Busreisen in ARG

Es folgen zwei Erfahrungsberichte aus der Vergangenheit. Irgendwie scheinen Busreisen in Argentinien anders zu verlaufen als sonst wo auf der Welt.

Busfahren auf Argentinisch I (September 2011)

Busfahren ist doch toll. Da hat man die spannenste Ausicht auf Erden und wird von einem Ammi-Kriegsfilm beschallt. Aber zur Landschaft (Are that aliens, sargent?): Es ist derselbe staubige (I didn’t see. Move! Move!) Boden wie auch schon vor Mendoza und alles ist (krawummmmm!!! schepper! Todesschreie) flach. Nur ein paar Kilometer weiter (Kill anything that isn’t human!!!) beginnen die Anden. Das ist nicht mal so (no! NOOOOO! There are children!!! krawummm) ein bisschen Alpen, da geht’s (Fight! Fight for your wifes, for you children! And for America!!!) richtig rauf. Zunächst (We are near the basis, caiptan!) ist alles weiterhin ziemlich kahl und (fette Maschine kaputt geschossen – doch nicht, sie steht wieder auf) trist, dann, wir nähern uns (fette Maschiene von neuem kaputt geschossen, sie steht wieder auf) San Juan, säumen Wein- und Olivenhaine (sie wird endgültig kaputt geschossen, JubelJubelJubel! Free America!) die Straße, die Frage ist nur (Abspannmusik) mit welchem Wasser? Wir kommen eine halbe Stunde ZU FRUEH!!! in San Juan an. Irgendwie hätte ich grade das Potential. ein Maschienengewehr zu nehmen und lachend Aliens abzuknallen, warum bleibt mir unklar.

Busfahren auf Argentinisch II (Oktober 2016)

Die Strecke lautet El Calafate – Esquel, beides in Patagonien, aber in der Nebenseisson 25 Stunden Busfahrt voneinander entfernt. Na gut, was muss, das muss.

Bus Nummer 1 (15.30-19.30). Es geht pünktlich los, ich habe einen wunderbaren Sitzplan, selbst ich kann hier meine Beine ausstrecken. Wir kommen zur örtlichen Polizeikontrolle: Passkontrolle. Zwei Polizistinnen steigen ein, schauen böse und fangen an, die Pässe mit der Passagierliste abzugleichen. Dabei habe ich das Gefühl – so intensiv wie wir gemustert werden-, dass es gar nicht entscheidend ist, wer hier den Ausweis reicht, der Name muss nur auf der Liste stehen. Nach der Hälfte der Passagiere, haben die beiden eh keine Lust mehr und weiter geht die Fahrt. Die Aussicht: Die Weite der Patagonischen Steppe, endloses Grasland in Gelbtönen, darüber ein Wolkengemälde, sich ständig wechselnd, im Hintergrund die Anden. Ich bin der einzige, der seinen Sitz noch nicht in Schlafposition gestellt hat und die Vorhänge zugezogen hat (Abfahrt 15.30). Leben kommt erst wieder in die Mannschaft, als der Film losgeht, Kopfhörer können für den Ton eingesteckt werden, den braucht es aber für den Film gar nicht, es reicht alle 10 Minuten einen Blick drauf zu werfen: Amerika in 10 Jahren, jedes Jahr gibt es eine „Säuberung“, eine Nacht Gesetzeslosigkeit, in der sich die arbeitslose Unterschicht selbst dezimiert, die Mittelschicht sich gepflegt bei einem Glas Rotwein abknallt und die Oberschicht Jagdgesellschaften mit Menschen anstatt der Tiere veranstaltet, Artenschutz von Tieren zu Ende gedacht. Letztlich ist es nur run & cry: eine Gruppe kommt von der einen Schießerei in die Nächste, alle sind aber eigentlich sehr naiv und werden immer von dem muskulösen, geheimnisvollen Typen gerettet, der die Nacht eigentlich nutzen wollte, den bösen Endgegner niederzustrecken. Die Komplexität des Filmes schreit nach der Goldenen Himbeere, dass Kinder in dem Bus mitfahren scheint niemanden zu stören. Musikalisch wird das unterlegt von dem Folkloregedudel aus dem Fahrerbereich und dem Schnarchen meiner Sitznachbarin. Und als der Film zu Ende ist, fängt er gleich noch Mal von vorne an…Polizeikontrolle, Ankunft. Rio Gallegos. Groß ist das hier für die Ölmetropole des Südens nicht. Neben meinem neuen Bus steht einer mit dem Ziel Jujuy, Nordargentinien, ca. 3.800 km entfernt. Viel Spaß allen Reisenden. Direkt gegenüber befindet sich die Laguna de Maria la gorda. Die Lagune von Maria, der dicken.

Bus Nummer 2 (20-9.40). Pünktlich geht es weiter. Polizeikontrolle, diesmal gut gelaunt, dafür wird auch geschaut, ob der Pass auch denjenigen abbildet, der ihn im Halbschlaf dem Polizisten hinstreckt. Argentinier haben die ungewöhnliche Eigenschaft, in jedwedem Verkehrsmittel, sofort die Rückenlehne zurückzukippen und zu schlafen. Eine Busbesatzung besteht in der Regel aus drei Herren: 2 Fahrer und ein Steward. Die hocken die meiste Zeite in der Fahrerkabine, trinken Mate (Tasse aus Kürbis wird mit einem bitteren Kraut gefühlt, Metallstrohhalm rein, und dann wird das ganze immer wieder mit heißem Wasser aufgegossen, sehr belebend und in Argentinien Volkssport Nummer 1). Einer der Fahrer lacht wie eine Hexe, sehrhoch und mit „hihihi“ und so. Sehr skuril. Abendessenszeit. Herrlich, erst gibt es für jeden ein Hartplastiktablett auf den Schoß, dann ein Weichplastiktablett mit einem Stück kalter Pizza, Brot aus Schaumstoff und Wackelpudding. Dann kommt die kulinarische Hochleistung: Lauwarm auf einem Bett aus nie fertig gekochten und doch verkochten Spaghetti ein Stück Fleisch: Es ist nicht mehr feststellbar von welchem Tier und was davon, ein Mal alles in den Fleischwolf, in der Mitte ein Stück Ei und ein Stück Karotte und ein Stück Irgendetwas, was auch immer es gewesen sein mag…dazu gibt es in einem Becher, wohl eher einem Stamperl, verschiedene Gaseosa (Sammelberiff für Flüssigkeiten mit viel Kohlensäure und noch mehr Zucker), ein Mal Pampelmuse, ein Mal Zitrone (die Flasche trägt schon den Titel „Limón – Dulce“). Wir sind etwa 10 Fahrgäste und mit dieser einen Mahlzeit schaffen wir es, einen ganzen 60 Liter Müllsack mit Plastik zu füllen. „Bitte achten Sie auf die Umwelt“ steht auf einigen Werbeschildern am Wegesrand. Kaum ist das Essen beendet, geht der Film los, diesmal über Lautsprecher in einer Lautstärke, dass ich mit meinen Kopfhörern das Gefasel nicht übertönen kann. Die Ironie: Zunächst flimmert in allen Sprachen über den Bildschirm, dass diese DVD nur für private Zwecke bestimmt ist. Zu der schlechten Hollywood-Komödie schlummere ich ein. Der nächste Morgen zeigt: Immer noch Patagonien. Steppe bis zum Horizont, vereinzelt Schafe, Pferde, Guanacos (Quasi-Lamas), meist lebendig als Herde, manchmal auch Tod als ganzes Skelett im Straßenraben. An der Ruta Nacional 40 könnte so manches Naturkundemuseum seine Sammlung aufstocken. Frühstückszeit! Es gibt zwei Chemiebatzen in Muffinform. Dann bekommt jeder ein Stamperl heißes Wasser und kann sich entscheiden: Instant Kaffee oder Tee. Ohne Tablett ist eine ganze schöne Herausforderung, das Pulver in das volle Stamperl zu kippen: Zwischen die Beine klemmen, dann den Beutel aufreißen, dabei die Muffins nicht auf den Boden fallen lassen und wir biegen in eine lange Linkskurve ein…hinter mir flucht jemand. Die Hexe kichert im Fahrerhäuschen. Perito Moreno. 50 Minuten Aufenthalt. Erst Mal ein echtes Klo benutzen: Das beste: Es ist unglaublich sauber, in der Hinsicht kann es mit dem Münchner Flughafen konkurrieren. Ansonsten wohl eines der schlechtesten Klos dieser Welt für Menschen über 1,70 Meter. Was muss, das muss. In dem „Kiosko“, der gleichzeitig Tankstelle, Minimarket, Touristenshop und Café ist, ist grade augenscheinlich die Weltgrößte Zigeretten-Abschreck-Bilder-Austellung zu bewundern. Direkt über der Kasse sind ca. 60 Phillip-Moris-Schachteln mit unterschiedlichen Motiven angeheftet – heute Perito Moreno, morgen im Centre Pompedour in Paris zu bewundern. Kaffee und Medialunas (argentinische Croissants) sind schlecht, aber besser als alles, was es bisher im Bus gab. Beim Rausgehen passiere ich das örtliche Zentrum der Kunsthandwerker. Es ist ebenfalls im Terminal untergebracht und besteht aus einem 8 m² großen Raum, in dem Strickwaren zum Verkauf feilgeboten werden. Alles in demselben Muster, in den herrlichen Farben Aschgelb, Schmutzorange und Dreckbraun, diese 70er Jahre Farbtöne. Die Verbrecherin dieser Farbvergewaltigung sitzt in der Mitte ihrer Schätze – Gollumartig gebückt, Brillengläser mit einer Dicke von sicher 5 cm und in einer Hausfrauenschürze , Baujahr 1950. Und natürlich ist sie gerade dabei ihren Fundus strickend zu erweitern. „Productos artesanales“ – vielleicht ist der Laden ja auch Konzeptkunst wie die Zigerettenschachteln und vielleicht kommt Abramovic gleich nackt um die Ecke. Fehlanzeige.

Bus Nummer 3 (der auch schon Nummer 2 war, 10.30-17). Ein Nickerchen ein frühes Mittagessen, diesmal ist das Fleisch in eine andere Form gepresst und auf Reis gebettet – und es gibt köstliche Mayo aus dem Beutel – immerhin muss man nun nicht mehr an dem staubtrockenen Zeug ersticken. Ad propositum Staub: Davon gibt es jede Menge hier, ein paar dornige Gewächse krallen sich darin und zwar soweit das Auge reicht. Ein Schild besagt 70 km bis zur nächsten Behausung, drei Sekunden später stirbt der Motor ab. Wir kommen zum Stehen. Fluchen aus der Fahrerkabinen. Es piepst, der Fahrer versucht einen Neustart, vergeblich. Die beiden Fahrer und der Herr vom Service verschwinden abwechselnd im Motorraum, die Versuche, den Motor neu zu starten, fruchten nicht, wahrscheinlich was am Anlasser. Auch der Trucker, der angehalten hat, scheint nicht weiterhelfen zu können. All das sind Spekulationen meinerseits, denn von Fahrerseite scheint sich niemand genötigt zu fühlen, uns über irgendetwas zu informieren. Die anderen Fahrgäste scheint das auch nicht weiter zu interessieren. Handysignal – Fehlanzeige. Nach einer halben Stunde gehe ich runter und erfahren durch ein langes Verhör des Stewards, dass es wohl der Anlasser ist, ein Fahrer ist nach Esquel losgetrammt (ca. 4 Stunden entfernt), um einen Mechaniker zu holen. Wir warten jetzt auf den nächsten Bus und fahren dann mit dem weiter. Wann kommt der denn? Schulterzucken. Bis zum Horizont erstreckt sich die patagonische Steppe, die Straße ist eine gerade Linie, die diese Endlosigkeit teilt. Wir sind insgesamt fünf Fahrgäste, nach 2 Stunden hocken wir zusammen mit dem Personal zusammengequetscht in der Fahrerkabine und trinken Mate; das Wasser dafür wird auf einer mobilen Gasplatte, die direkt nebem dem mit Plastik umhüllten Fahrersitz steht, erhitzt. Der Fahrer erzählt davon, dass er eigentlich schon ganzes Leben hinter dem Steuer verbracht hat – und es sei erst das zweite Mal, dass ihm der Bus kaputt gehe. Natürlich,, ist klar. Irgendwann zerstreut sich die Gruppe wieder. Ich lese Ovids Metamorphosen und in meinem Kopf sehe ich schon, wie sich ein Gott unserer erbarmt und den Bus in ein Drachengespann verwandelt, auf dem wir gen Norden weiterreisen. Vielleicht würde ein Schafsopfer helfen, in den Metamorphosen hilft das immer. Aber gerade wenn man mal eins braucht, kommt keins. Das einzige, was ich auf meinem halbstündigen Erkundungstrip entdecken kann, sind zwei Ameisen. Das reicht wohl kaum für eine derartige Verwandlung, das nächste Mal vielleicht. Es dauert über 4 Stunden, bis der nächste Bus kommt…

Bus Nummer 4 (17.30-21.45). Wir platzen mitten in den neuen Tarzanfilm, sowas. Kontrastprogramm. Nach einer Stunde, in der nächsten Ortschaft, rufe ich im Hostel an, in dem ich reserviert habe, um mitzuteilen, dass ich wohl später komme. Es stellt sich heraus, dass nicht ein Systemfehler bin, herzlichen Dank. Sie haben nämlich keinen Platz, aber ich solle mal kommen, irgendwie werde man das schon regeln. Ich beginne zu rechnen und stelle fest, dass diese Reise wohl die 30-Stunden-Marke knacken wird. Kommt man nicht in weniger von Deutschland nach Neuseeland? Wie lange braucht man für eine Weltumrundung, frage ich mich. Tarzan lässt sich von einem Gorilla verprügeln. Dafür verprügelt er einen Bantu im Jaguarkostüm. Ist ja logisch, ein echter Jaguar steht ja unter Naturschutz. Und Jane ist die ganze Zeit über damit beschäftigt, entführt zu werden. Am Ende wird sie von einer Büffelherde gerettet. Was ist da die Moral? Beim nächsten Film funktionieren die Bildschirme nicht, nur der Ton prasselt übersteuert auf uns hernieder. Und es wird viel geschossen. Sehr viel. Bonny und Clayde sind von weniger Kugeln durchlöchert worden. Die letzten Stunden verschwimmen in einem Bewusstsein. Das Hostel hat mir letztlich die Differenz für ein Hotelzimmer gezahlt, ein sehr schlichtes, aber immerhin. Und ich habe noch nie in einem Bett von 1,80 m Länge besser geschlafen als in dieser Nacht!