Zeit zu gehen

23. Dezember 2014, Nürnberg. Um ca. 23:50 Uhr geht das Licht aus. Nach über 33 Jahren sehen etwas mehr als 10 Millionen Fernsehzuschauer, wie Unheilig mit dem Lied „Zeit zu gehen“ die 215. und letzte „Wetten, dass…?“-Ausgabe beendet. Es ist ein Abschied: von einer deutschen Fernsehinstitution, von einem kleinen Teil meiner Kindheit, auch vom Musiker selbst: der Graf beendet seine Karriere mit einem letzten Auftritt im deutschen Fernsehen.

August 2016, Nueva Helvecia, Uruguay. Nach einem Jahr verabschiede ich mich von meinen über 200 Schülern, jeweils drei Mal, mit diesem alten Song.

Es ist Zeit zu gehen

Ich hatte das Lied als eine Art Lückentext angelegt. Es ist nicht mein Lieblingslied, nicht meine Lieblingsband, aber dieser Abschied bei „Wetten Dass…?“ vor zwei Jahren hat bei mir einen Eindruck hinterlassen. Einen Ohrwurm. Außerdem passte es nicht nur thematisch, sondern war noch dazu sehr leicht auf das Lernniveau meiner (nunmehr) ehemaligen Schüler herunterzubrechen.

Wir danken Euch für all die Jahre

Wem will ich danken? Viele, denen ich danken könnte, verstehen die Sprache nicht, in der dieser Blog geschrieben ist. Ich habe sie im Laufe der letzten Wochen alle selbst noch einmal persönlich aufgesucht, mich in meinem nunmehr uruguayischen Spanisch verabschiedet. Eine Woche des Abschieds. Andere verstehen sie sehr wohl, und diejenigen davon, welche diese Zeilen lesen, wissen, dass sie damit gemeint sein werden.

All die schönen Bilder bleiben
Wenn unsere Zeit gekommen ist

Welche Bilder meinen Schülern bleiben werden, ist nur schwer zu sagen. Vielleicht werden es ein paar Worte Deutsch sein. Vielleicht werden sie auch nächstes Jahr, im Liceo, weiter Deutsch lernen. Vielleicht werden sie sich an das ein oder andere Projekt, das wir zusammen gemacht haben, erinnern, oder auch einfach nur an den Christstollen aus Montevideo. Viele Projekte habe ich auf dem PASCH-Blog vorgestellt.

Die Bilder jedoch, die mir bleiben werden, sind mehr als die Summe der über 8600 Fotos aus sechs Ländern, die sich nun auf meiner Festplatte tummeln. Mit diesem, zugegebenermaßen sehr unkreativ benanntem Blog „Janenuruguay“ habe ich versucht, ein Stück Uruguay und auch ein Stück Südamerika den Deutschen näherzubringen. Ich weiß, dass dieser Blog gelesen wurde, nicht nur von Leuten, die mich sowieso kennen, sondern auch von Unbekannten, Fremden, Google-Suchern und Netzsurfern. Ich danke all meinen Lesern, die mich – bewusst oder unbewusst – auf dieser Reise virtuell begleitet haben. Auf meinen Schwesterblog Im hohen Norden wird die Reise noch eine Weile weitergehen, denn ich war nicht mehr schnell genug, alle Eindrücke noch vorher zu bearbeiten und online zu stellen. Irgendwann mal, nach einer langen Zeit, werden sie ein Eigenleben beginnen. Sich zu Momenten zusammenfügen, sich mit Anderen vermischen, sich austauschen, auch im Gespräch mit anderen, auf dem Nachbereitungsseminar oder „zu Hause“, wenn ich jetzt heimkehre.

Kein Augenblick ist je verloren
Wenn er im Herzen weiterlebt
Das Leben wird jetzt anders sein
Doch die Erinnerung bleibt ewig bestehen

„Zu Hause“ – was heißt das eigentlich? Über keine anderen Fragen habe ich in diesem Jahr wohl so viel nachgedacht wie über diese: Was ist Deutschland, was macht das aus? Was ist Deutsch, die deutsche Sprache? Und: wo bin ich zu Hause? Auch wenn ich jetzt kurz in das kleine bayerische Kaff zurückkehren werde, lange werde ich dort nicht bleiben. Die Uni ruft. Bis es auch dann, nach dem Studium, in ein paar Jahren wieder heißen wird:

Es ist Zeit zu gehen.

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