tut man nicht alles um dem Pseude-Weihnachtstrubel zu entkommen, den die Menschen hier gerade veranstalten. Dei ganze Park Street ist ein eintiger Leucht- und Glitzerhaufen und sowohl auf den Straßen, auf den Gehwegen und in der U-Bahn ist kein Durchkommen.
Als ich gerade essen war – ein Abenteuer für sich, einen freien Tisch zu ergattern – hatten trugen alle Kellner natürlich auch Weihnachszipfelmützen. Apropos Weihnachtsmütze: Meine am 23. prophezeite Weihnachtsgeschichte ist nicht ganz eingetroffen. Dank Verspätung habe ich nämlich einen Zug verpasst und bin dann den ganzen Tag in der unreservierten Holzklasse meinen reservierten Plätzen hinterhergefahren. Und das Beste: ich musste mir dafür auch noch extra neue Tickets kaufen! Da beschwere sich bitte einer noch mal über die Deutsche Bahn…
Jedenfalls saß ich dann im Intercity Express (sic!), der zwar nur 120km schaffte, sich aber trotzdem wie 450 anfühlte, als wir längere Zeit in einem unbedeutenden Bahnhof standen. Wir sollten einen schnelleren Zug vorbeilassen und zwar zufällig meinen Anschlusszug (mit reserviertem Sitzplatz!) ein paar Stationen weiter. Also schnappte ich mir meinen Koffer und rannte über die Brücke drei Gleise weiter. Der Zug rollte zwar schon als ich einstieg, aber auf einmal war ich wieder im Fahrplan! Nur eben am falschen Ende des Zuges. Ich lief durch den Zug, bis der Durchgang auf einmal verschlossen war. Der Platz an dem ich stand, entpuppte sich als Koch- und Lagerwaggon. Ich trug schon die Zipfelmütze und dachte und offenes Feuer mit Koch im Hintergrund ergäbe doch sicher ein tolles Foto. Schüchtern fragte ich einen der Küchengehilfen ob er nicht… zu spät. Schon wollte jeder ein Bild mit mir machen. Sehr lustig. Und nirgendwo war die Feuerstelle drauf.
Am nächsten Bahnhof stieg ich um, schenkte den Jungs aber noch die Mütze. Vielleicht erinnert sie das ja noch ne Weile an diesen seltsamen Touristen, der einfach in den Kochwagen platzte.
Morgen bin ich dann wieder zu Hause – Dhaka, ami phire jabo!

 
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