¡Viva la Patria!

¡Viva la Patria!

„Es lebe das Vaterland!“ Ziemlich martialische Rufe erfüllen die Luft. Ich befinde mich auf dem Día del Gaucho, dem Tag des Gauchos in San José de Mayo, dem drittwichtigsten Fest Uruguays und zweitgrößten Gaucho-Festival des Landes nach der Fiesta de la Patria Gaucha. Patria, das heißt Vaterland, und gemeint ist damit natürlich die Republik Östlich des Uruguay, wie das Land offiziell heißt. Grundsätzlich gilt ja: je kleiner und unwichtiger die Nation, desto größer der Nationalstolz. Gerne erinnert man sich hier also an die nationalen Heiligtümer, Tango, Dulce de Leche und natürlich: die Gaucho-Kultur. Ein Bericht.

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Natürlich ist das alles europäisch. Der Gaucho ist hier im Süden auf den weiten Ebenen der Pampa im Prinzip das, was im Norden der Cowboy in der Prärie ist, nur dass er eben einen Mate statt einen Revolver in der Hand führt. Ein europäischer Einwanderer oder maximal Kreole, Viehhirte, der mit den Kühen über die Weiden zog, und der, was viele nicht wissen, als Teil seines Lohns das Recht hatte, die Tiere seines Herrn zu schlachten und abends am Lagerfeuer zu verzehren. Denn schließlich war damals mangels Kühlschrank Fleisch weder lange haltbar noch für Exportzwecke transportierbar und Leder das eigentlich interessante Produkt. So entstand das traditionelle Asado-Grillen über offenem Holzfeuer.

Dennoch fühlte ich mich beim Anblick der gewaltigen Mengen an Pferden, Reitern, Fahnen, Kutschen wie bei den Süddeutschen Karl-May-Festspielen in Dasing. Fehlte nur noch, dass dieses ewig ohrwurmende „Njong-Njüüü“ ertönte und Winnetou persönlich hinter dem nächsten Baum hervorkäme.

Was er aber nicht tat. Der Einzige als indígena kostümierter Teilnehmer des Festumzugs unter Tausenden von Gauchos war ein kleiner Junge, der tatsächlich barfuß und nur mit einer Indianerschürze bekleidet ein störrisches Pony zu reiten versuchte, einen kleinen Rest schlecht verteilter Sonnencreme im Rücken. Auch hier stelle ich wieder fest, was ich in Artigas beim Karneval schon festgestellt hatte: Tradition ist Familienangelegenheit, und schon die Kleinsten machen mit. Hier saßen Kinder auf dem Rücken der Pferde, und zwar alleine, reitend wie die großen, von denen ich schätzte, dass sie bei mir höchstens in der ersten Klasse wären.

Der große Festumzug selbst begann auf eine Art und Weise, die uns in Deutschland fremd ist, der ich aber schon mehrmals begegnet bin: mit einem großen militärischen Akt, dem Absingen der Nationalhymne und dem feierlichen Hissen der Nationalflagge. Auf ähnliche Art und Weise haben meine Einsatzstellen, und zwar beide, ihre Schüler in die Sommerferien verabschiedet. In Bayern täte da allerhöchstens vielleicht noch der Pfarrer kommen, hier kommt das Militär.

So singen sie weitere ihre Hymne (Orientales, la patria o la tumba – „Orientales, das Vaterland oder das Grab“), trinken ihren Mate und reiten der untergehenden Sonne entgegen. Vielleicht etwas zu viel der Klischees, aber man muss sie einfach gern haben, die Republik östlich des Uruguays.

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