Zurück

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. So musste auch ich nach erlebnisreichen Osterferien dem Ende meines Chile-Aufenthalts entgegensehen, das heißt: einen Flieger besteigen, der mich wieder nach Montevideo zurück bringt. Das klingt jetzt zugegebenermaßen nicht so übermäßig spannend – war es dann aber am Ende doch.

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Wie ich einmal sämtliche uruguayischen Pesos aufkaufte

Die Geschichte beginnt schon mit dem notwendigen Währungswechsel. Bisher war ich ja hauptsächlich in Uruguay oder in Argentinien unterwegs. Beide Währungen waren mir also nicht nur geläufig, sondern wenn mal nach einem Argentinien-Aufenthalt ein paar ARS übrigblieben, so behielt ich diese einfach für das nächste Mal auf.
Mit den chilenischen Pesos war das natürlich nicht möglich – und leider ging es um keine Kleinstbeträge, sondern um ziemlich viel Geld. Also: umtauschen. Und zwar nicht in, wie für Touristen eigentlich sinnvoll, Euro, sondern in einheimische, uruguayische Pesos. Leider ist der UYU keine internationale Leitwährung. Deswegen fielen dem Geldwechsler am Flughafen in Santiago schier die Augen aus dem Kopf, als ich auf einmal uruguayische Pesos haben wollte. Ich hatte ja gedacht, Uruguay ist jetzt doch nicht so weit weg von Chile, da wird er die paar Pesos schon haben, aber dann sagte er mir: er hat fast nichts. Und drückte mir dann einen zehn Zentimeter hohen Stapel (im Ernst) aus 100-Peso-Scheinen in die Hand. 100 uruguayische Pesos sind nicht einmal drei Euro, und ich hatte einen umgerechnet zweistelligen Eurobetrag zu wechseln. Man kann sich also vorstellen, wie das aussah. Am Ende dann noch die Feststellung, dass die uruguayischen Währungsreserven des Geldwechslers leider nicht völlig für den gewünschten Betrag ausreichen würden und er mir den Rest in US-Dollar geben müsse. So so. Ich habe ja noch nie US-Dollar in der Hand gehabt. Sieht schön aus.

Willkommen an Bord von LAN

Nachdem ich also sämtliche uruguayischen Pesos von ganz Santiago aufgekauft hatte (das hat der Geldwechsler wirklich behauptet), ging’s ans Borden in den kleinsten Flieger, den die gesamte LATAM-Flotte zu bieten hat: einen Airbus A 319 mit lächerlichen 880 km/h Höchstgeschwindigkeit. Zum Vergleich: zu meinem FSJ hier geflogen bin ich mit dem zweitgrößten Flieger der Lufthansa-Flotte und der zweitgrößten Passagiermaschine der Welt, einer Boeing 747-8I, auch Jumbo-Jet genannt und als Kandidatin für die Nachfolge der aktuellen Präsidentenmaschine der Vereinigten Staaten[1].
Auf LAN-Flügen fühle ich mich ja mittlerweile fast schon heimisch, so oft, wie ich schon LAN geflogen bin. Das Inflight Magazine vom März kann ich fast schon auswendig, und das obligatorische Sicherheitsvideo in chilenischem Spanisch könnte ich den ganzen Flug über hören: Dispositivos electrónicos de mayor tamaño deben estar apagados y guardados en la bolsa o abajo de la silla delante de usted.[2] Schade, dass ich den unterschiedlichen Akzent in der Schriftsprache nicht deutlich machen kann, er klingt jedenfalls so viel unterschiedlicher als mein gewohntes Uruguayo, dass sich allein bei diesem Video schon Urlaubsgefühle bei mir einstellen. Auch, wenn es wieder zurückgeht.

Economy ist nicht gleich Economy

Der eigentliche Grund für diesen Blogbeitrag ist jedoch, dass ich zum ersten Mal eine andere Buchungsklasse als die billigste geflogen bin: „Premium Economy“. Und das kam so: normalerweise kann ich auf diesen Upgrade-Overimportant-Scheiß ja verzichten. Das ist meiner Meinung nach nur ein Marketingtrick der Fluggesellschaften, um das gleiche Ticket zum doppelten Preis verkaufen zu können. In diesem Falle allerdings wäre der einzige normale Economy-Flug, der noch übrig blieb, nachts um halb elf in Montevideo angekommen. Um diese Uhrzeit fährt natürlich kein Bus mehr nach Nueva Helvecia, eine Übernachtung in Montevideo wäre also fällig gewesen – mit allen Folgen, unter anderem der Tatsache, dass ich dann zu spät zum Schulbeginn wieder zurückgekommen wäre. Der einzige andere sinnvolle Flug, den es zum Zeitpunkt der Buchung noch gab, war aber eben ein Premium Economy Flug. Kostenpunkt: 50 Euro mehr. Das ist ungewöhnlich billig. Als ich in meiner Not den Flug eben gebucht hatte und kurz darauf rein aus Interesse wissen wollte, was der gleiche Flug denn nun kostete, waren es glatt 200 Euro Unterschied zur vergleichbaren Billigklasse.

Ursprünglich hatte ich gedacht, der Unterschied zwischen „normaler“ Economy und Premium Economy beschränke sich allein auf die Anzahl der mitzunehmenden Koffer. Ich hätte sowieso nicht gewusst, wie ich gleich drei Koffer mit jeweils bis zu 23 Kilogramm in der kurzen Zeit in Chile an Gepäck hätte füllen sollen – mit Andenken vielleicht? Also war mir diese Sache erst mal herzlich egal.
Bis ich dann ins Flugzeug stieg. Und siehe da: der Unterschied ist gewaltig. Wir bekamen zwar kein eigenes Abteil (das gibt es in dem kleinen A319 auch gar nicht), aber einen extra mit Vorhang abgetrennten Bereich. Und ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Platz in der allerersten Reihe. Das war natürlich allein schon deswegen interessant, weil man von dort aus die Crew bei den Startvorbereitungen hantieren sehen konnte – bis sie irgendwann den Vorhang zuzog. Bei aller Freude: ein Fensterplatz wäre mir lieber gewesen. Aber als Super-VIP-Overimportant-Frequentflyer-Client hatte ich nur einen Nachteil: ich konnte mit meinen Sitzplatz nicht selber auswählen – und landete auf dem Gang.
Ansonsten eine für mich völlig ungewohnte bevorzugte Behandlung. Bedient wurden wir natürlich nicht von irgendeinem Ottonormalsteward, sondern von der Kabinenchefin persönlich. Die tauchte noch vor Beginn des Fluges mit einem Stapel Magazine in der Hand auf. „Möchten Sie etwas zu lesen?“ – Ja, gerne. Aber doch nicht so viel! Ich hatte schon befürchtet, mir erneut das Bordmagazin zu Gemüte führen zu müssen, aber das war nicht nötig.
Zum Lesen blieb sowieso keine Zeit mehr, wurde doch bald darauf das Frühstück serviert. Das besteht aus Kurzstreckenflügen wie diesem normalerweise immer nur aus einem vertrockneten Müsliriegel und entsprechend wenig hatte ich erwartet. Aber dann kam das:

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Bild Frühstück

Porzellan! Brot! Wurst, Käse, Tomate! Echtes Besteck, und ein Glas statt Pappbecher. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das gesamte Frühstück hindurch schüttelte ich ungläubig den Kopf, und am Ende revidierte ich mein Urteil: für den Preisunterschied bietet die Premium Economy tatsächlich auch ein mehr an Leistungen. Darauf kann ich aber künftig trotzdem verzichten. Erstens, weil ich mir ein Frühstück auf Porzellantellern auch selber machen kann. Und zweitens, weil mir der Fensterplatz dann doch wichtiger ist.

Nachtrag: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast

Nach 16 Wordseiten Schriftgröße 11, 8.532 Wörtern und 56.990 Zeichen (mit Lehrzeichen) bin ich, diesen Nachtrag nicht mitgezählt, nun endlich am Ende meiner Chile-Berichterstattung angekommen. Ich hatte anfangs versprochen, jeden Tag einen Beitrag zu veröffentlichen, doch das hat vorne und hinten nicht geklappt. Am 31. März stellte ich den ersten Beitrag „Über den Anden“ über meinen Hinflug ein, heute, genau zwanzig Tage später, folgte der letzte über meinen Rückflug. Illustriert wird diese gewaltige Menge an Text von 213 Fotos, von denen über die Hälfte beim vorherigen Beitrag über die Atacama-Wüste zu finden ist. Das sind jedoch nur 15 Prozent der 1.406 Fotos und Videos, die insgesamt auf dieser Reise entstanden sind, und die in voller Auflösung über 10 MB fassen – mehr als eine handelsübliche SD-Karte. Dieses gesamte Material zu sichten, zu ordnen und zu bearbeiten hat allein schon mehrere Abende gekostet, und bis heute sind die Fotos auch noch nicht einsortiert. Doch was am meisten bleibt, sind natürlich die unzähligen persönlichen Eindrücke, die sich mir ins Gedächtnis gebrannt haben. Von einigen wenigen, bei weitem nicht von allen, habe ich an dieser Stelle berichtet. Und wie angekündigt, ist es eine Reise der „ersten Male“ geworden. Die Worte „noch nie“ und „zum ersten Mal“ habe ich in diesem gesamten Chile-Text in Summe 21 Mal verwendet. Ich hoffe, ich konnte das Abenteuer Chile dadurch für einige wenige ein bisschen lebendig werden lassen.

[1] Behauptet zumindest Wikipedia. Wer weiß, ob das stimmt.

[2] Was nichts weiter heißen will als: „Größere elektronische Geräte müssen ausgeschaltet und in der Tasche oder unter dem Sitz vor Ihnen verstaut werden“.

1 Kommentar

  1. Norbert · 21. April 2016

    Ja manchmal macht es doch tatsächlich Sinn etwas mehr zu bezahlen. Also doch nicht alles: Upgrade-Overimportant-Scheiß. „Das ist meiner Meinung nach nur ein Marketingtrick der Fluggesellschaften…“. Aber das stimmt schon. Oftmals wird ein „Mehrwert“ sehr teuer verkauft. Aber wenn Du mal Business oder First fliegst – dann bist Du erst wichtig. Und das Essen…. Du musst auch mal an die Aktionäre denken. Die wollen alle eine Dividende. Denn es kann keiner genug haben.

    Ich denke Deine nächste Reise wird die Eindrücke noch toppen.

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