Im Kloster

(Geschrieben am 10. Juni 2018, Fotos von Sonja)

Am Samstagmorgen klingelte der Wecker schon um 06:45 Uhr. Zweieinhalb Stunden später waren wir, das heißt Sonja (Weltwärts-Freiwillige), Johanna und ich, nämlich schon mit einer Nonne verabredet, die uns in die Gegend Kartli in ein Kloster bringen würde.

Wir waren zwar überpünktlich, Schwester Natalia jedoch nicht, und somit warteten wir eine halbe Stunde auf sie. Die Nonne brachte uns nach Assureti, das Dorf hieß früher Elisabethtal, es wurde 1818 von deutschen Auswanderern gegründet. Dort erwartete uns ein Mann, der uns die letzten fünf Kilometer ins Kloster fahren sollte. Die Strecke dorthin war sehr abenteuerlich, es war ein sehr holperigerer Feldweg. Zudem hatte es wohl vorher geregnet, denn es gab mehrere große Pfützen.

Im Kloster angekommen wurden wir von den übrigen Schwestern begrüßt. Es war bereits elf Uhr, und zu dieser Zeit gibt es dort immer das Frühstück. Übrigens stehen die Nonnen jeden Tag schon um fünf Uhr auf, bis auf sonntags. Dann dürfen sie bis 7:30 Uhr schlafen.

 

Es herrscht gerade Fastenzeit, dass heißt, dass sich die georgisch-orthodoxen Christen nur vegan (bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. Honig und manchmal Fisch) ernähren. Somit bestand die Mahlzeit aus gebratenen Nudeln, Salat, Brot, Gurken, Tomatensauce und der georgischen Tchemali-Sauce. Danach war Arbeitszeit für die Nonnen, wir gingen spazieren. Die umliegende Landschaft war wunderschön! Es war sehr ruhig, da das Kloster so abgeschieden liegt.

Diese Landschaft…

Wir spielten ein Spiel, und bald darauf gab es ein Gebet. Daran durften wir teilnehmen. Um ehrlich zu sein, wollte ich das zunächst gar nicht. Es hat mir auch nicht wirklich gefallen, eine halbe Stunde lang nur stehen und einer schier endlosen Litanei lauschen, von der man kein einziges Wort versteht.

Eingang zur Kirche

Danach gab es wieder Essen, die gleichen Speisen wie am Vormittag. Da wir dachten, es würde bis zum nächsten Mittag nichts mehr geben, langten wi

r zu. Als nächstes ging es hinaus auf das Gemüsefeld, denn die Nonnen versorgen sich bis auf wenige Ausnahmen selbst. Unsere Aufgabe war es, das Unkraut zwischen den Maispflanzen hinauszuziehen. Dabei stellte Johanna viele Fragen an Schwester Lela, die deutsch spricht. Ich fand es sehr interessant, dabei zuzuhören, doch die Antworten fielen genauso aus, wie ich sie mir erwartet hatte: sehr konservativ.

Danach kamen zwei Hirten mit der Kuhherde des Klosters, sie brachten zwei Pferde mit. Eines war noch etwas kleiner, aber auf dem erwachsenen durften

wir reiten. Reiten ist bei mir vielleicht zu viel gesagt, aber ich durfte mir mit Schrittgeschwindigkeit die Welt von oben ansehen. Besonders Johanna freute sich wahnsinnig über die Pferde und hatte sehr viel Spaß beim Reiten. Derweil spielte ich auch mit dem Klosterhund, der die Größe eines Wolfs hatte und das Aussehen und Gemüt eines Teddybären.

Ich durfte ihn nicht mitnehmen 🙁

Am Abend bekamen wir dann doch noch ein Abendbrot, bestehend aus Weißbrot, Apfelkonfitüre, selbstgemachtem Honig und Tee. Der Honig war ein Traum! Das Abendgebet schwänzten wir dann und spielten noch eine Runde Karten, bevor wir uns bettfertig machten und schlafen gingen. Jede von uns hatte ein eigenes kleines Zimmer bekommen. Sie waren einfach eingerichtet, aber doch erstaunlich komfortabel. Das Kloster war insgesamt moderner, als ich gedacht hätte. Es gab Strom und warmes Wasser, eine normale Küche, ein Gemeinschaftsbad, sogar Melkmaschinen für die Kühe. In meiner Fantasie war das Kloster ein einsam in den Bergen liegendes Gebäude gewesen, wo es weder fließend Wasser noch elektrisches Licht gibt, und die Nonnen leben wie vor hundert Jahren. So kann man sich täuschen… Sogar Smartphones hatten einige von ihnen, in der Bibliothek stand auch ein Computer.

Meine Kloster“zelle“

Der nächste Morgen begann mit einem Morgenspaziergang. Danach gab es einen Gottesdienst, zu dem auch mehrere Gäste kamen. Ich blieb jedoch nicht lange, wie gesagt habe ich nichts verstanden. Stattdessen lernte ich ein wenig russisch und las über die orthodoxe Kirche in Georgien. Nach dem Gottesdienst hatten wir die Möglichkeit, auch mit dem extra angereisten Priester zu sprechen. Dieser erzählte uns überwiegend von seiner Arbeit in einer dem Patriarchat gehörenden Schule. Der Unterschied zu einer normalen, staatlichen Schule besteht darin, dass die Schüler zusätzlich Religionsgeschichte und Altgeorgisch lernen. Anschließend gab es noch ein Essen. Danach war der Besuch auch fast schon wieder vorbei, Sonja und ich fotografierten noch ausgiebig. Schließlich teilten wir uns auf die Autos auf und es ging zurück nach Tbilisi. Auch die Rückfahrt war ein Abenteuer, da wir uns einerseits zu acht ein Auto mit vier Sitzen teilten, andererseits fuhr der Fahrer auch sehr schnell. Nun sind wir, ziemlich müde, wieder in Tbilisi angekommen.

 

Nun zu meiner Meinung bezüglich des Klosters. Die Nonnen waren sehr freundlich, und wir durften einige Fragen stellen. Insgesamt unterscheidet sich diese Kirche nicht so sehr von der katholischen, wie man vielleicht annehmen würde. Der Unterschied besteht darin, dass Glaubensgrundsätze verschieden ausgelegt werden, aber auch die georgisch-orthodoxe Kirche verehrt einen dreifaltigen Gott, die Grundlage des Glaubens ist auch hier die Bibel. Im Unterschied zur katholischen Kirche spielen Ikonen eine größere Rolle, die Kirchen sind vom Aufbau anders und die Gottesdienste laufen anders ab. Meiner Meinung nach sind katholische Kirche und georgisch-orthodoxe Kirche auch in etwa gleich konservativ was umstrittene Fragen angeht, allgemein spielt die Religion im Alltag hier aber eine viel größere Rolle als ich es aus Deutschland kenne. (Ich habe aber mal gelesen, dass Ostdeutschland, wäre es noch ein eigener Staat, der am wenigsten religiöse Staat der Welt wäre). Außerdem gibt es in ganz Georgien natürlich viel, viel mehr Kirchen als in Ostdeutschland.

Das Kloster als solches hat mir gut gefallen. Bei diesem Besuch hatte ich aber das erste Mal Menschen vor mir, bei denen ich den Eindruck hatte, dass sie wirklich an Gott glauben, was mich auf der anderen Seite beeindruckt hat. Die Antworten auf die kritischen Fragen (z.B. Warum leiden Unschuldige, wenn Gott allmächtig und barmherzig ist? …etc.) waren aber irgendwie vorhersehbar, genau so hatte ich sie erwartet. Von daher war ich ein bisschen enttäuscht. Mich hätte auch interessiert, ob die Nonnen glauben, dass ungläubige Menschen in die Hölle kommen. Ich habe mich aber nicht getraut, zu fragen. Ich habe während des gesamten Besuches nicht zugegeben, keine Christin zu sein. Keine Ahnung, wie die Reaktion ausgefallen wäre.

Insgesamt bin ich froh, dort gewesen zu sein. Auch wenn ich die Sichtweise der Nonnen nicht in allen Punkten teile, war es doch sehr interessant, diese einmal direkt zu hören.

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2 Antworten zu Im Kloster

  1. Peter sagt:

    Hallo Julia, ich habe Deinen sehr (!) ausführlichen und außerordentlich interessanten Bericht über Euren Besuch in einem georgischen Kloster erst heute gelesen. Der Bericht, „untermalt“ mit den vielen tollen Fotos, lässt einen direkt teilhaben an Eurem abenteuerlichen Ausflug. Da ich von Klostern in der heutigen Zeit keine Ahnung habe, von georgischen natürlich erst recht nicht, war Dein Bericht für mich eine gute Lektion zur Erweiterung des Allgemeinwissens. Die Frage von Tom hätte ich auch gestellt, mit der „Autonummer“ kann man im Zirkus auftreten, Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Alles Gute, weiterhin viele interessante Erlebnisse wünscht Dir Peter.

  2. Tomtom das Tüftüf sagt:

    Heyho Lieblingsschwester, also zum einen möchte ich auch so ne Liebeserklärung haben wie du im letzten Artikel an Tbilisi/Georgien abgegeben hast. Sonst mach ich dir über Spotify wieder ein bisschen Ballermann und Helene Fischer an 😛
    Zum anderen: wie passt man zu acht in ein Auto mit vier bzw. fünf Sitzplätzen? Ist es so schlimm, dass ihr alle kollektive Suizidgedanken hegt?
    Liebe Grüße
    Lieblingsbruder

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