Da ich im Moment Artikel für die Homepage des Deutschen Radio Ulaanbaatars schreibe, veröffentliche ich auch hier meine Olympiaberichterstattung:
Seit vielen Wochen sieht man in Ulaanbaatar Werbeplakate, auf denen die mongolischen Olympiateilnehmer zu sehen sind, die zuversichtlich lächeln. Einige Plakate tragen Aufschriften auf mongolisch wie „ein Land, ein Team“ und „Olympia, auf geht’s!“.
Am 27. Juli haben die 30. Olympischen Spiele in London begonnen, erst am 12. August werden alle Ergebnisse feststehen. 10500 Athleten kämpfen bei den 30. Olympischen Spielen um 302 Goldmedaillen in 26 Sportarten. Darunter sind 392 deutsche sowie 29 mongolische SportlerInnen. Die 16 Männer und 13 Frauen aus der Mongolei treten in sieben Sportarten an: Ringen, Boxen, Judo, Bogenschießen, Marathon, Schwimmen und Schießen.
Der mongolische Präsident Ts. Elbegdorj traf das mongolische Nationalteam im olympischen Dorf in London und vergewisserte sich, dass die SportlerInnen physisch und moralisch gut vorbereitet und zuversichtlich sind, in London Erfolg zu haben. Er sagte: „Die Teilnahme an den Spielen als Repräsentant der Mongolei ist wichtig, noch wichtiger ist es aber, Medaillen zu gewinnen.“ Außerdem wünsche er sich, dass die Athleten ihre Nationalfahne in Londons Himmel erscheinen lassen.
Im Vorfeld äußerte sich schon Judo-Nationaltrainer Baltschinjam: „Wir haben nur eine sehr kleine Einwohnerzahl und wir treten gegen sehr berühmte internationale Sportler an, das ist jede Medaille für uns ein großes Ereignis.“
Große Hoffnungen lagen auf den Judoka, die diese auch nicht enttäuscht haben. Während der Kämpfe und den beiden Medaillengewinnen konnte man überall auf den Straßen Ulaanbaatars lauten Jubel vernehmen. Auch die anderen Kämpfe wurden und werden mit großer Begeisterung verfolgt, ganz dem Motto „ein Land, ein Team“.
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Judoka S. Nyam-Ochir war der erste mongolische Athlet in diesem Jahr, der eine Medaille gewann. Er erhielt die Bronzemedaille in der Leichtsgewichtsklasse (bis 73 kg). Die folgenden Interview-Auszüge sind der Tavan Tsagarig Zeitung entnommen:
Was war Ihr persönliches Ziel, bevor Sie an den Spielen teilnahmen? Natürlich wünscht sich jeder Athlet die Spitze zu reichen. Wie auch immer, es ist sehr schwierig unter den besten Vier in der Welt zu sein. Ich bin mit dem Gedanken an großen Erfolg hierhergekommen. Möglicherweise habe ich die Bronzemedaille gewonnen, weil ich so eingestellt war.
Wie ist es nun im Rückblick auf den Kampf zu blicken, in dem Sie die Bronzemedaille gewonnen haben? An diesem Tag habe gefühlt, dass ich stark war und nicht verlieren würde, außerdem dass es sehr sicher sein würde, Tricks anzuwenden. Ich habe genau so gehandelt, wie ich gedacht habe und schlug den amerikanischen Judoka mit einem Strafpunkt. Im Kampf um die Bronzemedaille trat ich gegen den Niederländer D. Elmont an. Er ist zweifacher Silbermedaillenträger der Judoweltmeisterschaften. Als ich mit Elmont während der Weltmeisterschaft 2010 kämpfte, brach ich mir meinen Arm. Deswegen konnte ich damals nicht um die Bronzemedaille kämpfen und überließ sie meinem Gegner aus Japan. Außerdem verlor der mongolische Joduka D. Nyamkhuu gegen Elmonts Bruder während der olympischen Spiele in Peking. Der Präsident der nationalen Judovereinigung sagte zu mir: „D. Nyamkhuu hat schon gegen seinen Bruder verloren. Diesmal hast du kein Recht zu verlieren.“ Ich wusste, wie ich Elmont schlagen kann und handelte entsprechend.
Können Sie uns Ihre Gedanken mitteilen, die Sie hatten, als der Gewinner verkündet wurde und die Zeit vorbei war? Es war sehr schön. Ich dachte, jetzt bin ich zu einem Athlet mit einer Olympiamedaille geworden. Ich war so aufgeregt, dass ich vergaß, mich zu verbeugen, als ich die Bühne verließ. Während des Kampfs ließen mich all die Anfeuerungsrufe des Publikums, die mir applaudierten, daran denken, dass ich gewinnen muss.
Der mongolische Präsident hat sich den Kampf angesehen. Es muss eine sehr seltene Gelegenheit sein, eine Olympiamedaille vor Ihrem Staatsoberhaupt zu erhalten? Ja. An diesem Tag sollte der Präsident verschiedene Kämpfe ansehen. Ich bin sehr froh, dass ich ihm meine Medaille zum Geschenk machen konnte. Ich sehe es als einen sehr glücklichen Umstand an, hat doch nicht jeder die Gelegenheit dazu.
Sie wurden beim Telefonieren gesehen, nachdem Sie die Bühne verlassen hatten. Mit wem haben Sie zuerst gesprochen, nachdem Sie die Bronzemedaille gewonnen hatten? Ich habe mit meinen Eltern gesprochen. Sie konnten nicht wirklich sprechen, weil sie Freudentränen weinten.
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Nachdem die Judoka S. Nyam-Ochir Bronze und N. Tuvshinbayar Silber gewonnen haben, hat nun eine Frau eine Medaille für die Mongolei errungen – und das im wortwörtlichen Sinn. Die Freistil-Ringerin S. Battsetseg gewann in der 63 Kilo-Gewichtsklasse die Bronzemedaille. Der 22-jährigen waren ihre Freude und Stolz über den Sieg über ihre kanadische Gegnerin und den dadurch erreichten Gewinn der Bronzemedaille deutlich anzusehen. Denn lange stand ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen auf wackligen Beinen.
Als Jugendliche begann S. Battsetseg im Jahr 2005 mit dem Ringen in der 59 Kilo-Gewichtsklasse. Sie beschritt im Juniorenbereich mehrere internationale Meisterschaften und gewann u.a. 2007 sowie 2008 den 2. Platz und 2009 den 1. Platz der asiatischen Juniorenmeisterschaft. Im selben Jahr trat sie auch erstmals bei einer Weltmeisterschaft der Damen an. 2010 wurde sie Asienmeisterin und belegte den 5. Platz bei der Junioren-Weltmeisterschaft, bei der sie letztmals antrat. Kurz darauf überraschte sie die ganze Fachwelt, indem sie Damen-Weltmeisterschaft in Moskau gewann.
Als frischgebackene Weltmeisterin in der Gewichtsklasse bis 59 kg wechselte S. Battsetseg 2011 in die 63 Kilo-Gewichtsklasse. Hier konnte sie sich jedoch nicht gegen ihre mongolische Rivalin O. Nasanburmaa durchsetzen, weshalb sie bei keinen internationalen Meisterschaften eingesetzt wurde. So war auch ihre Teilnahme an den jetzigen Spielen unsicher. Doch mit dem Gewinn der Bronzemedaille hat S. Battsetseg wieder einmal ihr Können gezeigt und dem mongolischen Ringerverband bewiesen, dass es eine gute Einscheidung war, sie zu den Olympischen Spielen 2012 in London zu schicken.
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Vier mongolische Boxer nehmen an den Olympischen Spielen 2012 in London teil. Während zwei noch eine Chance auf eine Medaille haben, haben die anderen beiden Boxer der mongolischen Mannschaft ihre Kämpfe bereits verloren. Am 3. August unterlag B. Tuvshinbat mit einem Endergebnis von 13:12 knapp dem Franzosen A. Vastine. Am nächsten Tag trat P. Serdamba, Silbermedaillenträger der Spiele in Peking und Weltmeister von 2009, gegen D.S. Laishram in der Superleichtgewichtsklasse an. Er verlor, womit auch für ihn die Olympischen Spiele 2012 beendet waren.
Mit nur 17 Jahren erhielt N. Tugstsogt 2009 die Silbermedaille bei der Amateur-Boxer-Weltmeisterschaft. Nun erkämpfte er sich einen Platz im Halbfinale der Fliegengewichtsklasse. Gewann er seinen ersten Kampf schon in der ersten Runde, lief es in seinem zweiten Kampf gegen den Italiener V. Picardi zunächst nicht so gut. Doch aufgrund seines eindrucksvollen Kinnhakens konnte N. Tugstsogt die Kontrolle über den Kampf übernehmen und gewann in den beiden darauffolgenden Runden. Im Viertelfinale setzte er sich gegen den Usbeken J. Latipov durch. Am 10. August wird er auf M. Aloian aus Russland treffen und mit ihm um den Einzug ins Finale kämpfen.
Der staatlich ausgezeichnete Boxer U. Munkh-Erdene bestreitet dieses Jahr bereits seine dritten Olympischen Spiele. Nach klaren Siegen gegen seine ersten beiden Gegner, trat er im Viertelfinale gegen den Briten Thomas Stalker an. Dieser belegt den ersten Rank in der Weltergewichtsklasse (bis 64 kg) der AIBA Weltrankliste und ist zweifacher Silbermedaillengewinner der Europameisterschaft. Doch U. Munkh-Erdene konnte auch ihn besiegen. Nun kämpft er am 10. August im Halbfinale gegen Dennis Berintschyk aus der Ukraine.