…was bisher geschah…

Wäre ich ein Tier, so wäre ich ein steinalter Kater, Baujahr 1993, der in einer riesigen Bibliothek über die Schätze seines bisherigen Lebens wacht. Ich läge auf einem weichen Kissen auf einem Schreibtisch, auf dem ein Tintenfass mit Feder und teures Papier zu finden wären, und marterte jeden Besucher mit dem durchdringenden Blick eines Bibliothekars, der sagt: „Euch wird eine ausnahmslose Gunst zu Teil, diese heiligen Gemäuer zu betreten. Fasst Ihr aber ein Buch unsanft an oder wagt es gar hinzuschreiben, werde ich Euch ins Ohrwaschel beißen! Und jetzt krault mich gefälligst hinter den Ohren oder fliegt wieder hinaus!“

In einer Jugendstil-Vitrine stünden original Handschriften aus dem Mittelalter, Ovids Metamorphosen wären vertreten, das Nibelungenlied und einige andere Schätze. Wissenschaftliche Arbeiten reihten sich daneben an, über literarische Traditionen des Krieges, über das magische Rütelin, über Geschwindigkeiten in der Literatur und Epentheorie, die als Ideen in meinem Studium der Germanistik, Latinistik und Romanistik hervorgegangen wären, das ich 2017/18 unterbrochen hätte, um ein FSJ in Argentinien abzuleisten.

An den Wänden hingen Bilder meiner Familie, meiner Freunde, die ich als wandernder Kater in meiner Heimatstadt München oder auf meinen Reisen nach Südamerika, besonders Argentinien, innerhalb Europas und anderenorts kennen gelernt hätte.

An die Bibliothek würde eine Vinothek mit Küche anschließen, in der es nach Dim Sum, Curries und vor allem frisch gebackenem röche. Es wäre Gelächter von einigen Menschen zu hören, die während des Schmausens über Götter und Welten redeten, diskutierten, lachten.

Als Kater würde ich mich von dort nur selten wegbewegen, vielleicht um ins Theater zu  streunern, vielleicht Freunde und Verwandte zu besuchen, vielleicht um zu einer weiteren Reise aufzubrechen. Doch wie gesagt, das wäre ja alles nur so, wenn ich ein Tier wäre.