Just Chile Things

„Ich bin die Reisemaus, die Welt ist mein Zuhaus‘. Ich reise gerne in die Ferne, wie siehts in fremden Ländern aus? Ja, ich bin die Reisemaus, das Abenteuer lockt. Man lernt nie was Neues kennen, wenn man nur Zuhause hockt.“ Die kleine Reisemaus, Felix der Hase, diese Figuren haben meine Kindheit geprägt. Durch die Welt reisen, alles sehen, ganz viel erleben – schon als kleines Mädchen war ich davon angetan. Und nun sitze ich hier: in Santiago de Chile, war wohl damals schon abzusehen.

Ich nutze die Zeit hier, so gut es geht. Wochenend- oder Tagestrips. Ans Meer, in Nationalparks, in andere Städte. „Vamos a ser feliz“ ist das Motto. Für nichts auf der Welt würde ich meine Zeit und all die Erlebnisse, Erfahrungen und neuen Menschen in meinem Leben missen wollen. Allerdings gibt es auch nicht selten Momente, in denen ich mir denke: das ist Chile, das sind Just-Chile-Things. Und um ein paar davon geht es dieses Mal in meinem Blogupdate.

Leitungswasser. Abgesehen davon, wie sehr ich mich wieder auf LECKERES Leitungswasser freue, kann ich es auch kaum erwarten, die Wassertemperatur regulieren zu können. Will ich mir was zu trinken holen, ist das Wasser heiß. Möchte ich spülen, ist es kalt. Immer. Jedes Mal. #justchilethings

Apropos Wasser. Bei einem Erdbeben der Stärke 8,0 bleiben alle entspannt, fängt es allerdings an zu regnen, spürt man den Anflug von Panik bei den Chilenen. Als (Nord)deutscher denkt man sich „wie süß, es nieselt.“ Regnet es dann aber tatsächlich mal ein paar Stunden am Stück, werden die Straßen zu Bächen, ungelogen. Von Pfützen kann da nicht mehr die Rede sein. Letzten Samstag war ich mit triefenden Schuhen feiern, weil ich auf dem Weg zum Club nicht drum rum kam, die Straße zu überqueren. Auf Regen ist die Stadt und das Abflusssystem irgendwie nicht ausgelegt. Der Strom fiel direkt auch noch den ganzen Abend aus, #justchilethings.

Der Regen hat allerdings auch etwas Gutes, nur er kann uns nämlich mal ein oder zwei smogfreie Tage bescheren. Staunend stellen wir dann immer wieder aufs Neue fest, wie nah tatsächlich doch die Anden sind und dass man sie eigentlich ja auch sehen kann. Und dass das super schön aussieht. #justchilethings

Woran ich mich dann auch erst wieder gewöhnen muss, ist beim Straße überqueren nach rechts UND nach links zu schauen. Die Straßen hier sind nämlich grundsätzlich fast ausschließlich Einbahnstraßen, Autos können also nur aus einer Richtung kommen. Bei einer roten Ampel stehen zu bleiben oder dass Autos am Zebrastreifen halten, werden auch wieder ganz neue Erfahrungen sein. Übrigens bin ich neuerdings stolze Fahrradbesitzern und glaubt mir, Fahrrad fahren hier ist abenteuerlich. Sehr abenteuerlich. Also auch etwas, worauf ich mich in Deutschland wieder freue: entspannt Fahrrad fahren. Tja, #justchilethings.

Palmen. Mitten in der Großstadt. Direkt vor meiner Haustür. Das ist eins meiner Lieblings-#justchilethings. Ebenso wie die Musik, Reggaeton immer und überall. Entweder man liebt es oder man hasst es – ich liebe es. Auf die Bedeutung der Texte darf man als Feministin dabei nicht achten, aber gut. Auf der Straße kurz mal stehen bleiben, um zu „Me Rehúso“ oder „Despacito“ aus dem vorbeifahrenden Auto zu tanzen, #justchilethings. An dieser Stelle Liebe an Stell für den gleichen Musikgeschmack, bei uns Zuhause läuft zur Zeit nichts anderes, jetzt gerade übrigens auch.

Mittwochs und Samstags ist Gemüsemann-Tag. Ja, wir haben unseren eigenen Gemüsemann. Zwei Mal die Woche kommt er mit seinem Transporter, hält direkt bei uns um die Ecke am Straßenrand und packt seine Kisten voll mit frischem Obst und Gemüse aus. Mittlerweile werden wir schon mit „mi amor“ begrüßt und kriegen Rabatte. Macht viel mehr Spaß als im Supermarkt und man zahlt ungefähr ein Drittel der Supermarktpreise. Besonders bei unserem Palta-Verbrauch (Palta = Avocado) lohnt sich das enorm. Palta ist quasi eins unserer Grundnahrungsmittel, das ist definitiv ein #justchilething – und zwar eins von denen, die ich in 8 Monate back in Germany vermissen werde.

Was ich nicht vermissen werde ist, dass ich im Fitnessstudio die Einzige bin, die ein Handtuch auf die Matten legt. Warum verstehe ich bis heute nicht, #justchilethings.

Getrunken wird hier übrigens überwiegend Pisco, meistens Piscola (Pisco & Cola, heißt tatsächlich so). Und man kann mir erzählen was man will, Pisco macht einfach viel viel schneller drunk als anderer Alkohol. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum die Chilenen so gut feiern können, #justchilethings.

Mein letztes #justchilething prägt meinen Alltag zur Zeit wohl am Meisten. Nämlich sind meine Schüler seit einer Woche im toma, also im Streik. Sie besetzen die Schule, keiner kann rein oder raus, Unterricht findet nicht statt, dafür aber Straßenproteste, die auch schonmal in Straßenkämpfen mit der Polizei und jeder Menge Tränengas enden. Das Ganze ist ein Statement gegen die Ungerechtigkeit des Bildungssystems, die großen Unterschiede zwischen den privaten und den öffentlichen Schulen. Jeden Tag finden neue Abstimmungen zum weiteren Vorgehen statt, bei über 4000 Schülern definitiv eine Herausforderung. Also wenn streikende Schüler kein #justchilething sind, dann weiß ich auch nicht.

Was mich dann doch ein bisschen sentimental gemacht hat, war der Abiball letztes Wochenende bzw. dass ich nicht dabei war. Und noch viel mehr, dass mein eigener jetzt über ein Jahr her. Über ein Jahr. Crazy. Aber die Reisemaus hatte Recht, man lernt nie was Neues kennen, wenn man nur Zuhause hockt. In diesem Sinne, hasta pronto!